Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 27.08.2010

OVG Berlin-Brandenburg: wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, genehmigung, vollziehung, ddr, widerspruchsverfahren, wachstum, gefahr, zustand, sammlung, neubau

1
2
3
4
5
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 11.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 11 S 54.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 17 Abs 8 BNatSchG, § 80 Abs
5 VwGO
Interessenabwägung im Verfahren des einstweiligen
Rechtsschutzes bezüglich einer naturschutzrechtlichen
Untersagungsverfügung
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Frankfurt (Oder) vom 27. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt der Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt als Eigentümer des S. in Bad-S. vorläufigen Rechtsschutz
gegen den durch Bescheid des Antragsgegners vom 11. Mai 2010 unter
Zwangsgeldandrohung angeordneten vollständigen Rückbau nebst Untersagung der
Nutzung der in den Scharmützelsee hineinragenden Steganlage R. und einen
gleichzeitig ergangenen Gebührenbescheid.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung der am 21. Mai 2010 erhobenen Widersprüche durch - dem
Antragsteller am 9. September 2010 zugestellten - Beschluss vom 27. August 2010
hinsichtlich des Gebührenbescheids mangels vorheriger Durchführung eines
behördlichen Aussetzungsverfahrens nach § 80 Abs. 6 VwGO und hinsichtlich der
Rückbauanordnung mangels behördlicher Anordnung sofortiger Vollziehung als
unzulässig, im Übrigen als unbegründet abgelehnt.
II.
Die - hiergegen rechtzeitig am 22. September 2010 erhobene und am 8. Oktober 2010
begründete - Beschwerde des Antragstellers hat auf der Grundlage der vom
Oberverwaltungsgericht nach § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO allein zu prüfenden
Begründung, die sich ausschließlich mit der Frage der Rechtmäßigkeit der
Nutzungsuntersagung und der Abwägung von öffentlichem Vollzugs- und privatem
Aussetzungsinteresse befasst, keinen Erfolg.
Der Antragsteller macht zunächst geltend, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass
der Antragsgegner nachweispflichtig sei und diesen Nachweis nicht erbracht habe, wenn
- wie vorliegend - die wasserbehördliche Genehmigung der Steganlage nicht mehr
auffindbar und zudem unstreitig sei, dass eine solche - hier: in den 50er Jahren an Herrn
M. - erteilt wurde. Denn derartige Genehmigungen seien nach einem Urteil des
Oberverwaltungsgerichts Berlin vom 31. Juli 1991 - 1 B 63.89 - im Regelfall nicht
personen-, sondern anlagenbezogen erteilt worden und deshalb übertragbar, sofern dies
dort nicht ausdrücklich ausgeschlossen sei. Dementsprechend sei hier vom Regelfall
auszugehen und Bestandsschutz der Steganlage anzunehmen gewesen.
Ob diese Ausführungen zur regelmäßig anlagenbezogenen Erteilung einer
wasserbehördlichen Genehmigung einer Steganlage im - zum Berliner Wassergesetz
unter Rückgriff auf die Rechtslage nach dem Preußischen Wassergesetz bzw. die
Rechtsprechung des Preußischen Oberverwaltungsgerichts zu dessen § 22 ergangenen -
Urteil des OVG Berlin auch für die H. in den 50er Jahren, d.h. zu DDR-Zeiten,
offensichtlich auch „nach § 22 WG“ erteilte Genehmigung (vgl. Streitakte Bl. 52
Rückseite) gelten - der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung vom 1. Juli 2010
6
7
8
9
10
11
Rückseite) gelten - der Antragsgegner hat in seiner Antragserwiderung vom 1. Juli 2010
ausgeführt, die Genehmigung sei zwar noch unter Geltung des Preußischen
Wassergesetzes erteilt worden, aber nach § 50 Abs. 2 Wassergesetz der DDR vom 17.
April 1963 erloschen -, ist im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes
nicht abschließend zu klären und muss deshalb offen bleiben.
Ob die Steganlage tatsächlich Bestandsschutz genießt, hängt zudem aber auch davon
ab, ob nach Erteilung dieser Genehmigung Eingriffe in die Bausubstanz erfolgt sind, die
zu etwas Neuem geführt haben, oder ob trotz zwischenzeitlicher
Instandsetzungsarbeiten die Identität des Bauwerks erhalten geblieben ist (vgl. dazu die
im Beschluss des Verwaltungsgerichts zitierte Rechtsprechung des Senats). Soweit der
Antragsteller unter Vorlage mehrerer Fotos der Steganlage zur Beschwerdebegründung
geltend macht, das Verwaltungsgericht habe den Bestandsschutz zu Unrecht
angezweifelt, da nur einige unwesentliche Reparaturarbeiten durchgeführt worden seien,
ist auch das im vorliegenden vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht mit der
notwendigen Gewissheit abschließend zu klären.
Sind mithin, wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, die
Erfolgsaussichten des Widerspruchsverfahrens offen, bedarf es einer Abwägung des
öffentlichen Vollzugsinteresses mit den entgegenstehenden privaten Interessen des
Antragstellers. Die hierbei erforderliche Folgenabwägung geht zu Lasten des
Antragstellers aus.
Die weitere Nutzung einer - unterstellt - zumindest formell illegalen Steganlage würde
eine negative Vorbildwirkung entfalten, worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist.
Ferner würde die weitere Nutzung insbesondere zum Bootsverkehr - dies legen die im
Verwaltungsvorgang befindlichen Fotos der Steganlage mit einem dort abgelegten
Katamaran nahe - den Eingriff in den Naturhaushalt fortsetzen und möglicherweise
verstärken. Beidem wird mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung (nur) der
Nutzungsuntersagung wirksam begegnet. Andererseits bleibt dem Antragsteller
mangels Anordnung der sofortigen Vollziehung der Rückbauverfügung die
Nutzungsmöglichkeit für die Zukunft erhalten, sollte sich der von ihm reklamierte
Bestandsschutz im Hauptsacheverfahren bestätigen.
Soweit der Antragsteller geltend macht, bisher gebe es im Bereich der Steganlage
keinen „durchgehenden Schilfgürtel“ und es bestehe die Gefahr, dass dieser sich bei
Versagung vorläufigen Rechtsschutzes schließe, so dass ggf. vollendete Tatsachen
geschaffen würden, die unter Umständen auch bei einem Erfolg im
Hauptsacheverfahren nur schwer oder gar nicht mehr rückgängig gemacht werden
dürften, rechtfertigt das keine andere Beurteilung. Denn der Senat geht zum einen
davon aus, dass sich die ausweislich der vorliegenden Fotos relativ große Lücke im
Röhrichtbestand um die Steganlage nicht innerhalb kurzer Zeit schließen wird, zumal ein
Wachstum außerhalb der inzwischen beendeten Vegetationsperiode auszuschließen ist.
Zum anderen wird der Antragsgegner im laufenden Widerspruchsverfahren nunmehr
umgehend sachverständige Feststellungen zu treffen haben, inwieweit insbesondere der
Zustand der Stegpfähle sichere Schlüsse auf einen (bestandsschutzausschließenden)
Neubau im o.g. Sinne in der Zeit deutlich nach der Neuerrichtung Mitte der 50er Jahre
zulässt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum