Urteil des OVG Berlin-Brandenburg vom 24.06.2010

OVG Berlin-Brandenburg: anspruch auf rechtliches gehör, grundstück, zivilrechtliche ansprüche, genehmigung, grundwasser, versickerung, wohnhaus, gebäude, gutachter, mindeststandard

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Gericht:
Oberverwaltungsgericht
Berlin-Brandenburg 2.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
OVG 2 S 56.10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 34 Abs 1 S 1 BauGB, § 7 Abs
2 BauO BB, § 11 Abs 3 BauO
BB
Gebot der Rücksichtnahme bei Errichtung eines 5-geschossigen
Mehrfamilienhauses im unbeplanten Innenbereich
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts
Potsdam vom 24. Juni 2010 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Beschwerde einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen tragen die Antragsteller.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 7500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des
Verwaltungsgerichts ist nicht aus den von den Antragstellern dargelegten Gründen, auf
deren Prüfung das Oberverwaltungsgericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt
ist, zu beanstanden.
1. Die Rüge der Antragsteller, das Verwaltungsgericht habe innerhalb der ihnen
eingeräumten Frist zur Stellungnahme entschieden und damit ihren Anspruch auf
rechtliches Gehör verletzt, ist unerheblich. Selbst wenn ihre Behauptung, die
Berichterstatterin habe im Erörterungstermin am 21. Juni 2010 mündlich zugesagt, dass
die Kammer nicht vor Ablauf der 26. Kalenderwoche entscheiden werde, zutreffend sein
sollte, sind damit die Voraussetzungen für die begehrte Anordnung der aufschiebenden
Wirkung ihres Widerspruchs gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom
27. Januar 2010 nicht dargetan. Hat das Verwaltungsgericht gegen den Anspruch auf
Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen, so ist übersehenes oder aufgrund des
Gehörsverstoßes unterbliebenes Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen
(vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Oktober 2008 - OVG 12 S 110.08 -;
Bayer. VGH, Beschluss vom 5. Juni 2009 - 11 CS 09.873 -, juris).
2. Das Vorbringen der Antragsteller, bei der genehmigten Errichtung eines
Mehrfamilienhauses mit 5 Geschossen, 26 Wohneinheiten, 29 Tiefgaragenplätzen
handele es sich um eine Ausnahmebebauung, die sich in keiner Weise in die Umgebung
einfüge und ihnen gegenüber rücksichtslos sei, rechtfertigt keine Änderung der
erstinstanzlichen Entscheidung. Das Verwaltungsgericht hat offen gelassen, ob sich das
Vorhaben hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche sowie des Maßes der
baulichen Nutzung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren
Umgebung einfügt, da jedenfalls ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme nicht
vorliege. Es ist damit zu Recht davon ausgegangen, dass Nachbarn, die sich gegen ein
nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilendes Vorhaben im unbeplanten Innenbereich
wenden, mit ihrem Begehren nur dann durchdringen können, wenn die angefochtene
Baugenehmigung gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot
der Rücksichtnahme verstößt. Für die Anwendung des bundesrechtlichen
Rücksichtnahmegebots bleibt jedoch aus tatsächlichen Gründen regelmäßig kein Raum,
soweit die durch dieses Gebot geschützten Belange auch durch spezielle
bauordnungsrechtliche Vorschriften geschützt werden und das konkrete Vorhaben deren
Anforderungen genügt (vgl. m.w.N. Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2010 - OVG
2 S 37.10 -). Hierzu hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass das Vorhaben die
landesrechtlichen Abstandsflächen einhalte und angesichts der gegebenen
Grundstückssituation weder unter dem Gesichtspunkt der erdrückenden Wirkung des
Vorhabens noch unter demjenigen der unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten ein
Ausnahmefall erkennbar sei.
