Urteil des VGH Baden-Württemberg vom 30.09.2008

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VGH Baden-Württemberg Beschluß vom 30.9.2008, NC 9 S 2234/08
Zahl der Arbeitsplätze als limitierender Faktor für die Kapazitätsberechnung
Leitsätze
Aus § 19 Abs. 1 KapVO VII folgt nicht, dass nur die klinischen Behandlungseinheiten als limitierender Faktor der ausstattungsbezogenen Kapazität
herangezogen werden können. Nach § 19 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 KapVO VII führt vielmehr auch das Fehlen einer ausreichenden Zahl von
Arbeitsplätzen zu einem ausstattungsbezogenen Engpass.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 30. Juni 2008 - NC 6 K 780/08 - wird
zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Studium der Zahnmedizin an der Universität
Freiburg im 1. Fachsemester zum Sommersemester 2008. Er ist der Auffassung, dass mit der in der Zulassungszahlenverordnung festgesetzten
Zahl von 42 Plätzen pro Semester die Aufnahmekapazität nicht ausgeschöpft worden ist. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag mit dem
angegriffenen Beschluss abgelehnt, weil die Ausbildungskapazität der Antragsgegnerin mit den 44 zugelassenen Studienanfängern im
Sommersemester bereits ausstattungsbedingt erschöpft sei. Die hiergegen erhobenen Rügen, auf deren Prüfung das Beschwerdegericht gemäß
§ 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, haben keinen Erfolg.
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Nach § 19 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die Kapazitätsermittlung, die Curricularnormwerte
und die Festsetzung von Zulassungszahlen in der Fassung vom 25.04.2003 - KapVO VII - (GBl. S. 275) ist die Zulassungszahl im Studiengang
Zahnmedizin nach der Zahl vorhandener Arbeitsplätze festzusetzen, wenn diese ausstattungsbezogene Kapazität niedriger ist als die
Aufnahmekapazität aufgrund der personellen Ausstattung. Von einer derartigen Verminderung angesichts der allein zur Verfügung stehenden 41
„Phantom“-Laborarbeitsplätzen ist das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen.
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Soweit sich die Beschwerde gegen den vom Verwaltungsgericht angenommenen Engpass mit der Begründung wendet, § 19 Abs. 1 KapVO VII
erkenne nur noch die klinischen Behandlungseinheiten als limitierenden Faktor an, kann sie sich zwar auf eine Literaturmeinung stützen (vgl.
Bahro/Berlin, Das Hochschulzulassungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland, 4. Aufl. 2003, § 14 KapVO RdNr. 10). Der Auffassung steht
jedoch der eindeutige Wortlaut des § 19 Abs. 2 KapVO VII entgegen, nach dem über die klinischen Behandlungseinheiten hinaus auch eine
Verminderung der Aufnahmekapazität nach § 14 Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 7 KapVO VII in Ansatz zu bringen ist (vgl. auch Bay.VGH, Beschluss
vom 13.10.2004 - 7 CE 04.11141 u.a. -). Die Beachtlichkeit des Fehlens einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplätzen im Studiengang
Zahnmedizin ist durch § 19 Abs. 2 i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 KapVO VII daher ausdrücklich angeordnet. Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und
Zweck der Vorschriften, weil ein entsprechender Mangel an Laborplätzen zu einem ausstattungsbedingten Engpass führt, der einer
ordnungsgemäßen Ausbildung weiterer Studienbewerber entgegensteht.
4
Soweit die fehlende Berücksichtigung des Grenzwertes aus § 19 Abs. 1 S. 2 KapVO VII beanstandet worden ist, verkennt die Beschwerde, dass
dieser Quotient nach der eindeutigen Regelungssystematik der Kapazitätsverordnung nur auf die Überprüfung anhand der klinischen
Behandlungseinheiten nach § 19 Abs. 1 S. 1 KapVO VII anzuwenden ist. Für das hier maßgebliche Berechnungsergebnis nach dem Zweiten
Abschnitt unter Berücksichtigung der Überprüfung nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 KapVO VII ordnet § 19 Abs. 2 KapVO VII einen entsprechenden
Korrekturfaktor dagegen nicht an.
5
Die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe § 15 KapVO übersehen, trifft bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu (vgl. die wörtliche Nennung
auf S. 4 des Beschlusses). Insbesondere aber hat sich das Verwaltungsgericht auch inhaltlich mit der Möglichkeit einer intensiveren Nutzung der
Arbeitsplätze auseinandergesetzt. Die dabei getroffenen Feststellungen, dass die Arbeitsplätze bereits jetzt ganztägig in Anspruch genommen
würden - und dies auch an Samstagen und während der vorlesungsfreien Zeit (vgl. dazu Bay.VGH, Beschluss vom 08.08.2006 - 7 CE 06.10020
u.a. -, NVwZ-RR 2007, 175) - sind mit der Beschwerde nicht angegriffen worden.
6
Angesichts des damit vom Verwaltungsgericht ohne zu beanstandenden Rechtsfehler angenommenen ausstattungsbezogenen Engpasses
kommt es auf die weiteren Rügen hinsichtlich der Kapazitätsberechnung aufgrund der personellen Ausstattung nicht mehr an. Denn § 19 Abs. 2
KapVO VII bestimmt, dass der Festsetzung der Zulassungszahl der jeweils niedrigste Wert zugrunde zu legen ist. Ein Erhöhung der
Zulassungszahl über die arbeitsplatzbezogene Kapazitätsgrenze von 41 Studierenden hinaus scheidet damit aus.
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Dies gilt auch in Ansehung der vorgetragenen Erwägungen zur Schwundentwicklung, denn eine (zusätzlich) schwundbezogene Erhöhung der
Zulassungszahl findet nicht statt, wenn sich die Kapazitätsgrenze der Hochschule aus einem ausstattungsbezogenen Engpass ergibt (vgl.
Senatsbeschluss vom 05.10.2004 - NC 9 S 404/04 -). § 14 Abs. 3 KapVO VII macht die Berücksichtung des Schwundverhaltens von einer
Entlastung des Lehrpersonals abhängig und knüpft damit an die personelle Kapazität der Lehreinheit an. Dies entspricht auch der
Grundkonzeption der Schwundkorrektur, die auf der Annahme beruht, dass die wegen Studienabbruch, Fach- oder Hochschulwechsel
eingesparten Lehrkapazitäten in höheren Fachsemestern zur Möglichkeit der Zulassung einer erhöhten Zahl von Studienanfängern führt.
Grundlage der Schwundkorrektur ist damit die durch tatsächliche Abgänge in höheren Fachsemestern eingetretene Entlastung des
Lehrpersonals, die mit der Erhöhung der Zulassungszahlen im 1. Fachsemester „abgeschöpft“ werden soll. Eine entsprechende Verrechen- oder
Austauschbarkeit liegt für die nach dem „Flaschenhalsprinzip“ bestehenden ausstattungsbezogenen Engpässe aber nicht vor, so dass eine
Schwundkorrektur hier schon aus strukturellen Gründen ausscheiden muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.1984 - 7 C 3/83 u.a. -, BVerwGE 70,
318). Dementsprechend trennt auch § 3 Abs. 1 Satz 2 KapVO VII die Berechnung aufgrund der personellen Ausstattung von der nachfolgenden
Überprüfung anhand weiterer kapazitätsbestimmender Kriterien und konzipiert damit die Ausstattungskapazität als Begrenzung dessen, was
durch das Personal an Lehre angeboten werden kann.
8
Im Übrigen gehen die Erwägungen auch in der Sache fehl, weil der Kurs der technischen Propädeutik, für den die Arbeitsplätze ausweislich der
Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch benötigt werden, regelmäßig zum Beginn des Studiums abgehalten wird (vgl. Stellungnahme des
Studiendekans vom 22.09.2008; dazu auch Bay.VGH, Beschluss vom 08.08.2006 - 7 CE 06.10020 u.a. -, NVwZ-RR 2007, 175). Eine
schwundorientierte Erhöhung der Aufnahmekapazität scheitert deshalb schon daran, dass für entsprechend weitere Studierende schon im 1.
Fachsemester ein Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehen würde.
9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2
GKG.
10 Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).