Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 21.06.2010

OVG Berlin-Brandenburg: allgemeines verwaltungsrecht, reisekosten, ermessensspielraum, bevorzugung, erlass, auflage, fahrkosten, link, erwerb, sammlung

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 3.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 3a N 3.11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, Art 20a GG, § 1
Abs 1 BRKG, § 3 Abs 1 BRKG, §
4 Abs 1 BRKG
Gleichheitssatz; ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift;
Reisekostenvergütung von Sachverständigen; Bundestag;
BahnCard 100
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juni 2010 wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.
Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 80,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Kläger, der von einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages als
Sachverständiger gehört wurde und dazu unter Nutzung seiner bereits vorhandenen
BahnCard 100 mit der Eisenbahn des Bundes an- und abreiste, begehrt vom Beklagten
die Erstattung von fiktiven Reisekosten in Höhe von 80,00 Euro. Das Verwaltungsgericht
hat die Klage abgewiesen (vgl. VG Berlin, Urteil vom 21. Juni 2010 – VG 34 A 56.07 –
veröffentlicht in Juris).
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Ein Grund, die
Berufung zuzulassen (§ 124 Abs. 2 VwGO), ist auf Grundlage der allein maßgeblichen
Darlegung des Klägers (§ 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht gegeben.
1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des
Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor. Der Kläger stellt die Richtigkeit des
Ergebnisses der angegriffenen Entscheidung nicht mit schlüssigen Gegenargumenten
infrage.
Soweit er rügt, das Verwaltungsgericht verkenne, dass dem Beklagten hinsichtlich der
Gewährung von Reisekostenvergütung mangels einer gesetzlichen Regelung ein
Ermessensspielraum zustehe, vermag er die Richtigkeit des Urteils nicht in Zweifel zu
ziehen. Es trifft zwar zu, dass die Reisekostenvergütung von Sachverständigen und
Auskunftspersonen, die von Gremien des Deutschen Bundestages gehört werden, nicht
gesetzlich geregelt ist. Der Geltungsbereich des Bundesreisekostengesetzes (BRKG)
umfasst nur die Reisekostenvergütung der Beamten und Richter des Bundes sowie der
Soldaten (vgl. näher § 1 Abs. 1 BRKG), zu denen die vom Bundestag gehörten
Sachverständigen nicht gehören. Das Verwaltungsgericht ist aber zu Recht davon
ausgegangen, dass sich die Reisekostenvergütung des Klägers nach den Richtlinien des
Direktors des Deutschen Bundestages über die Entschädigung von Sachverständigen
und Auskunftspersonen sowie Zeugen vom 1. April 1977 in der Fassung vom 30.
November 2005 richtet, auf die das Bestätigungsschreiben vom 11. April 2006 Bezug
nahm. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt, dass eine solche
ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift über die ihr zunächst nur innewohnende
interne Bindung hinaus über den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) eine
anspruchsbegründende rechtliche Außenwirkung im Verhältnis der Verwaltung zum
Bürger zu vermitteln vermag (stRspr, BVerwG Beschluss vom 4. August 2006 – 2 B
12/06, Grundeigentum 2009, S. 391 m.w.N.). Im Interesse einer einheitlichen und
gleichmäßigen Ermessensausübung wird dort die Ausübung des Ermessens der
Verwaltung des Deutschen Bundestages zur Gewährung von Reisekostenvergütung für
Sachverständige geregelt.
Der Sache nach kommt das Verwaltungsgericht zu Recht zu der Bewertung, dass dem
Kläger nach Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Ziffer 7 Abs. 1 der Verwaltungsvorschrift kein
Anspruch auf Reisekostenvergütung in Form von fiktiven Kosten einer Reise mit einer
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Anspruch auf Reisekostenvergütung in Form von fiktiven Kosten einer Reise mit einer
BahnCard 50 oder einem fiktiven Anteil der Kosten der unabhängig von der
abzurechenden Reise erworbenen BahnCard 100 zusteht. Entgegen der Rüge des
Klägers hat der Beklagte sein durch die Verwaltungsvorschrift gelenktes Ermessen nicht
fehlerhaft ausgeübt. Nach der Verwaltungsvorschrift erhalten u.a. Sachverständige
Reisekostenvergütung in sinngemäßer Anwendung der Vorschriften des
Bundesreisekostengesetzes nach diesen Richtlinien und den im Anhang befindlichen
ergänzenden Hinweisen. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass der Anspruch auf
fiktive Reisekostenvergütung in sinngemäßer Anwendung von §§ 3 Abs. 1 und 4 Abs. 1
BRKG hier ausscheide, weil die Erstattung notwendiger Reisekosten voraussetzte, dass
aus Anlass der konkreten Reise tatsächlich Kosten entstanden seien, was bei der
Verwendung der ohnehin vorgehaltenen BahnCard 100 hier nicht der Fall gewesen sei
(vgl. auch OVG Hamburg, Beschluss vom 1. November 2007, NJW 2008, S. 1242), wird
vom Kläger nicht mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt. Auch nach den in
der Verwaltungsvorschrift enthaltenen Hinweisen für Reisekostenvergütungen sind -
wenn tatsächliche Kosten für Fahrten entstanden sind - bei der Ermittlung der Kosten
mögliche Fahrpreisermäßigungen (z.B. die Nutzung der vorhandenen BahnCard)
auszunutzen. Der Beklagte hat in Anlehnung an Ziffer 4.2.2 der Allgemeinen
Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (GMBl. 2005, 830) zu Recht
ausgeführt, dass die anteiligen Kosten einer nicht aus dienstlichen Gründen gekauften
BahnCard nur dann erstattet werden können, wenn sie sich vollständig (für den
Dienstherrn bzw. hier für den Bundestag) amortisiert haben. Dies ist bei der einmaligen
Fahrt des Sachverständigen von Münster nach Berlin und zurück offensichtlich nicht der
Fall. Das Verwaltungsgericht führt daher zu Recht aus, dass sich aus Ziffer 7 Abs. 1 der
Verwaltungsvorschrift auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Hinweise zur
Reisekostenvergütung kein Anspruch des Klägers auf die begehrte Vergütung der
fiktiven Reisekosten herleiten lässt. In diese Sinne führt es aus, dass unter
Berücksichtigung der vorgenannten Verwaltungsvorschrift in diesem Fall kein
Ermessensspielraum des Beklagten bestehe.