Inwiefern die Würdigung der hier gegebenen Grundstückssituation zu beanstanden sein
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Inwiefern die Würdigung der hier gegebenen Grundstückssituation zu beanstanden sein
sollte, wird in der Beschwerdebegründung nicht ausreichend dargelegt. Das
Verwaltungsgericht hat beispielhaft verschiedene Fälle, in denen die höchstrichterliche
und obergerichtliche Rechtsprechung eine erdrückende Wirkung angenommen hat,
angeführt und ist auf dieser Grundlage sowie unter Berücksichtigung der Innenstadtlage
und der Feststellung, dass sich die Höhe des Vorhabens an der Höhe der
Nachbarbebauung orientiere und die Entfernung des Vorhabens der Beigeladenen zu
den Grundstücksgrenzen der Antragsteller 25 m betrage, zu dem Schluss gelangt, es
handele sich dabei um einen derart weiten Abstand, dass von einer sog. Gefängnishof-
Situation noch nicht die Rede sein könne. Dem treten die Antragsteller nicht mit der
nötigen Substanz entgegen. Die schlichte Behauptung einer erdrückenden Wirkung
durch die Massivität der geplanten 5-geschossigen Bebauung sowie „einer Entfernung
von deutlich weniger als 25 m zur Grundstücksgrenze“ des Antragstellers zu 2. reicht
hierfür nicht aus, zumal die sich aus § 6 BbgBO ergebenden Abstandsflächen deutlich
eingehalten werden. Ebenso wenig genügt das Beschwerdevorbringen zu den geltend
gemachten unzumutbaren Einsichtsmöglichkeiten in das gesamte Grundstück des
Antragstellers zu 2. den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Auf
die Feststellung des Verwaltungsgerichts, eine Einsichtnahme von den Loggien sei nur in
den Garten, nicht in die Wohnräume der Antragsteller möglich und der Antragsgegner
habe der Beigeladenen darüber hinaus eine Begrünung in Richtung der
Grundstücksgrenze der Antragsteller aufgegeben, geht die Beschwerde nicht ein. Auch
legen die Antragsteller nicht dar, dass die durch das Bauvorhaben der Beigeladenen
geschaffenen Einsichtsmöglichkeiten in ihrer Intensität vergleichbar seien mit den Fällen,
in welchen die Rechtsprechung unter diesem Aspekt einen Verstoß gegen das Gebot der
Rücksichtnahme bejaht hat (vgl. z.B. OVG Bln-Bbg, Beschluss vom 10. März 2006 - OVG
10 S 5.05 -, juris Rn. 10 zur Einsehbarkeit in ein Wohnhaus von einem 33 Meter hohen
Aussichtsturm). Die Antragsteller können nicht verlangen, dass das an ihre Grundstücke
rückwärtig angrenzende Grundstück nicht oder nur so bebaut wird, dass die Möglichkeit
eines Einblicks auf ihre Grundstücke nicht gegeben ist. Das Gleiche gilt bezüglich einer
freien Sicht auf Grün- und Freiflächen. Ebenso wenig folgt aus dem Gebot der
Rücksichtnahme ein Anspruch der Nachbarn darauf, von Wertminderungen in Bezug auf
das Grundstück durch eine hinzukommende Bebauung verschont zu werden (vgl. u.a.
BVerwG, Beschluss vom 11. Januar 1999 - 4 B 128.98 -, NVwZ 1999, 879, 880).
3. Soweit der Antragsteller zu 1. meint, eine besondere schutzwürdige Stellung, auf die
Rücksicht zu nehmen sei, ergebe sich daraus, dass sein zweigeschossiges Wohnhaus
aus der Epoche des Bauhaus‘ unter Denkmalschutz stehe, rechtfertigt sein
diesbezügliches Vorbringen gleichfalls nicht, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots
anzunehmen. Allerdings können denkmalschutzrechtliche Bestimmungen eine
drittschützende Wirkung zugunsten des Eigentümers eines Denkmals besitzen. Wie weit
diese Wirkung reicht, ist grundsätzlich am Maßstab des Landesrechts zu beurteilen. Als
bundesrechtlichen Mindeststandard hat das Bundesverwaltungsgericht herausgestellt,
dass, soweit der denkmalrechtliche Umgebungsschutz objektiv geboten ist, er auch dem
Eigentümer des Kulturdenkmals Schutz vermitteln muss. Jedenfalls wenn ein Vorhaben
in der Umgebung des geschützten Kulturdenkmals dessen Denkmalwürdigkeit
möglicherweise erheblich beeinträchtigt, muss der Eigentümer des Kulturdenkmals
gemäß § 42 Abs. 2 VwGO befugt sein, die denkmalrechtliche Genehmigung des
Vorhabens anzufechten (vgl. zum Ganzen BVerwG, Urteil vom 21. April 2009 - 4 C 3.08 -
BVerwGE 133, 347; Beschluss des Senats vom 6. Dezember 2010, a.a.O.) Das
Verwaltungsgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts die Ansicht vertreten, es sei nicht ansatzweise zu erkennen,
dass die hier in Rede stehende Nachbarbebauung eine erhebliche Beeinträchtigung zur
Folge habe, da das Grundstück des Antragstellers zu 1. mit dem rückwärtigen Teil an
das Vorhabengrundstück anschließe. Mit dieser Argumentation setzt sich die
Beschwerde nicht in der gebotenen Weise auseinander. Der pauschale Hinweis, das
zweigeschossige Wohnhaus aus der Bauhaus-Epoche werde durch die Massivität der
geplanten fünfgeschossigen Bebauung erdrückt und könne in keiner Weise seinen
bislang prägenden Charakter entfalten, reicht hierfür ebenso wenig aus wie die nicht
weiter substanziierte Behauptung, das denkmalgeschützte Gebäude werde durch das
Vorhaben „in seinem materiellen und immateriellen Wert nahezu vollständig entwertet“.
