Urteil des OLG Stuttgart vom 23.09.2015

treu und glauben, allgemeine geschäftsbedingungen, ordentliche kündigung, wichtiger grund

OLG Stuttgart Urteil vom 23.9.2015, 9 U 31/15
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts
Ulm vom 26. Januar 2015 - 4 O 273/13 - wird zurückgewiesen.
2. Die Revision wird hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und der mittels der isolierten
Drittwiderklage unter V. 3. Spiegelstrich geltend gemachten Feststellung zugelassen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Diese Entscheidung und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung
vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zzgl. eines Aufschlages von 10 %
abzuwenden, wenn nicht der Kläger und/oder die Drittwiderbeklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zzgl. eines
Aufschlages von 10 % leisten.
Gründe
A)
1
Die Parteien streiten wechselseitig über Inhalt, Umfang und Reichweite eines am
19. Januar 2004 geschlossenen Bonussparvertrags „Vorsorgesparen S-S.“.
2
Danach soll der Kunde zusätzlichen zum jeweils aktuellen Zinsniveau, das
derzeit nahe null liegt, ein Aufschlag erhalten, der sich mit fortschreitender
Laufzeit von „-“auf 3,5 % steigert.
3
Das Landgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung, auf deren tatsächliche
Feststellungen Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben und die Wider-
und Drittwiderklagen abgewiesen.
4
Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
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Auch die Anträge, die auf Feststellung gerichtet sind, seien zulässig, da die
Voraussetzungen der Bestimmung des § 256 Abs. 1 ZPO vorlägen. Die Klagen
seien begründet. Die Aktivlegitimation des Klägers folge sowohl aus seiner
Eigenschaft als Vertragspartner der Beklagten als auch aus der vorgelegten
„Abtretungserklärung“. Der Sparer sei jederzeit berechtigt, die Sparrate zwischen
25,00 EUR und 2.500,00 EUR zu ändern, das Verlangen vom 22. Juli 2013 auf
Erhöhung der Sparrate von 310 EUR auf 460 EUR sei wirksam. Die Angaben des
Flyers seien nach §§ 133, 157 BGB in das Angebot des Klägers und seiner
Ehefrau auf Abschluss des Vorsorgesparen-S-S.-Vertrages einbezogen und
dieses Angebot von der Beklagten angenommen worden. Die Auslegung ergebe
eindeutig ein Änderungsrecht des Sparers, das sich nur nach dessen Wünschen
und Bedürfnissen richte und nicht nach den Interessen der Bank. Der Beklagten
stehe vor Ablauf des 19. Januar 2029 kein Recht zur ordentlichen Kündigung zu.
Ein vertraglich vereinbartes ordentliches Kündigungsrecht sei unstreitig nicht
vereinbart worden. Ein gesetzliches ordentliches Kündigungsrecht bestehe nicht.
Bei dem Vorsorgesparen-S-S.-Vertrag handele es sich um einen
Ratensparvertrag auf ein Sparbuch. Unerheblich sei, ob die Vorschriften des
unregelmäßigen Verwahrungsvertrages oder des Darlehensvertrages zur
Anwendung kämen. Die Parteien hätten eine feste Verwahrzeit vereinbart, was
eine ordentliche vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses ausschließe.
Wegen der Vereinbarung der Laufzeit sei auch das Recht zur ordentlichen
Kündigung nach § 488 Abs. 3 BGB vor dem 19. Januar 2029 ausgeschlossen.
Auf die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB könne sich die Beklagte nicht
berufen, weil die den Anwendungsbereich der Bestimmung eröffnende
Voraussetzung, der vollständige Empfang des Darlehens, erst mit Ablauf des 19.
Januar 2029 erfolgt sei. Die von ihrem Wortlaut her anwendbare Bestimmung des
§ 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB, die gleichfalls die Möglichkeit einer ordentlichen
Kündigung einräume, sei teleologisch zu reduzieren. Die Beklagte als Bank sei
nicht schutzwürdig, die Bestimmung bei einer hier vorliegenden periodischen
reinen Zinsanpassungsklausel nicht anwendbar. Die dem Kunden eingeräumte
Möglichkeit der Veränderung der Sparrate stehe dem nicht entgegen.
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Die Wider- und Drittwiderklagen, auch die isolierte Drittwiderklage, seien zulässig
aber nicht begründet. Die Beklagte könne nicht wegen eigener fehlerhafter
Zinsberechnung die Rückzahlung gutgeschriebener Zinsen verlangen. Ein
Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung bestehe nicht. Im Rahmen der
Verzinsungsbestimmung sei unter dem Begriff „Einzahlungsjahr“ das Jahr der
Laufzeit zu verstehen. Gleichfalls stehe der Beklagten kein Anspruch auf
Vertragsaufhebung zu. Ein Verschulden der Sparer bei Vertragsschluss liege
ebenso wenig vor, wie eine Verletzung vertraglicher Pflichten. Ein Anspruch auf
Vertragsaufhebung als Folge eines außerordentlichen Kündigungsrechts nach §§
490 Abs. 2, 314 BGB sei gleichfalls ausgeschlossen. Weiter lägen die
Voraussetzungen für eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des
Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage nicht vor.
7
Dagegen wendet sich die Beklagte auch unter Erweiterung und Vertiefung des
Vorbringens mit ihrer Berufung.
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Sie ist u.a. der Auffassung, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Eine alleinige
Verfügungsbefugnis nur eines von mehreren Kontoinhabern liege nicht vor; ein
wirksamer Abtretungsvertrag sei nicht zustande gekommen. Ein Anspruch auf
Erhöhung der Sparrate bestehe nicht. Werbeangaben seien aus mehreren
Gründen nicht in das Vertragsverhältnis einbezogen worden. Die Beklagte habe
vor Ablauf des 19. Januar 2029 ein Recht zur ordentlichen Kündigung. Das folge
sowohl aus § 488 Abs. 3 BGB als auch aus § 489 Abs. 1 BGB. Ein Verzicht
seitens der Beklagten auf ihr Kündigungsrecht liege nicht vor, der Kläger habe
sich treuwidrig verhalten. Eine teleologische Reduktion der Bestimmung des §
489 Abs. 1 BGB finde nicht statt. Es bestehe ein Rückforderungsanspruch wegen
zu viel bezahlter Zinsen, weil für jede Rate eine gesonderte
Zinsstaffelberechnung zu erfolgen habe. Der Beklagten stehe ein Anspruch auf
Vertragsaufhebung als Schadensersatz beziehungsweise ein Anspruch auf
Vertragsanpassung nach §§ 490, 313 BGB zu. Aus diesen Gründen seien auch
die Drittwiderklagen begründet.
9
Die Beklagte beantragt:
10
I. Das Urteil des LG Ulm, AZ: 4 O 273/13, verkündet am 26.01.2015, wird
aufgehoben.
11
II. Die Klage wird abgewiesen.
12
III. Der Kläger/Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte werden als
Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte EUR 253,74 nebst Zinsen hieraus in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der
Zustellung der Widerklage zu bezahlen.
13
IV. Der Kläger/Widerbeklagte und die Drittwiderbeklagte werden verurteilt,
14
1. in die Aufhebung des am 19. Januar 2004 mit der Beklagten geschlossenen
S.-Sparvertrages Nr. 4000334… einzuwilligen,
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2. hilfsweise, in die Änderung des zuvor bezeichneten S.-Sparvertrages
dahingehend einzuwilligen, dass er sich ab Rechtskraft des Urteils am
Alternativprodukt „Zuwachssparen“ mit vier weiteren Jahren Laufzeit und einer
Verzinsung von 3,75% (p.a.) orientiert, bei jederzeitiger Verfügbarkeit über das
Guthaben bis 2.000,00 EUR pro Monat durch den Kläger/Widerbeklagten oder
die Drittwiderbeklagte und ansonsten 3-monatiger Kündigungsfrist zu Gunsten
des Klägers/Widerbeklagten oder der Drittwiderbeklagten,
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3. ganz hilfsweise, in die Änderung des zuvor bezeichneten S.-Sparvertrages
dahingehend einzuwilligen, dass die Höhe der Gesamtverzinsung -
zusammengesetzt aus Grundverzinsung und Bonuszinsstaffel - ab Rechtskraft
des Urteils an einen unter Berücksichtigung der vereinbarten Einzahlungszeit
marktüblichen Zins angepasst wird, der sich am gegenwärtigen Leitzinssatz der
Europäischen Zentralbank orientiert.
17
Ganz hilfsweise wird die Feststellung begehrt,
18
dass der Beklagten hinsichtlich des zuvor bezeichneten S.-Sparvertrages ein
Recht auf Vertragsaufhebung zusteht,
19
weiter hilfsweise,
20
dass ihr ein Recht auf Vertragsanpassung dahingehend zusteht, dass der zuvor
bezeichnete S.-Sparvertrag so angepasst wird, dass er sich ab Rechtskraft des
Urteils am Alternativprodukt „Zuwachssparen" mit vier weiteren Jahren Laufzeit
und einer Verzinsung von 3,75 % (p.a.) orientiert, bei jederzeitiger Verfügbarkeit
über das Guthaben bis 2.000,00 EUR pro Monat durch den
Kläger/Widerbeklagten oder die Drittwiderbeklagte und ansonsten 3-monatiger
Kündigungsfrist zu Gunsten des Klägers/Widerbeklagten oder der
Drittwiderbeklagten,
21
noch weiter hilfsweise,
22
dass der Beklagten ein Recht auf Vertragsanpassung dahingehend zusteht,
dass der zuvor bezeichnete S.-Sparvertrag hinsichtlich der Höhe der
Gesamtverzinsung - zusammengesetzt aus Grundverzinsung und
Bonuszinsstaffel - ab Rechtskraft des Urteils an einen unter Berücksichtigung
der vereinbarten Einzahlungszeitmarkt üblichen Zins angepasst wird, der sich
am gegenwärtigen Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank orientiert.
23
V. Es wird festgestellt, dass der Drittwiderbeklagten gegenüber der Beklagten
keine Ansprüche aus dem S. Sparvertrag Nr. 4000334…
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- auf Ausführung der monatlichen Ratenerhöhung von EUR 310,00 auf EUR
460,00 ab 22.07.2013 und
25
- auf Feststellung der Berechtigung auf eine maximale monatliche Sparrate von
EUR 2.500,00 und
26
- auf Feststellung, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, vor Ablauf der
Einzahlungszeit am 19.01.2029 zu kündigen,
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zustehen.
28 Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen:
29
Die Berufung wird zurückgewiesen.
30 Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung. Die Konzeption des S.-
Sparmodells führe dazu, dass der von der Beklagten gegenüber dem Sparer
erhobene Vorwurf der Profitmaximierung, einer rechtsmissbräuchlichen, Treu und
Glauben widersprechenden Ausübung seiner Rechte zu Unrecht erfolgt sei. Der
Kläger habe den Vertrag abgeschlossen, den die Beklagte als Sparmodell mit
dem Namen „S-S.“ angeboten habe. Danach stehe dem Kläger ein Recht zur
Ratenänderung zu, von dem er auch Gebrauch gemacht habe. Durch die
Vereinbarung der auf 25 Jahre angelegten Bonuszinsstaffel habe die Beklagte
auf ihr Kündigungsrecht nach § 488 Abs. 3 BGB verzichtet. Zutreffend sei weiter
die Auffassung der ersten Instanz zu der vorzunehmenden teleologischen
Reduktion der Bestimmung des § 489 Abs. 1 BGB. Ein Wegfall der
Geschäftsgrundlage liege nicht vor.
31 Die Akten des Landgerichts Ulm 4 O 364/13, 4 O 376/13, 4 O 380/13, 4 O 404/13,
4 O 43/14, jeweils Stand April 2015, sowie 4 O 377/13 (= OLG Stuttgart 9 U
161/15), 4 O 378/13 (= OLG Stuttgart 9 U 163/15), 4 O 379/13 (= OLG Stuttgart 9
U 48/15), 4 O 340/14 (= OLG Stuttgart 9 U 160/15), 4 O 376/14 (= OLG Stuttgart 9
U 162/15) waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
B)
32 Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
33 Zu Recht hat das Landgericht in der Sache auf die Ausführung der Erhöhung der
Sparrate auf 460,00 EUR mit Wirkung ab 22. Juli 2013 erkannt (dazu unter II. 1.)
und den Feststellungsbegehren hinsichtlich der Berechtigung von Verlangen
nach einer jederzeitigen Änderung der Sparrate innerhalb eines Rahmens von
25,00 EUR bis 2.500,00 EUR (dazu unter II. 2.) sowie der fehlenden Berechtigung
der Beklagten, das Vertragsverhältnis vor Ablauf des 19. Januar 2029 ordentlich
zu kündigen (dazu unter II. 3.) stattgegeben. Zutreffend ist ferner die Abweisung
der Widerklagen und der gegen die Ehefrau des Klägers gerichteten
Drittwiderklagen in der Sache (dazu unter III.). Die Revision war hinsichtlich des
auf die Feststellung der fehlenden Berechtigung der Beklagten zur ordentlichen
Kündigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf des 19. Januar 2029
(Klageantrages zu 3) und dessen Gegenteils (Drittwiderklageantrag zu 5. 3.
Spiegelstrich) zuzulassen (dazu unter IV.).
34 I. Die Klagen sind zulässig.
35 1. Der Antrag „Die Beklagte wird verurteilt, im Rahmen des zwischen den Parteien
geschlossenen S.-Sparvertrags Nr. 4000334… die Erhöhung der monatlichen
Sparrate des Klägers von EUR 360,- auf EUR 460,- mit Wirkung ab 22. Juli 2013
auszuführen“, ist noch hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO.
36 Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag
enthalten. Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen
Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen
Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen
Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko
eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den
Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne
eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH,
Urteil vom 28. November 2002 I ZR 168/00 NJW 2003, 668). Insbesondere muss
vermieden werden, dass Unklarheiten hinsichtlich eines Antrags in das spätere
Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Die Verwendung
auslegungsbedürftiger Begriffe kommt nur in Betracht, wenn einerseits für den
Kläger eine weitere Konkretisierung nicht möglich oder zumutbar ist, andererseits
für die Parteien kein Zweifel an ihrem Inhalt besteht (BGH, Urteil vom 26. Juni
2013 - IV ZR 39/10 VersR 2013, 1381). Das ist hier der Fall. Welche Handlungen
seitens der Beklagten neben einer Eintragung des sich aus der Änderung der
Sparrate ergebenden Betrages und dessen Fortführung im Sparbuch im
Einzelnen vorgenommen werden müssen, erschließt sich dem Kläger nicht. Der
Kläger ist auch nicht gehalten zunächst die Änderung des Vertrages
durchzusetzen. Wer eine Anpassung des Vertrags verlangen kann, muss nicht
erst diese durchsetzen. Er kann, unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie
erfolgt, auch unmittelbar die Ansprüche geltend machen, die sich aus der
Anpassung ergeben (BGH, Urteil vom 12. Dezember 2014 - V ZR 109/14 NJW-
RR 2015, 1008).
37 2. Soweit sich die Beklagte gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage zu 2
wendet, bleibt sie erfolglos.
38 Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses setzt
gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ein rechtliches Interesse des Klägers daran voraus,
dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt
wird (BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 NJW 2015, 873).
39 a) Ein rechtliches Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder
Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses ist zu bejahen, wenn dem Recht oder
der Rechtsposition des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Ungewissheit droht
und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (BGH, Urteil vom
12. Juli 2011 - X ZR 56/09 BGHR ZPO § 256 Feststellungsinteresse 80). Dass
eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht, weil die Beklagte eine
Berechtigung eines Verlangens zur jederzeitigen Änderung der Sparrate
bestreitet und diese Gefahr durch die beantragte Feststellung beseitigt werden
könnte (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2006 - VI ZR 77/05 BGHReport 2006, 804),
zieht das Rechtsmittel zutreffend nicht in Zweifel
40 b) Bei der vom Kläger begehrten Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur
Ausführung einer jederzeitigen Erhöhung der monatlichen Sparrate bis zu einem
Maximalbetrag in Höhe von EUR 2.500.- sowie einer jederzeitigen Senkung der
monatlichen Sparrate bis zu einem Minimalbetrag in Höhe von EUR 25.- auf
Verlangen des Klägers handelt es sich um ein feststellungsfähiges
Rechtsverhältnis. Mit der Klage auf Feststellung des Bestehens eines
Rechtsverhältnisses nach § 256 Abs. 1 ZPO kann nicht nur die Feststellung des
Bestehens des Rechtsverhältnisses im Ganzen, sondern auch die Feststellung
einzelner, aus dem umfassenden Rechtsverhältnis hervorgehender
Berechtigungen und Verpflichtungen verlangt werden (vgl. BGH, Urteil vom 29.
November 2011 - II ZR 306/09 BGHR ZPO § 256 Zwischenfeststellungsklage 6),
hier der Änderung der Sparrate auf Verlangen des Klägers.
41 c) Die Feststellungsklage betrifft ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis. Dem steht
nicht entgegen, dass künftige Verlangen des Klägers noch nicht geltend gemacht
wurden. Denn unter einem solchen Rechtsverhältnis ist nicht nur die - aus dem
vorgetragenen Lebenssachverhalt abgeleitete - (bereits bestehende) konkrete
rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einem
Gegenstand zu verstehen. Darunter fallen auch diejenigen Beziehungen, die aus
einem bereits vorhandenen Rechtsverhältnis künftig als Rechtsfolge erwachsen,
so dass etwa bedingte oder betagte Beziehungen die Grundlage einer
Feststellungsklage bilden können. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt
daher auch vor, wenn eine Verbindlichkeit noch nicht entstanden, aber für ihren
späteren Eintritt der Grund in der Art gelegt ist, dass die Entstehung der
Verbindlichkeit nur von dem Eintritt weiterer Umstände oder dem Zeitablauf
abhängt (BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 aaO).
42 d) Wenn die Beklagte die Auffassung vertritt, es wäre dem Kläger möglich eine
Leistungsklage zu erheben, kann dem nicht gefolgt werden. Allerdings trifft es zu,
dass vom Fehlen des Feststellungsinteresses u.a. dann auszugehen ist, wenn
dem Kläger ein einfacherer und zumindest gleich effektiver Weg zur Erreichung
seines Rechtsschutzziels zur Verfügung steht. Ist es dem Kläger möglich und
zumutbar, Klage auf Leistung zu erheben, gebietet es die Prozessökonomie,
sogleich ein vollstreckungsfähiges Urteil zu erwirken (BGH, Beschluss vom 21.
Januar 2014 - II ZR 87/13 DStR 2014, 1404). Das ist nicht der Fall.
43 aa) Eine Leistungsklage auf Ausführung einer jederzeitigen Erhöhung oder
Senkung der Sparrate innerhalb vorgegebener Grenzen auf Verlangen des
Klägers würde den Streitpunkt zwischen den Parteien nicht erledigen. Dieser
Streit weist vielmehr über den Regelungsgegenstand einer solchen
Leistungsklage hinaus. Denn der Kläger erstrebt nicht nur für einzelne Verlangen,
sondern für die gesamte Dauer des Vertragsverhältnisses eine verbindliche
Klärung der Frage der Verpflichtung der Beklagten in Folge geänderter
Verlangen. Bei einer auf ein bestimmtes Verlangen bezogenen Leistungsklage
würde diese Frage dagegen nicht verbindlich entschieden. Die
Feststellungsklage hingegen lässt unter dem Gesichtspunkt der
Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung des
aufgetretenen Streitpunktes erwarten, da sie die von beiden Parteien des
Rechtsstreits aufgeworfene Frage in einem Prozess für die gesamte Dauer des
zwischen den Parteien bestehenden Vertragsverhältnisses ein für alle Mal
verbindlich klärt (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 aaO).
44 bb) Nichts anderes folgt daraus, dass § 258 ZPO bei wiederkehrenden
Leistungen eine Klage auf künftige Leistung auch wegen der erst nach Erlass
des Urteils fällig werdenden Leistungen zulässt. Denn eine solche Klage könnte
der Kläger nicht mit Erfolg erheben. Wiederkehrend im Sinne des § 258 ZPO sind
Ansprüche, die sich als einheitliche Folgen aus einem Rechtsverhältnis ergeben,
so dass die einzelne Leistung in ihrer Entstehung nur noch vom Zeitablauf
abhängig ist. Dazu muss die Leistungspflicht im Zeitpunkt der mündlichen
Verhandlung mit ausreichender Sicherheit feststehen (vgl. BGH, Urteil vom 17.
November 2007 - V ZR 71/06 BGHR ErbbauVO § 9 Abs. 2 Anpassungsklausel
11). Dies ist hier schon deswegen nicht der Fall, weil der Kläger die einzelnen
Verlangen bisher gegenüber der Beklagten nicht geltend gemacht hat.
45 cc) Es kann dahinstehen, ob es dem Kläger möglich und zumutbar wäre, eine
Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) zu erheben. Denn die Möglichkeit einer
solchen Klage steht der Zulässigkeit der Feststellungsklage und dem dafür nach
§ 256 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse nicht entgegen
(BGH, Urteil vom 19. November 2014 - VIII ZR 79/14 aaO m.w.N.).
46 II. Die Klagen sind begründet.
47 1. Im Ergebnis zutreffend ist die Auffassung der ersten Instanz, die Beklagte sei
verpflichtet, die Erhöhung der monatlichen Sparrate des Klägers von 310.- EUR
auf 460.- EUR mit Wirkung ab 22. Juli 2013 auf Grund des „Vorsorgesparen S-
S.“-Vertrages auszuführen.
48 a) Das allerdings nicht, weil, wie die erste Instanz meint, durch die Vereinbarung
des Vorsorgesparen S-Sc.-Vertrages zwischen den Parteien die Werbeaussagen
aus dem Flyer nach §§ 133, 157 BGB Vertragsbestandteil geworden sind. Richtig
ist die Auffassung, dass ein Einbeziehungswille für vertragliche Regelungen
durch schlüssiges Verhalten der Beklagten, das nach Maßgabe der §§ 133, 157
BGB zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1992 - VIII ZR 84/91
BGHR AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Einbeziehung 3), hier vorliegt. Das Verhalten der
Beklagten besaß einen dem Kläger und seiner Ehefrau zweifelsfrei erkennbaren
Erklärungswert (§§ 133, 157 BGB) des Inhalts, dass ihre Bedingungen in den
konkreten Vertrag einbezogen werden sollten. Insoweit folgt der Senat
vollumfänglich den zutreffenden Darlegungen der ersten Instanz, auf die Bezug
genommen wird.
49 b) Bei der in dem zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aktuellen Flyer
maßgeblichen Formulierung „Sie möchten Ihre Sparrate ändern können?
Selbstverständlich können Sie das. Vereinbaren Sie einfach die neue Rate mit
Ihrem Berater. Erhöhungen sind dabei bis zu 2.500 EUR möglich.
Ratensenkungen sind bis zur Mindestrate von 25 EUR möglich“ handelt es sich
jedoch um eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 BGB,
die nur dann Vertragsbestandteil wird, wenn deren Einbeziehung nach § 305
Abs. 2 BGB vereinbart ist (BGH, Urteil vom 28. Juni 2005 - XI ZR 363/04 WM
2005, 1567; BGH, Urteil vom 15. Januar 2014 - VIII ZR 111/13 AVB FernwärmeV
§ 2 Allgemeine Geschäftsbedingungen 1). Eine den Anforderungen des § 305
Abs. 2 BGB entsprechende Einbeziehungsvereinbarung ist nicht zustande
gekommen.
50 Dennoch kann sich die Beklagte darauf nicht berufen. Dass, wie die Beklagte
meint, bei Vertragsschluss andere Allgemeine Geschäftsbedingungen in den
Vertrag einbezogen worden sein sollen, ist nicht erheblich. Die in dem Flyer
wiedergegebenen Bestimmungen, die sich auf den Vorsorgesparen S-S.-Vertrag
beziehen und damit konkrete Regelungen für diesen Sparvertrag enthalten,
gehen den sonstigen Allgemeinen Bedingungen der Beklagten als Sparkasse
vor. Welcher Regelung im Verhältnis zu einer zweiten Regelung gleicher Qualität
der Vorrang zukommt, bestimmt sich nach den Kriterien der Spezialität oder der
Sachnähe.
51 aa) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen
vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der
anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.
52 (1) Die in dem Flyer zur Änderung der Sparrate enthaltene Äußerung stellt freilich
zunächst eine Werbung dar. Die Darstellung enthält auch hinsichtlich der
Möglichkeit der Änderung der Sparrate keine Willenserklärung. Eine solche liegt
vor, wenn der Verwender in vertragsmäßig bindender Weise, also mit
Bindungswillen (BGH, Urteil vom 25. März 2015 - VIII ZR 125/14 NJW 2015,
2584) die Möglichkeit der Änderung der Raten anbietet. Dagegen ist eine durch
einen Flyer übermittelte Aufforderung zum Vertragsschluss im Zweifel als bloße
invitatio ad offerendum aufzufassen (vgl. BGHZ 179, 319, 323). So liegt der Fall
auch hier. Dass die Beklagte bereits in der Werbung für den Verkehr erkennbar
durch den dort enthaltenen Hinweis auf die Möglichkeit der Änderung der
Sparraten in vertragsmäßig bindender Weise ein Angebot unterbreitet hat, ist vom
Landgericht weder festgestellt worden noch sonst ersichtlich (vgl. BGH, Urteil vom
14. April 2011 - I ZR 133/09 BGHR BGB § 443 Garantieerklärung 1), sondern
auch wegen des unbestimmten Adressatenkreises, an den sich die Werbung
wendet, fernliegend.
53 (2) Dennoch handelt es sich um eine von der Beklagten für ihre Zwecke
aufgestellte und vorgegebene Vertragsbedingung, die von ihr dem
„Vorsorgesparen S-S.“ zugrunde gelegt wird.
54 (a) Bei der Möglichkeit der Änderung der Sparrate handelt es sich um eine
Vertragsbedingung, also eine Bestimmung, die den Vertragsinhalt regeln soll
(BGH, Urteil vom 8. März 2005 - XI ZR 154/04 BGHR BGB § 305 Abs. 1
Vertragsbedingung 1). Die in dem Flyer enthaltene Äußerung ruft nach ihrem
objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervor, es solle damit der
Inhalt eines vertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden. Bei Angaben in
Prospekten ist zwischen Anpreisungen und allgemeinen Informationen einerseits
und Leistungsbeschreibungen andererseits, die unmittelbar den
Vertragsgegenstand betreffen und den Vertragsinhalt festlegen, zu unterscheiden
(vgl. Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeifer AGB-Recht 4. Aufl. § 305 Rdnr. 7; Kiene,
VersR 2005, 1332). Bei Finanzprodukten besteht die Besonderheit, dass ihre
Produktmerkmale wesentlich durch die frei vom Anbieter gestaltbaren
Vertragsregeln geprägt werden (vgl. Poelzig, WM 2014, 917 [923]; Thomas ZHR
171 (2007), 684 [695]). Wer also ein Produkt wie das Vorsorgesparen S-S.
hinsichtlich Laufzeit, Ratenhöhe, Verzinsung, Änderungsmöglichkeiten etc. in
einem Werbeflyer beschreibt, nimmt eine Leistungsbeschreibung vor, die den
Charakter einer Vertragsbedingung hat.
55 (b) Dass der Kunde und nicht die Beklagte das Angebot zum Abschluss des
Vertrages abgibt, ist unerheblich. Die Beklagte schließt Verträge üblicherweise
unter Einbeziehung von ihr verwendeter Allgemeiner Geschäftsbedingungen ab.
56 Nach der Zielsetzung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, der
Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht durch das Stellen vorformulierter
Bedingungen entgegenzuwirken, kann es nicht darauf ankommen, ob der
Vertragspartner des Aufstellers sich diesen Regeln erst auf dessen Verlangen
unterwirft oder sie in Kenntnis dieser Praxis und der daran anschließenden
Erwartung, dass anders ein Vertragsabschluss nicht zu erreichen sein wird, von
vornherein in das Angebot aufnimmt. Auch in diesem Fall ist die Aufnahme der
Klausel nicht das Ergebnis einer freien Entscheidung des Vertragspartners des
Aufstellers, sondern Folge von dessen Übung, Verträge nur unter Einbeziehung
dieser Regeln abzuschließen. Ihre Aufnahme in den Vertrag ist daher auch in
diesem Falle Ausdruck der von dem Verfasser der Bedingungen ausgehenden
Marktmacht, so dass sie allein ihm zuzurechnen ist. Auch ohne ausdrückliches
Verlangen hat er durch diese Übung auf die inhaltliche Gestaltung der
Vereinbarung Einfluss genommen und so die Einbeziehung der von ihm
aufgestellten Vertragsbedingungen in den Vertrag veranlasst. Das genügt, um ihn
auch insoweit als Verwender der Bedingungen erscheinen zu lassen (vgl. BGH,
Urteil vom 4. März 1997 - X ZR 141/95 BGHR AGBG § 1 Abs. 1 Verwenden 5).
57 bb) Die Allgemeine Geschäftsbedingung hinsichtlich der Möglichkeit der
Änderung der Sparrate ist allerdings nicht Vertragsbestandteil geworden. Allein
die Bezugnahme im Eröffnungsantrag auf „S-S.“ führte nicht dazu, dass die im
Flyer aufgeführten Bedingungen insgesamt einbezogen wurden. Nach § 305
Abs. 2 BGB werden Allgemeine Geschäftsbedingungen nur dann Bestandteil
eines Vertrags, wenn der Verwender bei Vertragsschluss die andere
Vertragspartei ausdrücklich oder, wenn ein ausdrücklicher Hinweis wegen der Art
des Vertragsschlusses nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten möglich
ist, durch deutlich sichtbaren Aushang am Ort des Vertragsschlusses auf sie
hinweist und der anderen Vertragspartei die Möglichkeit verschafft, in zumutbarer
Weise, die auch eine für den Verwender erkennbare körperliche Behinderung der
anderen Vertragspartei angemessen berücksichtigt, von ihrem Inhalt Kenntnis zu
nehmen. Diese Voraussetzungen, als Teilaspekt des Vertragsabschlusses (vgl.
BGH, Urteil vom 1. März 1982 - VIII ZR 63/81 LM Nr. 2 zu § 2 AGBG), liegen, wie
die erste Instanz zutreffend und von der Berufung da ihr günstig nicht angegriffen
feststellt, nicht vor. Es bleibt offen, ob dem Kläger und seiner Ehefrau der Flyer
und dessen Inhalt bei Vertragsschluss bekannt waren, so dass, unabhängig
davon, ob insoweit eine konkludente Einbeziehung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen möglich wäre, weiter vom Vorliegen eines sog.
Selbsthinweises des Vertragspartners des Verwenders nicht ausgegangen
werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 1985 - VIII ZR 137/85 BGHR AGBG §
2 Abs. 1 Nr. 1 Selbsthinweis 1).
58 cc) Dennoch ist es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf eine
fehlende Einbeziehung der eine zugunsten des Kunden enthaltenden Möglichkeit
der Änderung der Sparrate zu berufen.
59 (1) Ein Verstoß gegen Treu und Glauben kommt bereits in Betracht, wenn die
konkret im Flyer enthaltenen anwendbaren Regelungen für den Kläger günstiger
sind als die gesetzlichen Regelungen, also dem Vertragspartner des Verwenders
durch die Anwendung gesetzlicher Bestimmungen Rechte entzogen werden (vgl.
BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98 WM 1999, 2123) und der
Vertragspartner die Allgemeinen Geschäftsbedingungen allgemein akzeptiert
(Staudinger/Schlosser BGB [2013] § 305 Rdnr. 104), weil dann ein Fall des
widersprüchlichen Verhaltens vorliegt. In diesem Fall kann sich der Verwender
nicht auf die Nichteinbeziehung von für seinen Vertragspartner günstigen
Klauseln berufen (Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeifer, aaO. § 305 Rdnr. 110;
AnwKommBGB/Kollmann, § 305 Rn. 78). So ist es hier.
60 (a) Die nach dem Flyer anwendbaren Regelungen sind für den Kläger günstiger
als die gesetzlichen Regelungen. Das folgt aus der Auslegung der einzelnen
Bestimmungen. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven
Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und
redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise
beteiligten Kreise verstanden werden. Hierbei ist auf die
Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des
Verwenders und auf die typisierten Interessen des Verwenders und seiner
Vertragspartner abzustellen (statt aller BGH, Urteil vom 8. November 2002 - V ZR
78/02 BGHR AGBG § 1 Auslegung 1 m.w.N.).
61 Danach steht dem Vertragspartner des Verwenders die Möglichkeit offen, die
Sparraten zu ändern. Die Formulierung „Sie möchten Ihre Sparrate ändern
können? Selbstverständlich können Sie das. Vereinbaren Sie einfach die neue
Rate mit Ihrem Berater. Erhöhungen sind dabei bis zu 2.500 EUR möglich.
Ratensenkungen sind bis zur Mindestrate von 25 EUR möglich“ enthält letztlich
das Recht des Kunden zur einseitigen Änderung der Sparrate. Das wird dadurch
zum Ausdruck gebracht, dass eine vom Kunden gewünschte Änderung (Sie
möchten ihre Sparrate ändern können?) „selbstverständlich“, also mit Ausnahme
des im Anschluss daran vorgegeben Rahmens ohne weitere Einschränkung
möglich ist. Der Kunde ist folglich berechtigt, eine Änderung der Sparrate in dem
angegebenen Rahmen von 25,00 EUR bis 2.500,00 EUR zu verlangen. Das
Verlangen enthält zugleich einen Antrag auf Vertragsänderung (vgl. BGH, Urteil
vom 8. Oktober 1997 - VIII ZR 373/96 BGHR MHG § 10 Abs. 1
Mieterhöhungsverlangen 1), zu dessen Annahme sich die Beklage verpflichtet
hat. Das wird durch die Formulierung „Vereinbaren Sie einfach die neue Rate mit
Ihrem Berater“ zum Ausdruck gebracht. Eine Einschränkung dahingehend, dass
es dem Berater überlassen bliebe, dem Verlangen auf Änderung der Sparrate
nachzukommen, lässt sich der Bestimmung nicht entnehmen. Nach ihrem
objektiven Inhalt und typischen Sinn ist die Regelung einheitlich so auszulegen,
wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der
Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Hierbei ist
auf die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des
Verwenders und auf die typisierten Interessen des Verwenders und seiner
Vertragspartner abzustellen (BGH, Urteil vom 14. November 2012 - VIII ZR 22/12
WM 2013, 2235). Danach ist die an erster Stelle in den Vordergrund gerückte auf
den Kunden ausgerichtete Flexibilität („IHRE VORTEILE“ „Flexibles Sparen -
entsprechend Ihren individuellen Wünschen“) durch die Änderungsklausel näher
ausgestaltet. Wäre die Beklagte in ihrer Entscheidung frei, dem Verlangen des
Kunden nachzukommen, könnte von einer Flexibilität keine Rede sein. Ohne die
Einräumung einer Änderungsmöglichkeit der Raten für den Kunden wäre für die
gesamte Laufzeit die bei Vertragsschluss vereinbarte Rate, hier 310,00 EUR
maßgebend, weil sich darüber dann beide Parteien bei Vertragsschluss einig
gewesen waren. Gerade durch die Aufnahme einer Änderungsklausel bei
Vertragsschluss wird deutlich, dass sich die Parteien von dem lebensnahen
Bewusstsein haben leiten lassen, nach welchem Änderungen im Laufe des auf
bestimmte Zeit angelegten Vertrages nicht in Betracht kommen. Bei dem S.-
Sparvertrag handelt es sich um ein langfristig angelegtes Vertragsverhältnis. Das
ergibt sich nicht nur aus der vereinbarten Dauer des Vertragsverhältnisses,
sondern auch aus der jeweils zu erbringenden Sparrate und der vertraglich
vereinbarten Erhöhung der Verzinsung mit der Zunahme der Laufzeit. Durch die
Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, wonach die Vertragsparteien
grundsätzlich an ihre Vertragserklärungen gem. §§ 145 ff. BGB gebunden sind
(Staudinger/Schlosser BGB [2013] § 305 Rdnr. 101), würde ohne die vereinbarte,
dem Kunden zustehende Änderungsmöglichkeit diesem mithin Rechte, nämlich
jene Vertragsänderungen herbeizuführen, entzogen werden.
62 (b) Dass der Kläger und seine Ehefrau die in dem Flyer enthaltenen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen allgemein akzeptiert haben, weil sie sich generell mit den
Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einverstanden erklärt und auf
die Produktbezeichnung S-S. Bezug genommen haben, zieht die Beklagte zu
Recht nicht in Zweifel.
63 (2) Die Beklagte setzt sich mit ihrem früheren Verhalten in Widerspruch, wenn sie
nun die Auffassung vertritt, dem Kunden stehe kein Recht zur einseitigen
Änderung der Sparrate zu, weil die Aussagen des Flyers nicht Vertragsinhalt
geworden seien. Allerdings ist nicht jeder Widerspruch zwischen zwei
Verhaltensweisen als unzulässige Rechtsausübung zu werten. Auch liegt nicht
allein deshalb eine unzulässige Rechtsausübung vor, wenn Rechtsauffassungen
im Laufe der Zeit geändert werden. Vielmehr ist widersprüchliches Verhalten
(venire contra factum proprium) erst dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den
anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere
besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. So
ist es hier.
64 (a) Entscheidend sind letztlich die Umstände des jeweiligen Einzelfalls. Für die
Bewertung, ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, fallen auch ein etwaiges
Verschulden und dessen Grad ins Gewicht. Ein Verschulden ist für den Vorwurf
des Rechtsmissbrauchs, der aus widersprüchlichem Verhalten hergeleitet werden
soll, aber nicht zwingend erforderlich. Nach gefestigter Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs kann daher eine Rechtsausübung unzulässig sein, wenn
sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das
frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen
der Gegenpartei im Hinblick darauf vorrangig schutzwürdig erscheinen. Hierbei
handelt es sich allerdings um einen engen Ausnahmetatbestand.
65 Ist durch das frühere Verhalten der Partei kein schutzwürdiges Vertrauen der
Gegenseite begründet worden, ist ein rechtsmissbräuchliches Verhalten nur in
besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht zu ziehen, etwa bei einem
unlösbaren Widerspruch zwischen früherer und späterer Rechtsausübung (vgl.
zum Ganzen BGH, Urteil vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 154/14 WuM 2015, 296).
66 (b) Danach kann sich die Beklagte hier nicht darauf berufen, die ihrem
Vertragspartner günstige Änderungsmöglichkeit der Raten sei nicht in den
Vertrag einbezogen worden. Die Beklagte hat für den Kläger und seine Ehefrau
einen Vertrauenstatbestand geschaffen. Deren Vertrauen auf die Einbeziehung
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wie sie in dem Flyer enthalten sind, ist
vorrangig schutzwürdig.
67 (aa) Die Beklage verwendete die die S.-Vorsorgesparverträge betreffenden Flyer
seit Anfang/Mitte der 1990-er Jahre, also bereits mehrere Jahre vor Abschluss
des hier maßgebenden Vertrages im Jahr 2004. Sie hat über viele Jahre hinweg
insgesamt mehrere Tausend S.-Sparverträge mit ihren Kunden abgeschlossen,
denen die gleiche Struktur, einschließlich der Möglichkeit der Änderung der Höhe
der Sparrate seitens des Sparers, zugrunde lag (vgl. z.B. die in den Verfahren vor
dem Landgericht Ulm 4 O 377/13 als Anlagen K 10 bis 13 = BA 97 bis 102; 4 O
379/13 K 1 = BA I 10; K 6 bis 9 = BA I 62 bis 67 vorgelegten Flyer, die mit
unterschiedlichen Formulierungen im Einzelnen u.a. folgende Aussagen hierzu
enthalten: „Sie können Ihre Sparraten ändern!“, „Sie können Ihre Sparraten
ständig ändern!“, „Sie möchten Ihre Sparraten ändern können?
Selbstverständlich können Sie das - so oft Sie wollen. ....“). Die Beklagte hat als
Verwenderin mit den im Flyer wiedergegebenen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen für ihr Produkt „Vorsorgesparen S-S.“ geworben und
dabei an erster Stelle dessen auf den Kunden ausgerichtete Flexibilität („IHRE
VORTEILE“ „Flexibles Sparen - entsprechend ihren individuellen Wünschen“) in
den Vordergrund gerückt und diese Flexibilität durch die Änderungsklausel näher
ausgestaltet. Sie wusste, dass ihre Kunden, die auf Grund der Werbung die S-S.-
Verträge abgeschlossen haben, eine dieses Leistungsversprechen umsetzende
Bedingung erwarteten. Die Beklagte wollte die Bedingungen zu Vertragsinhalt
machen, hat aber beim konkreten Vertragsschluss deren Einbeziehung vereitelt
(vgl. Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeifer, a.a.O. § 305 Rdnr. 110;
AnwKommBGB/Kollmann, § 305 Rn. 78; Henkel ZGS 2003, 418, 420), weil sie es
versäumt hat, die von ihr verwendeten Bedingungen durch Einhaltung der
Voraussetzungen nach § 305 Abs. 2 BGB zum Vertragsinhalt zu machen. Das
wird auch daraus deutlich, dass die Einbeziehung der vertraglichen
Bestimmungen trotz der Bezugnahme im Eröffnungsantrag auf S-S.
fehlgeschlagen ist.
68 (bb) Die Interessen der Gegenpartei, der Kunden, sind deshalb vorrangig
schutzwürdig. Das - zulässige - einfache Bestreiten der Kenntnis des Klägers und
seiner Ehefrau vom Inhalt des Flyers bei Vertragsschluss durch die Beklagte liegt
neben der Sache. Der Kunde bringt aus Sicht der Bank zum Ausdruck, dass er
an dem von ihr vertriebenen Produkt „S-S.“ teilhaben will. Dabei geht es nicht um
eine konkret-individuelle Betrachtungsweise, wie sie bei der Inhaltskontrolle eine
Rolle spielen könnte (vgl. § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB), sondern um die Möglichkeit
der Kenntnisnahme von den Bedingungen (vgl. statt aller BGH, Urteil vom 10.
Juni 1999 - VII ZR 170/98 BGHR AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2 - Einbeziehung 4), die
die vorrangige Schutzwürdigkeit der Kunden der Beklagten begründet. Dass eine
solche Gelegenheit für den Kläger und seine Ehefrau vor Vertragsschluss
bestand, die jedenfalls fortgewirkt hätte, zieht auch das Rechtsmittel nicht in
Zweifel.
69 c) Dass die Vereinbarung nicht schriftlich niedergelegt wurde, vermag daran
nichts zu ändern. Die schriftlichen Abreden enthalten keine Erklärungen,
aufgrund derer der Kunde annehmen musste, dass diese Angaben verbindliche
Regelungen enthielten, die gegenüber den vertraglichen Bestimmungen der S.-
Vorsorgespar-Verträge vorrangig sein sollten.
70 d) Soweit die Berufung sich auf das Rechtsinstitut der Prospekthaftung stützt und
ausführt, insoweit gebe es keinen Anspruch so gestellt zu werden, als wären die
beanstandeten Prospektangaben zutreffend gewesen (BB 15), verkennt sie, dass
vorliegend nicht eine Haftung und deren Folgen, sondern vertraglich vereinbarte
Erfüllungsansprüche in Rede stehen. Der Beklagten wird lediglich nach § 242
BGB (Treu und Glauben) der Einwand versagt, die im Flyer enthaltenen,
insbesondere auch kundengünstigen Vertragsbedingungen seien nicht in der für
Allgemeine Geschäftsbedingungen gebotenen (kundenschützenden) Form
einbezogen worden.
71 e) Dem ersichtlich als Hilfsvorbringen einzuordnenden Vorbringen der Beklagten,
das auf ein vom Wortlaut des Flyers abweichendes übereinstimmendes
Verständnis der Möglichkeit der Ratenänderung in Form eines im Belieben der
Beklagten stehenden Zustimmungserfordernis abzielt, muss der Erfolg gleichfalls
versagt bleiben. Das allerdings nicht, weil (objektiv) feststünde, dass die
Hilfsdarstellung bewusst wahrheitswidrig abgegeben wurde (vgl. BGH, Urteil vom
30. Januar 2015 - V ZR 63/13 WM 2015, 1434), sondern weil ein solches
übereinstimmendes Verständnis bei Vertragsschluss nicht bestanden hat.
72 aa) Der Wortlaut des Flyers enthält eine solche Einschränkung nicht, vielmehr ist
dort ausgeführt „Sie können Ihre Sparrate jederzeit ändern“. Entgegen der
Auffassung der Berufung lässt auch das Verhalten der Beklagten nach
Vertragsschluss nicht darauf schließen, dass diese im Zeitpunkt des
Vertragsschlusses davon ausgegangen ist, ihr stünde eine freie Entscheidung
hinsichtlich der Änderung der Sparraten zu. Bei der Auslegung einer
Willenserklärung sind nur solche Umstände zu berücksichtigen, die dem
Empfänger bei Zugang der Willenserklärung erkennbar waren. Aus Umständen,
die erst nach Zugang der Erklärung zutage treten, kann nicht der Schluss
gezogen werden, dass der Empfänger diese Erklärung in einem anderen als in
dem zum Zeitpunkt des Zugangs erkennbaren Sinn verstehen musste. Zwar
kann bei der Auslegung eines Rechtsgeschäfts auch das nachträgliche Verhalten
der Partei berücksichtigt werden. Dies gilt aber nur in dem Sinne, dass spätere
Vorgänge Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen und das tatsächliche
Verständnis der am Rechtsgeschäft Beteiligten zulassen können (BGH, Urteil
vom 7. Dezember 2006 - VII ZR 166/05 BGHR BGB § 133
Auslegungsgrundsätze 20). Diese Bedeutung hat die im Juli 2013 seitens der
Beklagten gemachte Aussage nicht. Bereits wegen des langen zeitlichen
Abstands zwischen Vertragsschluss und dem Änderungsverlangen sowie der
zwischenzeitlichen Entwicklung des Zinsniveaus kommt ein Rückschluss auf ein
vom Wortlaut der Klausel abweichendes Verständnis der Beklagten nicht in
Betracht. Das Gegenteil ist der Fall. Erst Recht kann den Äußerungen des
Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht, über 10 Jahre nach
dem Vertragsschluss, nicht entnommen werden, er sei bei Vertragsschluss davon
ausgegangen, der Beklagten stünde bezüglich der Änderung der Sparraten im
vorgegebenen Rahmen ein Entscheidungsspielraum zu. Die verneinende
Antwort auf die Frage, ob ein Recht gegen einen bestehenden Widerstand
durchgesetzt würde, lässt nicht den Schluss zu, das Recht sei nicht vereinbart
worden.
73 bb) An einem vom Wortlaut des Flyers abweichenden übereinstimmenden
Verständnis der Möglichkeit der Ratenänderung in Form eines im Belieben der
Beklagten stehenden Zustimmungserfordernis fehlt es auch deshalb, weil die
Beklagte, wie die erste Instanz zutreffend ausführt (LGU 37 letzter Abs.), selbst
davon ausgegangen ist, der Sparer könne die Raten im vorgegebenen Rahmen
jederzeit ändern. So wurden die Verträge gelebt. Erst durch die Entscheidung des
Vorstands, mithin lange nach Vertragsschluss, wurde davon seitens der
Beklagten einseitig Abstand genommen.
74 cc) Die von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung in erster
Instanz erhobene Rüge, die Drittwiderbeklagte hätte insoweit gleichfalls angehört
werden müssen, geht fehl. Zum einen kommt es auf den übereinstimmenden
Willen der Parteien, der vom Wortlaut des Vertrages abweicht, an. Zum anderen
wäre es der Beklagten möglich gewesen, eine Anhörung der Ehefrau des Klägers
nach § 141 ZPO anzuregen und schließlich hätte sie, von ihrem Standpunkt aus
folgerichtig, die Vernehmung der Drittwiderbeklagten als Partei gemäß § 445 ZPO
beantragen können.
75 f) Der Kläger war am 22. Juli 2013 berechtigt, die Erhöhung der Sparrate von
310,00 EUR auf 460,00 EUR zu verlangen; die Beklagte war verpflichtet, das in
diesem Verlangen liegende Angebot auf Abänderung des Sparvertrages noch an
diesem Tag anzunehmen.
76 aa) Allerdings sind nach den gesetzlichen Regelungen abzugebende
Erklärungen von allen auf einer Seite des Vertrages Beteiligten abzugeben. Das
folgt aus der Einheitlichkeit des Vertragsverhältnisses und daraus, dass beide
Vertragsparteien gemeinschaftlich die beiden Seiten des bestehenden
Vertragsverhältnisses bilden. Danach wäre es erforderlich gewesen, dass nicht
nur der Kläger, sondern auch seine Ehefrau als weiterer Vertragspartner auf der
Sparerseite die Vertragsänderung verlangt. Jedoch finden auch insoweit die
Grundsätze der Stellvertretung Anwendung, so dass das Verlangen auf
Erhöhung der Sparrate wirksam ist und die Beklagte verpflichtet war, das darin
enthaltene Angebot auf Abänderung des Sparvertrages noch am 22. Juli 2013
anzunehmen.
77 (1) Gemäß § 164 Abs. 1 Satz 1 BGB wirkt eine Willenserklärung, die jemand
innerhalb der ihm zustehenden Vertretungsmacht im Namen des Vertretenen
abgibt, für und gegen den Vertretenen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob
die Erklärung ausdrücklich im Namen des Vertretenen erfolgt oder ob die
Umstände ergeben, dass sie in dessen Namen erfolgt (§ 164 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Gleichfalls ist unerheblich, dass der Kläger sowohl in eigenem Namen als auch
für seine Ehefrau gehandelt hat. Einem Handeln zugleich im fremden und im
eigenen Namen stehen grundsätzlich keine rechtlichen Hindernisse entgegen
(BGH, Urteil vom 23. März 1988 - VIII ZR 175/87 BGHR BGB § 164 Abs. 1
Vertretererklärung 2).
78 (2) Für die Frage, ob jemand eine Erklärung auch im fremden Namen abgibt,
kommt es auf deren objektiven Erklärungswert an, also darauf, wie sich die
Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte für
den Empfänger darstellt. Hierbei sind außer dem Wortlaut der Erklärung alle
Umstände zu berücksichtigen, die unter Beachtung der Verkehrssitte Schlüsse
auf den Sinn der Erklärung zulassen, insbesondere die dem Rechtsverhältnis
zugrundeliegenden Lebensverhältnisse, die Interessenslage, der
Geschäftsbereich, dem der Erklärungsgegenstand angehört, und typische
Verhaltensweisen (BGH, Urteil vom 22. Februar 1994 - LwZR 4/93 BGHR BGB §
164 Abs. 1 Vertretererklärung 5). Danach hat der Kläger, der auch in der
Folgezeit federführend gehandelt hat, das Verlangen auch im Namen der
Zedentin geltend gemacht. Das hat die Beklagte, vertreten durch ihre Mitarbeiterin
(dazu unter II 1 c), auch so verstanden, weil ihr die Beteiligung der Ehefrau an
dem Sparvertrag bekannt war und dem Verlangen nicht aus diesem, sondern aus
anderen Gründen nicht nachgekommen wurde.
79 bb) Darauf, ob der Kläger mit dem Verlangen am 22. Juli 2013 innerhalb der ihm
zustehenden Vertretungsmacht gehandelt hat, kommt es nicht an. Ist vom Fehlen
der Vollmacht auszugehen, führt das zur Anwendung der §§ 177 ff. BGB.
80 (1) Die Anspruchsanmeldung wäre nicht nach § 180 Satz 1 BGB unwirksam.
Nach dieser Vorschrift ist bei einem einseitigen Rechtsgeschäft Vertretung ohne
Vertretungsmacht grundsätzlich unzulässig. Hat derjenige, welchem gegenüber
ein solches Rechtsgeschäft vorzunehmen war, die von dem Vertreter behauptete
Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts nicht beanstandet,
finden nach § 180 Satz 2 BGB die Vorschriften über Verträge entsprechende
Anwendung. Am 22. Juli 2013 hat der Kläger das Verlangen auf Erhöhung der
Sparrate auch im Namen seiner Ehefrau geltend gemacht. Darin liegt zugleich die
Behauptung der hierfür erforderlichen Vertretungsmacht, die die Beklagte nicht
beanstandet hat. Denn im Auftreten als (gewillkürter) Vertreter, das sich aus der
Geltendmachung fremder Ansprüche ergibt, liegt regelmäßig die stillschweigende
Behauptung einer rechtsgeschäftlichen Vollmacht (BGH, Urteil vom 26. Mai 2010
- Xa ZR 124/09 BGHR BGB § 651g Anspruchsanmeldung 8). Die Wirksamkeit
der Erklärung des Klägers hing somit nach § 177 Abs. 1 BGB von der
Genehmigung der vertretenen Ehefrau ab.
81 (2) Die Genehmigung, die hier jedenfalls konkludent in der Abtretungserklärung
vom 5. Dezember 2013 (GA I 71 = K 6) liegt, wird nicht erst mit deren Erklärung
wirksam. Die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB ist eine einseitige
empfangsbedürftige Willenserklärung, die nach § 182 Abs. 1 BGB sowohl dem
einen als auch dem anderen Teil gegenüber erklärt werden kann. Nach § 184
Abs. 1 BGB wirkt die Genehmigung auf den Zeitpunkt der Vornahme des
Rechtsgeschäfts zurück, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Die Genehmigung
ist nicht fristgebunden. Eine anderweitige Bestimmung scheidet vorliegend aus,
weil auch ohne die Einordnung des Verlangens als einseitiges Rechtsgeschäft,
also als Rechtsgeschäft, das nur aus einer Willenserklärung besteht, die Beklagte
nicht schutzbedürftig ist. Nach der vertraglichen Vereinbarung ist die Erklärung
nicht an eine Form gebunden. Die Beklagte erhält durch die Geltendmachung
auch Kenntnis von dem Angebot auf Abänderung des Vertrages und kann die
ihrer Ansicht nach erforderlichen Maßnahmen treffen, mithin das Verlangen
zurückweisen, weil beispielsweise die Voraussetzungen der §§ 174, 180 BGB
vorliegen oder das Angebot annehmen, das sich innerhalb des vertraglich
vereinbarten Rahmens der Sparrate bewegt (vgl. BGH aaO; offen gelassen für
die Kündigung eines Mietvertrages BGH, Urteil vom 30. November 2015 - V ZR
234/11 NJW-RR 2013, 335,verneinend für die Kündigung eines
Agenturverhältnisses BGH, Urteil vom 13. August 2015 - VII ZR 90/14 z.V.b.
BGHZ obiter dictum).
82 cc) Entsprechend der Vereinbarung wäre die Beklagte gehalten gewesen, noch
am 22. Juli 2013 die Annahme des Angebots zu erklären (vgl. BGH, Urteil vom
22. Juli 2015 - IV ZR 223/15 WM 2015, 1681).
83 Nach § 147 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der einem Anwesenden gemachte Antrag
nur sofort angenommen werden. Macht jemand dem (anwesenden) berechtigten
Vertreter eines (abwesenden) Dritten ein Vertragsangebot, handelt es sich
Angebot unter Anwesenden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 - IX ZR 242/94
BGHR BGB § 147 Abs. 1 Satz 1 Anwesender 1). Die Bevollmächtigung der
Beraterin des Klägers ergibt sich aus dem Flyer („Sie möchten Ihre Sparrate
ändern können? Selbstverständlich können Sie das. Vereinbaren Sie einfach die
neue Rate mit Ihrem Berater.“).
84 g) Eine auf § 242 BGB gestützte und von der Beklagten auch insoweit geltend
gemachte Anpassung des Vertrages, die zu einem Ausschluss der Berechtigung
führen soll, kommt nicht in Betracht (dazu unter III 5 c aa).
85 h) Dem von der Berufung angeführten Umstand, dass ca. 110 monatliche Raten
ohne Veränderung in der Höhe gezahlt wurden, kommt weder die Wirkung eines
Verzichts oder einer vergleichbaren Abrede zu, noch ist von einer Verwirkung
auszugehen. Die Annahme eines konkludenten Verzichts bedarf regelmäßig der
Darlegung nachvollziehbarer Gründe, weshalb der Gläubiger auf sein Recht
verzichten sollte (BGH, Urteil vom 10. Mai 2001 - VII ZR 356/00 - WM 2001,
1387). Daran fehlt es. Eine Verwirkung als Unterfall der unzulässigen
Rechtsausübung aufgrund widersprüchlichen Verhaltens liegt gleichfalls nicht
vor. Zu dem reinen Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des
Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des
Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde seinen Anspruch nicht mehr
geltend machen. Daran fehlt es. Der Vertrauenstatbestand kann nicht durch
bloßen Zeitablauf geschaffen werden (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII
ZR 59/12 BGHR BGB § 242 Verwirkung 42). Eine illoyale Verspätung der
Rechtsausübung liegt nicht vor. Bei objektiver Beurteilung (statt aller BGH, Urteil
vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 59/12 NJW-RR 2014, 195) durfte der Verpflichtete
dem bisherigen Verhalten des Berechtigten nicht entnehmen, dass dieser das
ihm für die Laufzeit des Vertrages von 25 Jahren eingeräumte Recht deshalb
nicht mehr geltend machen wolle, weil er hiervon innerhalb von 9 Jahren keinen
Gebrauch gemacht hat. Die Beklagte durfte sich also nicht darauf einrichten, dass
sie mit einer Rechtsausübung durch den Berechtigten nicht mehr zu rechnen
brauche.
86 2. Die künftige Berechtigung des Klägers die Änderung der Sparrate in dem
Rahmen zwischen 25,00 EUR und 2.500,00 EUR zu verlangen ergibt sich aus
der vertraglichen Vereinbarung mit der Beklagten (dazu oben unter II 1 a) und der
in der mit „Abtretungserklärung“ überschriebenen Erklärung seiner Ehefrau.
87 Die Erklärung enthält die Abtretung der Ansprüche aus dem Sparvertrag und
jedenfalls eine Ermächtigung zur Geltendmachung von Rechten im eigenen
Namen (vgl. Staudinger/Busche BGB [2012] § 398 Rdnr. 81, § 413 Rdnrn. 13 ff.).
88 a) Wenn das Rechtsmittel vorbringt, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert, weil es an
einer Abtretungsvereinbarung, genauer der Annahme des Abtretungsangebots
der Wider- und Drittwiderbeklagten sowie dem Zugang der Annahmeerklärung
fehle, liegt der Einwand neben der Sache. Für die Annahme der Abtretung als
eines lediglich vorteilhaften Angebots reicht es nach § 151 Satz 1 BGB
gewöhnlich aus, dass dieses zugeht und nicht durch eine nach außen
erkennbare Willensäußerung des Begünstigten abgelehnt wird, was das
Rechtsmittel hinnimmt. Soweit die Berufung die für das Zustandekommen des
Vertrages auch in den Fällen des § 151 Satz 1 BGB erforderliche Annahme, d.h.
eines als Willensbetätigung zu wertenden, nach außen hervortretenden
Verhaltens des Angebotsempfängers, aus dem sich dessen Annahmewille
unzweideutig ergibt (BGH, Urteil vom 12. Oktober 1999 - XI ZR 24/99 BGHR BGB
§ 151 Annahmeerklärung 1), vermisst, blendet sie das prozessuale Verhalten des
Klägers, der seine Berechtigung aus der vorgelegten Erklärung ableitet, aus.
89 b) Die Ermächtigung zur Geltendmachung von Rechten folgt auch aus dem 2.
Absatz der Erklärung in welchem „volles Einverständnis“ mit „in der
Vergangenheit“ seitens des Klägers „abgegeben Erklärungen“ erklärt wird. Der
Rechtsinhaber kann einen Dritten zur Geltendmachung eines unselbständigen
Gestaltungsrechts im eigenen Namen ermächtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11.
September 2002 - XII ZR 187/00 BGHReport 2002, 1023; BGH, Urteil vom 19.
März 2014 - VIII ZR 203/13 NJW 2014, 1802). Eine Verlautbarung, dass das
Verlangen auch für die Ehefrau des Klägers erfolgen müsse, ist nicht erforderlich,
so dass die Klage auch nicht teilweise abzuweisen ist. Anders als die
Stellvertretung gestattet die Ermächtigung dem Berechtigten das Handeln im
eigenen Namen, so dass es eines Hinweises auf den eigentlichen Rechtsinhaber
gerade nicht bedarf (BGH, Urteil vom 19. März 2014 - VIII ZR 203/13 aaO). Für
einen Mitrechtsinhaber gilt nichts anderes.
90 3. Zu Recht hat die erste Instanz weiter darauf erkannt, dass die Beklagte nicht
berechtigt ist, den zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau auf der einen und ihr
auf der anderen Seite abgeschlossenen S.-Sparvertrag Nr. 4000334… vor Ablauf
des 19. Januar 2029 ordentlich zu kündigen.
91 a) Soweit die Berufung den Standpunkt vertritt, die Beklagte habe auf ein ihr
zustehendes Kündigungsrecht nicht verzichtet, bleibt sie erfolglos. Wird bei
Abschluss eines Vertrages zugleich geregelt, unter welchen Voraussetzungen
ein Recht wegfällt, das durch diesen Vertrag erst begründet wird, oder gelangt
das Recht bei Vertragsschluss nicht zur Entstehung, so betrifft diese Regelung
nicht die Aufgabe eines zuvor erworbenen Rechts und steht daher einem
Verzicht, an dessen Feststellung strenge Anforderungen zu stellen sind, nicht
gleich (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2012 - II ZR 178/10 BGHR BGB § 133
Gesellschaftsvertrag 2). Ein Recht der Beklagten zur ordentlichen Kündigung vor
Ablauf des 19. Januar 2029 ist nicht zur Entstehung gelangt.
92 b) Der Vertrag betrifft die Entgegenahme von Spareinlagen. Es handelt sich also
nach der formalisierte Minimalregelungen enthaltenden Bestimmung des § 21
Abs. 4 Satz 1 Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und
Finanzdienstleistungsinstitute (im Folgenden: RechKredV; dazu Schürmann in
Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechtshandbuch 4. Aufl. § 70 Rdnr. 10; vgl.
Staub/Reuter HGB 5. Aufl. Bankvertragsrecht 4. Teil Rdnr. 35), um unbefristete
Gelder, über die eine Sparurkunde, insbesondere ein Sparbuch ausgestellt wird,
die nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt, auf einen spezifischen Einlegerkreis
beschränkt sind und die eine Kündigungsfrist von mindestens drei Monaten
aufweisen, wobei die Möglichkeit besteht, in den Sparbedingungen dem Kunden
das Recht einzuräumen, bis zu einem bestimmten Betrag, der je Sparkonto und
Kalendermonat 2.000 Euro nicht überschreiten darf, ohne Kündigung zu
verfügen. Gegen die Feststellung des Vorliegens dieser Voraussetzungen
wendet sich die Berufung zu Recht nicht. Insbesondere trifft es zu, dass mit dem
vertraglich vereinbarten Ende der Einzahlungsverpflichtung, dem 19. Januar
2029, lediglich diese, nicht aber das Vertragsverhältnis beendet ist. Weiter
gehören der Kläger und seine Ehefrau zu dem maßgebenden spezifischen
Einlegerkreis. Damit finden die Bestimmungen der §§ 700 Abs. 1, 488 ff BGB
Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 52/08 WM 2011,
306).
93 c) Allerdings bestimmen sich gemäß § 700 Abs. 1 Satz 3 BGB Zeit und Ort der
Rückgabe im Zweifel nach den Vorschriften über den Verwahrungsvertrag. Nach
der insoweit maßgebenden Bestimmung des § 696 BGB kann der Verwahrer,
gemäß Satz 1 der Regelung, wenn eine Zeit für die Aufbewahrung nicht bestimmt
ist, jederzeit die Rücknahme der hinterlegten Sache verlangen (zum Verhältnis
zwischen Verlangen und Kündigung vgl. Staudinger/Reuter BGB [2006] § 696
Rdnr. 1). Satz 1 des § 696 BGB kommt wegen der vorrangigen vertraglichen
Ausgestaltung des „Vorsorgesparen-S-S.“ jedoch nicht zum Zuge. Aus der
Verpflichtung zur Einzahlung der monatlichen Sparrate vom 19. Januar 2004 bis
zum 19. Januar 2029 folgt, dass bis zum Ablauf 19. Januar 2029 eine Zeit für die
Aufbewahrung vereinbart wurde, so dass der Verwahrer nach Satz 2 des § 696
BGB die vorzeitige Rücknahme nur verlangen kann, wenn ein wichtiger Grund
vorliegt.
94 Nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen sind insbesondere der mit der
Absprache verfolgte Zweck und die Interessenlage der Parteien (Grundsatz der
beiderseits interessengerechten Auslegung) zu berücksichtigen, ferner die
sonstigen Begleitumstände, die den Sinngehalt der gewechselten Erklärungen
erhellen können (BGH, Urteil vom 29. Mai 2008 - IX ZR 45/07 WM 2008, 1456).
Danach sollte der Sparvertrag hier, wie die Beklagte in anderem Zusammenhang
zu Recht hervorhebt, als langfristiges Vertragsverhältnis der Ansammlung oder
Anlage von Vermögen durch regelmäßige Ansparvorgänge dienen (vgl.
Schürmann in Schimansky/Bunte/Lwowski Bankrechtshandbuch 4. Aufl. § 70
Rdnr. 1). Damit wäre es unvereinbar, wenn die Beklagte berechtigt wäre, das
Vertragsverhältnis während der vereinbarten Zeit, innerhalb derer die
Verpflichtung des Sparers zur monatlichen Einzahlung besteht, durch eine
ordentliche Kündigung zu beenden. Dann bliebe es der Beklagten überlassen,
dem Sparer die vertraglich vereinbarte Möglichkeit der Ansammlung oder Anlage
von Vermögen zu nehmen. Das gilt erst recht, wenn, wie hier, der Zinssatz mit der
Dauer des Vertrages ansteigt. Denn damit will die Beklagte die Sparer zur
langfristigen regelmäßigen Einzahlung veranlassen, ohne dass der Erhalt dieser
in Aussicht gestellten Vorteile vertraglich gesichert wäre.
95 d) Es kann dahinstehen, ob die Kündigungsvorschriften des Darlehensrechts auf
Sparverträge, die unter bestimmten Voraussetzungen kündigungsunabhängige
Verfügungen über die Einlage gestatten, Anwendung finden (vgl. Schürmann in
Schimansky/Bunte/Lwowski aaO § 70 Rdnr. 3).Selbst bei unmittelbarer
Anwendung der §§ 488 f. BGB folgt daraus für die Beklagte kein Recht zur
ordentlichen Kündigung des Vertragsverhältnisses vor Ablauf des 19. Januar
2029.
96 aa) Ein Recht zur ordentlichen Kündigung ergibt sich nicht aus § 488 Abs. 3 BGB.
Nach § 488 Abs. 3 hängt die Fälligkeit, wenn für die Rückzahlung des Darlehens
eine Zeit nicht bestimmt ist, davon ab, dass der Darlehensgeber oder der
Darlehensnehmer kündigt. Dabei ziehen die Parteien des Rechtsstreits zutreffend
nicht in Zweifel, dass es sich bei dem Kläger und seiner Ehefrau auf Grund des
Sparvertrages um die Darlehensgeber handelt und die Sparkasse
Darlehensnehmerin ist. Jedoch ist § 488 Abs. 3 BGB, anders als § 489 Abs. 1, 2
BGB, durch Parteivereinbarung abdingbar. Dies kann sowohl ausdrücklich
erfolgen als auch sich aus dem Zweck der Darlehensvereinbarung ergeben
(MünchKommBGB/Berger, BGB, 6. Aufl. § 488 Rn. 226; Staudinger/Mülbert
[2015] § 488 BGB Rn. 339; Palandt/Weidenkaff, BGB, 74. Aufl., § 488 Rn. 22).
97 Die Vereinbarung einer 25-jährigen Einzahlungszeit verbunden mit einer
verbindlichen Bonuszinsstaffel, die in Abhängigkeit von der Laufzeit des
Vertrages weiter ansteigt, enthält die konkludente Vereinbarung eines
Kündigungsausschlusses während dieser Zeit. Mit der Gestaltung hat die
Beklagte selbst Anreize für eine langfristige Vermögensüberlassung geschaffen.
Erklärter Zweck des S-S.-Vorsorgesparens war der langfristige Vermögensaufbau
der Sparer. Mit diesem Zweck ist ein jederzeitiges dreimonatiges
Kündigungsrecht der Sparkasse nicht vereinbar. Deshalb bedarf die Frage, ob §
488 Abs. 3 BGB weiter voraussetzt, dass die Beklagte die Darlehensvaluta
vollständig erhalten hat, was erst dann der Fall ist, wenn die Sparraten am 19.
Januar 2029 einbezahlt sind, keiner Entscheidung (vgl. dazu Staudinger/Mülbert
aaO. § 488 Rdnr. 309).
98 Aus den von der Berufung herangezogenen Entscheidungen des OLG Stuttgart,
Beschluss vom 18. Februar 2014 (richtig: 4. Februar 2014) - 9 U 202/13 (nV), und
Beschluss vom 14. Oktober 2011 - 9 U 151/11, WM 2013, 508, ergibt sich nichts
anderes, weil dort, anders als hier, für die Rückzahlung des Darlehens für den
maßgebenden Zeitpunkt eine Zeit nicht bestimmt war.
99 bb) Auch die Bestimmung des § 489 Abs. 2 BGB ist nicht einschlägig. Nach
dieser Regelung kann der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit
veränderlichem Zinssatz jederzeit unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei
Monaten kündigen. Wird ein fester Zins mit einem veränderlichem Zinssatz
gekoppelt, vermag das an der Anwendbarkeit der Bestimmung nichts zu ändern.
Als Darlehensverträge mit veränderlichem Zinssatz sind nach der Begründung
des Regierungsentwurfs (BT-Drucks 10/4741, S. 23) „mit Rücksicht auf den
Anwendungsbereich des Absatzes 1 nur solche zu verstehen, bei denen
jederzeit eine Änderung des Zinssatzes eintreten kann“. Bei Abschluss des
Darlehensvertrages darf also nicht einmal für einen Teil der Darlehenslaufzeit ein
fester Zinssatz vereinbart sein (BegRegE BT-Drucks 10/4741 S. 23). Damit steht
die Anwendbarkeit des § 489 Abs. 2 BGB unter der doppelten Voraussetzung,
dass erstens ein variabler Zinssatz vereinbart und zweitens die Zinssatzänderung
jederzeit eintreten kann (Staudinger/Mülbert, aaO. § 489 Rdnr. 53). Daran fehlt es
hier. Zwar ist der variable Grundzins an einen Referenzzins gekoppelt. Eine
Anpassung findet aber nach den in den Vertrag insoweit unstreitig einbezogenen
Allgemeinen Geschäftsbedingungen nur vierteljährlich statt. Das gilt sowohl für
den Beginn des Vertrages als auch für dessen Laufzeit. Damit scheidet die
Möglichkeit einer jederzeitigen Änderung aus (Staudinger/Mülbert aaO Rdnr. 53
f.; MünchKommBGB/Berger aaO. § 489 Rdnr. 15). Das nimmt die Berufung hin.
100 cc) Eine ordentliche Kündigung innerhalb des vertraglich vereinbarten Zeitraums
bis zum Ablauf des 19. Januar 2029 kann auch nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
gestützt werden. Gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB kann der Darlehensnehmer
einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf von zehn
Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer
Kündigungsfrist von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen. Bereits an
letzterem fehlt es. Vollständig empfangen hat die Beklagte die Darlehensvaluta
erst mit der Einzahlung der letzten geschuldeten Sparrate.
101 dd) Jedenfalls im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht unter Heranziehung des
Rechtsinstituts der teleologischen Reduktion der Beklagten die Möglichkeit
versagt, sich auf ein Recht zur Kündigung nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB
zu berufen. Die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. ist zu weit geraten.
Der Beklagten steht kein Recht zur ordentlichen Kündigung zu.
102 (1) Nach § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB kann der Darlehensnehmer einen
Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise jeweils für
den Ablauf des Tages, an dem die Sollzinsbindung endet, kündigen, wenn eine
Anpassung des Sollzinssatzes in bestimmten Zeiträumen bis zu einem Jahr
vereinbart ist und die Sollzinsbindung vor der für die Rückzahlung bestimmten
Zeit endet.
103 Dabei ist nach § 489 Abs. 5 Satz 1 BGB Sollzinssatz der Prozentsatz, der pro
Jahr auf das in Anspruch genommene Darlehen angewendet wird. Nach Satz 2
der vorgenannten Bestimmung ist der Sollzinssatz gebunden, wenn für die
gesamte Vertragslaufzeit ein Sollzinssatz oder mehrere Sollzinssätze vereinbart
sind, die als feststehende Prozentzahl ausgedrückt werden. Damit erfolgt
zugleich die Abgrenzung zu der ebenfalls ein Kündigungsrecht enthaltenen
Regelung des § 489 Abs. 2 BGB, die einen veränderlichem Zinssatz voraussetzt
(vgl. Staudinger/Mülbert aaO § 489 Rdnr. 18). Folglich handelt es sich auch bei
dem variablen Grundzins, der an einen Referenzzins gekoppelt ist, und dessen
Anpassung vierteljährlich stattfindet, um einen gebundenen Sollzinssatz, so dass
nach dem Wortlaut der Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB der
Beklagten ein Recht zur ordentlichen Kündigung zustünde.
104 (2) Indessen findet § 489 Abs. 1 Nr. 1 2. Halbs. BGB auf das vorliegende
Vertragsverhältnis keine Anwendung.
105 (a) Dabei bedarf die vom Landgericht an dieser Stelle aufgeworfene und im
Anschluss an Stimmen in der Literatur bejahte Frage, ob die
Kündigungsmöglichkeit des Kreditnehmers nach § 489 Abs. 1, 2 BGB bereits
dann ausgeschlossen ist, wenn Zinsgleitklauseln zu einem symmetrischen
Zinsanpassungsautomatismus führen (Staudinger/Mülbert aaO § 489 Rdnr. 10,
Mülbert WM 2004, 1205, 1211; Langenbucher BKR 2005, 134, 141;
Mülbert/Schmitz in Festschrift für Norbert Horn [2006] 777, 797; a.A. Weber ZIP
2015, 961, 961, 965) keiner Entscheidung.
106 (b) Doch ist der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1 2.
Halbs. BGB hier nicht eröffnet. Die Bestimmung ist einschränkend auszulegen.
Eine teleologische Reduktion setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne
einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus. Ob eine derartige
Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm
zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz muss also,
gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGH, Urteil
vom 30. September 2014 - XI ZR 168/13 WM 2014, 2091). So ist es hier.
107 (aa) Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zur Vorgängerbestimmung des §
489 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 609a Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F., geht es darum, den
Darlehensschuldner bei Auslaufen einer beiderseitigen Zinsbindung nicht
schutzlos dem in den AGB der Banken enthaltenen einseitigen
Zinsbestimmungsrecht auszusetzen (BT-Drs. 10/4741 S. 20 f., Mülbert WM
Sonderbeilage 3/1990 S. 6). Aus diesem Grund soll der Schuldner geschützt (vgl.
Senat, Urteil vom 9. Dezember 1998 - 9 U 177/98 OLGR Stuttgart 1999, 113) und
ihm deshalb die Möglichkeit der Kündigung eingeräumt werden. Mit der
Einräumung eines Kündigungsrechts vor Vertragsende aber mit Ablauf der
Zinsbindungsfrist wird dem Darlehensnehmer die Möglichkeit gegeben, einen
marktüblichen Zinssatz aushandeln zu können. Damit schafft das
Kündigungsrecht eine Art Waffengleichheit zwischen Kreditgeber und
Kreditnehmer und dient letztlich zur Herstellung innerer Vertragsgerechtigkeit (vgl.
MünchKomm/Berger aaO. § 489 Rdnrn. 2 f.). Diese ausweislich der Begründung
des Gesetzentwurfs ausschließlich auf das Aktivgeschäft der Banken abzielende
Regelung ist auf das Passivgeschäft jener Institute, also die Verzinsung von
Kundeneinlagen, nicht anwendbar (vgl. wenn auch in anderem Zusammenhang
OLG München, Urteil vom 21. November 2011 - 19 U 3638/11 WM 2012, 1535;
vgl. auch Weber aaO, a.A. Edelmann/Suchowerskyj BB 2015, 1800, 1801, 1804;
dagegen zutreffend: Weber, BB 2015, 2185).
108 (bb) Das allerdings nicht deshalb, weil zum Zeitpunkt des Erlasses der
Bestimmung des § 489 BGB bei Aktiv- und Passivgeschäften der Banken
hinsichtlich der Zinsanpassung durch Klauseln unterschiedliche Maßstäbe
angelegt wurden (vgl. BGH, Urteil vom 17. Februar 2004 - XI ZR 140/03 WM
2004, 825; Hauger jurisPR-BGHZivilR 18/2004 Anm. 3). Jedoch mangelt es an
einer Schutzbedürftigkeit der Beklagten. Der Kreditnehmer ist beim Aktivgeschäft
deshalb schutzwürdig, weil sein Vertragspartner die Vertragsbedingungen und
damit auch Art und Umfang der Zinsänderung aufstellt. Beim Passivgeschäft ist
es dagegen der Kreditnehmer, der eine solche Rechtsmacht für sich in Anspruch
nimmt. Die Inanspruchnahme von Rechtsmacht aber vermag eine
Schutzwürdigkeit nicht zu begründen. Schutz benötigt derjenige, der einer Gefahr
ausgesetzt ist, nicht jener, der über die Rechtsmacht verfügt und dadurch in der
Lage ist, eine Gefahr für andere zu schaffen (Weber, BB 2015, 2185).
109 (cc) Soweit die Berufung sich gegen dieses Ergebnis mit der Begründung
wendet, eine andere Betrachtung sei deshalb geboten, weil dem Kreditgeber die
Möglichkeit der Änderung der Höhe der Raten zustehe, muss ihr der Erfolg
versagt bleiben. Zum einen bezieht sich die Kündigungsmöglichkeit des § 489
Abs. 1, 2 BGB ausschließlich auf eine mögliche Veränderung der Verzinsung des
Kapitals und nicht auf eine ausführbare Änderung des Kapitals selbst. Zum
anderen war es die Beklagte, die dem Kunden im Rahmen der von ihr gestellten
Allgemeinen Geschäftsbedingungen diese Möglichkeit eingeräumt hat, indem sie
die vorformulierten Bedingungen in die Verhandlung eingebracht und deren
Verwendung zum Vertragsschluss verlangt hat (BGH, Urteil vom 20. Februar
2014 - IX ZR 137/13 WM 2014, 897). Deshalb kommt es darauf, dass bei
Verbraucherverträgen wie hier gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB widerleglich
vermutet, dass eine Vertragsbedingung gestellt ist, sofern sie nicht durch den
Verbraucher in den Vertrag eingeführt wurde (BGH, Urteil vom 13. Mai 2014 - XI
ZR 170/13 WM 2014, 1325), was die Beklagte nicht geltend macht, nicht an.
110 (dd) Ob auch für § 489 Abs. 1 BGB bei Bausparverträgen eine andere
Betrachtungsweise geboten wäre, die den Besonderheiten, die sich aus der
Rechtsnatur des Bausparvertrages und den Vorschriften des
Bausparkassengesetzes (BGHZ 187, 360, 364) Rechnung trägt, bedarf keiner
Entscheidung (vgl. dazu u.a. Weber ZIP 2015, 961 ff. mwN). Der hier vorliegende
Sparvertrag ist damit nicht vergleichbar.
111 (3) Ist der Anwendungsbereich der Bestimmung des § 489 Abs. 1, 2 BGB nicht
eröffnet, kommt es nicht darauf an, dass das Kündigungsrecht des
Darlehensnehmers nach diesen Bestimmungen gemäß § 489 Abs. 4 Satz 1 BGB
nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden kann.
112 d) Weiter ist die Beklagte nicht berechtigt, das Vertragsverhältnis aus wichtigem
Grund nach § 314 BGB zu kündigen (dazu unten unter B III 4 c aa), worauf sie
sich in diesem Zusammenhang auch nicht beruft.
113 III. Soweit die Berufung die widerklageweise gestellten Klageanträge
weiterverfolgt, bliebt sie gleichfalls erfolglos. Die Widerklagen sind unbegründet.
114 1. a) Gegen die Zulässigkeit von Widerklage und Drittwiderklage, die vom Senat
vorrangig von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 25. Januar 2012 - XII
ZR 139/09 NJW 2012, 1209), bestehen, soweit sie einen Leistungsantrag
enthalten oder auf eine negative Feststellung gerichtet sind, keine
durchgreifenden Bedenken. Das Landgericht hat mit zutreffender Begründung,
der sich der Senat anschließt, insoweit sowohl die Zulässigkeit der Widerklagen
und der Drittwiderklagen als auch der isolierten Drittwiderklage bejaht.
115 b) Gleichfalls sind die in der Berufungsinstanz vom Berufungsführer hinsichtlich
der unter IV. des Antrags vorgenommenen Änderungen und Erweiterungen
zulässig. Dabei kann es dahin stehen, ob die Modifikationen der Bestimmung des
§ 263 ZPO oder, was näher liegt, jener des § 264 BGB unterfallen, weil unter den
gegebenen Voraussetzungen § 533 ZPO einer Klageänderung nicht
entgegenstünde. Der Senat legt bereits die hilfsweise in erster Instanz erhobenen
Wider- und Drittwiderklagen dahingehend aus, dass sie jeweils auf die Annahme
eines von der Beklagten formulierten Vertragsangebots, das sich dem Antrag
noch mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen lässt, gerichtet sind (vgl. BGH,
Urteil vom 12. Mai 2006 - V ZR 97/05 WM 2006, 1499). Das wird in dem
jeweiligen Antrag dadurch zum Ausdruck gebracht, eine Vertragsanpassung solle
ab Rechtskraft des Urteils gemäß § 313 BGB stattfinden, was mit der
Bestimmung des § 894 ZPO, welche die Fiktion von Willenserklärungen regelt, in
Einklang steht. Die Anträge sind nach ihrer Formulierung nicht auf Leistung(en)
gerichtet, die sich aus den von der Beklagten als angemessen erachteten
Vertragsanpassungen ergeben, sondern auf die Anpassung des Vertrages
selbst. Dem entsprechen die jetzt unter IV. 1. - 3. gestellten Anträge, die mit der
Umschreibung „einzuwilligen“ auf die Annahme der jeweils von der Beklagten
formulierten Vertragsangebote gerichtet sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2006 -
V ZR 97/05 BGHReport 2006, 1073).
116 c) Ob die mit den Anträgen auf Annahme der von der Beklagten formulierten
Vertragsangebote als Leistungsbegehren korrespondierenden
Feststellungsanträge mangels ausreichender Darlegung des
Feststellungsinteresses bereits unzulässig sind, kann dagegen dahinstehen, weil
die auf positive Feststellung gerichteten Widerklagen jedenfalls unbegründet sind
(vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2012 - V ZR 83/11 WuM 2012, 399; BGH, Urteil
vom 1. Juli 2014 - XI ZR 247/12 WM 2014, 1621).
117 2. Soweit die Berufung sich gegen die Aberkennung des geltend gemachten
Rückzahlungsanspruchs in Höhe von 253,74 EUR wegen überzahlter Zinsen aus
§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt, BGB wendet, muss ihr der Erfolg versagt bleiben.
118 Dabei kann es dahinstehen, ob die Widerklage auf Rückzahlung der angeblich
zuviel berechneten Habenzinsen bereits deshalb unbegründet ist, weil die
Widerbeklagten die Zinsen nicht erhalten haben. Eine Auszahlung der Zinsen hat
die Beklagte nicht behauptet und ist aus dem vorgelegten Sparbuch nicht
ersichtlich. Gutschriften auf einem Sparbuch haben rein deklaratorische Wirkung
(vgl. BGHZ 64, 278, 283; OLG Hamm, Urteil vom 2. November 1998 - 31 U 67/98;
Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 13 Rdnr. 8;
Staudinger/Marburger [2015] BGB § 808, Rn. 12; Klaas/Osterle, EWiR 1999, 313,
314). Sie unterscheiden sich von Gutschriften auf Girokonten, die ein abstraktes
Schuldanerkenntnis der Bank darstellen (Schimansky/Bunte/Lwowski/Mayen,
aaO, § 47 Rdnr. 52 ff.). Aus der Buchung im Sparbuch entsteht noch kein
Vermögensvorteil des Sparers. Das Sparbuch ist gemäß § 808 BGB ein
qualifiziertes Legitimationspapier, mithin ein deklaratorisches Wertpapier
(Staudinger/Marburger aaO). Es verpflichtet das Kreditinstitut nicht zu einer
Auszahlung über den materiell-rechtlichen, also vertraglich begründeten
Anspruch hinaus (vgl. BGHZ aaO). Deshalb können fehlerhafte Buchungen durch
einfache Stornobuchungen berichtigt werden (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 2.
November 1998 - 31 U 67/98; Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-
Handbuch, 4. Aufl., § 13 Rn. 8; Klaas/Osterle, EWiR 1999, 313, 314).
119 Die Parteien haben jedenfalls nicht vereinbart, dass sich die Erhöhung der
Verzinsung nach dem Zeitpunkt der Einzahlung, sondern nach jenem des
Vertragsschlusses richtet.
120 a) Gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB besteht ein Bereicherungsanspruch,
wenn es für die Leistung an einem Rechtsgrund fehlt. Das ist nicht der Fall. Der
Rechtsgrund für die nach Auffassung der Beklagten ungerechtfertigt geleisteten
Zinszahlungen findet sich in der in den Vertrag einbezogen Abrede über die
Verzinsung der Spareinlage. Nach der im Sparbuch eingeklebten maßgebenden
Vereinbarung heißt es unter 3. „......... Zusätzlich zahlt die Sparkasse einen
Zusatzzins (Bonus). Dieser beträgt im“. Es folgt eine Tabelle, deren Spalten mit
„Einzahlungsjahr“ und „%“ überschrieben sind. Die Zeilen sind mit den für die
Jahre und Prozentsätze maßgebenden Zahlen („1 und 2“, „3 und 4“ bis 23 und
25“ sowie „-“und „0,5“ bis „3,50“) versehen.
121 b) Der Inhalt dieser Abrede ist durch Auslegung zu ermitteln. Danach hat die
Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen und damit auch der hier in Rede
stehenden Vertragsbedingungen nach einem objektiv-generalisierenden
Maßstab zu erfolgen, der am Willen und Interesse der beteiligten Verkehrskreise
ausgerichtet sein muss, so dass es grundsätzlich auf das Verständnis der
Sparkunden in ihrer Gesamtheit und nicht nur auf das Verständnis der am
vorliegenden Verfahren beteiligten Parteien ankommt (vgl. statt aller BGH, Urteil
vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11 BGHR BGB § 307 Abs. Satz 1
Erbnachweisklausel 1).
122 c) Die Parteien haben eine gestufte Erhöhung der Verzinsung für die jeweilige
Einzahlung vereinbart, wobei maßgebend für die Stufung nicht der Zeitpunkt der
Einzahlung, sondern jener des Vertragsschlusses ist.
123 aa) Zu Recht führt das Landgericht aus, die auf dem im Sparbuch angebrachten
Aufkleber gewählte Formulierung „im Einzahlungsjahr“ könne den Schluss zu
lassen, für die Höhe der Verzinsung der Sparrate sei der Zeitpunkt der
Einzahlung und nicht jener des Vertragsschlusses maßgebend. Das hätte zur
Folge, dass lediglich die in den ersten fünf Vertragsjahren eingezahlten Raten
den gestaffelten Höchstzinssatz innerhalb der vereinbarten festen Laufzeit von 25
Jahren erreichen könnten.
124 Der Wortlaut lässt aber auch den gegenteiligen Schluss zu. Danach wäre die
Verzinsung der Raten so vorzunehmen, wie sie von der Beklagten auch
tatsächlich durchgeführt wurde.
125 bb) Ein der objektiven Auslegung vorgehendes abweichendes Verständnis der
Parteien von der Regelung (BGH, Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07 WM
2008, 1350) bei Vertragsschluss liegt nicht vor.
126 Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach objektiven Maßstäben auszulegen,
wie die an solchen Geschäften typischerweise beteiligten Verkehrskreise sie
verstehen können und müssen. Dies schließt es aus, ein davon abweichendes
Verständnis nur einer der Vertragsparteien zum Maßstab der Auslegung zu
machen. Soweit die Parteien den Inhalt ihrer Vereinbarungen aber
übereinstimmend abweichend vom objektiven Sinngehalt einer Klausel, die in
einbezogenen Geschäftsbedingungen enthalten ist, verstanden haben, ist
anerkanntermaßen von der gemeinsamen Auffassung der Parteien auszugehen.
Nicht nur bei der Auslegung von Individualvereinbarungen, sondern auch von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen geht der übereinstimmende Wille der
Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Deutung vor (BGH,
Urteil vom 10. Juni 2008 - XI ZR 331/07 WM 2008, 1350). Dafür bestehen, wovon
das Landgericht zutreffend ausgeht, keine Anhaltspunkte.
127 cc) Gleichfalls lässt sich aus der gegensätzlichen Interessenlage des Klägers und
seiner Ehefrau einerseits und der Beklagten anderseits keine Schlussfolgerung
für die Verzinsung der einzelnen Raten ableiten. Der Beklagten kommt es darauf
an, mit dem Geld zu arbeiten und eine geringe Vergütung für die
Kapitalüberlassung zu zahlen. Der Sparer ist an einer hohen Rendite interessiert.
128 dd) Doch ergibt sich die Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses für die Stufung
der Verzinsung aus Folgendem:
129 (1) Nach dem Wortlaut der die Vertragsbedingungen wiedergebenden Aufkleber
im Sparbuch (Anlage K1 korr., bzw. Anlage B29) betrifft die Zinsstaffelung in Ziff. 3
allgemein das Sparguthaben.
130 (2) Zu Recht hebt das Landgericht darauf ab, dass im Falle einer nach dem
Zeitpunkt der Einzahlung gestuften unterschiedlichen Verzinsung der einzelnen
Raten wenn nicht unklar, so doch schwer zu ermitteln sei, auf welche Sparrate die
jeweiligen Abhebungen verrechnet werden sollen, wenn hierzu bei der Abhebung
keine Erklärungen abgegeben werden. Darüber hinaus wäre eine
durchzuführende Verzinsung, wie sie von der Beklagten im Gegensatz zur
jahrelangen Handhabung nun im Verfahren vertreten wird, mit erheblichem
Aufwand verbunden.
131 (3) Nach Ziff. 4 des Aufklebers gilt „nach Ablauf der in Ziff. 1 genannten
Einzahlungszeit“ wieder der allgemeine Zinssatz für „Guthaben“. Diese
Formulierung ist mit der Interpretation der Beklagten, jede Jahreseinzahlung habe
eine eigene 25-jährige Zinsstaffel, nicht vereinbar. Die 25 Einzahlungsjahre in der
Tabelle in Ziff. 3 korrespondieren mit der in Ziff. 1 festgelegten 25-jährigen
Einzahlungszeit. Das ergibt sich auch aus dem Flyer, wonach zusätzlich zur
variablen Grundverzinsung feste „laufzeitabhängige Bonuszinsen“ gezahlt
werden.
132 (4) Oberhalb der grafischen Darstellung der Zinsentwicklung im Flyer, den die
Beklagte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses verwendet hat, wird der
Gesamtbetrag von Einzahlungen und Zinsen (28.256,12 EUR) auf der Grundlage
des Beispiels einer variablen Grundverzinsung von 2% mit regelmäßiger
Einzahlung von 50 EUR ausgewiesen. Dieser Betrag (richtig: 28.356,12 EUR)
wird exakt nur erreicht, wenn die Bonuszinsen in Abhängigkeit der
Vertragslaufzeit erhöht werden.
133 (5) Dem entsprechend hat die Beklagte selbst in der Vergangenheit die
Bonuszinsen in Abhängigkeit der Laufzeit des Vertrages und nicht des
Zeitpunktes der jeweiligen Jahreseinzahlungen berechnet, was die Berufung
einräumt (BB 77 5. Abs.).
134 ee) Aber selbst wenn, wie nicht, die Auslegung der Bestimmung über die
stufenweise Erhöhung der Verzinsung auch die von der Beklagten im Prozess
vertretene Auffassung stützen könnte, führte das zu keinem anderen Ergebnis.
Nach § 305 c Abs. 2 BGB gehen Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen zu Lasten des Verwenders. Danach wäre die
Bestimmung über die Verzinsung so anzuwenden, wie die Beklagte sie im Vorfeld
des Prozesses gehandhabt hat und wie der Kläger, die Drittwiderbeklagte, das
Landgericht und der Senat sie verstehen. Dieses Verständnis der
Verzinsungsregelung ist für die Beklagte ungünstiger und für den Vertragspartner
des Verwenders, den Kläger und seine Ehefrau, günstiger. § 305 c Abs. 2 BGB
führt nicht zwingend zu einer einengenden Auslegung einer Klausel. Die
Vorschrift kann insbesondere dann, wenn dem Vertragspartner des Verwenders
Rechte gewährt werden, die ihm nach dispositivem Gesetzesrecht nicht
zustehen, zu einer ausdehnenden Auslegung führen (Staudinger/Schlosser BGB
[2013] § 305c Rdnr. 121 m.w.N.). Ein solcher Fall läge hier vor. Die vereinbarte
Zinsregelung weicht von dispositivem Gesetzesrecht ab. Nach § 488 Abs. 1 Satz
2 BGB ist der vereinbarte Zins geschuldet. Auch wenn eine Vermutung
hinsichtlich der Vereinbarung einer Zinspflicht besteht (BGH, Urteil vom 24.
Februar 1983 - III ZR 121/82 WM 1983, 447; Staudinger/Freitag BGB [2010] §
488 Rdnr. 275), ist eine Vereinbarung erforderlich und lassen die gesetzlichen
Regelungen keinen Rückschluss auf den Inhalt einer solchen Verpflichtung zu
(BGH aaO).
135 3. Eine Aufhebung des Vertrages kommt nicht in Betracht.
136 a) Ein Anspruch aus §§ 311 Abs. 2, 249 BGB wegen Verschweigens der Absicht,
in einer Niedrigzinsphase die Sparraten zu erhöhen, ist nicht ersichtlich.
Allerdings bestünde hier wegen einer arglistigen Täuschung außer der
Anfechtungsmöglichkeit auch ein Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens
beim Vertragsschluss, weil der Beklagten - nach ihrem Vorbringen - durch den
Vertragsschluss ein Schaden entstanden sei (vgl. statt aller BGH, Urteil vom 9.
November 2007 - V ZR 281/06 NZM 2008, 379; BGH, Urteil vom 20. Mai 2011 - V
ZR 221/10 NJW 2011, 2785; BGH, Urteil vom 7. Februar 2013 - IX ZR 138/11 WM
2013, 942). Die Verletzung einer Aufklärungsverpflichtung durch den Kläger
und/oder seine Ehefrau ist jedoch fernliegend. Die vorvertraglichen Pflichten von
Verhandlungspartnern, aufgrund deren sie einander eine zumutbare
Rücksichtnahme auf ihre berechtigten Belange schulden, sind gerechtfertigt
durch das vertragsähnliche Vertrauensverhältnis, das durch den Eintritt in
Verhandlungen begründet wird (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1994 - I ZR 139/92
BGHR vor § 1/Verschulden bei Vertragsschluss Aufklärungspflicht 78). Bei
Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages besteht regelmäßig die
Verpflichtung, den anderen Teil über alle Umstände aufzuklären, die den
Vertragszweck gefährden und für die Entschließung des Partners von
wesentlicher Bedeutung sein können (BGHZ 71, 386, 396). Hierzu gehört nicht
die Absicht, von den vertraglich eingeräumten Rechten auch Gebrauch zu
machen, weil eine Gefährdung des Vertragszwecks nicht vorliegt, dieser vielmehr
erreicht wird.
137 b) Gleichfalls besteht kein Schadensersatzanspruch wegen einer bei
Vertragsschluss verschwiegenen Absicht, das Sparkonto als
Tagesgeldkonto/Zahlungsverkehrskonto zu nutzen.
138 aa) Es ist nicht einmal ansatzweise ersichtlich, inwiefern die Vertragspartner der
Beklagten gegen ihre Verpflichtungen aus dem Sparvertrag verstoßen oder
rechtswidrig Gebrauch von ihrem Verfügungsrecht gemacht haben sollten. Der
Kläger und seine Ehefrau haben, wie das Landgericht zutreffend ausführt, von
der ihnen vertraglich über den Flyer von der Beklagten eingeräumten Möglichkeit
Abhebungen vorzunehmen, in dem dort vorgesehenen Umfang Gebrauch
gemacht.
139 bb) Die Erheblichkeit des von der Beklagten in diesem Zusammenhang erhoben
Einwands, die von ihr beworbenen, angebotenen und abgeschlossenen S.-
Sparverträge verstießen sowohl gegen ihre weiteren Allgemeinen
Geschäftsbedingungen als auch gegen § 21 Abs. 4 RechKredV, weil der Vertrag
befristet sei, erschließt sich nicht.
140 Die Beklagte macht offensichtlich und zu Recht nicht geltend, es liege ein Fall des
§ 134 BGB, mithin ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot vor, mit der Folge
der Unwirksamkeit des Vertrages. Die Beklagte scheint vielmehr von einer
vertraglichen Verpflichtung zur Vereinbarung der Aufhebung des Vertrages
auszugehen. Dem bleibt der Erfolg versagt.
141 Es ist bereits nicht ersichtlich, woraus die Beklagte eine Verpflichtung ihrer
Kunden zur Vertragsaufhebung herleiten will. Dass eine hinsichtlich eines
konkreten Vertrages vereinbarte Befristung sonstigen Allgemeinen
Geschäftsbedingungen vorginge, was aus der Auslegung der Bestimmungen
folgt, ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Begründung. Gleichfalls ist es
nach der Liberalisierung des Sparverkehrs aufgrund der 4. KWG-Novelle vom 21.
Dezember 1992, die am 1. Januar 1993 in Kraft trat, ohne weiteres möglich,
zivilrechtlich Einlagen, die nicht den Anforderungen des § 21 Abs. 4 RechKredV
entsprechen, gleichwohl als Spareinlagen oder unter ähnlicher Bezeichnung
anzubieten (Schürmann in Schimansky/Bunte/Lwowski aaO § 70 Rdnr. 10; vgl.
Servatius in Langenbucher/Bliesener/Spindler Bankrechtkommentar 1. Aufl. § 35
Rdnr. 230; Kaiser WM 1996, 141, 141). Weiter ist der Sparvertrag nicht befristet.
Bei der Befristung eines Vertragsverhältnisses handelt es sich um einen
eigenständigen Beendigungstatbestand. Der Sparvertrag ist jedoch durch den
Ablauf der vereinbarten Einzahlungszeit von 25 Jahren nicht beendet, sondern
wird fortgesetzt.
142 cc) Ebenfalls liegen die Ausführungen der Beklagten, der Kläger und seine
Ehefrau hätten das Sparkonto als Zahlungsverkehrskonto missbraucht, neben
der Sache. Zwar trifft es zu, dass nach § 21 Abs. 4 Satz 1 RechKredV
Spareinlagen nicht für den Zahlungsverkehr bestimmt sind. Doch unabhängig
von der fehlenden unmittelbaren Erheblichkeit der Bestimmung für die
zivilrechtliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich, ob und wie mittels des für die Sparer eingerichteten Kontos
Zahlungsvorgänge zwischen Wirtschaftssubjekten abgewickelt worden sein
sollen, wie das Landgericht zutreffend darlegt und im einzelnen ausführt (LGU 60
f.). Darüber hinaus haben der Kläger und seine Ehefrau nur von den ihnen von
der Beklagten eingeräumten Möglichkeiten der Verfügung über einzelne
Geldbeträge Gebrauch gemacht.
143 Allein die grafische Darstellung der Entwicklung der Sparleistung und der Zinsen
der Sparkasse im Flyer, die mit „Gewinn und Guthaben steigen stetig“
unterschrieben ist, beinhaltet vom objektiven Erklärungswert nicht den Inhalt, es
bestehe keine Möglichkeit, über einen Teil des Gesparten zu verfügen, wie sie
dem Kunden durch die Formulierung in dem hier maßgeblichen Flyer, die sich
neben der Grafik befindet, ausdrücklich eingeräumt wird. Die Grafik stellt lediglich
den Verlauf der Entwicklung des Sparguthabens für den Fall dar, dass während
der vereinbarten Laufzeit des Vertrage keine Verfügungen über den gesparten
Betrag stattfinden, macht aber nicht zur Voraussetzung des Vertragsschlusses,
dass keine Verfügungen über das Guthaben während der Laufzeit erfolgen.
144 c) Ein angeblich in dem Verlangen nach Erhöhung der Sparrate auf 2.500 EUR
liegendes rechtsmissbräuchliches Verhalten unterläge, wie jedes
Gebrauchmachen von einer vertraglich wirksam eingeräumten Rechtsposition,
jedenfalls zunächst einer Ausübungskontrolle (§ 242 BGB; BGH, Beschluss v. 6.
Oktober 2004 - XII ZB 57/03 NJW 2005, 139), was die erste Instanz zutreffend
ausführt. Die Folgen einer unterstellten schuldhaften Pflichtverletzung während
der Laufzeit des Vertrages wären auch anhand der Differenzhypothese zu
beurteilen (BGH, Urteil vom 6. Juni 2013 - IX ZR 204/12 BGHR BGB § 249 Abs. 1
Schadensersatz 1). Der gegebenenfalls zu ersetzende Schaden ist durch einen
Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen
Vermögenslage mit derjenigen Vermögenslage zu ermitteln, die ohne jenes
Ereignis eingetreten wäre (BGH, Urteil vom 5. Februar 2015 - IX ZR 167/13 WM
2015, 790). Hieraus ließe sich gleichfalls kein Anspruch auf Vertragsaufhebung
herleiten.
145 4. Eine Vertragsauflösung kann weder mittels des Rechtsinstituts der
außerordentlichen Kündigung begründet noch auf jenes der Störung der
Geschäftsgrundlage gestützt werden. Die gegenteilige Auffassung des
Rechtsmittels trifft nicht zu.
146 a) Allerdings bleiben nach der hier anwendbaren Bestimmung des § 490 Abs. 3
BGB die Vorschriften der §§ 313, 314 BGB unberührt. Diese im Rahmen der
Schuldrechtsmodernisierung eingeführten Normen kodifizieren die zuvor in
Rechtsprechung und Literatur entwickelten Grundsätze über die Störung der
Geschäftsgrundlage und die Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus
wichtigem Grund. Entsprechend kann der Verwahrer nach § 696 Satz 2 BGB
dann, wenn wie hier eine Zeit bestimmt ist, die vorzeitige Rücknahme verlangen
(Staudinger/Reuter aaO), wenn ein wichtiger Grund (dazu RGRK/Krohn BGB 12.
Aufl. § 696 Rdnr. 2) vorliegt.
147 b) Beide Rechtsinstitute, die Störung der Geschäftsgrundlage und die Kündigung
von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund, schließen sich auch nicht
gegenseitig aus. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
unterscheiden sich die Kündigungen aus wichtigem Grund und wegen Wegfalls
der Geschäftsgrundlage im Anwendungsbereich und im Zumutbarkeitsmaßstab.
Während die außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses nach
§ 314 BGB ein vertragsimmanentes Mittel zur Auflösung der Vertragsbeziehung
darstellt, handelt es sich bei der Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB um eine von vornherein auf besondere
Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, die zur Vermeidung
untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen
unabweisbar erscheinen muss. An die Vertragsauflösung aufgrund Wegfalls der
Geschäftsgrundlage sind daher strengere Anforderungen zu stellen als an die
außerordentliche Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses (BGH, Urteil vom 8.
Mai 2014 - I ZR 210/12 NZG 2014, 1036).
148 c) Jedoch liegen die Voraussetzungen für eine Vertragsauflösung nicht vor.
149 aa) Nach § 314 Abs. 1 BGB kann jeder Vertragsteil Dauerschuldverhältnisse aus
wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen.
Voraussetzung für eine solche außerordentlichen Kündigung ist, dass dem
kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer
Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dies ist
im Allgemeinen nur dann anzunehmen, wenn die Gründe, auf die die Kündigung
gestützt wird, im Risikobereich des Kündigungsgegners liegen. Wird der
Kündigungsgrund hingegen aus Vorgängen hergeleitet, die dem Einfluss des
Kündigungsgegners entzogen sind und aus der eigenen Interessensphäre des
Kündigenden herrühren, rechtfertigt dies nur in Ausnahmefällen die fristlose
Kündigung. Die Abgrenzung der Risikobereiche ergibt sich dabei aus dem
Vertrag, dem Vertragszweck und den anzuwendenden gesetzlichen
Bestimmungen (statt aller BGH, Urteil vom 7. März 2013 - III ZR 231/12 BGHR
BGB § 626 Wichtiger Grund 15; BGH, Urteil vom 9. März 2010 - VI ZR 52/09
BGHR BGB § 314 Kündigung, wichtiger Grund 1). Danach kommt eine
außerordentliche Kündigung nicht in Betracht.
150 (1) Richtig ist, wovon auch das Landgericht ausgeht, dass die verbleibende
Laufzeit von jetzt noch über 13 Jahren innerhalb derer eine ordentliche
Kündigung, mithin eine ordentliche einseitige Beendigung des
Vertragsverhältnisses durch die Beklagte ausgeschlossen ist, nicht unerheblich
ist. Auf der anderen Seite ermöglicht es der das Schuldrecht bestimmende
Grundsatz der allgemeinen Vertragsfreiheit auch, rechtsgeschäftliche Bindungen
über einen langen Zeitraum einzugehen (BGHZ 64, 288, 290). Die Möglichkeit
einer dennoch möglichen vorzeitigen Vertragsbeendigung durch ordentliche
Kündigung haben die Parteien auf Grund der von der Beklagten gestellten
Bedingungen ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 1995 - VIII ZR
124/94 BGHR BGB § 242 Handelsvertretervertrag 1).
151 (2) Der Grund, der neben der Laufzeit des Vertrages bis zu einer ordentlichen
Beendigung maßgebend ist, ist die Zinsentwicklung. Sie ist dem Einfluss des
Sparers entzogen. Die Bank will sich durch die lange Laufzeit der Einlagen
Liquidität verschaffen. Das hat seinen Preis. Dieser wird wegen der Laufzeit des
Vertrages aufgrund einer Einschätzung der künftigen Entwicklung des Marktes
vereinbart. Damit fällt die Einschätzung der Angemessenheit des vertraglich
vereinbarten Zinses als Gegenleistung für die Überlassung des Kapitals in den
Risikobereich beider Parteien, so dass sich hieraus kein Kündigungsgrund ergibt.
152 Die Beklagte hat zudem keine Beeinträchtigung durch die Entwicklung des
Marktzinsniveaus dargelegt. Das gegenwärtige niedrige Zinsniveau war im
Gegenteil ein Risiko der Sparer, die an einer möglichst hohen Verzinsung
interessiert sind, während die Beklagte von niedrigen variablen Zinssätzen
profitiert. Mit der Vereinbarung einer festen Bonuszinsstaffel war der Beklagten
bereits bei Vertragsschluss bekannt, dass sie je nach Laufzeit immer eine feste
Marge oberhalb der sich an den Marktzinssätzen orientierenden variablen
Grundverzinsung zahlen musste. Daran hat sich durch die aktuelle
Zinsentwicklung und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) nichts
geändert.
153 (3) Auch ein Ausnahmefall für eine außerordentliche Kündigung liegt nicht vor.
Den bereits bei Vertragsschluss bekannten Marktschwankungen wurde in den
von der Beklagten gestellten Allgemeinen Geschäftsbedingungen dadurch
Rechnung getragen, dass der Grundzinssatz an den Marktzinssatz gekoppelt
wurde. War diese Anpassung unzureichend und die Möglichkeit
außergewöhnlicher Ereignisse, die auf das Äquivalenzverhältnis während der
Vertragslaufzeit haben können, nicht ausgeschlossen, vermag der Eintritt solcher
Ereignisse eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen. Die Beklagte
war bei Vertragsschluss nicht schutzlos. Sie hätte die Entwicklung der
Marktverhältnisse besser abbildende, wirksame Zinsanpassungsklauseln
vereinbaren können.
154 (4) Soweit die Beklage in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen des
Sparkassengesetzes für Baden-Württemberg zurückgreift und die Auffassung
vertritt, die Verzinsung der Verträge müsse dem gesamtwirtschaftlichen
Gleichgewicht entsprechen, was nicht der Fall sei, rechtfertigt das keine andere
rechtliche Beurteilung. Allerdings kann bei grober Verletzung der für die
Haushaltsführung staatlicher Stellen bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
ein Vertrag gegen die guten Sitten verstoßen (BGHZ 36, 395, 398; BGHZ 160,
240, 246 f.) und damit nichtig sein. Darum geht es jedoch zum einen nicht. Die
Beklagte wendet nicht die Unwirksamkeit des Vertrags ein, auch ist sie keine
staatliche Stelle. Zum anderen müssen die Grundlagen für die Beurteilung der
Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt des Vertragsschlusses
feststehen und erkennbar sein (statt aller BGH, Urteil vom 11. Dezember 1990 -
XI ZR 69/90 WM 1991, 216). Dass diese Voraussetzungen vorgelegen hätten,
macht die Beklagte zu Recht nicht geltend.
155 bb) Gleichfalls kommt eine Auflösung eines Vertrags wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB nicht in Betracht. Die zutreffenden
Feststellungen des Landgerichts (LGU 63 [letzter Abs.] f.), denen der Senat folgt,
vermögen den Schluss, die Auflösung des Vertrages sei unabweisbar, weil es
ansonsten zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin
unvereinbaren Folgen komme, nicht zu tragen.
156 5. Die hilfsweise auf Anpassung des Vertrages gerichteten Wider- und
Drittwiderklagen sind gleichfalls nicht begründet. Eine Anpassung des Vertrages,
so wie beantragt, scheidet aus.
157 a) Allerdings ist die Bestimmung des § 313 BGB über § 490 Abs. 3 BGB
anwendbar.
158 aa) Auch kann zur Durchsetzung eines Anspruchs aus § 313 Abs. 1 BGB der
Kläger eine von ihm formulierte Änderung des Vertrages zum Gegenstand der
Klage machen oder unmittelbar auf die Leistung klagen, die sich aus der von ihm
als angemessen erachteten Vertragsanpassung ergibt (BGHZ 191, 139, 149;
BGH, Beschluss vom 3. Dezember 2014 - XII ZB 181/13 DNotZ 2015, 264).
159 bb) Nach § 313 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich
die Umstände, die Grundlage des Vertrags geworden sind, nach
Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien deshalb den
Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten und das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist. Die Geschäftsgrundlage
eines Vertrages wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei
Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder
die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten
Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein oder dem künftigen
Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser
Vorstellung aufbaut (statt aller BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 235/09
juris). Diese Vorstellungen müssen sich als falsch herausgestellt haben. Die
Parteien müssten, wenn sie dies vorausgesehen hätten, den Vertrag anders
geschlossen haben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 68/10 WM 2014,
134). Eine Anpassung des Vertrages kann zudem nur gefordert werden, soweit
einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere
der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am
unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Das ist nicht der Fall.
160 b) Dagegen, dass das Landgericht die Frage, ob eine schwerwiegende
Veränderung der Umstände, die Grundlage des Vertrags geworden sind, nach
Vertragsabschluss stattgefunden habe, offen lässt, bestehen keine
durchgreifenden Bedenken. Allein die schwerwiegende Veränderung der
Vertragsgrundlage rechtfertigt noch nicht das Verlangen nach einer
Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1 BGB. Vielmehr muss als weitere
Voraussetzung hinzukommen, dass der durch die Änderung der Verhältnisse
belasteten Vertragspartei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,
insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Für eine
Berücksichtigung von Störungen der Geschäftsgrundlage ist deshalb
insbesondere dann kein Raum, wenn nach der vertraglichen Regelung derjenige
das Risiko zu tragen hat, der sich auf die Störung beruft (vgl. statt aller BGH Urteil
vom 6. Oktober 2003 II ZR 63/02 FamRZ 2004, 94; BGHZ 74, 370, 373). Danach
scheidet eine Anpassung des Vertrages aus, weil die Beklagte das Risiko einer
Zinsentwicklung zu ihrem Nachteil bewusst übernommen hat. Das belegt die von
ihr stammende Vertragsgestaltung. Eine solche vertragliche Risikoübernahme
schließt die Rechte aus § 313 BGB regelmäßig aus (BGH, Urteil vom 21. Februar
2014 - V ZR 176/12 NJW 2014, 2177). Eine Abweichung hiervon ist hier nicht
geboten. Es hätte der Beklagten oblegen, von der bestehenden Möglichkeit, das
Risiko der Zinsentwicklung durch eine geeignete Vertragsgestaltung anders zu
gewichten, Gebrauch zu machen.
161 c) Auch ansonsten kommt eine Vertragsanpassung nicht in Betracht.
162 aa) Die von der Beklagten in der Sitzung vor dem Senat insoweit herangezogene
Bestimmung des § 242 BGB vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen.
Allerdings gebieten nach allgemeinen Grundsätzen Treu und Glauben, dass die
Parteien eines Schuldverhältnisses je nach dessen Inhalt auf die Rechte,
Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen haben.
Jedoch muss eine Vertragspartei keine allgemeine Interessenverfolgung zu
Gunsten der anderen betreiben, weil die Parteien häufig gegenläufige Interessen
haben. Deshalb sind sie nicht verpflichtet, gleich- oder höherrangige Interessen
hinter die des anderen Teils zurückzustellen. Nicht jede einschneidende
Veränderung der bei Vertragsabschluss bestehenden oder gemeinsam
erwarteten Verhältnisse rechtfertigen eine Vertragsanpassung oder eine
Kündigung. Eine gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB)
verstoßende Rechtsausübung oder Ausnutzung einer Rechtslage ist vielmehr
erst dann als missbräuchlich und unzulässig anzusehen, wenn dem anderen
Vertragsteil ein Festhalten an den vertraglichen Vereinbarungen unzumutbar ist.
Unzumutbarkeit setzt in der Regel voraus, dass das Festhalten am Vertrag für
den betroffenen Vertragspartner zu untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit
nicht zu vereinbarenden Ergebnissen führen würde. Dies erfordert eine
umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des
Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung
(vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 2015 - XI ZR 193/14 NJW 2015, 2328; - XI ZR
47/14).
163 bb) Nach diesen Maßgaben kann, wie bereits mehrfach ausgeführt, ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers nicht bejaht werden. Die Beklagte
hat die Tragung des sich verwirklichten Risikos vertraglich übernommen, obwohl
es ihr möglich gewesen wäre, jenes - aus ihrer Sicht - angemessen(er)
abzusichern. Gleichfalls fehlt es an einem hinreichenden Vorbringen zu einer
schwerwiegenden Bedrohung essenzieller Interessen der Beklagten, wie zum
Beispiel deren wirtschaftliche Existenz.
164 6. Sind die Begehren des Klägers wie unter II. ausgeführt begründet, folgt daraus
zugleich die Unbegründetheit der spiegelbildlich gegen die Ehefrau des Klägers
erhobenen isolierten Drittwiderklagen.
165 IV. Die Revision ist hinsichtlich des Klageantrags zu 3 und der mittels der
isolierten Drittwiderklage unter V. 3. Spiegelstrich geltend gemachten Feststellung
zuzulassen. Die Frage der Auslegung der Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 1
Halbs. 2 BGB hat grundsätzliche Bedeutung (vgl. Berger EWiR 2015, 135). Sie ist
entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig; sie kann sich in
einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen (vgl. BGHZ 151, 221, 223; 152,
182, 190; 159, 135, 137). Klärungsbedarf besteht, wenn die Beantwortung der
Frage zweifelhaft ist oder wenn zu ihr unterschiedliche Auffassungen vertreten
werden und die Frage höchstrichterlich noch nicht geklärt ist (Musielak/Ball, ZPO,
7. Aufl. § 543 Rdnr. 5a m.w.N.). Das ist hier der Fall. Eine unbestimmte Vielzahl
von Sparverträgen sind betroffen, die Rechtsfrage ist entscheidungserheblich,
klärungsbedürftig und klärungsfähig wie unter II 3 d) dd) näher ausgeführt wurde.
166 Dagegen kommt eine Zulassung der Revision hinsichtlich der weiteren sich im
Rahmen des Rechtsstreits stellenden Fragen nicht in Betracht. Insbesondere hat
die Frage der Einbeziehung von Angaben aus dem Werbeflyer der Beklagten in
die vertragliche Vereinbarung der Parteien keine grundsätzliche Bedeutung, noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1
ZPO). Dass Werbeaussagen bei der Auslegung von bei Vertragsabschluss
abgegebenen Willenserklärungen zu berücksichtigen sein können, ist durch die
höchstrichterliche Rechtsprechung jedenfalls hinreichend geklärt (vgl. BGHZ 52,
337 ff.; BGHZ 179, 319, 323 ff.) und folgt auch aus gesetzlichen Bestimmungen
(z.B. § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB). Die von der Beklagten geltend gemachte
Abweichung zu der Entscheidung des AG München (Urteil vom 9. Februar 2011 -
261 C 25225/10) ist unbeachtlich, weil die Entscheidung eines nachrangigen
Gerichts keine Divergenz zu begründen vermag (BGHZ 154, 288, 292; BGH,
Beschluss vom 17. April 2008 - IX ZB 147/05). Die Möglichkeit, dass es dem
Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwehrt sein kann, sich auf
deren fehlende Einbeziehung zu berufen, weil er diese vereitelt hat, ist anerkannt
(BGH, Urteil vom 8. Juli 1999 - VII ZR 237/98 aaO). Die insoweit nach Treu und
Glauben maßgebenden Umstände sind solche des Einzelfalls. Jedenfalls
hinreichend geklärt sind weiter der Anwendungsbereich des nun in § 311 Abs. 2
BGB kodifizierten Rechtsinstituts des Verschuldens bei Vertragsschluss sowie
die Reichweite der Bestimmungen der §§ 313 und 314 BGB.
167 V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
168 VI. Auf den Antrag der Beklagten war ihr nicht gem. §§ 283, 132 Abs. 1, § 525
ZPO ein Schriftsatzrecht auf den Schriftsatz des Klägers und der
Drittwiderbeklagten vom 08.09.2015 zu gewähren. Nach dieser Vorschrift ist auf
Antrag ein Schriftsatzrecht zu gewähren, wenn eine Partei sich zu einem
Vorbringen des Gegners nicht erklären kann, weil es ihr nicht rechtzeitig vor dem
Termin mitgeteilt worden ist. Dadurch soll das Recht einer Partei auf rechtliches
Gehör gem. Art. 103 GG gewahrt, aber gleichzeitig eine Verzögerung durch
Vertagung vermieden werden (Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 283 Rn. 2;
Wieczorek/Schütze/Assmann, ZPO, 4. Aufl., § 283 Rn. 2).
169 Der Schriftsatz des Klägers und seiner Ehefrau enthält kein neues Vorbringen.
Die Beklagte zeigt auch in ihrem Antrag nicht auf, zu welchen Umständen sie sich
nicht erklären konnte und benennt nicht das „etwa neue Vorbringen“ in dem
Klägerschriftsatz. Zu ihrem eigenen Jahresabschluss, den der Kläger und die
Drittwiderbeklagte als Anlage K25 vorgelegt haben für den Fall, dass der Senat
„in diesem Zusammenhang noch das große Ganze mit berücksichtigen“ wolle,
musste die Beklagte sich nicht erklären, da es insoweit an einem konkreten
Angriffsmittel fehlte. Der Kläger und seine Ehefrau haben keine bestimmten
Inhalte aus dem im Bundesanzeiger veröffentlichten Geschäftsbericht zum
Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.
170 Soweit der Schriftsatz des Klägers und der Drittwiderbeklagten zu der
wirtschaftlichen Situation der Beklagten im Falle einer Prozessniederlage
Ausführungen enthält, waren diese nicht neu. Sie fanden sich im Wesentlichen
bereits wortgleich in der Berufungserwiderung der Kläger im Verfahren 9 U 48/15,
das gleichzeitig verhandelt wurde. Dementsprechend hat die Beklagte sich im
Zusammenhang mit der Vorschrift des § 313 BGB ausführlich zu ihrer (gesunden)
wirtschaftlichen Situation und deren fehlenden Entscheidungserheblichkeit für die
Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eingelassen. Insbesondere waren
die Rückstellungen von 36 Millionen Euro und das Geschäftsergebnis von 50
Millionen Euro Gegenstand der mündlichen Verhandlung.