Soweit der Kläger darüber hinaus rügt, dass ihm gleichheitswidrig die Erstattung der
Kosten auf Basis der Kosten eines „Tickets“ mit der BahnCard 50 verweigert werde, weil
die durch eine 33 Jahre alte Richtlinie gesteuerte Verwaltungspraxis des Bundestags das
Phänomen der BahnCard nicht berücksichtigte, vermag er hieraus keinen Anspruch auf
die begehrte Leistung herzuleiten. Zwar kann unter dem Aspekt des allgemeinen
Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) in atypischen Fällen wegen besonderer Umstände
des Einzelfalles ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift geboten sein (vgl. nur
Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 17. Auflage, § 24 Rdnr. 23 m.w.N.). Die Anreise
des Sachverständigen unter Nutzung seiner bereits vorhandenen BahnCard 100 stellt
aber keinen atypischen, von der Verwaltungsvorschrift nicht erfassten Sachverhalt dar.
Die Richtlinie des Beklagten ist gerade nicht mehrere Jahrzehnte alt, sondern stammt in
der hier maßgeblichen Fassung vom 30. November 2005. Wie sich aus der
ausdrücklichen Nennung der BahnCard in Satz 8 des zur Verwaltungsvorschrift
gehörenden Hinweises zur Reisekostenvergütung ergibt, war bei Erlass der Vorschrift das
Phänomen der BahnCard bekannt. Der Normgeber hat gleichwohl eine fiktive anteilige
Erstattung der Kosten für eine nicht aus dienstlichen Gründen gekaufte BahnCard 100
für Sachverständige nicht geregelt. Ein Abweichen von der Verwaltungsvorschrift und
eine damit einhergehende Ermessensreduzierung dahingehend, dass von dem
Beklagten die begehrte Erstattung der fiktiven Reisekosten zu gewähren wäre, ist daher
von vornherein nicht geboten.
Auch soweit der Kläger geltend macht, dass die durch die Verwaltungsvorschrift gelenkte
Verwaltungspraxis des Beklagten mit Art. 20 a GG unvereinbar sei, da sie eine
Bevorzugung des individuellen-motorisierten Personenverkehrs gegenüber der
umweltschonenden Bahn darstelle, vermag dies ebenfalls keinen Anspruch auf
Erstattung der fiktiven Bahnreisekosten herzuleiten. Der in Art. 20 a GG normierte
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen im Sinne einer Staatszielbestimmung wendet
sich in erster Linie an den Gesetzgeber und ist – für sich betrachtet – kein Mittel, um
subjektive Rechte etwa des Klägers zu begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November
1997, NVwZ 1998, S. 398). Im Übrigen hat der Beklagte zutreffend dargelegt, dass seine
Verwaltungspraxis, Sachverständigen bei der Nutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges
eine Wegstreckenentschädigung zu zahlen und gegenüber Eigentümern einer BahnCard
100 die Erstattung der fiktiven Fahrkosten abzulehnen, nicht ermessensfehlerhaft ist, da
für die Nutzung des eigenen PKWs – über die Kosten des Erwerbs hinaus – tatsächliche
Aufwendungen entstehen (z.B. Kraftstoffkosten), der Inhaber der BahnCard 100 die
Leistungen der Deutschen Bundesbahn aber nach Erwerb der BahnCard ohne
zusätzliche Kosten oder Aufwendungen nutzen kann.
2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder
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2. Auch der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder
tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nicht
gegeben. Das Vorbringen des Klägers genügt schon nicht den
Darlegungsanforderungen. Der Kläger zeigt nicht substantiiert auf, worin die besonderen
Schwierigkeiten zu erblicken sein sollen. Zudem zeigen die Ausführungen unter 1., dass
die gerügten Rechtsfragen ohne besondere Schwierigkeiten geklärt werden können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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