Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 23.11.2010

OVG Berlin-Brandenburg: aufschiebende wirkung, härte, versicherung, bolivien, familienangehöriger, enkelkind, ermessen, link, sammlung, quelle

1
2
3
Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 S 100.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 36 Abs 2 S 1 AufenthG, Art 4
Abs 2a EGRL 86/2003
Anspruch auf Familiennachzug der Mutter zur im Inland
lebenden erwachsenen Tochter bei Bestehen sozialer Bindungen
im Heimatland
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Berlin
vom 23. November 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde trägt die Antragstellerin.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdevorbringen, das allein Gegenstand
der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO),
rechtfertigt keine Änderung des angefochtenen Beschlusses.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung
ihrer Klage (VG 16 K 292.10) gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. Oktober
2010 anzuordnen, mit der Begründung abgelehnt, es fehle für den von der
Antragstellerin begehrten Nachzug zu ihrer in Berlin lebenden erwachsenen Tochter
nach den von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Maßstäben an der
tatbestandlichen Voraussetzung des Vorliegens einer außergewöhnlichen Härte i.S.v. §
36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG. In diesem Zusammenhang hat es sich der im Schrifttum
vertretenen Auffassung, der Nachzug von Eltern zu ihren ausländischen Kindern diene
stets der Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte, weil sich aus Art. 4 Abs. 2 lit. a)
der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf
Familienzusammenführung – Familiennachzugsrichtlinie – (Amtsblatt der Europäischen
Union Nr. L 251 vom 3. Oktober 2003, S. 0012 – 0018) eine Privilegierung dieser
besonderen Gruppe als schutzbedürftig ergebe (vgl. Oberhäuser, in:
Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, 2008, § 36 Rn. 19), ausdrücklich nicht
angeschlossen und auf das grundsätzlich bestehende öffentliche Interesse an einer
Beschränkung des Familiennachzugs auf Ehegatten und minderjährige Kinder
hingewiesen. Des Weiteren fehle es mangels substantiierter Darlegungen der
Antragstellerin bereits an der tatbestandlichen Voraussetzung der genannten
Richtlinienbestimmung, dass die Betroffenen in ihrem Heimatland „keinerlei sonstige
familiäre Bindungen mehr haben“.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragstellerin allein gegen den
gemeinschaftsrechtlichen Teil der Begründung des angefochtenen Beschlusses. Die
hiergegen erhobenen Einwände verhelfen der Beschwerde jedoch nicht zum Erfolg. Der
Hinweis auf die 4. Begründungserwägung führt nicht weiter, da darin lediglich Zweck und
Bedeutung der Familienzusammenführung für die gewünschte Integration
Drittstaatsangehöriger in die einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft beschrieben
werden. Einschlägig ist vielmehr die 10. Begründungserwägung, in der ausdrücklich
darauf hingewiesen wird, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist zu entscheiden, ob sie
die Familienzusammenführung von Verwandten in gerader aufsteigender Linie und
weiteren - ausdrücklich genannten - Personengruppen zulassen möchten. Entsprechend
bestimmt Art. 4 Abs. 2 lit. a) der Familiennachzugsrichtlinie, die Mitgliedstaaten können
in ihren nationalen Rechtsvorschriften den Verwandten in gerader aufsteigender Linie
ersten Grades des Zusammenführenden oder seines Ehegatten die Einreise und den
Aufenthalt gemäß dieser Richtlinie gestatten, wenn Letztere für ihren Unterhalt
aufkommen und Erstere in ihrem Herkunftsland keinerlei sonstige familiäre Bindungen
mehr haben. Ob diese Regelung mit § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der den Nachzug
4
5
mehr haben. Ob diese Regelung mit § 36 Abs. 2 Satz 1 AufenthG, der den Nachzug
sonstiger Familienangehöriger, also auch von Verwandten in gerader aufsteigender Linie,
nur nach Ermessen und lediglich bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte zulässt,
hinreichend umgesetzt ist, oder ob, wenn sich der Gesetzgeber für die Möglichkeit eines
Nachzugs dieser Personengruppe entscheidet, dieser - wie die Antragstellerin meint -
nur von den in der Familiennachzugsrichtlinie genannten Voraussetzungen abhängig
gemacht werden darf, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn die Antragstellerin
erfüllt nicht die in Art. 4 Abs. 2 lit. a) der Familiennachzugsrichtlinie genannten
Anforderungen. Auch im Beschwerdeverfahren hat sie nicht dargetan, in Bolivien
keinerlei sonstige familiäre Bindungen mehr zu haben. Aus ihrem eigenen Vorbringen
wie auch der eingereichten eidesstattlichen Versicherung ihrer Tochter geht vielmehr
hervor, dass sie in ihrem Heimatland über Bindungen zu ihrem von ihr getrennt
lebenden Ehemann, ihrem Enkelkind, ihrer Schwiegertochter und den drei Kindern ihrer
verstorbenen Schwester verfügt. Auf die Qualität oder Häufigkeit des tatsächlichen
Kontakts kommt es in diesem Zusammenhang ausweislich des Wortlauts der Vorschrift
nicht an. Angesichts dessen kam die von der Antragstellerin beantragte Vorlage an den
Europäischen Gerichtshof mangels Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen
Rechtsfrage nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum