Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 17.05.2010

OVG Berlin-Brandenburg: grundstück, nachteilige veränderung, halboffene bauweise, einfamilienhaus, privatsphäre, wohngebäude, wohnhaus, besucher, breite, reihenhaus

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 10.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 10 S 21.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 34 Abs 1 VwGO
Frage der Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme durch
Ausrichtung der "Gebäudefront" auf das Nachbargrundstück
Leitsatz
Zur Frage der Verletzung des Rücksichtnahmegebotes durch die Ausrichtung der
"Gebäudefront" eines an die Brandwand einer geschlossenen Blockrandbebauung
angebauten fünfgeschossigen Wohnhauses zur seitlichen Grundstücksgrenze eines
benachbarten zweigeschossigen Einfamilienhauses.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 17. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 3.750 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des mit einem zweigeschossigen Einfamilienhaus
bebauten Grundstücks S. 38 in B.-P.. Sie wehrt sich im vorliegenden Verfahren gegen die
der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 8. Dezember 2009 für die Bebauung
des nordöstlich angrenzenden Grundstücks S.3... mit ... einem fünfgeschossigen
Wohnhaus nebst Dachausbau.
Die Grundstücke liegen in einem unbeplanten Innenbereich zwischen S., E.-Straße, K.
Straße und G.straße. Dieser weist eine uneinheitliche Wohnbebauung auf, denn die
Bebauung besteht im Wesentlichen aus einer Mischung aus einer vier- bis
sechsgeschossigen geschlossenen Blockrandbebauung mit Mietwohnhäusern sowie ein-
bis zweigeschossigen Einfamilienhäusern in offener, teils halboffener Bauweise.
Insgesamt verteilt sich die Bebauung in diesem Bereich wie folgt: Entlang der E.-Straße
befindet sich eine geschlossene Blockrandbebauung mit Mietwohnhäusern, die sich bis
in die K.Straße bzw. bis in die S. hineinzieht und damit den südwestlichen Teil des
Karrees quasi „einrahmt“. Danach bricht diese Bebauung sowohl in der S. als auch in
der K. Straße ab und es folgt im Wesentlichen nur noch eine ein- bis zweigeschossige
Wohnbebauung in offener, teilweise auch halboffener Bauweise. Die vier- bis
sechsgeschossige geschlossene Blockrandbebauung setzt sich in östlicher Richtung erst
wieder auf den Grundstücken S. 3...- teils mit Seitenflügeln - fort. Ab dem Grundstück
S.32 zieht sie sich bis zur Ecke G.straße und in nördlicher Richtung auch bis in diese
hinein.
Die Beigeladene will das fünfgeschossige Wohngebäude nebst Dachgeschossausbau
geschlossen an die Brandwand des benachbarten Seitenflügels S. anbauen. Es soll
hinsichtlich der Höhe und der Tiefe etwa deckungsgleich mit dieser sein und nur im
viergeschossigen hinteren Drittel von der Brandwand überragt werden. Von der
Grundstücksbreite (etwa 18 m) soll nur etwa die Hälfte von dem Wohngebäude in
Anspruch genommen werden, weil der Baukörper um 90° „gedreht“ und rückwärtig an
den Seitenflügel angebaut werden soll. Dadurch wird die „Front“ des Gebäudes sowie
der ganz überwiegende Teil der Fenster, Balkone und Terrassen südwestlich
ausgerichtet, d.h. dem Grundstück der Antragstellerin zugewandt sein. Gegen die
Baugenehmigung vom 8. Dezember 2009 hat die Antragstellerin Widerspruch eingelegt
und beim Verwaltungsgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Der
Antrag wurde mit Beschluss vom 17. Mai 2010 wegen mangelnder Verletzung von
Nachbarrechten abgelehnt. Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.
