Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 23.12.2010

OVG Berlin-Brandenburg: aussetzung, link, quelle, sammlung, ermessensspielraum, archiv, verfügung, einverständnis, gesetzestext

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 L 7.11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 94 VwGO, § 146 VwGO, § 173
VwGO, § 251 ZPO, § 61 Abs 1
Nr 3 BauO BE
Beschwerde gegen die Anordnung des Ruhens des Verfahrens;
Antrag der Beteiligten; Einverständniserklärung eines
Beteiligten; Zweckmäßigkeit; Ermessen
Tenor
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Dezember 2010 wird geändert.
Das Ruhen des Verfahrens wird bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Senats im
Berufungsverfahren OVG 2 B 16.10 angeordnet.
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
Gründe
1. Die Beschwerde ist statthaft (§ 146 Abs. 1 VwGO). Die Versagung einer beantragten
Aussetzung oder Anordnung des Ruhens des Verfahrens ist keine prozessleitende
Verfügung im Sinne des § 146 Abs. 2 VwGO, gegen die eine Beschwerde ausgeschlossen
ist (vgl. BayVGH, Beschluss vom 26. Juli 2004 – 22 C 04.1198 –, juris; Guckelberger in:
Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 146 Rn. 24, jeweils m.w.N.). Auch sonst bestehen
keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Nach der gemäß § 173 Satz 1 VwGO im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 251
Satz 1 ZPO hat das Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien
dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von
Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung
zweckmäßig ist.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Für den in entsprechender Anwendung des § 251 Satz 1 ZPO erforderlichen Antrag der
Hauptbeteiligten genügt es, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. November 2010
das Ruhen des Verfahrens beantragt und der Beklagte dazu unter dem 9. Dezember
2010 sein Einverständnis erklärt hat (vgl. Roth in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 251 Rn.
4).
Die beantragte Anordnung des Ruhens des Verfahrens bis zur rechtskräftigen
Entscheidung des Senats im Berufungsverfahren OVG 2 B 16.10 ist aus einem sonstigen
wichtigen Grund zweckmäßig, denn es ist zu erwarten, dass in dem Berufungsverfahren,
welches das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Juli 2010 – VG 19 K 251.09 –
betrifft, die auch für das vorliegende Verfahren bedeutsame Frage geklärt wird, ob die
Regelung des § 61 Abs. 1 Nr. 3 BauO Bln der Erteilung einer gesonderten
Baugenehmigung für Spielhallen, deren Betrieb einer Erlaubnis nach § 33 i GewO bedarf,
entgegensteht.
Dass die Senatorin für Stadtentwicklung nach einer Pressemitteilung der Senatskanzlei
vom 1. März 2011 (vgl. www.berlin.de/landespressestelle/archiv/2011030
1.1230.333426.html ) inzwischen einen Gesetzentwurf zur Änderung der Bauordnung
vorgelegt hat, wonach – entsprechend der bis zum Urteil des Verwaltungsgerichts vom
21. Juli 2010 geübten Verwaltungspraxis – für Spielhallen eine gesonderte
Baugenehmigung zu erteilen ist, steht der Zweckmäßigkeit der Ruhensanordnung nicht
entgegen. Sollte die Neuregelung wie geplant in Kraft treten und sich danach die Frage
nach der Statthaftigkeit eines Antrags auf Erteilung einer Baugenehmigung nicht mehr
stellen, so kann das Verwaltungsgericht, wenn nicht einer der Beteiligten das Verfahren
wieder aufnimmt, das Ruhen wegen Wegfalls der Anordnungsvoraussetzungen von Amts
wegen für beendet erklären (vgl. Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 31. Aufl. 2010, § 251
Rn. 5 ff.).
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Liegen die Voraussetzungen für eine Ruhensanordnung nach § 251 ZPO vor, hat das
Gericht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift
handelt es sich insoweit, anders als bei der Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO,
um eine gebundene Entscheidung. Soweit aus der Verwendung des Wortes
„zweckmäßig“ im Gesetzestext teilweise abgeleitet wird, dass das Gericht einen
Ermessensspielraum hat (vgl. etwa Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 94 Rn. 1;
Kreutz/Franz/Maske, DVBl. 2006, S. 221, 222; jeweils m.w.N.), vermag dem der Senat
nicht zu folgen, denn die Zweckmäßigkeit der Ruhensanordnung stellt einen
unbestimmten Rechtsbegriff dar, der im Beschwerdeverfahren der vollen gerichtlichen
Überprüfung unterliegt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28. Januar 2011 – 4 OB 9.11 –, bei
juris m.w.N.).
Ob auch die Voraussetzungen einer Aussetzung § 94 VwGO vorliegen, kann
unentschieden bleiben, denn das von der Klägerin geltend gemachte
Aussetzungsbegehren hat sich mit der Ruhensanordnung, die einen Sonderfall der
Aussetzung des Verfahrens darstellt (vgl. Kreutz/Franz/Maske, a.a.O., S. 222), erledigt.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da es sich um ein unselbständiges
Zwischenverfahren handelt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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