Urteil des OLG Stuttgart vom 14.07.2016

eintritt des versicherungsfalls, eintritt des versicherungsfalles, feststellungsklage, versicherungsnehmer

OLG Stuttgart Urteil vom 14.7.2016, 7 U 60/16
Leitsätze
Ein Versicherungsnehmer verstößt im Rahmen einer bestehenden Rechtsschutzversicherung nicht gegen seine
Obliegenheit zur Schadensminderung, wenn er nach Widerruf eines Darlehensvertrages gegen die
kreditgewährende Bank Klage erhebt mit dem Antrag auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung
eines bezifferten Restbetrages aus dem Darlehen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016 - 3 O 243/15 -
a b g e ä n d e r t
und wie folgt neu gefasst:
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen
Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungspolice Nr.: …, für den ihr am
14.01.2015 gemeldeten Schadensfall - bei der Beklagten und Berufungsbeklagten unter der
Schadensnummer: … erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz, Deckungsschutz zu
gewähren hat, und zwar für die außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie für eine
Leistungsklage gegen die … in … auf Freigabe der im Grundbuch des Amtsgerichts … für das
Objekt eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 EUR nach Erhalt einer Zahlung in
Höhe von 104.343,97 EUR.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung der Kläger wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Kläger hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i. H. v.
120 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit i. H. v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: bis zu 19.000,00 EUR.
Gründe
I.
1 Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung der Verpflichtung zur Gewährung von Deckungsschutz aus
einer Rechtsschutzversicherung in Anspruch.
2 Der Kläger Ziff. 2 unterhält bei der Beklagten unter der Vertragsnummer … eine Rechtsschutzversicherung,
der die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2008) zugrunde liegen.
3 Die Kläger schlossen am 04.07.2007 mit der … einen Darlehensvertrag über 115.000,00 EUR (Anlage K 1,
Bl. 7 - 13) sowie am 25.07.2007 einen weiteren Darlehensvertrag über 85.000,00 EUR (Anlage K 1, Bl. 14 -
20). Mit der jeweils ausgezahlten Darlehensvaluta erwarben die Kläger eine eigengenutzte Immobilie. Die
gesamte Darlehensvaluta ist zugunsten der … mit einer auf dem erworbenen Grundbesitz lastenden
Grundschuld zum Nennbetrag von 200.000,00 EUR gesichert.
4 Mit Schreiben vom 19.11.2014 erklärten die Kläger den Widerruf der Darlehensverträge und beriefen sich
auf eine nicht ordnungsgemäß erteilte Widerrufsbelehrung. Die … wies den Widerspruch mit Schreiben vom
25.11.2014 zurück.
5 Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.03.2015 (Anlage K 2, Bl. 21 - 26) wiesen die Kläger auf
den erklärten Widerruf hin, formulierten die Grundsätze bei der Berechnung der wechselseitigen Ansprüche
nach wirksamem Widerruf und forderten die … zur Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung
des nach diesen Grundsätzen berechneten Betrages auf. Die … hielt mit Schreiben vom 14.04.2015 (Anlage
K 11, Bl. 237) an ihrer Auffassung fest, wonach vorliegend eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilt
worden sei und deshalb der Widerruf seitens der Kläger nicht mehr erklärt werden könne.
6 Die Prozessbevollmächtigten der Kläger wandten sich mit Schreiben vom 14.01.2015 (Anlage K 3, Bl. 27) an
die Beklagte und baten um Deckungsschutz für die außergerichtliche Rechtsverfolgung gegenüber der …
aufgrund der Zurückweisung des Widerrufs der Darlehensverträge. Die Beklagte meldete mit Schreiben vom
16.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 29/30) Bedenken hinsichtlich der Höhe des Streitwertes an, da sich dieser
lediglich nach der Zinsdifferenz richte. Nachdem die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom
28.01.2015 (Anlage K 5, Bl. 31) darauf hingewiesen hatten, dass sich der Streitwert nach dem Interesse der
Kläger, nämlich die Freigabe der Grundschuld zum Nennbetrag von 200.000,00 EUR zu erreichen, bemesse,
erteilte die Beklagte mit Datum vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) eine Deckungszusage für die
außergerichtliche Tätigkeit dem Grunde nach, verweigerte jedoch ihr Einverständnis mit dem von den
Klägern zugrunde gelegten Gegenstandswert.
7 Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 22.04.2015 (Anlage K 7, Bl. 35 - 39) forderten die Kläger
die Beklagte auf, eine Deckungszusage für ein Klageverfahren I. Instanz zu erteilen für eine Klage gegen die
… auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung der Restdarlehensvaluta. Hierauf erteilte die
Beklagte unter dem Datum vom 30.04.2015 (Anlage K 8, Bl. 40) eine Deckungszusage für ein
Klageverfahren I. Instanz betreffend die Wirksamkeit des Widerrufs. Die Übernahme der Kosten für den auf
Löschung der Grundschuld gerichteten Klageantrag lehnte sie dagegen ab.
8 Die Kläger haben erstinstanzlich vorgetragen,
die Beklagte sei zur Erteilung der Deckungszusage für die außergerichtliche und gerichtliche
Geltendmachung des Anspruchs auf Freigabe der Grundschuld verpflichtet.
9 Der Versicherungsfall sei durch die Zurückweisung des Widerrufs durch die eingetreten, der Anspruch auf
Freigabe der Grundschuld auch fällig.
10 Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 82 VVG) liege nicht vor. Die Kläger müssten sich nicht
darauf verweisen lassen, lediglich Klage auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs zu erheben.
Hierdurch könnten nicht sämtliche Streitpunkte mit der … ausgeräumt werden, da zwischen der … und den
Klägern unterschiedliche Auffassungen über die Berechnung und Höhe des der … noch zustehenden
Zahlungsanspruches bestehen würden. Zielführend sei daher lediglich der auf Freigabe der Grundschuld
gerichtete Klageantrag, nachdem die Kläger die Grundschuld zum Zwecke einer Anschlussfinanzierung
benötigen würden.
11 Im Übrigen erlaube eine Klage auf Freigabe der Grundschuld die Anwendung des § 24 ZPO, so dass die Klage
vor dem Landgericht Ulm erhoben werden müsse. Damit könne die bankenfreundliche Rechtsprechung des
Landgerichts und Oberlandesgerichts Frankfurt umgangen werden, was ebenfalls zu einer entsprechenden
Kostenersparnis führe.
12 Die Kläger haben erstinstanzlich zuletzt beantragt:
13 1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen
Rechtsschutzversicherungsvertrages, Versicherungspolice Nr. … für den ihr am 14.01.2015 gemeldeten
Schadensfall - bei der Beklagten unter Schadensnummer … erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz,
Deckungsschutz zu gewähren hat, und zwar für die außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie eine
Leistungsklage gegen die … in … auf Freigabe der im Grundbuch des Amtsgerichts … für das Objekt …,
eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 EUR nach Erhalt einer Zahlung in Höhe von
104.343,97 EUR seitens der Kläger.
14 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 1.613,16 EUR nebst Zinsen in Höhe
von 5 Prozentpunkten oberhalb des jeweils gültigen Basiszinssatzes seit dem 06.06.2015 zu zahlen.
15 Die Beklagte hat beantragt,
16 die Klage abzuweisen.
17 Sie hat die Auffassung vertreten,
der gestellte Feststellungsantrag sei unzulässig, nachdem den Klägern die Möglichkeit der Leistungsklage
offenstehe.
18 Im Übrigen sei ein Versicherungsfall nicht eingetreten, da der Anspruch auf Freigabe der Grundschuld noch
nicht fällig sei und die … in ihrem den Widerruf zurückweisenden Schreiben sich zur Frage der Freigabe der
Grundschuld nicht geäußert, diese mithin auch nicht abgelehnt habe.
19 Selbst wenn jedoch vom Eintritt eines Versicherungsfalles auszugehen sei, hätten die Kläger gegen ihre
Kostenminderungspflicht verstoßen. Zur Durchsetzung des Widerrufsrechts stünden mehrere rechtliche
Möglichkeiten zur Verfügung. Vorliegend sei es den Klägern zuzumuten, Klage auf Feststellung der
Wirksamkeit des Widerrufs zu erheben bzw. eine Klage auf Feststellung, dass ein über eine selbst
errechnete Schlusszahlung hinausgehender Betrag gegenüber der … nicht geschuldet sei. Beide
Alternativen seien geeignet, sämtliche zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte zu erledigen und
würden darüber hinaus zu einer deutlich geringeren Kostenlast als eine Klage auf Freigabe der Grundschuld
führen.