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Die Antragstellerin rügt, dass sich das Verwaltungsgericht bei der Beurteilung der Frage
der Rücksichtslosigkeit des fünfgeschossigen Mehrfamilienwohnhauses im Verhältnis zu
dem nur mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück nicht mit den spezifischen
Besonderheiten der dadurch entstehenden Situation auseinandergesetzt habe. Durch
die Konfrontation ihres Grundstücks mit einer der Höhe, Baumasse, Bebauungstiefe und
Ausrichtung nach gebietsfremden und rechtswidrigen Bebauung entstehe zwischen den
benachbarten Grundstücken ein eklatantes Ungleichgewicht mit erdrückender Wirkung,
das im gesamten Baublock kein Vorbild finde und zu einem grundlegenden qualitativen
Wandel ihrer Grundstückssituation führe. Außerdem liege ihr Innen- und ihr
Außenwohnbereich durch die südwestliche Ausrichtung des Baukörpers mit den
Fenstern, Terrassen und Balkonen gleichsam auf dem „Präsentierteller“. Dies werde
auch nicht durch die sogenannten Pflanzbalkone abgemildert, die allenfalls geeignet
seien, die Intimität der dahinterliegenden Wohnungen selbst zu steigern. Auch wenn die
Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen in der Regel indiziere, dass kein
Verstoß gegen das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot vorliege, sei hier
jedoch einer der von der Rechtsprechung definierten Ausnahmefälle gegeben, in denen
durch die Einsichtsmöglichkeiten auf das Nachbargrundstück die Zumutbarkeitsschwelle
überschritten werde und damit ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot
anzunehmen sei.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen
die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen
Entscheidung auseinandersetzen. Die Prüfung des Oberverwaltungsgerichts ist nach §
146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die fristgemäß dargelegten Beschwerdegründe beschränkt.
Die von der Antragstellerin mit der Beschwerde dargelegten Gründe rechtfertigen im
Ergebnis keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, denn auf eine Verletzung des
Rücksichtnahmegebotes aus § 34 Abs. 1 BauGB wegen einer erdrückenden Wirkung des
Vorhabens der Beigeladenen oder durch unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten auf ihr
Grundstück kann sie sich nicht stützen.
Das aus dem Begriff des Einfügens im Sinne von § 34 Abs. 1 BauGB ableitbare
Rücksichtnahmegebot kann nach der Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.
Januar 1999, BRS 62 Nr. 102) nur verletzt sein, wenn sich ein Vorhaben objektivrechtlich
nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die
überbaut werden soll, nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Andere als
diese vier Normelemente des § 34 Abs. 1 BauGB sind für die Bewertung der Frage, ob
sich ein Bauvorhaben in die nähere Umgebung einfügt, ohne Belang (vgl. OVG NW,
Beschluss vom 30. September 2005, BauR 2006, 95). Deshalb ist die für die für die
Antragstellerin überraschende Ausrichtung der „Gebäudefront“ zur seitlichen
Grundstücksgrenze und damit auf ihr Grundstück zu im Zusammenhang mit der Frage
des Sicheinfügens nicht von Bedeutung, auch wenn diese bauliche Figur in dem
gesamten Baublock kein Vorbild hat.
Nach den Ausführungen zur baulichen Situation in dem unbeplanten Innenbereich
spricht alles dafür, dass sich das Vorhaben der Beigeladenen jedenfalls hinsichtlich der
Art der baulichen Nutzung und der Bauweise in die Eigenart der näheren Umgebung
einfügt. Ob dies auch hinsichtlich der nicht unmittelbar nachbarschützenden
planungsrechtlichen Vorschriften über das zulässige Maß der baulichen Nutzung und der
überbaubaren Grundstücksflächen der Fall ist, wie sie hier im Streit sind, bedarf keiner
Klärung. Denn bezogen auf die Vorschriften könnte sich eine Verletzung von
Nachbarrechten ohnehin nur aus einer Verletzung des Rücksichtnahmegebotes
ergeben. Danach muss ein durch die Überschreitung konkret betroffener
Grundstückseigentümer unter Berücksichtigung der gesamten Situation und nach
Abwägung der schutzwürdigen Belange der beteiligten Grundstücke unzumutbar
beeinträchtigt sein. Es muss sich um eine derjenigen Ausnahmesituationen handeln, in
denen die Verletzung der nicht primär nachbarschützenden Vorschriften im konkreten
Fall den Grad der Unzumutbarkeit, also einer billigerweise nicht mehr hinnehmbaren
Verschlechterung der Situation des betroffenen Grundstücksnachbarn, erreicht (vgl.
OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 30. Oktober 2009, BauR 2010, 441, m.w.N.). Ein solcher
Fall liegt jedoch nicht vor.
Allein der Umstand, dass die bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen von dem
Vorhaben eingehalten werden, ist - auch nach der gesetzlichen Reduzierung der
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Vorhaben eingehalten werden, ist - auch nach der gesetzlichen Reduzierung der
Abstandsflächentiefe auf 0,4 H und dem damit verbundenen verminderten
Anforderungsniveau - in der Regel ein zuverlässiger Indikator dafür, dass für die
Annahme einer Beeinträchtigung der durch das Abstandsflächenrecht geschützten
Belange der Belichtung, Besonnung und Belüftung sowie der Begrenzung der
Einsichtnahmemöglichkeiten durch ein Vorhaben grundsätzlich kein Raum ist (vgl. OVG
Bln-Bbg, a.a.O.). Nur wenn Rechte des Nachbarn durch Einwirkungen beeinträchtigt
werden, gegen die das Abstandsflächenrecht keinen Schutz gewährt oder die über den
abstandsflächenrechtlichen Schutzbereich und die sich daraus ergebende
gesetzgeberische Wertung hinausgehen, kann der Rückschluss aus dem
Abstandsflächenrecht auf eine mögliche Verletzung von Nachbarrechten nicht erfolgen.
In diesen besonders gelagerten Fällen kann ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB
enthaltene Gebot der Rücksichtnahme zur Unzulässigkeit eines Bauvorhabens führen,
obwohl es die abstandsflächenrechtlichen Vorschriften nicht verletzt (vgl. grundsätzlich:
BVerwG, a.a.O. sowie OVG Bln-Bbg, a.a.O.). Wann insoweit die bauplanungsrechtliche
Relevanzschwelle im Einzelnen erreicht ist, lässt sich nicht anhand von
verallgemeinerungsfähigen Maßstäben feststellen, sondern hängt von den jeweiligen
konkreten Gegebenheiten ab. Für die Annahme einer Verletzung des
Rücksichtnahmegebotes genügt es jedenfalls nicht, wenn ein Vorhaben die Situation für
den Nachbarn nachteilig verändert. Vielmehr beschränken sich diese Fallgestaltungen
auf Extremfälle (vgl. hierzu unter Anführung von Fallbeispielen: NdsOVG, Beschluss vom
15. Januar 2007, BRS 71 Nr. 88 sowie Beschluss vom 18. Februar 2009, BauR 2009, 954;
OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 10. März 2006 - OVG 10 S 5.05 -, OVGE 27, 53; OVG NW,
Urteil vom 22. August 2005, BRS 69 Nr. 91; HbgOVG, Urteil vom 17. Januar 2002, BRS 65
Nr. 192). Mit diesen Situationen ist die im vorliegenden Fall zu erwartende nachteilige
Veränderung für das Grundstück der Antragstellerin durch das streitgegenständliche
Vorhaben jedoch nicht vergleichbar.
1. Unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung ist eine Verletzung des
bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Diese wird vielfach mit den baurechtlichen Schlagworten einer „Hinterhofsituation“, des
„Gefühls des Eingemauertseins“, der „Abriegelung“ und der fehlenden „Luft zum
Atmen“ gekennzeichnet (siehe Nachweise bei NdsOVG, a.a.O.). Bei einem Grundstück,
das auch nach der Verwirklichung des Bauvorhabens in südlicher, westlicher und
nördlicher Richtung frei von größerer Bebauung ist und insoweit entlastet wird, scheidet
die Annahme einer solchen Situation von vornherein aus (vgl. HbgOVG, a.a.O.). Zwar
kann in Ausnahmefällen auch ein extremer Höhenunterschied zwischen benachbarten
Bauten erdrückende Wirkung haben, wie das Beispiel eines zwölfgeschossigen Wohn-und
Geschäftshauses neben einem vorhandenen zweigeschossigen Wohnhaus zeigt (vgl.
BVerwG, Urteil vom 13. März 1981, BRS 38 Nr. 186). Ein solches Missverhältnis wird aber
zwischen der zweigeschossigen Bebauung auf dem Grundstück der Antragstellerin und
der fünfgeschossigen Bebauung auf dem Grundstück der Beigeladenen nicht erreicht.
Außerdem kann die Höhendifferenz dann nicht relevant sein, wenn ein solches
Nebeneinander unterschiedlicher Gebäudehöhen für die Bebauung in der näheren
Umgebung in einem unbeplanten Gebiet geradezu prägend ist. Dies ist hier der Fall, weil
in dem Karree noch in größerem Umfang Teile einer vier- bis sechsgeschossigen
Blockrandbebauung vorhanden sind. Das Bauvorhaben der Beigeladenen orientiert sich
zudem hinsichtlich der Gebäudehöhe und der Bebauungstiefe an dem benachbarten
Seitenflügel auf dem Grundstück S.36, an den es angebaut wird. Hinsichtlich der Höhe
bleibt es im hinteren Drittel des Baukörpers sogar noch dahinter zurück und nimmt im
Gegensatz zu der östlich anschließenden Blockrandbebauung nur etwa die Hälfte der
Grundstücksbreite ein. Die Antragstellerin verkennt, dass bei der disparaten Bebauung
in dem unbeplanten Innenbereich auch eine Fortsetzung der geschlossenen
Blockrandbebauung auf den Grundstücken S.36 bis 34 in westlicher Richtung - also bis
an ihre Grundstücksgrenze - durchaus noch planungsrechtlich denkbar hätte sein
können und dass sie in diesem Falle mit einer Brandwand an der Grundstücksgrenze
konfrontiert gewesen wäre.
2. Auch unter dem Gesichtspunkt der unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten kommt eine
Verletzung des bauplanungsrechtlichen Rücksichtnahmegebots nicht in Betracht.
Über die Indizwirkung der Einhaltung der Abstandsflächen hinaus (siehe hierzu OVG Bln-
Bbg, Beschluss 30. Oktober 2009, a.a.O.) kann eine Verletzung des
Rücksichtnahmegebots durch die Stellung des Baukörpers und der dadurch bewirkten
erhöhten Einsichtsmöglichkeiten nur in absoluten Ausnahmefällen zum Tragen kommen.
Dies gilt vor allem in innerstädtischen Lagen. Die aus der Rechtsprechung ersichtlichen
Fallgestaltungen, in denen eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch
unzumutbare Einsichtsmöglichkeiten bejaht worden ist, zeichnen sich entweder dadurch
aus, dass die hinzutretende bauliche Anlage den alleinigen Zweck hatte, als
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aus, dass die hinzutretende bauliche Anlage den alleinigen Zweck hatte, als
Aussichtsplattform für eine Vielzahl wechselnder Besucher aus großer Höhe zu dienen
(z. B. 30 m hoher Aussichtsturm neben einem Einfamilienhaus: OVG Bln-Bbg, Beschluss
vom 10. März 2006, a.a.O.) oder dass die Verhältnisse derart beengt waren, dass nicht
wenigstens ein Mindestmaß an Privatsphäre für den Nachbarn verblieb (z. B.
Balkonanbau an ein Reihenhaus über die gesamte Breite im Abstand von nur einem
Meter zum Schlafzimmer des rückwärtigen Nachbarn: OVG NW, Urteil vom 22. August
2005, a.a.O.). Beide Fälle sind weder hinsichtlich der Zweckbestimmung noch hinsichtlich
der die Privatsphäre verletzenden drangvollen Nähe vergleichbar, denn die zu den
Wohnungen auf dem Grundstück der Beigeladenen gehörenden Fenster, Balkone und
Terrassen haben nicht den alleinigen Zweck, einer unbestimmten Vielzahl wechselnder
Besucher Aussichtsmöglichkeiten auf das Grundstück der Antragstellerin zu bieten, und
zwischen den benachbarten Baukörpern liegen im vorliegenden Fall etwa 15 m Abstand.
Der vom OVG Hamburg entschiedene Fall (vgl. Urteil vom 17. Januar 2002, a.a.O.), der
der vorliegenden Fallgestaltung noch am Nächsten kommt, weil er ein Nebeneinander
von einem Einfamilienhaus und einer viergeschossigen Wohnhausbebauung mit 16
Wohneinheiten betraf, unterscheidet sich jedoch hinsichtlich der eröffneten
Einsichtsmöglichkeiten und deren Wirkung auf das benachbarte Grundstück, denn die
dem Einfamilienhaus zugewandte Giebelwand war über eine Höhe von 11 m im Abstand
von etwa 2 m zur Grundstücksgrenze mit vollverglasten, aus der Gebäudewand
hervortretenden Vorbauten versehen, deren bodentiefe Verglasungen es geradezu
nahelegten, dort Sitz- oder ähnliche Gelegenheiten zu schaffen, was nach der
Auffassung des Gerichts zu einer Art Aneinanderreihung von „Aussichtskanzeln“ mit
Blick auf den Garten und das Haus des benachbarten Grundstücks führte.
Demgegenüber müssen die Fenster und Balkone der zehn Wohneinheiten im
benachbarten Gebäude der Beigeladenen zu diesem Zweck erst gezielt aufgesucht
werden, wobei die 80 cm tiefen Pflanztröge der Balkone ein Herantreten an die Brüstung
nicht möglich machen und in der Sitzposition blickfeldeinschränkend wirken. Diese
schaffen eine erhöhte Distanz, so dass der vorliegende Fall jedenfalls nicht mit dem der
vorgenannten „Aussichtskanzeln“ vergleichbar ist, zumal auch der Abstand zu der
Grundstücksgrenze ein deutlich anderer ist.
Im Übrigen bewirkt die außergewöhnliche Ausrichtung der „Gebäudefront“ zur seitlichen
Grundstücksgrenze, dass nur die Hälfte der Grundstücksbreite bebaut wird und dem
Grundstück der Antragstellerin dadurch mehr Raum verbleibt als bei einer denkbaren
Fortsetzung der geschlossenen Blockrandbebauung in westlicher Richtung. Darüber
hinaus stellt diese Art der Bebauung des Grundstücks in der gegebenen Situation einen
städtebaulich befriedigenden Abschluss dar, der weder durch eine Bebauung mit einem
weiteren Einfamilienhaus noch mit einer Fortsetzung der fünfgeschossigen
Blockrandbebauung erreicht worden wäre, denn sie rundet die isoliert dastehende
Blockrandbebauung auf den Grundstücken S. 36 bis 34 zu dem begrünten Innenbereich
hin ab. Es handelt sich daher in der gegebenen baulichen Situation um einen eher
günstig gestalteten baulichen Übergang zwischen der hart aufeinander treffenden
fünfgeschossigen geschlossenen Mietwohnhausbebauung und der
Einfamilienhausbebauung in offener Bauweise, zumal durch die halboffene Bauweise
auch die Abstandsflächen zu dem Grundstück der Antragstellerin eingehalten werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen werden der Antragstellerin auferlegt, weil
diese im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz vom 6. Juli 2010 einen
Zurückweisungsantrag gestellt hat und damit ein Kostenrisiko eingegangen ist. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG, wobei
der Senat der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung folgt.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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