Urteil des OLG Stuttgart vom 04.05.2016

bausparvertrag, einstellung der zahlungen, anpassung, tarif

OLG Stuttgart Urteil vom 4.5.2016, 9 U 230/15
Leitsätze
Die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB findet auf Kündigungen von Bausparverträgen durch
Bausparkassen keine Anwendung
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 19.11.2015,
Az. 6 O 76/15, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 10.03.1999 geschlossene Bausparvertrag,
Vertragsnummer: 441 …, Tarif: IDEAL-Bausparen, über eine Bausparsumme von 81.806,70 EUR
(160.000,00 DM) durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 zum 24.07.2015 nicht beendet
worden ist.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Bausparvertrag, Vertragsnummer:
441 …, Tarif: IDEAL-Bausparen, vor Ansparung der vollständigen Bausparsumme von 81.806,70 EUR
(160.000,00 DM) ordentlich zu kündigen.
3. Es wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 25.03.1999 geschlossene Bausparvertrag,
Vertragsnummer: 42 9…, Tarif: IDEAL-Bausparen, über eine Bausparsumme von 20.451,68 EUR
(40.000,00 DM) durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 zum 24.07.2015 nicht beendet
worden ist.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Bausparvertrag, Vertragsnummer: 42
9…, Tarif: IDEAL-Bausparen, vor Ansparung der vollständigen Bausparsumme von 20.451,68 EUR
(40.000,00 DM) ordentlich zu kündigen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der
Rechtsanwaltskanzlei K., L. und Kollegen in Höhe von 1.171,67 EUR freizustellen.
II. Im Übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn, die Klägerin leistet
vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages.
V. Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Gründe
I.
1
Die Klägerin, die zugleich Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemannes ist, wehrt sich gegen die Kündigung
von zwei Bausparverträgen. Sie und ihr Mann schlossen gemeinsam am 10.03.1999 einen Bausparvertrag
über 160.000 DM (81.806,70 EUR), der am 31.12.2014 ein Guthaben von 52.632,46 EUR aufwies und am
25.03.1999 einen Bausparvertrag über 40.000 DM (20.451,68 EUR), der am 31.12.2014 ein Guthaben
von 13.028,89 EUR hatte. Mit Schreiben vom 12.01.2015 kündigte die Beklagte beide Verträge unter
Berufung auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
2
Die den Bausparverträgen zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für Bausparverträge (ABB)
haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
3
§ 1 Vertragszweck
4
(1) Der Abschluss des Bausparvertrags dient der Erlangung eines unkündbaren, in der Regel zweitstellig zu
sichernden Tilgungsdarlehens (Bauspardarlehen) aufgrund planmäßiger Sparleistungen nach Maßgabe
dieser Allgemeinen Bedingungen. (…)
5
§ 2 Bausparsumme
6
(…)
7
(3) Beträge, die die Bausparsumme übersteigen, werden für die Verzinsung zunächst wie das
Bausparguthaben behandelt; auf Wunsch des Bausparers können diese Guthaben auf einen neu
abzuschließenden Bausparvertrag umgebucht werden.
8
§ 5 Sparzahlungen
9
(1) Der monatliche Bausparbeitrag beträgt 5 vom Tausend der Bausparsumme (Regelsparbeitrag). Er ist bis
zum Erreichen des gewählten Mindestguthabens (§ 11 Abs. 1) zum Ersten jeden Monats kostenfrei an die
Bausparkasse zu entrichten.
10
(2) Sonderzahlungen sind grundsätzlich zulässig. Die Bausparkasse kann deren Annahme von ihrer
Zustimmung abhängig machen.
11
(3) Ist der Bausparer unter Anrechnung von Sonderzahlungen mit mehr als 6 Regelsparbeiträgen
rückständig und hat er der schriftlichen Aufforderung der Bausparkasse, nicht geleistete Bausparbeiträge
zu entrichten, länger als 2 Monate nach Zugang der Aufforderung nicht entsprochen, so kann die
Bausparkasse den Bausparvertrag kündigen. Im Fall der Kündigung gilt § 9 Abs. 2 entsprechend.
12
§ 6 Verzinsung des Bausparguthabens, Zinsbonus, Bonuskonto
13
(1) Das Bausparguthaben wird mit 2,5 vom Hundert jährlich auf der Grundlage taggenauer
Berücksichtigung aller Zahlungseingänge verzinst. Die Verzinsung des Bausparguthabens endet mit der
ersten Auszahlung nach der Zuteilung. (…)
14
(2) Die Zinsen und der Zinsbonus sind jeweils am Ende des Kalenderjahres fällig, bei Beginn der
Auszahlung aus dem Bausparguthaben zu diesem Zeitpunkt. Die Zinsen werden dem Bausparkonto, der
Zinsbonus einem Bonuskonto zu den vorgenannten Fälligkeitsterminen gutgeschrieben. (…)
15
(3) Die Zinsen und der Zinsbonus werden nicht gesondert ausgezahlt.
16
§ 11 Voraussetzungen und Reihenfolge der Zuteilung
17
(1) Die Bausparsumme eines Bausparvertrages wird zugeteilt, wenn
18
a) an dem (…) Bewertungsstichtag (…) seit Vertragsbeginn 24 Monate verflossen sind (Mindestsparzeit).
19
b) an dem (…) Bewertungsstichtag (…) das Bausparguthaben des Bausparvertrages im Regelfall
mindestens 50 vom Hundert der Bausparsumme (Mindestsparguthaben) betragen hat. (…)
20
c) die für die Zuteilung verfügbaren Mittel ausreichen, den Bausparvertrag in der durch die Höhe der
Bewertungszahl - die zu diesem Bewertungsstichtag mindestens 240 betragen muss - gegebenen
Zuteilungsreihenfolge zu erfassen.
21
§ 12 Zuteilungsnachricht
22
(1) Die Zuteilung wird dem Bausparer unverzüglich schriftlich mitgeteilt mit der Aufforderung, binnen 4
Wochen ab Datum der Zuteilung zu erklären, ob er die Zuteilung annimmt.
23
(2) Der Bausparer kann die Annahme der Zuteilung widerrufen, solange die Auszahlung der
Bausparsumme oder der Teilbausparsumme noch nicht begonnen hat.
24
§ 14 Vertragsfortsetzung
25
(1) Nimmt der Bausparer die Zuteilung nicht an oder gibt er die Annahmeerklärung nicht fristgemäß ab
oder wird die Annahme der Zuteilung widerrufen, so wird der Bausparvertrag fortgesetzt.
26 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe die Bausparverträge wirksam gemäß § 489
Abs. 1 Nr. 2 BGB gekündigt. Der Bausparvertrag sei in der Ansparphase als Darlehensvertrag des
Bausparers zu beurteilen, bei dem dieser bis zur Zuteilungsreife ein Guthaben anspare. Die Vorschrift sei
nicht auf Verbraucher als Darlehensnehmer beschränkt. Auf diesen sei die Vorschrift auch nicht teleologisch
zu reduzieren. Die Kündigungsvoraussetzungen lägen vor. Die Bausparkasse habe das Darlehen im Sinne
von § 489 Abs. 1 BGB vollständig empfangen. Die Klägerin habe die Mindestbausparsumme erbracht. Durch
die Einstellung der Zahlungen hätte sie mit ihrem Verhalten zum Ausdruck gebracht, dass die eigentliche
Ansparphase für sie beendet sei. Sofern die Beklagte Zinsen auf die Bausparguthabenkonten
gutgeschrieben habe, ändere dies nichts an dem vollständigen Darlehensempfang. Selbst wenn nicht von
einem vollständigen Darlehensempfang ausgegangen werden könne, sei § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
dahingehend auszulegen, dass der vollständige Empfang der Darlehensvaluta der eintretenden
Zuteilungsreife gleichstehe. Mit Eintritt der Zuteilungsreife sei das für den Bausparvertrag
charakteristische gemeinsame Ziel der Vertragsparteien erreicht, dem Bausparer einen Rechtsanspruch auf
Gewährung eines Bauspardarlehens zu verschaffen.
27 Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageziel in vollem Umfang weiter und
wiederholt und vertieft ihr bisheriges Vorbringen.
28 Die Klägerin beantragt:
29
1. Unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 6
O 76/15, wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 10.03.1999 geschlossene Bausparvertrag,
Vertragsnummer: 441 …, Tarif: IDEAL-Bausparen, über eine Bausparsumme von 81.806,70 EUR
(160.000,00 DM) durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 zum 24.07.2015 nicht beendet
worden ist.
30
2. Unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 6
O 76/15, wird festgestellt, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte nicht berechtigt ist, den mit den
Klägern geschlossenen Bausparvertrag, Vertragsnummer: 441 …, Tarif: IDEAL-Bausparen, vor Ansparung
der vollständigen Bausparsumme von 81.806,70 EUR (160.000,00 DM) ordentlich zu kündigen.
31
3. Unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 6
O 76/15, wird festgestellt, dass der zwischen den Parteien am 25.03.1999 geschlossene Bausparvertrag,
Vertragsnummer: 42 9…, Tarif: IDEAL-Bausparen, über eine Bausparsumme von 20.451,68 EUR
(40.000,00 DM) durch die Kündigung der Beklagten vom 12.01.2015 zum 24.07.2015 nicht beendet
worden ist.
32
4. Unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Aktenzeichen 6
O 76/15, wird festgestellt, dass die Beklagte und Berufungsbeklagte nicht berechtigt ist, den mit den
Klägern geschlossenen Bausparvertrag, Vertragsnummer: 42 9…, Tarif: IDEAL-Bausparen, vor Ansparung
der vollständigen Bausparsumme von 20.451,68 EUR (40.000,00 DM) ordentlich zu kündigen.
33
5. Unter Abänderung des am 19.11.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az. 6 O 76/15,
wird die Beklagte und Berufungsbeklagte verurteilt, die Kläger und Berufungskläger von den
außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltskanzlei K., L. und Kollegen in Höhe von
2.348,94 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit
Rechtshängigkeit freizustellen.
34 Die Beklagte beantragt:
35
Die Berufung wird zurückgewiesen.
36 Die Beklagte verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres
erstinstanzlichen Vorbringens.
II.
37 Die gem. § 511 ZPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und mit einer Begründung versehene
Berufung ist zulässig und mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen begründet. Die Kündigungen der
beiden Bausparverträge sind unwirksam (1.). Der Beklagten steht auch in Zukunft bis zur Vollbesparung
auf der Grundlage der gegenwärtigen Bedingungen kein ordentliches Kündigungsrecht zu (2.). Schließlich
hat die Klägerin einen Anspruch auf Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten (3.).
38 1. Die Kündigungen der beiden Bausparverträge waren unwirksam. Auf das jeweilige Vertragsverhältnis
findet gemäß Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung des Gesetzes zur
Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) seit dem 1. Januar 2003
Anwendung. Ein Kündigungsrecht ergibt sich nicht aus § 488 Abs. 3 BGB (a.), § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (b.), §
490 Abs. 3 i.V.m. § 314 BGB (c.) oder § 490 Abs. 3 i.V.m. § 313 BGB (d.).
39 a. Die Voraussetzungen für eine ordentliche Kündigung des Bausparvertrages durch die Bausparkasse
gemäß § 488 Abs. 3 BGB liegen nicht vor.
40 aa. Allerdings entspricht es der herrschenden Meinung, dass ein Bausparvertrag durch die Bausparkasse
dann gemäß § 488 Abs. 3 BGB gekündigt werden kann, wenn er bis zur Bausparsumme vollständig
angespart ist. Denn beim Bausparvertrag handelt es sich während der Ansparphase um einen
Darlehensvertrag i. S. d. § 488 BGB, bei dem der Bausparer Darlehensgeber und die Bausparkasse
Darlehensnehmerin ist. Der Bausparvertrag dient dem in § 1 ABB i. V. m. § 1 BSpKG besonders definierten
Zweck der Erlangung eines Bauspardarlehens in Höhe der Differenz zwischen Bausparsumme und
Bauspareinlagen. Mit vollständiger Ansparung des Vertrages bis zur Bausparsumme kann dieser Zweck
nicht mehr erreicht werden (Senat, Urteil vom 30. März 2016 - 9 U 171/15, juris; OLG Köln, Beschluss vom
23. März 2015 - 13 U 104/14, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 2. Oktober 2013 - 19 U 106/13, juris;
Staudinger/Mülbert [2015] BGB § 488 Rn. 548).
41 bb. Eine Vollbesparung liegt jedoch unstreitig nicht vor.
42 cc. Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Verzicht eines Bausparers auf sein Bauspardarlehen die
Bausparkasse zur Kündigung gemäß § 488 Abs. 3 BGB berechtigt. Ein Verzicht der Klägerin auf das
Bauspardarlehen liegt nicht vor und wird von der Beklagten auch nicht konkret behauptet. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Annahme eines Verzichts strenge Anforderungen zu
stellen. In der Regel ist eine insoweit eindeutige Willenserklärung erforderlich, weil ein Rechtsverzicht
niemals zu vermuten ist (BGH, Urteil vom 04. Dezember 2015 - V ZR 22/15 -, Rn. 44, juris). Die
langjährige Nichtinanspruchnahme eines Bauspardarlehens kann nicht als Verzicht interpretiert werden.
Gleiches gilt für die Einschätzung, eine Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens werde im Hinblick auf die
voraussichtlich noch länger andauernde Niedrigzinsphase nicht erfolgen. Wenn ein Bausparer ein
Bauspardarlehen im Hinblick auf die gegenwärtige Unwirtschaftlichkeit nicht in Anspruch nimmt, lässt sich
daraus kein Rechtsbindungswille herleiten. Deshalb kommt es nicht darauf an, dass entgegen der
Darstellung der Beklagten der Senat eine derartige Auffassung nicht in seinem Hinweisbeschluss vom
14.10.2011 (9 U 151/11) vertreten hat.
43 b. Die Beklagte kann ihre Kündigung nicht auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB stützen. Allerdings kann nach § 489
Abs. 1 Nr. 2 BGB der Darlehensnehmer einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz nach Ablauf
von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang des Darlehens unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
von sechs Monaten ganz oder teilweise kündigen. Ob die tatbestandlichen Voraussetzungen, insbesondere
ein vollständiger Darlehensempfang, in den Fällen vorliegen, in denen der Bausparer, so wie hier, lediglich
zur Ansparung eines Mindestsparguthabens verpflichtet ist, kann indes offen bleiben. Hiergegen könnten
insoweit Bedenken bestehen, als die Pflicht zur Leistung von Einlagen nicht auf die Zahlung der
Sparbeiträge gemäß § 5 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 ABB beschränkt ist. Nach § 6 Abs. 2, 3 ABB muss der
Bausparer zusätzlich zu seinen Sparleistungen die ihm zustehenden Zinsen als weitere Einlagen erbringen
und kann sie sich nicht auszahlen lassen. Die Verzinsung des jeweils jährlich um die Zinszahlungen
erhöhten Bausparguthabens war bis zum Zeitpunkt der ersten Auszahlung aus der Bausparsumme
festgelegt (zum fehlenden vollständigen Darlehensempfang bei unbegrenzter Regelsparbeitragspflicht vgl
Senat, Urteil vom 30.03.2016 - 9 U 171/15).
44 Die Vorschrift ist jedenfalls nicht auf das Einlagengeschäft von Bausparkassen anwendbar. Dies ergibt die
Auslegung der Gesetzesvorschrift, die teleologisch zu reduzieren ist.
45 aa. Ausgangspunkt für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck gekommene
objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem
Sinnzusammenhang ergibt (BGH, Urteil vom 30. Juni 1966 - KZR 5/65, BGHZ 46, 74, 76). Dem Ziel, den im
Gesetz objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, dienen die nebeneinander zulässigen, sich
gegenseitig ergänzenden Methoden der Auslegung aus dem Wortlaut der Norm, ihrem
Sinnzusammenhang, ihrem Zweck sowie aus den Gesetzgebungsmaterialien und der
Entstehungsgeschichte (BGH, Urteil vom 07. Dezember 2011 - IV ZR 105/11 -, BGHZ 192, 67, Rn. 14).
Wenn es Sinn und Zweck einer Vorschrift erfordern, ist eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Diese
setzt eine verdeckte Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraus.
Eine Unvollständigkeit liegt auch vor, wenn eine nach dem Sinn und Zweck einer Regelung notwendige
Einschränkung fehlt (Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl., S. 370). Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist
vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrundeliegenden Regelungsabsicht zu beurteilen. Das Gesetz
muss also, gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht, unvollständig sein (BGH, Urteil vom 30.
September 2014 - XI ZR 168/13 -, BGHZ 202, 302-309, Rn. 13).
46 bb. Allerdings spricht die Auslegung nach dem Wortlaut für eine Anwendung der Vorschrift auf die
Einlagengeschäfte der Bausparkasse, wenn auch das Auslegungsergebnis nicht so eindeutig ist, wie die
Beklagte meint.
47 (1) Die Norm des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB verwendet die Begriffe „Darlehensnehmer“, „Darlehensvertrag“
und „Darlehen“, die in § 488 Abs. 1 BGB näher definiert werden. Nach § 488 Abs. 1 wird durch den
Darlehensvertrag der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der
vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten
Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das „Darlehen“ zurückzuzahlen.
48 Der Begriff des Darlehens wurde ursprünglich in § 607 BGB a.F. mit der dortigen Formulierung
„Wer Geld
oder andere vertretbare Sachen als Darlehen empfangen hat“ vorausgesetzt, weil er sich im Rechtsleben
so eingebürgert hatte (Mugdan, Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das Deutsche
Reich [1899], Motive, Bd. II, S.170). Im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung wurden die Vorschriften
bezüglich des Sachdarlehens und des Gelddarlehens getrennt und die Hauptpflichten beim
Darlehensvertrag in § 488 Abs. 1 BGB erstmalig definiert. Mit „Darlehen“ ist der Geldbetrag gemeint,
während die schuldrechtliche Vereinbarung als Darlehensvertrag bezeichnet wird (BT-Drucks. 14/6040, S.
253).
49 (2) Eine ausdrückliche Unterscheidung zwischen Gelddarlehen im engeren Sinne, wie sie typischerweise
von Kreditinstituten gewährt werden, und Spareinlagen, ergibt sich aus dem Wortlaut der Norm nicht.
Auch wird bei den allgemeinen Darlehensvorschriften nicht nach der Verbrauchereigenschaft einer
beteiligten Person oder der Gewerbsmäßigkeit ihres Handelns unterschieden (Edelmann/Suchowerskyj, BB
2015, 3079 [3080]).
50 (3) Allerdings spricht die neue Definition des Darlehensvertrages in § 488 Abs. 1 BGB mit der Verpflichtung
zur Darlehenszahlung gegen eine generelle Subsumtion von Sparverträgen unter den Begriff des
Darlehensvertrages. Bei Sparverträgen steht typischerweise die freiwillige Ansammlung von Vermögen des
Sparers im Vordergrund (so früher ausdrücklich § 21 Abs. 2 S. 1 KWG a.F.). Der Sparer ist auf Grund des
Sparvertrages nicht zur Einzahlung der Einlagen verpflichtet, sondern kann im Regelfall nach Belieben
einzahlen. Die Sparkasse oder das Kreditinstitut haben keinen Anspruch auf die Spareinlagen (anders, ohne
nähere Begründung: Großkommentar HGB/Renner, 5. Aufl., Bankvertragsrecht, 4. Teil., Rn. 38).
51 Das gilt jedoch nicht für Bausparbeiträge. Sie sind grundsätzlich Bauspareinlagen gemäß § 1 Abs. 1 BSpKG.
Bei diesen hat sich der Bausparer zur Leistung der Regelsparbeiträge als Einlagen verpflichtet, § 5 Abs. 1 S.
2 ABB. Zwar wird vertreten, der Anspruch der Bausparkasse auf Sparleistungen sei nicht klagbar
(Schäfer/Cirpka/Zehnder, Bausparkassengesetz, 5. Aufl., Einl. Ziff. IV, § 5 Anm. 27, 29). Aus den ABB ergibt
sich aber eine eindeutige Vertragspflicht zur Zahlung der Regelsparbeiträge. Sie ist jedenfalls insofern
durchsetzbar, als die Bausparkasse bei Nichtbezahlung unter bestimmten Voraussetzungen kündigen und
damit dem Bausparer seinen Anspruch auf ein Bauspardarlehen nehmen kann (Senat, Urteil vom 30. März
2016 - 9 U 171/15 -, Rn. 69, juris). Dieser Umstand rechtfertigt die Würdigung der Bauspareinlagen als
Darlehen (vgl. a. Schäfer/Cirpka/Zehnder, aaO., § 1 Anm. 3) und unterscheidet sie von gewöhnlichen
Spareinlagen.
52 cc. Nach der systematischen Auslegung erfasst der Darlehensvertrag auch Spareinlagen, sofern sie nicht
die Qualität von Sichteinlagen haben. Bei der systematischen Auslegung sind die auszulegende Norm des
Darlehensrechts und ihre Anwendung auf den Sparvertrag im Zusammenhang mit weiteren gesetzlichen
Regelungen zu betrachten. Zu berücksichtigen ist die Stellung der Vorschrift im Gesetz [1] sowie die
Einordnung, die sie durch die Rechtsprechung und Literatur [2] erfahren hat. Dabei ist zu beachten, dass
der Sparvertrag als Einlagengeschäft im BGB und im KWG nur ansatzweise geregelt ist [3].
53 (1) Aus der Stellung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Gesetz ergeben sich keine Zweifel an der
Anwendbarkeit auf Sparverträge.
54 Die Einstellung im allgemeinen Teil des Darlehensrechts spricht für eine Anwendung auf sämtliche
Schuldverhältnisse, auf die das Darlehensrecht Anwendung findet. Dies legt den Schluss nahe, die
Vorschrift auch auf Bausparverträge anzuwenden, soweit sie in der Ansparphase als Darlehensverträge mit
der Bausparkasse als Darlehensnehmerin zu werten sind
55 Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Übernahme dieser Vorschrift in das allgemeine Darlehensrecht im
Zusammenhang mit der Abschaffung des in § 247 BGB a.F. geregelten allgemeinen Kündigungsrechts bei
Überschreitung eines bestimmten Zinssatzes erfolgt ist. Diese aufgehobene Vorschrift befand sich noch im
Allgemeinen Teil des Schuldrechts und betraf damit sämtliche Schuldverhältnisse. Mit der Verortung im
allgemeinen Teil des Darlehensrechts erfolgte eine systematische Einschränkung des Anwendungsbereichs,
die auch als Einschränkung auf das Aktivgeschäft verstanden werden könnte.
56 (2) Darüber hinaus entspricht es herrschender Meinung (auch zum Zeitpunkt des Erlasses des § 609a Abs.
1 Nr. 3 BGB a.F.), dass bei der zivilrechtlichen Einordnung von Sparverträgen nach der Fälligkeit zu
differenzieren ist. Sogenannte Sichteinlagen, die jederzeit fällig sind, werden als unregelmäßige
Verwahrung im Sinne von § 700 BGB eingestuft, auf die das Darlehensrecht nur kraft Verweisung teilweise
Anwendung findet. Bei Termingeldern (Festgelder oder Kündigungsgelder), die entweder nach einer
bestimmten Laufzeit oder erst nach einer Kündigung rückzahlbar sind, wird das unmittelbare Vorliegen von
Darlehensverträgen ebenso angenommen, wie bei Spareinlagen (BGH, Urteil vom 09. März 1995 - III ZR
55/94 -, BGHZ 129, 90-98; MünchKommBGB/ Westermann (1980) vor § 607 Rn. 26ff.;
Soergel/Lippisch/Häuser, BGB, 11. Aufl. (1980), vor § 607, Rn. 55; Schwintowski, Bankrecht, 4. Aufl., § 5
Rn. 21 ff.). Dies gilt auch für die Einlagen der Bausparer, die, anders als im Falle von Spareinlagen im Sinne
von § 21 Abs. 4 RechKredVO (bzw. §§ 21 ff. KWG a.F.), in vollem Umfang erst nach einer Kündigung zur
Rückzahlung fällig werden. Die Auffassung zur Rechtsnatur des Sparvertrages als Darlehensvertrages war
und ist allerdings nicht unumstritten. Insbesondere Vallenthin (MünchKommBGB, 1. Aufl. [1980], § 808 Rn.
4) vertrat die Auffassung, dass der Sparvertrag als Verwahrvertrag i.S.v. § 700 BGB einzuordnen sei (vgl.
a. zum Streitstand: Staudinger/Marburger [2015] BGB § 808 Rn. 41 m.w.N.; MünchKommBGB/Henssler, 6.
Aufl., § 700 Rn. 16; Palandt/Sprau, aaO, § 808 Rn. 6).
57 (3) Der Sparvertrag ist im Bürgerlichen Gesetzbuch und im Gesetz über das Kreditwesen nur ansatzweise
und unvollständig geregelt.
58 (a) Das Bürgerliche Gesetzbuch verwendet den für Sparverträge typischen Begriff der Einlage an einer
einzigen Stelle, nämlich bei § 248 Abs. 2 S. 1 BGB. Er wird dort nicht definiert, knüpft aber an die
bankwirtschaftliche Verwendung und Interpretation an (MünchKommBGB/Grundmann, BGB, 7. Aufl., § 248
Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl., § 248 Rn. 3). Nach dieser Vorschrift können Kreditinstitute, als
Ausnahme vom Zinseszinsverbot in § 248 Abs. 1 BGB, nicht erhobene Zinsen von Einlagen als neue
verzinsliche Einlagen behandeln. Die Norm bezieht sich insoweit allein auf das Passivgeschäft der
Kreditinstitute als Einlagengeschäft und führt dieses einer Sonderregelung zu. In § 248 Abs. 2 S. 2 BGB
wird der Darlehensbegriff nur auf das Aktivgeschäft der Kreditinstitute bezogen
(MünchKommBGB/Grundmann, aaO; Erman/Schaub, BGB, 14. Aufl., § 248 BGB, Rn. 4).
59 Dagegen lässt sich aus § 808 BGB, der einen Teilaspekt des Sparvertrages regelt und das Sparbuch als so
genanntes qualifiziertes Legitimationspapier bzw. hinkendes Inhaberpapier ausgestaltet (Palandt/Sprau,
BGB, 75. Aufl., § 808 Rn. 1), für die hier in Rede stehende Frage eines Kündigungsrechts nichts herleiten.
60 (b) Im Bereich des KWG wird zwischen dem Gelddarlehen im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 KWG und dem
Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG, zu dem der Sparvertrag gehört (Boos/Fischer/Schulte-
Mattler/Schäfer, KWG, 4. Aufl., § 1 Rn. 39), deutlich unterschieden. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des §
609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F., der Vorgängervorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB, existierte zudem für
Spareinlagen in §§ 21 ff. KWG a.F. eine besondere Regelung. Insbesondere die dafür maßgebenden
Kündigungsvorschriften in § 22 KWG a.F. waren nicht nur aufsichtsrechtlicher, sondern materiell-rechtlicher
Natur und regelten somit die Sparverträge über Spareinlagen außerhalb des BGB (BGH, Urteil vom 24.
April 1975 - III ZR 147/72 -, BGHZ 64, 278-288, Rn. 15; Bähre/Schneider, KWG, 3. Aufl., § 22 Anm. 1).
Gem. § 22a KWG a.F. fanden die Vorschriften allerdings auf Bauspareinlagen keine Anwendung. Sie wurden
gesondert im Bausparkassengesetz einer Regelung unterworfen. Nach Aufhebung der die Spareinlagen
betreffenden Regelung der §§ 21 ff. KWG sind die Kündigungsregelungen in § 21 Abs. 4 RechKredVO
ausschließlich aufsichtsrechtlicher Natur (vgl. BT-Drucks. 12/4876 S. 6). Für eine enge Anlehnung der
Gesetzesauslegung an das KWG mit seiner Trennung zwischen Gelddarlehen einerseits und Spareinlagen
andererseits spricht trotz dessen aufsichtsrechtlichem Charakter der Umstand, dass Sparverträge
außerhalb von Bankgeschäften praktisch nicht vorkommen, weil sie in gewerbsmäßiger Form
Kreditinstituten vorbehalten sind, § 3 KWG.
61 dd. Aus der historischen Auslegung folgt hingegen die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 489
Abs. 1 Nr. 2 BGB. Der Gesetzgeber wollte mit der Kündigungsvorschrift allenfalls Gelddarlehensverträge im
engeren Sinne, insbesondere diejenigen von Kreditinstituten als Darlehensgeber erfassen, nicht jedoch
Sparverträge, auch wenn und soweit sie von der herrschenden Meinung als Darlehensverträge qualifiziert
werden.
62 Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber ausschließlich das Aktivgeschäft der
Kreditinstitute regeln wollte [1] und das Bausparkassengeschäft in der Ansparphase nicht vom
beabsichtigten Schutzzweck der Norm umfasst ist [2].
63 (1) Aus der Gesetzesbegründung geht eindeutig hervor, dass der Gesetzgeber ausschließlich das
Aktivgeschäft der Kreditinstitute für regelungsbedürftig gehalten hat und das Passivgeschäft, insbesondere
das Spargeschäft, nicht erfassen wollte.
64 (a) Nach der Problembeschreibung im Gesetzentwurf zur Aufhebung des § 247 BGB und zur Einführung
des § 609a BGB (BT-Drucks. 10/4741, S. 1) wollte der Gesetzgeber zwei Missstände beheben, die allein
das Aktivgeschäft der Kreditinstitute betrafen: Zum einen war das Kündigungsrecht des Schuldners bei
Verträgen mit einem Zinssatz von mehr als 6 % p.a. von einem Ausnahmebehelf zu einem
voraussetzungslosen allgemeinen Kündigungsrecht geworden, so dass langfristige Darlehensverträge der
Kreditinstitute und professionellen Darlehensgeber, wie Versicherungen, gekündigt werden konnten.
Dadurch entstand der Kreditwirtschaft und den Versicherungen ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden
(BT-Drucks. 10/4741, S. 20). Zum anderen wurde dieses Kündigungsrecht faktisch ausgehöhlt durch
privilegierte Kreditinstitute, die es gemäß § 247 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. ausschließen konnten, wenn das
Darlehen zu einer auf Grund gesetzlicher Vorschriften gebildeten Deckungsmasse für
Schuldverschreibungen gehörte oder gehören sollte. Das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestands war für
die Darlehensnehmer nicht erkennbar, was Rechtsunsicherheit hervorrief. Zudem galt die Ausnahme nicht
für Kreditinstitute, die keine Deckungsmasse für Schuldverschreibungen bilden mussten. Diese hatten
dadurch ungerechtfertigte Wettbewerbsnachteile. Eine problematische Sachverhaltskonstellation mit
Bezug zu Sparverträgen wird in der Gesetzesbegründung nicht angedeutet.
65 (b) Ein Schutzbedürfnis zu Gunsten der Kreditinstitute als Schuldner bei der Durchführung von
Passivgeschäften hat der Gesetzgeber weder in der Vergangenheit noch im Zusammenhang mit der
Aufhebung des § 247 BGB a.F. und Einführung des § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. wahrgenommen. Bereits in
seiner ursprünglichen Fassung galt das Kündigungsrecht aus § 247 Abs. 1 BGB a.F. nicht für
Inhaberschuldverschreibungen und (später) für Orderschuldverschreibungen. Bei diesen Passivgeschäften
konnten sich die Kreditinstitute als Emittenten ohne zeitliche Begrenzung zur Zahlung eines bestimmten
Zinssatzes verpflichten. Der Gesetzgeber hat damit dem Anlagecharakter von Schuldverschreibungen
Rechnung getragen und den Schutz des Gläubigers als Kapitalanleger über den Schutz des Schuldners vor
Zinsänderungen infolge langer Zinsbindung gestellt. Dies erfolgte mit der Erwägung, dass bei solchen
Kapitalanlagegeschäften der Emittent die Emissionsbedingungen selbst gestaltet und daher nicht
schutzbedürftig ist (BGH, Urteil vom 12. November 1981 - III ZR 2/80 -, BGHZ 82, 182-188, Rn. 15;
Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. [1983], § 247 BGB Rn. 41; Weber, BB 2015, 2185 [2187]).
66 (c) Der Gesetzgeber wollte den Schuldnerschutz auf den von ihm dargestellten Anwendungsbereich
zurückführen und begrenzen. Er hat von der ersatzlosen Aufhebung des § 247 BGB abgesehen, es aber für
erforderlich gehalten,
„den Schuldnerschutz nur dort auf ein angemessenes Maß zurückzuführen, wo er
sich in der Vergangenheit als besonders störend erwiesen hat. Dies [war] der Bereich der festverzinslichen
Kredite, wo das Kündigungsrecht in seiner [damaligen] Form im scharfen Widerspruch [stand] zum Prinzip
beiderseitiger vertraglicher Bindung und Risikozuweisung“ (BT-Drucks. 10/4741, S. 21). Aus dem
Zusammenhang des Problemaufrisses ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit dem Begriff der
festverzinslichen Kredite ausschließlich solche gemeint hat, die von professionellen Kreditgebern
ausgereicht werden.
67 Die Kündigungsvorschrift wollte der Gesetzgeber nicht auf andere Sachverhaltskonstellationen anwenden.
In der Begründung hat er ausgeführt, dass der wesentliche Anwendungsbereich des § 247 BGB mit der
Neuregelung einer „spezialgesetzlichen Regelung“ zugeführt werde. Zu diesem Zweck hat er die im
Allgemeinen Teil des Schuldrechts verankerte Kündigungsvorschrift in das Darlehensrecht verlagert. Dabei
hat er ausdrücklich festgestellt, dass andere praktische Anwendungsfälle, die der umfassend geltende §
247 Abs. 1 BGB theoretisch abdeckte, nicht erkennbar geworden seien (BT-Drucks. 10/4741, S. 22, rechte
Spalte). Die Beschränkung des Anwendungsbereichs kommt weiter durch die Verlagerung der nur
Realkredite betreffenden Regelung des § 18 Abs. 2 HypBG a.F zu § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. zum
Ausdruck.
68 (2) Der Schutz der Bausparkassen in der Ansparphase ist nicht von den vom Gesetzgeber verfolgten
Schutzzwecken umfasst. Der Gesetzgeber wollte einerseits Darlehensschuldner vor der Verpflichtung zur
Zahlung eines nicht marktgerechten Zinssatzes schützen [a] und andererseits die
Refinanzierungsmöglichkeiten der Kreditinstitute [b]. Die Bausparkassen werden von diesem Schutzziel
nicht erfasst [c].
69 (a) Ein wesentliches Ziel des Gesetzgebers mit der Einführung der Kündigungsvorschriften in § 609a BGB
a.F. war der Schutz des Darlehensnehmers vor der Verpflichtung zur Zahlung eines nicht marktgerechten
Zinssatzes. Ursache für eine solche vom Gesetzgeber missbilligte Verpflichtung war nach dessen
Auffassung das Zinsbestimmungsrecht des Darlehensgebers gegenüber einem wirtschaftlich schwächeren
Schuldner (Weber ZIP 2015, 961 [965]).
70 (aa) Bereits die im Zuge der Einführung des § 609a Abs. 1 Nr. 1-3 BGB a.F. aufgehobene Vorschrift des §
247 BGB a.F. sollte den wirtschaftlich schwachen Schuldner schützen. Nach den Gesetzesmaterialien
wurde dies wie folgt begründet:
„Das (…) Kündigungsrecht des Schuldners bei hohen Zinsen sei, jedenfalls
seiner Wirkung nach, ein Mittel gegen den Missbrauch der wirtschaftlichen Übermacht des Gläubigers
gegenüber dem Schuldner. Bei der herrschenden starken Strömung, welcher auf eine Verstärkung des
Schutzes des wirtschaftlich Schwächeren gehe und die auch in der Kritik des Entwurfs zum Ausdruck
gelangt sei, empfehle es sich nicht, dieses bestehende Schutzmittel für den Schuldner fallen zu lassen“
(Mugdan II, aaO, Protokolle, S. 628f., Denkschrift, S. 1234; s.a. Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. (1983), § 247
Rn. 2; MünchKommBGB/von Maydell, 2. Aufl., § 247 Rn. 1).
71 Soweit der ursprüngliche Schutzzweck vor absolut überhöhten Zinsen infolge des „Wandels der
Normsituation“ wegen des zwischenzeitlich gestiegenen Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt gegenstandslos
geworden ist, wurde der Norm als weiterer Zweck beigemessen, ein Mittel zur Anpassung an Senkungen
des marktüblichen Zinses zu sein (Canaris NJW 1978, 686 [688]; Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. (1983), §
247 Rn. 3; MünchKommBGB/von Maydell, 2. Aufl., § 247 Rn. 1). Letztendlich läuft diese
Schutzzweckbestimmung auf das gleiche Ziel hinaus. Eine „Anpassung an Senkungen des marktüblichen
Zinses“ stellt nämlich keinen Zweck dar, sondern eine Rechtsfolge. Hinter der missverständlich
formulierten Zweckbestimmung steht der Gedanke, dass die Anpassung einer schutzbedürftigen Partei
zugutekommen soll. Diese soll auf Grund ihrer schwächeren und daher schutzbedürftigen Position vor
einer Zinsbestimmung geschützt werden, die ihr dauerhaft die Anpassung des Zinssatzes an einen
niedrigeren Marktzinssatz verwehrt.
72 (bb) Auch bei der Einführung des § 609a BGB a.F. sollte mit den Kündigungsvorschriften ein „wesentliches
und wirksames Gegengewicht gegen das Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers“ geschaffen werden (BT-
Drucks. 10/4741, S. 22).
73 Dieses Schutzziel scheint insbesondere bei der Kündigungsregelung für Darlehensverträge mit
veränderlichem Zinssatz auf. Doch gilt es gleichermaßen für das Kündigungsrecht bei langfristigen
festverzinslichen Verträgen (a.A.: Edelmann/Suchowerskyj, BB 2015, 3079 [3082]). Bei beiden
Fallvarianten wird eine freie Zinsanpassung durch eine variable oder feste Zinsbestimmung für eine
bestimmte Laufzeit ausgeschlossen. Die Zinsbestimmung erfolgt bereits bei Vertragsschluss, indem für die
Laufzeit entweder ein Mechanismus für Zinsanpassungen vereinbart (§ 609a Abs. 1 Nr. 1 BGB a.F., § 489
Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder eine Zinsanpassung ausgeschlossen wird (§ 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F., § 489 Abs. 1
Nr. 2 BGB).
74 Der Wille des Gesetzgebers, den Darlehensnehmer schon bei Vertragsschluss zu schützen, folgt bereits aus
§ 247 BGB a.F. Er macht den Schutz von der absoluten Höhe des Zinssatzes abhängig. Dieser wird beim
Vertragsschluss festgelegt. Der historische Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass die Vereinbarung
eines Zinssatzes in einer Höhe von mehr als 6 % das Ergebnis einer wirtschaftlichen Übermacht des
Gläubigers sein kann (s.o.).
75 Das vom Gesetzgeber als regelungsbedürftig angesehene Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers darf nicht
nur als Recht zur Bestimmung der absoluten Höhe des Zinssatzes gesehen werden. Ihre Bedeutung erhält
die Bestimmung des Zinssatzes erst in Verbindung mit der vereinbarten Laufzeit. Wenn neben dem
Zinssatz eine Laufzeit gewählt wird, wird der Zinssatz und gegebenenfalls seine Anpassungsmechanismen
mit den daraus resultierenden Zinssätzen für diese Zeit festgeschrieben. Der Schuldner kann während der
Bindungsfrist eine Anpassung an den Marktzins nicht erreichen. Diese Situation besteht bei sowohl bei
Zinsfestschreibungen und als auch bei der Vereinbarung von laufenden Zinsbestimmungs- oder -
anpassungsrechten einer Vertragspartei.
76 (cc) Bausparkassen, die während der Ansparphase als Darlehensnehmer anzusehen sind (s.o.) befinden sich
nicht in der Position des schwächeren Schuldners, der einem Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers
hinsichtlich Zinssatz und Laufzeit der Zinsbindung ausgesetzt ist. Im Gegenteil weist ihnen der
Gesetzgeber in § 5 Abs. 3 Nr. 2 BSpKG die Aufgabe zu, in ihren ABB einseitig die Verzinsung der
Spareinlagen festzulegen. Ebenso haben sie gem. § 5 Abs. 3 Nr. 7 BSpKG die Bedingungen aufzustellen,
unter denen ein Bausparvertrag - auch von der Bausparkasse - gekündigt werden kann. Damit hat es die
Bausparkasse in der Hand, die Laufzeit von Bausparverträgen, die nicht in Anspruch genommen werden,
durch Einräumung eines Kündigungsrechts, festzulegen. Der Bausparer als Gläubiger ist hingegen dem
Zinsbestimmungsrecht der Bausparkasse ausgeliefert. Er befindet sich in der wirtschaftlich schwächeren
Position.
77 (dd) Die Argumentation der Beklagten, der Bausparer erhalte ab Zuteilungsreife durch die
Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens ein einseitiges Zinsbestimmungsrecht, geht fehl. Wie
dargelegt, hat die Bausparkasse ihr Zinsbestimmungsrecht gem. § 5 Abs. 3 Nr. 2, 7 BSpKG durch die
Festlegung des maßgeblichen Festzinssatzes und der bedingungsgemäß maximal möglichen Laufzeit in
ihren ABB ausgeübt. Wenn sie in ihren Bedingungen auf ein Kündigungsrecht bei Nichtinanspruchnahme
des Bauspardarlehens verzichtet, bewegt sich der Bausparer in dem von der Bausparkasse eingeräumten
Rahmen und übt nicht gegen den Willen der Bausparkasse ein eigenes Zinsbestimmungsrecht aus.
78 (b) Das zweite wesentliche Ziel der Einführung der Kündigungsvorschriften war der Schutz der
Kreditinstitute durch die Sicherstellung einer laufzeit- und zinskongruenten Refinanzierung. Gleichzeitig
sollte damit die Verteuerung der Kredite durch Kostenzuschläge vermieden werden, die ohne
Kündigungsschutz zur Absicherung des Ausfallrisikos von den Kreditinstituten einkalkuliert worden wären
(BT-Drucks. 10/4741, S. 21).
79 (aa) Dieses Ziel hat der Gesetzgeber bereits bei Erlass der Vorgängervorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
ausdrücklich verfolgt. Die Norm geht direkt auf § 18 Abs. 2 HypBG a.F. zurück (BT-Drucks. 10/4741, S. 23),
dessen Wortlaut sinngemäß mit § 609a Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F., der Vorgängerbestimmung des § 489 Abs. 1
Nr. 2 BGB übereinstimmt. Der Gesetzgeber hat bei Erlass des Hypothekenbankgesetzes davon abgesehen,
dem Hypothekendarlehensnehmer eine kürzere Kündigungsfrist als 10 Jahre einzuräumen. Er wollte die
Refinanzierung der Hypothekenbanken über Pfandbriefe nicht gefährden, die auf eine Laufzeitkongruenz
von Aktiv- und Passivgeschäft angewiesen waren. Eine kürzere Kündigungsfrist hätte dieses Modell
gefährdet (Reichstagsprotokolle 1898/1900 Anl. Bd II Nr. 106, S. 924 ff. [943]). Mit der gleichen Zielsetzung
hatte der Gesetzgeber später bei Erlass des § 247 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. das Kündigungsrecht für Darlehen
ausgeschlossen, die zur Deckungsmasse von Schuldverschreibungen gehören sollten. Damit sollte die
Laufzeitkongruenz der Aktiv- und Passivgeschäfte dieser Kreditinstitute sichergestellt werden
(Staudinger/Schmidt, 12. Aufl. [1983], § 247, Rn. 49).
80 (bb) Bei Bausparverträgen besteht kein Bedürfnis nach Laufzeitkongruenz von Aktiv- und Passivgeschäft.
Die Bausparkassen gewähren die Bauspardarlehen aus der verfügbaren Zuteilungsmasse. Das sind vor
allem die Bauspareinlagen der anderen Bausparer und die Tilgungsleistungen der
Bauspardarlehensnehmer, § 10 Abs. 1 ABB. Das lange Stehenlassen der Bauspareinlage verursacht bei der
Bausparkasse keine Refinanzierungsschwierigkeiten. Zwar kann der Bausparer nach den vertraglichen
Bedingungen jederzeit seinen Bausparvertrag kündigen, doch gefährdet sein Rückzahlungsverlangen nicht
die ausgereichten Bauspardarlehen. Die Rückzahlung erfolgt gem. § 9 Abs. 2 ABB aus der bei der
Bausparkasse vorhandenen Zuteilungsmasse. Bei Liquiditätsschwierigkeiten muss der Bausparer eine
verzögerte Rückzahlung in Kauf nehmen.
81 Die in dem einzelnen Bausparvertrag enthaltene Koppelung von Haben- und Darlehenszinssatz wirkt nur
indirekt für das Verhältnis von Aktiv- und Passivgeschäft. Die Bausparkassen müssen die bei Abschluss des
Bausparvertrages zu einem festen Zinssatz versprochenen Bauspardarlehen auf der Grundlage der
Zuteilungsmasse refinanzieren, die ihr Jahre später zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Darlehen von
den Bausparern auf Grund der bei diesen aktuell vereinbarten Tarifen zur Verfügung gestellt wird. Mit
diesen Bausparern kann sie andere Zinskonditionen vereinbart haben. Dieses Geschäftsmodell funktioniert
insbesondere bei einem vom Marktniveau unabhängigen, geschlossenen Markt.
82 Allerdings kommt eine Bausparkasse in Ertragsschwierigkeiten, wenn sie die von ihr geschuldete
Verzinsung der Bauspareinlagen mangels ausreichender Nachfrage an Bauspardarlehen nicht in vollem
Umfang über das Aktivgeschäft erwirtschaften kann. Einen Schutz der Bausparkassen davor bezweckte
der Gesetzgeber jedoch nicht. Er ging im Gegenteil davon aus, dass die Soll- und Habenzinsen
marktunabhängig sind, weil durch das Bausparsystem ein in sich geschlossener Markt geschaffen wird (BT-
Drucks. VI/1900, S. 10.). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber diese Einschätzung des
Bausparsystems im Zusammenhang mit den Kündigungsregelungen des § 609a Abs. 1 BGB a.F. nicht mehr
teilte.
83 Zudem beruht das Verlustrisiko beim Stehenlassen des verzinslichen Bausparguthabens nicht auf einem
einseitigen vertragswidrigen Verhalten des Bausparers, das dieser gegen den Willen der Bausparkasse
durchsetzt, sondern auf der Ausnützung des von der Bausparkasse privatautonom bestimmten
Handlungsrahmens. Die Bausparkasse hätte dieses Verlustrisiko durch geeignete Kündigungsregelungen,
wie sie beispielsweise ab 2013 in § 15 Muster-ABB des Verbandes der privaten Bausparkassen e.V.
enthalten sind, ausschließen können. Für den Gesetzgeber bestand hingegen kein Anlass, die
Ertragssituation der Bausparkassen vor Risiken zu schützen, die sie auf Grund ihrer eigenen
Vertragsgestaltung freiwillig eingehen oder fahrlässig selbst verursachen (Weber, BB 2015, 2185 [2187]).
84 ee. Die teleologische Auslegung führt ebenso wie die historische Auslegung zu dem Ausschluss der
Bausparkassen von dem Anwendungsbereich der Norm. Zweck der Norm ist der Schutz des schwächeren
Schuldners vor dem Zinsbestimmungsrecht des Gläubigers und die Sicherung der Refinanzierung der
Aktivgeschäfte der Kreditinstitute und professionellen Kreditgeber. Diese Zwecke werden auch mit den
Begriffen Schuldnerschutz und Herstellung einer inneren Vertragsgerechtigkeit umschrieben. Dem
Schuldner soll die Anpassung an marktgerechte Zinsen ermöglicht und die Umschuldung erleichtert werden
(MünchKommBGB/Berger, aaO, § 489 Rn. 2; Staudinger/Mülbert, aaO, § 489 Rn. 7; beck-
Online.Großkommentar [BeckOGK]/Weber, Stand 1. Februar 2016, BGB, § 489 Rn. 7ff.;
Palandt/Weidenkaff, aaO., § 489 Rn. 1). Wie dargestellt, hatten die seit Beginn des 20. Jahrhunderts
geltenden Vorschriften des § 18 Abs. 2 HypBG a.F. und des § 247 Abs. 1 BGB a.F. diese beiden
Schutzrichtungen schon zum Gegenstand.
85 (1) Die Möglichkeiten des Schuldners zur erleichterten Umschuldung nach einer bestimmten
Mindestlaufzeit sowie zur Anpassung an marktgerechte Zinsen sind allerdings keine Selbstzwecke im
Interesse der Allgemeinheit. Dies widerspräche den Grundsätzen der Privatautonomie (BeckOGK/Weber,
Stand 1. Februar 2016, BGB, § 489 Rn. 8 kritisiert insoweit den „paternalistischen Schutz“). Wie
dargestellt, soll damit die wirtschaftlich schwächere Partei geschützt werden. Zudem ist der Schutz
einseitig auf den Schuldner begrenzt. Der Gläubiger wird vor langfristigen Zinsbindungen nicht geschützt,
obwohl er das gegenläufige Risiko der steigenden Zinsen auf dem Kapitalmarkt trägt.
86 Die Schutzbedürftigkeit kann durch die wirtschaftliche Übermacht des Darlehensgebers oder die fehlende
Möglichkeit, die langfristigen Risiken abzuschätzen, abzusichern, oder zu tragen, begründet sein. Zwar
dient § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch dem Erhalt eines Kernbestand wirtschaftlicher Bewegungsfreiheit
(Staudinger/Mülbert, aaO, § 489, Rn. 11, 45). Dieser Zweck gilt aber nicht umfassend, sondern nur
bezogen auf den Darlehensnehmer. Der fehlende Schutz des Darlehensgebers, der ebenfalls durch eine zu
langfristige Zinsbindung seine Bewegungsfreiheit verlieren könnte, führt den Schutzzweck auf die
Schutzbedürftigkeit des Darlehensnehmers zurück.
87 Wie dargestellt, besteht hinsichtlich der Verzinsung der Bauspareinlage weder ein Zinsbestimmungsrecht
des Bausparers als Gläubiger noch befindet sich die Bausparkasse als Schuldnerin in einer wirtschaftlich
schwächeren Position. Weder sie noch das Kollektiv der Bausparer haben ein Interesse an einer
Umschuldung ihrer Verbindlichkeiten. Im Gegenteil besteht grundsätzlich ein Interesse an einem stetigen
Neugeschäft und an einer ausreichenden Zuteilungsmasse, um möglichst frühzeitig Bauspardarlehen
zuteilen zu können. Eine Anpassung an Marktzinsen ist dem Bauspargeschäft von seiner Konzeption her
fremd, weil es davon ausgeht, einen marktunabhängigen Haben- und Sollzinssatz bieten zu können.
Schließlich besteht kein Schutzbedürfnis für einen Schuldners, der ein Zinsänderungsrisiko durch eine
eigene Vertragsgestaltung im Rahmen seines Geschäftsbetriebes professionell übernommen und somit
selbst die Zinsbestimmung zu verantworten hat (Weber, BB 2015, 2185 [2187]).
88 (2) Der Schutzzweck der inneren Vertragsgerechtigkeit zielt auf einen Gleichlauf der Zinsbindung ab.
Grundsätzlich sollen während der Laufzeit beide Seiten an die Zinsvereinbarung gebunden sein und diese
nicht, wie früher im Fall des § 247 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. einseitig kündigen dürfen. Dadurch ist insbesondere
der professionelle Darlehensgeber in der Lage, das langfristige Aktivgeschäft laufzeitkongruent zu
refinanzieren.
89 Bei den Bausparkassen dienen die Kündigungsvorschriften nicht dem Schutz der Refinanzierung ihres
Aktivgeschäfts (s.o.). Im Gegenteil stellen nach der Konzeption des Bausparvertrages Sparleistungen des
Bausparers Leistungen an die Bausparkasse dar, von denen sie und das Bausparkollektiv profitieren
(Schäfer/Cirpka/Zehnder, Bausparkassengesetz, 5. Aufl., Einl. V.2, § 5 Anm. 28a).
90 (3)(a) Der Anwendungsbereich des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist vor dem Hintergrund des oben dargestellten
Regelungsplans des Gesetzgebers teleologisch zu reduzieren, denn die Norm des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist
unvollständig. Es fehlt der Ausschluss der Passivgeschäfte der Kreditinstitute, jedenfalls derjenigen der
Bausparkassen, weil die Interessenlage mit dem von der Norm zu regelnden Sachverhalt nicht vergleichbar
ist.
91 (b) Die Unvollständigkeit ist gemessen an der objektiv feststellbaren Regelungsabsicht des Gesetzgebers
planwidrig.
92 Der Gesetzgeber wollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Passivgeschäfte der Kreditinstitute nicht
regeln (s.o.). Zudem sind die Interessenlage und die Schutzbedürftigkeit anders gelagert (so auch
MünchKommBGB/Berger, aaO., § 489 Rn. 2). Es kann nicht angenommen werden, der Gesetzgeber hätte
Sparverträge, insbesondere das Einlagengeschäft der Bausparkassen, der Vorschrift unterworfen, hätte er
die mögliche Tragweite seiner Regelung erkannt.
93 (aa) Das Schutzbedürfnis des Schuldners ist beim Passivgeschäft der Kreditinstitute anders als bei deren
Aktivgeschäften.
94 (aaa) Beim Gelddarlehen im engeren Sinne, dem Aktivgeschäft der Kreditinstitute, sind deren Schuldner
regelmäßig auf die Finanzierungsmittel angewiesen, weil sie einen Investitionszweck verfolgt, den sie aus
eigenen, vorhandenen Mitteln nicht erreichen können oder wollen. Sie müssen den aus Tilgung und Zinsen
bestehenden Kapitaldienst aus den Erträgen der Investition erwirtschaften oder aus sonstigen Einkünften
und Vermögen leisten. Bei einer langen Zinsbindung von mehr als 10 Jahren kann zwischen dem
Vertragszins und dem dann marktüblichen Zins eine hohe Diskrepanz entstehen, die die fortbestehende
Zinslast als nicht mehr angemessen erscheinen lässt. Häufig korrelieren die Renditen aus der Investition
mit den Marktbedingungen, da die Geld- und Kapitalmarktzinssätze Auswirkungen auf die Preisentwicklung
haben. Vor diesem Hintergrund ist die Begrenzung des Zinsänderungsrisikos des Schuldners gerechtfertigt.
95 (bbb) Bei Sparverträgen und anderen Passivgeschäften, bei denen die Kreditinstitute die Schuldnerrolle
innehaben, fehlt ein vergleichbares Schutzbedürfnis. Zwar übernehmen auch sie partiell das
Zinsänderungsrisiko. Sie sind aber diesem nicht im gleichen Maße ausgeliefert wie der Schuldner bei einem
langfristigen Investitionsdarlehen. Die Kreditinstitute betreiben sowohl das Aktivgeschäft als auch das
Passivgeschäft professionell und treten auf dem Markt als Anbieter einmal in der Rolle des Gläubigers und
das andere Mal in der Rolle des Schuldners auf. Sie sind auf das einzelne konkrete Geschäft nicht
angewiesen. In beiden Fällen können sie selbst die Bedingungen der Geschäfte gestalten und insbesondere
die Bedingungen der Passivgeschäfte an diejenigen der Aktivgeschäfte anpassen. Dadurch sind sie in der
Lage, ihre Zinsrisiken aus dem Passivgeschäft abzusichern und zu steuern, so dass die Gefahr der
Inkongruenz von Aktiv- und Passivgeschäfte nicht besteht (BGH, Urteil vom 12. November 1981 - III ZR
2/80 -, BGHZ 82, 182, Rn. 15).
96 (bb) Der Gesetzgeber hält den Schuldner für schutzbedürftig, weil er ihn regelmäßig in einer schwächeren
Position sieht. Diese Situation besteht beim Passivgeschäft der Kreditinstitute, bei denen diese als
professionelle Schuldner auftreten, nicht (s.o.). Der Sparer als Gläubiger hat keine Übermacht, sondern die
Bausparkassen als Anbieter geben die Bedingungen vor. Wenn sie es lediglich versäumt haben, sich ein
Kündigungsrecht für den Fall der Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens einzuräumen und damit
eine Vollbesparung nicht ausschließen, begründet dies kein Schutzbedürfnis.
97 Die Argumentation der Beklagten, der Bausparer verhalte sich vertragswidrig, weil er entgegen dem
Zweck des Bausparvertrages das Bauspardarlehen nicht in Anspruch nehme, geht fehl. Allerdings ist
richtig, dass der Zweck des Bausparens auf die Gewährung eines zinsgünstigen Bauspardarlehens
ausgerichtet ist, § 1 Abs. 1 ABB, § 1 Abs. 1, 2 BSpKG. Jedoch folgt aus den Bausparbedingungen, dass die
Nichtinanspruchnahme des Bausparvertrages nicht vertragswidrig ist. Gem. § 14 Abs. 1 ABB führt die
Nichtannahme der Zuteilung zu einer Fortsetzung des Bausparvertrages. In § 2 Abs. 3 ABB wird
ausdrücklich der Fall geregelt, dass der Bausparer die Bausparsumme vollständig anspart und eine
Regelung für die Verzinsung getroffen. Wäre die Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens, wozu
begriffsnotwendig auch der Fall der Vollbesparung gehört, ein von der Bausparkasse nicht als
vertragsmäßig angesehenes Verhalten, hätte die Bausparkasse keinen Anlass gehabt, diesen Fall in einem
für den Bausparer günstigen Sinn (Weiterverzinsung) zu regeln.
98 (cc) Einen generellen Schutz vor dem Zinsänderungsrisiko hat der Gesetzgeber zu keiner Zeit für
erforderlich gehalten. Neben dem Zinsänderungsrisiko des Schuldners trägt bei langfristigen Verträgen
auch der Gläubiger das umgekehrte Risiko von steigenden Zinsen, die er bei langfristiger Zinsbindung nicht
realisieren kann. Der Gesetzgeber hat den Schutz jedoch nur auf den Schuldner beschränkt (§ 18 Abs. 2
HypBG a.F., § 247 Abs. 1 BGB a.F., § 609a Abs. 1 BGB a.F., § 489 Abs. 1 BGB a.F.). Ein Darlehensgläubiger
hat hingegen bei einer Fehleinschätzung der Zinsentwicklung auch bei Verträgen von längerer Dauer als
10 Jahren kein besonderes Kündigungsrecht und bleibt gebunden. Wenn der Gesetzgeber keinen Anlass
gesehen hat, die professionellen Kreditgeber vor der Übernahme eines unbegrenzten Zinsänderungsrisikos
zu schützen, ist kein Grund ersichtlich, warum er dies bei den Passivgeschäften der Kreditinstitute hätte
anders sehen sollen. In beiden Fällen besteht der Nachteil nicht in der absoluten Höhe des Zinssatzes,
sondern in der Abweichung des Vertragszinssatzes von dem marktüblichen Zinssatz und den damit
verbundenen Verlustrisiken.
99 (dd) Aus der Behandlung der allein verbraucherdarlehensrechtlichen Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1
Nr. 2 BGB a.F., jetzt § 500 Abs. 1 BGB, lässt sich nicht schließen, der Gesetzgeber habe es bewusst bei der
Anwendung der übrigen darlehensrechtlichen Kündigungsvorschriften des § 489 Abs. 1, 2 BGB auf
Sparverträge belassen wollen. Der Gesetzgeber hat die Änderung allein aus systematischen Gründen
vorgenommen, weil die Vorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. im allgemeinen Teil des Darlehensrechts
deplaziert und bei den besonderen Vorschriften des Verbraucherdarlehens einzuordnen war (BT-Drucks.
16/11643 S. 74).
100 (ee) Entgegen der Auffassung der Beklagten hindert die Unabdingbarkeit des Kündigungsschutzes gem. §
609a Abs. 3 BGB a.F. bzw. § 489 Abs. 4 BGB die teleologische Reduktion nicht. Ist die Bestimmung nicht
anwendbar, muss sie nicht abbedungen werden. Die Unabdingbarkeit ist mit dem vom Gesetzgeber
verfolgten Schutzzweck verbunden. Für die Unabdingbarkeit von Normanwendungen, die der Gesetzgeber
nicht regeln wollte, besteht kein Grund. Der Zweck der teleologischen Reduktion erlaubt gerade die
Einschränkung einer Norm über ihren Wortlaut hinaus (BGH, Urteil vom 07. Dezember 2011 - IV ZR
105/11 -, BGHZ 192, 67, Rn. 16).
101 c. Die Beklagte hat kein Kündigungsrecht aus § 490 Abs. 3 i.V.m. § 314 Abs. 1 BGB. Nach § 314 BGB ist
eine Kündigung zulässig, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls
und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur
vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die
Nichtabnahme des Bauspardarlehens stellt kein vertragswidriges Verhalten des Bausparers dar, sondern ist
im Bausparvertrag ausdrücklich vorgesehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der
Bausparer bei Abschluss des Bausparvertrages nicht absehen kann, ob er zum Zeitpunkt der erstmaligen
Zuteilungsreife noch oder schon einen von den Zweckbestimmungen der ABB gedeckten Darlehensbedarf
hat (Senat, Urteil vom 30.03.2016 - 9 U 171/15).
102 d. Auch aus § 490 Abs. 3, § 313 Abs. 3 BGB ergibt sich ein Kündigungsrecht nicht. Nach § 313 BGB kann
eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die Umstände, die Grundlage des Vertrags geworden
sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, die Parteien deshalb den Vertrag nicht oder
mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten und das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht
zumutbar ist. Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird nach ständiger Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs gebildet durch die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei
Vertragsschluss bestehenden gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien oder die dem Geschäftsgegner
erkennbaren und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen Vertragspartei vom Vorhandensein
oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf dieser
Vorstellung aufbaut (statt aller BGH, Urteil vom 24. März 2010 - VIII ZR 235/09, juris). Diese Vorstellungen
müssen sich als falsch herausgestellt haben. Die Parteien müssten, wenn sie dies vorausgesehen hätten,
den Vertrag anders geschlossen haben (BGH, Urteil vom 7. März 2013 - VII ZR 68/10, WM 2014, 134). Eine
Anpassung des Vertrages kann zudem nur gefordert werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das
Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Bei der Auflösung eines Vertrags
wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB handelt es sich um eine von vornherein auf
besondere Ausnahmefälle beschränkte rechtliche Möglichkeit, die zur Vermeidung untragbarer, mit Recht
und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer Folgen unabweisbar erscheinen muss (BGH, Urteil vom 8. Mai
2014 - I ZR 210/12, NZG 2014, 1036). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
103 aa. Die Geschäftsgrundlage wäre nicht entfallen, wenn die Klägerin ihre Absicht zur Inanspruchnahme des
Bauspardarlehens endgültig aufgegeben hätte. Zwar war Vertragszweck nach § 1 BSpKG, § 1 ABB die
Erlangung von Mitteln zur wohnwirtschaftlichen Verwendung. Doch ist zum einen die Beklagte hinsichtlich
dieses Vorbringens beweisfällig geblieben. Zum anderen ist der Wegfall dieser Geschäftsgrundlage nicht
allein aus der über zehn Jahre dauernden nicht erfolgten Inanspruchnahme des Bauspardarlehens
abzuleiten. Schon der seit Abschluss des Bausparvertrages bis zur Zuteilungsreife vergehende Zeitraum
legt es angesichts der Notwendigkeit der wohnwirtschaftlichen Verwendung des Bauspardarlehens nahe,
dass aufgrund veränderter Umstände das Bauspardarlehen nicht in Anspruch genommen wird. Auch für
diesen Fall ist nach der vertraglichen Vereinbarung die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses vorgesehen,
mithin eine Risikoverteilung vorgenommen worden. Zudem regelt § 2 Abs. 3 ABB ausdrücklich einen Fall
der Nichtinanspruchnahme des Bauspardarlehens bis zur Vollbesparung.
104 bb. Die Geschäftsgrundlage wäre auch nicht entfallen, wenn das Gleichgewicht zwischen Bauspareinlagen
und -darlehen mit der Folge dauerhaft gestört wäre, dass die Beklagte ihre Verpflichtungen nicht mehr
erfüllen könnte. Die Beklagte hat über den gesetzlich vorgegebenen Rahmen hinaus insoweit das
vertragsspezifische Risiko übernommen, was ein weiteres Festhalten am Vertrag nicht als unzumutbar
erscheinen lässt. Eine solche vertragliche Risikoübernahme schließt die Rechte aus § 313 BGB regelmäßig
aus (BGH, Urteil vom 21. Februar 2014 - V ZR 176/12, NJW 2014, 2177). Eine Abweichung hiervon ist hier
nicht geboten. Es hätte der Beklagten oblegen, von der bestehenden Möglichkeit Gebrauch zu machen, das
Risiko der Zinsentwicklung durch eine geeignete Vertragsgestaltung anders zu gewichten oder ihre
vereinbarten Rechte auszuüben. Auch gestatten ihr § 9 Abs. 1 S. 2 BSpKG, § 32 ABB die Änderung von
Bedingungen unter bestimmten Voraussetzungen. Dass der Beklagten dieser, der Gleichbehandlung aller
Bausparer besser dienende Weg verschlossen sei, macht die Beklagte nicht geltend.
105 2. Die Anträge der Klägerin auf Feststellung, dass der Beklagten kein ordentliches Kündigungsrecht
bezüglich der beiden Bausparverträge zusteht, solange die Bausparverträge nicht in vollem Umfang
angespart sind, sind zulässig (a.) und begründet (b.).
106 a. Die Klägerin hat das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung. Die Beklagte
hat die Kündigung des Bausparvertrages ausschließlich auf die Bestimmung des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB
gestützt. Im Laufe des Prozesses hat sie sich jedoch auch auf andere Kündigungsrechte, insbesondere aus §
488 Abs. 3 BGB gestützt. Die Klägerin hat daher ein Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte auch
in Zukunft nicht sich auf ein ordentliches Kündigungsrecht beruft.
107 b. Die Feststellungsklagen sind begründet. Der Beklagten steht auf der Grundlage der gegenwärtig dem
Vertrag zu Grunde liegenden ABB kein ordentliches Kündigungsrecht vor Vollbesparung zu. Ein
vertragliches, ordentliches Kündigungsrecht hat sich die Beklagte nicht ausbedungen. Insbesondere betrifft
§ 9 ABB ausschließlich das Kündigungsrecht des Bausparers.
108 Nach ganz herrschender Meinung ist das ordentliche Kündigungsrecht der Bausparkasse gemäß § 488 Abs.
3 BGB ausgeschlossen, solange eine Gewährung des Bauspardarlehens noch möglich ist (Senat, Beschluss
vom 14. Oktober 2011 - 9 U 151/11 -, Rn. 10, juris; Staudinger/Mülbert [2015] BGB § 488, Rn. 548;
Mülbert/Schmitz, FS Horn [2006], S. 782; in diesem Sinne wohl auch Schäfer/Cirpka/Zehnder, aaO, § 5
Anm. 37). Ein Anlass, der Bausparkasse ein Kündigungsrecht vor Vollbesparung zu geben, besteht nicht.
109 Wie dargestellt, ist auch in Zukunft ein ordentliches Kündigungsrecht der Bausparkasse gem. § 489 Abs. 1
Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Das ordentliche Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 1 BGB oder § 489 Abs. 2
BGB ist bereits tatbestandlich ausgeschlossen, weil keine veränderlichen Zinssätze vereinbart wurden.
110 3. Die Verpflichtung zur Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren folgt aus § 280 Abs. 1, §
241 Abs. 2 BGB, weil die Beklagte durch die unberechtigte Kündigung ihre Pflicht zur Rücksichtnahme nach
§ 241 Abs. 2 BGB verletzt hat. Die Kündigung stellt eine Form der endgültigen Leistungsverweigerung
durch die Beklagte als Schuldnerin der Zinsverpflichtungen sowie als Verwahrerin der Sparbeiträge dar, die
die Klägerin berechtigte, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Pflichtwidrigkeit ihres Handelns
hätte die Beklagte erkennen müssen, da sie der Klägerin einseitig Ansprüche entziehen wollte, die sie ihr
zuvor mit ihren ABB versprochen hatte. Gem. § 5 Abs. 3 Nr. 7 BSpKG war die Beklagte verpflichtet, die
Voraussetzungen zu regeln, unter denen ein Bausparvertrag gekündigt werden kann. Sie wusste, dass sie
sich kein Kündigungsrecht ausbedungen hat und der Bausparer hiervon ausgehen durfte. Ebenso konnte
sie anhand ihrer eigenen Bedingungen erkennen, dass der Bausparer nicht zu der Inanspruchnahme eines
Bauspardarlehens verpflichtet ist und die Vollbesparung aufgrund eigener Sparbeiträge ein
vertragskonformes Verhalten darstellte.
111 Die Klägerin ist als Inhaberin des Freistellungsanspruchs bezüglich der Anwaltskosten aktivlegitimiert. Dies
ergibt sich bereits aus ihrer Stellung als geschädigter Vertragspartnerin und Auftraggeberin ihrer
Prozessbevollmächtigten. Die Beklagte hat die rechtsvernichtende Einwendung des Verlustes der
Aktivlegitimation durch einen gesetzlichen Forderungsübergang gem. § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, für die sie die
Darlegungs- und Beweislast trägt (BAG, Urteil vom 31. März 2004 - 10 AZR 191/03 -, Rn. 19, juris; KG
Berlin, Urteil vom 17. September 1996 - 5 U 3157/96 -, Rn. 23, juris) nicht konkret dargelegt. Wer eine
Einwendung geltend macht, muss ausreichend substantiiert diejenigen Tatsachen vortragen, die in
Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu
lassen. Die Beklagte hat hingegen lediglich ins Blaue hinein vermutet, dass die Klägerin eine
Rechtsschutzversicherung habe
,
auf die „aller Wahrscheinlichkeit nach“ der Anspruch übergegangen sei.
Zwar ist es zulässig, vermutete Tatsachen als Behauptung in einen Prozess einzuführen, ohne gegen die
Wahrheitspflicht gem. § 138 Abs. 1 ZPO zu verstoßen (BGH, Urteil vom 10. Januar 1995 - VI ZR 31/94 -,
BGHR ZPO § 138 Abs 1 Darlegungslast 4; BGH, Urteil vom 20. Juni 2002 - IX ZR 177/99 -, Rn. 17, juris).
Hierzu ist es jedoch erforderlich, nicht die Wahrscheinlichkeit einer Tatsache, sondern die Tatsache selbst zu
behaupten. Dies hat die Beklagte nicht getan, weshalb die Klägerin sich hierzu nicht näher einlassen
musste. Im Übrigen hat die Klägerin mit ihrem Freistellungsantrag indirekt vorgetragen, die Kosten noch
nicht bezahlt zu haben. Die Beklagte behauptet ebenfalls nicht, die Voraussetzungen für einen
Forderungsübergang gem. § 86 Abs. 1 VVG, nämlich die Bezahlung der Anwaltsrechnung durch die
Rechtsschutzversicherung, sei erfolgt.
112 Der Freistellungsanspruch besteht jedoch nur in Höhe von 1.171,67 EUR. Ausgehend von einem
Gegenstandswert von 21.567,00 EUR, wie ihn das Landgericht zutreffend festgesetzt hat, sind eine 1,3-
fache Geschäftsgebühr (wie in der Klageschrift geltend gemacht) in Höhe von 964,60 EUR nebst
Auslagenpauschale (20,00 EUR) und Umsatzsteuer (187,07 EUR) entstanden.
113 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zinsen ab Rechtshängigkeit gem. § 288 BGB oder § 291 BGB. Nach
diesen Vorschriften sind nur Geldschulden zu verzinsen. Freistellungsansprüche fallen nicht darunter
(Staudinger/ Löwisch/Feldmann [2014] BGB § 288, Rn. 8).
114 4. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO, diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision der Beklagten wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO
zugelassen, weil die Frage der teleologischen Reduktion des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzliche
Bedeutung hat und der Senat mit seiner Entscheidung von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte
(insbes. OLG Hamm, Beschluss vom 29. Februar 2016 - 31 U 175/15 -, juris; OLG Hamm, Beschluss vom
30. Dezember 2015 -31 U 191/15 -, ZIP 2016, 306) abweicht, die die Vorschrift auf die Kündigung der
Bausparverträge durch Bausparkassen für anwendbar halten.