Auch aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin (Beschluss vom 30. April
2010 - 19 L 24.10 -, juris) kann der Antragsteller zu 1. nichts für sich herleiten, da sich
der vorliegende Sachverhalt grundlegend von demjenigen unterscheidet, welcher der
angeführten Entscheidung zu Grunde lag, bei dem in geschlossener Bauweise
unmittelbar an das Denkmal angrenzend ein höheres Gebäude mit auffälliger
Fassadengestaltung errichtet werden sollte. Dass das brandenburgische
Denkmalschutzgesetz über den bundesrechtlichen Mindeststandard hinausgehende
drittschützende Regelungen enthält, legt der Antragsteller zu 1. ebenfalls nicht dar.
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4. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt auch nicht aus den von den
Antragstellern dargelegten Gründen gegen drittschützende bauordnungsrechtliche
Vorschriften. Soweit die Antragsteller rügen, die in der Baugenehmigung enthaltene
Genehmigung einer Geländeaufhöhung um mehr als 1 m widerspreche den Vorgaben
des § 7 Abs. 2 BbgBO, kann dahinstehen, ob diese Vorschrift drittschützend und im Fall
einer vom Bauherrn zur Genehmigung gestellten Geländeerhöhung tatbestandlich
anwendbar ist. Denn jedenfalls könnten die Antragsteller im Hinblick auf die von ihnen
geltend gemachte Vernässung ihrer Grundstücke infolge der genehmigten
Geländeerhöhung aus § 7 Abs. 2 BbgBO keine weitergehenden Rechte herleiten als aus
§ 11 Abs. 3 BbgBO. Hiernach müssen bauliche Anlagen so angeordnet, beschaffen und
gebrauchstauglich sein, dass u. a. durch Wasser und Feuchtigkeit keine Gefahren oder
unzumutbare Belästigungen entstehen. Diese Vorschrift dient nicht nur dem Schutz der
Bewohner und Benutzer der baulichen Anlage selbst, sondern auch dem Schutz des
Nachbarn gegenüber Einflüssen aus der baulichen Anlage (vgl. Bauer in:
Jäde/Dirnberger/Reimus, Bauordnungsrecht Brandenburg, Stand: Juli 2010, § 11 Rn. 62;
ferner zu § 19 NBauO: Nds. OVG, Beschluss vom 12. Juli 1994 - 6 M 3522.94 -, juris Rn.
4).
Nach der im Rahmen eines Eilverfahrens nur möglichen summarischen Überprüfung der
von den Antragstellern vorgelegten gutachterlichen Stellungnahmen der BBiG GmbH,
die in der mündlichen Verhandlung durch einen der Verfasser erläutert worden sind,
haben die Antragsteller im Beschwerdeverfahren nicht in einer den Anforderungen des §
146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise dargelegt, dass infolge des genehmigten
Bauvorhabens für ihre Grundstücke Gefahren oder unzumutbare Belästigungen durch
Vernässung drohen. Zwar beschreibt die Stellungnahme der BBiG GmbH vom 22. Juni
2010 plausibel die besonderen geologischen Verhältnisse auf den Grundstücken der
Antragsteller und der Beigeladenen, die sich in der zwischen dem Heiligen See und dem
Bassinplatz verlaufenden sog. holozänen Rinne befinden. Dort sind im Untergrund
nahezu wasserundurchlässige Torf- und Muddeschichten anzutreffen, die im Zuge der
fortschreitenden Besiedlung des Gebietes mit Sand, Schutt und Bauresten verfüllt
worden sind. Das in den mehr oder weniger durchlässigen Schüttmassen
niederschlagsbedingt anfallende Sickerwasser staut sich zusammen mit dem ohnehin
vorhandenen Grundwasser auf den nicht durchlässigen Torf- und Muddeschichten auf,
mit der Folge, dass das Grundwasser innerhalb der holozänen Rinne häufig und
andauernd höher steht als außerhalb der Rinne (sog. Grundwasseranomalie). Die
Antragsteller haben indes nicht mit der erforderlichen Plausibilität dargelegt, dass die
nach ihren eigenen Angaben bereits seit Jahren immer wieder auftretende Vernässung
ihrer Grundstücke sich infolge des Bauvorhabens der Beigeladenen in einem die
Schwelle der unzumutbaren Belästigung erreichenden Ausmaß verschärfen würde. Die
gutachterliche Stellungnahme vom 22. Juni 2010 beschreibt lediglich allgemein das
Risiko, dass sich durch die mit dem geplanten Bauvorhaben einhergehende
Geländeaufschüttung, die Versickerung von Grundwasser und die Errichtung eines
unterirdischen Baukörpers (Tiefgarage) die Grundwasserstände auf den angrenzenden
Grundstücken weiter erhöhen. Wie der Gutachter in der mündlichen Verhandlung
bestätigt hat, ist eine genauere Prognose, in welchem räumlichen Bereich und in
welchem Umfang sich die Grundwasserstände auf den Nachbargrundstücken erhöhen
werden, nicht möglich.
Auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass die im Anstrom des Grundwassers auf
die zu errichtende Tiefgarage liegenden Grundstücke der Antragsteller tendenziell
stärker von der Stauwirkung des unterirdischen Baukörpers betroffen sein werden als
andere angrenzende Grundstücke, belegt dieser Umstand für sich genommen nicht,
dass infolge des Bauvorhabens eine die Erheblichkeitsschwelle überschreitende
zusätzliche Vernässung auf den Grundstücken der Antragsteller eintreten wird. Denn die
Aussage in der Stellungnahme der BBiG GmbH vom 7. September 2010, dass ein
„Grundwasseraufstau vor der Tiefgarage höchstwahrscheinlich“ sei, die durch den
Gutachter in der mündlichen Verhandlung dahingehend erläutert wurde, dass zwar eine
seitliche Umströmung des Baukörpers stattfinde, aber „eine Unterströmung (…) als
nachrangig zu betrachten“ sei, erscheint dem Senat bei summarischer Prüfung nicht
schlüssig. Die für die Behinderung einer Unterströmung in der Stellungnahme vom 7.
September 2010 genannte Begründung, dass „die Sohle der Tiefgarage (…) dicht über
bzw. lokal bereits in den organischen Schichten liegt“, widerspricht dem in der
mündlichen Verhandlung vorgelegten geologischen Schnitt einer Pegelbohrung auf dem
Grundstück des Antragstellers zu 2., wonach wasserundurchlässige Torf- und
Muddeschichten im Baugebiet erst ca. 5 m unterhalb der Geländeoberfläche beginnen.
Die genehmigte Tiefgarage befindet sich indes ausweislich der Baugenehmigung nur
weniger als 2 m unterhalb des vor Beginn der Baumaßnahme vorhandenen
Geländeverlaufs.
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Dass es infolge der Geländeaufhöhung zu einer für die Grundstücke der Antragsteller
erheblichen Erhöhung des Grundwasserspiegels kommt, ist ebenfalls nicht schlüssig
dargelegt worden. In der Stellungnahme der BBiG GmbH vom 22. Juni 2010 wird
beschrieben, dass die geplante Schüttung aufgrund der damit verursachten
Verdrängung des Grundwassers und der besonderen Durchlässigkeitsbedingungen im
Untergrund zu einem „temporären Anstieg des Grundwassers“ führen würde, wobei sich
die ursprünglichen Grundwasserverhältnisse nach „geraumer Zeit“ wieder einstellen
würden. Diese Aussage lässt keinen Schluss zu, in welchem Ausmaß und über welche
Dauer die Grundstücke der Antragsteller betroffen sein werden. Auch haben die
Antragsteller nicht mit den in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Pegelganglinien
für den Zeitraum von August bis September 2010, die nach dem 23. September 2010
einen deutlich höheren Anstieg der Pegelstände auf dem Grundstück des Antragstellers
zu 2. aufweisen als außerhalb der holozänen Rinne, belegt, dass Aufschüttungen auf
dem Grundstück der Beigeladenen die Ursache für die auf ihren Grundstücken
festgestellten höheren Wasserstände sind. Selbst wenn unterstellt wird, dass erste
Aufschüttungen auf dem Vorhabengrundstück bereits im September 2010 und nicht erst
- wie die Beigeladene vorträgt - im November 2010 vorgenommen worden sind, belegt
der ohnehin nur für einen sehr kurzen Zeitraum aufgezeichnete Verlauf der Pegellinien
nicht, dass gerade die Aufschüttungen ursächlich waren für die hohen Pegelstände auf
dem Grundstück des Antragstellers zu 2. Vielmehr erscheint es dem Senat ebenso
plausibel, dass die starken Niederschläge Ende September 2010 wegen der besonderen
Bodenverhältnisse im Bereich der Rinnenstruktur dazu geführt haben könnten, dass sich
das niederschlagsbedingt anfallende Sickerwasser innerhalb der holozänen Rinne länger
und intensiver aufstaut als außerhalb der Rinne und dies der Grund dafür ist, dass die
Angleichung der beiden abgebildeten Pegellinien nach dem starken Anstieg Ende
September 2010 einige Zeit in Anspruch nimmt. Gegen eine Ursächlichkeit der
spätestens seit November 2010 auf dem Vorhabengrundstück vorgenommenen
Aufschüttungen für die erhöhten Wasserstände auf den Grundstücken der Antragsteller
spricht im Übrigen auch, dass nach der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten
Graphik über die Pegelganglinien im Zeitraum von 1994 bis 2002 schon in der
Vergangenheit an der Messstelle innerhalb der holozänen Rinne ähnliche Höchststände
zu verzeichnen waren wie der im November 2010 auf dem Grundstück des
Antragstellers zu 2. gemessene Pegelstand von 30,4 m über NHN.
Schließlich wird auch eine drohende Vernässung der Grundstücke der Antragsteller
infolge der in der Baugenehmigung enthaltenen Genehmigung der Versickerung von
Teilen des Niederschlagswassers in Mulden nicht ausreichend belegt. In absoluten
Mengen wird auf dem Grundstück der Beigeladenen nach der Realisierung des
Bauvorhabens weniger Niederschlagswasser zur Versickerung gelangen als zuvor, weil
ein Teil des auf die Dachflächen auftreffenden Niederschlagswassers auf dem Gründach
verdunsten und das auf den vorderen Dachflächen aufgenommene Wasser in den
Regenwasserkanal eingeleitet werden wird. Weshalb sich dennoch die
Vernässungsgefahr für die angrenzenden Grundstücke erhöhen sollte, wird in den
gutachterlichen Stellungnahmen der BBiG GmbH vom 22. Juni 2010 und 7. September
2010 nicht schlüssig erläutert. Dass die Freiflächen auf dem Grundstück der
Beigeladenen, auf dem sich die Sickermulden befinden, nach der Fertigstellung des
Vorhabens anteilig mehr Niederschlagswasser aufnehmen müssen als vorher, ist
evident. Bei einer insgesamt reduzierten Aufnahmemenge auf dem Gesamtgrundstück
belegt dies jedoch nicht ohne Weiteres eine Vernässungsgefahr für die angrenzenden
Grundstücke der Antragsteller.
5. Die Rügen der Antragsteller, die sich im Hinblick auf die geltend gemachte
Vernässung ihrer Grundstücke gegen eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg wenden,
gehen ins Leere, denn die Frage, ob infolge der Baugenehmigung eine Vernässung ihrer
Grundstücke droht, gehört - wie dargelegt - zum Prüfprogramm der Baugenehmigung.
Auch in einem sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahren wäre eingehender als dies
im Eilverfahren möglich ist zu klären, ob die drittschützende Vorschrift des § 11 Abs. 3
BbgBO verletzt ist. Ob daneben auch zivilrechtliche Ansprüche der Antragsteller
gegeben sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der
Billigkeit, den unterlegenen Antragstellern auch die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich daher einem
eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66
Abs. 3 Satz 3 GKG).
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