20 Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 18.03.2016 (Bl. 255 - 267) die Klage abgewiesen
und in den Entscheidungsgründen maßgeblich darauf abgehoben, die Kläger hätten mit ihrer beabsichtigten
Rechtsverfolgung gegen ihre Kostenminderungspflicht (§ 82 VVG) verstoßen. Die Kläger müssten sich darauf
verweisen lassen, Klage auf Feststellung zu erheben, dass ein höherer Betrag als die selbst errechnete
Schlusszahlung nicht geschuldet werde. Es sei davon auszugehen, dass die … bei einem Obsiegen der Kläger
danach auch die Grundschuld freigeben werde. Die bezeichnete Feststellungsklage führe aufgrund des
wesentlich niedriger anzusetzenden Streitwertes zu einer deutlich geringeren Kostenbelastung.
21 Hinsichtlich der weiteren Feststellungen, die das Landgericht getroffen hat, sowie seiner rechtlichen
Erwägungen wird ergänzend auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
22 Mit ihrer Berufung verfolgen die Kläger ihren geltend gemachten Anspruch unter Wiederholung und
Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages weiter.
23 Die Kläger wenden sich insbesondere gegen die Annahme des Landgerichts, es liege ein Verstoß gegen die
Kostenminderungspflicht vor. Eine abschließende Klärung der Angelegenheit unter Berücksichtigung des
Rechtsschutzzieles der Kläger, die Freigabe der Grundschuld zu erreichen, sei auch durch den vom
Landgericht als zumutbar erachteten Feststellungsantrag nicht zu erreichen.
24 Die Kläger beantragen im Berufungsverfahren:
25 1. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016, Az.: 3 O 243/15, wird festgestellt,
dass die Beklagte und Berufungsbeklagte aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen
Rechtsschutzversicherungsvertrages mit der Versicherungspolice Nr.: …, für den ihr am 14.01.2015
gemeldeten Schadensfall - bei der Beklagten und Berufungsbeklagten unter der Schadensnummer: …
erfasst - aus dem Bereich Vertragsrechtsschutz, Deckungsschutz zu gewähren hat, und zwar für die
außergerichtliche Rechtsverfolgung sowie für eine Leistungsklage gegen die … in … auf Freigabe der im
Grundbuch des Amtsgerichts … für das Objekt … eingetragenen Grundschuld in Höhe von 200.000,00 EUR
nach Erhalt einer Zahlung in Höhe von 104.343,97 EUR.
26 2. Unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ulm vom 18.03.2016, Az.: 3 O 243/15, wird die Beklagte
und Berufungsbeklagte verurteilt, an die Kläger und Berufungskläger einen Betrag in Höhe von 1.613,16
EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit dem
06.06.2015 zu zahlen.
27 Die Beklagte beantragt,
28 die Berufung zurückzuweisen.
29 Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Aufrechterhaltung ihrer erstinstanzlich geäußerten Auffassung,
wonach insbesondere vorliegend ein Rechtsschutzfall noch nicht eingetreten sei und im Übrigen ein Verstoß
der Kläger gegen die Kostenminderungspflicht vorliege, da den Klägern eine Klage auf Feststellung, dass ein
höherer Betrag als eine selbst berechnete Schlusszahlung nicht geschuldet sei, zuzumuten sei.
30 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten
Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.
II.
31 Die zulässige Berufung der Kläger erweist sich weit überwiegend als begründet, lediglich hinsichtlich der
geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten als unbegründet.
32 Die Beklagte ist verpflichtet, den Klägern aufgrund des bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrages
Deckungsschutz in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu gewähren.
1.
33 Die Feststellungsklage ist zulässig.
34 Das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse liegt vor. Zwar fehlt ein solches im Interesse der
endgültigen Klärung des Streitstoffs in einem Prozess regelmäßig dann, wenn (bereits) eine Leistungsklage
möglich und zumutbar ist (Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, Rn. 7a zu § 256). Dieser Grundsatz gilt
jedoch nicht ausnahmslos. Ein Feststellungsinteresse wird ausnahmsweise trotz einer bereits möglichen
Leistungsklage in den Fällen bejaht, in denen bereits ein Feststellungsurteil zu einer endgültigen
Streitbeilegung führt, z. B. weil der Beklagte erwarten lässt, dass er bereits auf das Feststellungsurteil hin
leisten wird (Greger a.a.O., Rn. 8 zu § 256), was bei einem großen Versicherungsunternehmen wie der
Beklagten der Fall ist (BGH, Urteil v. 28.09.1999 - VI ZR 195/98 -, NJW 1999, 3774 Tz. 19).
35 Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht vorliegend auch nicht der Umstand entgegen, dass die
Beklagte mit Datum vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) eine Deckungszusage für die außergerichtliche
Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Kläger dem Grunde nach erteilt hatte.
36 Die von der Beklagten zur Begründung ihrer Auffassung herangezogene Entscheidung des OLG Saarbrücken
(Urteil v. 28.10.2015 - 5 U 20/15 -, Anlage B 3, Bl. 109 - 121) ist auf den vorliegenden Fall nicht
übertragbar. Dort hatte der Versicherer für die beabsichtigte Feststellungsklage eine Deckungszusage erteilt.
Der Streit mit dem Versicherungsnehmer konzentrierte sich allein auf die Frage, welcher
Schmerzensgeldbetrag als angemessen zu erachten und demzufolge, in welcher Höhe der Streitwert dieser
Feststellungsklage anzunehmen war. Die dortige Klägerin begehrte mit ihrer Klage letztlich die Feststellung,
ob ein von ihr beabsichtigtes Verhalten (Klageerhebung unter Zugrundelegung des von ihr als angemessen
erachteten Schmerzensgeldes) sich als rechtmäßig erweist oder ob ihr die Verletzung der
Schadensminderungsobliegenheit vorgeworfen werden könne. Diese Rechts- bzw. Vorfrage hat das OLG
Saarbrücken nicht als Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 ZPO qualifiziert. Vorliegend steht jedoch nicht
lediglich die Höhe des Streitwertes im Raum, sondern vor allen Dingen die Frage, mit welchem Antrag das
Rechtsschutzziel der Kläger, die Freigabe der Grundschuld zu erwirken, erreicht werden kann, nämlich, ob
hierfür - so die Beklagte - ein Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs anzustreben oder ob -
so die Auffassung der Kläger - ein Antrag auf Freigabe der Grundschuld Zug um Zug gegen Leistung einer
berechneten Schlusszahlung zu stellen ist, wobei jeweils unterschiedliche Streitwerte in Ansatz zu bringen
sind. Die unterschiedlichen Auffassungen der Parteien kommen bereits in den der Leistungszusage
vorausgegangenen Schreiben vom 16.01.2015 (Anlage K 4, Bl. 29/30) sowie 28.01.2015 (Anlage K 5, Bl. 31
- 33) zum Ausdruck, weshalb die Deckungszusage vom 04.02.2015 (Anlage K 6, Bl. 34) hinsichtlich der von
der Beklagten angemeldeten Bedenken hinsichtlich des Streitwertes von den Klägern und ihren
Prozessbevollmächtigen dahingehend verstanden werden musste, dass sich diese Deckungszusage auch
inhaltlich lediglich auf einen Antrag auf Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs der Darlehensverträge
bezog und deshalb bereits eine uneingeschränkte Deckungszusage, die einer Feststellungsklage
entgegenstehen könnte, nicht vorliegt.
2.
37 Die Feststellungsklage ist begründet. Die Beklagte hat den Klägern Deckungsschutz im beantragten Umfang
zu gewähren.
a)
38 Das zwischen den Klägern und der … aufgrund der abgeschlossenen Darlehensverträge bestehende
Schuldverhältnis wird gemäß § 26 Abs. 7 ARB i. V. m. § 2 lit. d ARB vom Versicherungsschutz umfasst. Der
Versicherungsschutz besteht seit 01.11.2009 und damit auch zum Zeitpunkt des hier mit Schreiben vom
19.11.2014 erklärten Widerrufs.
39 Die Klägerin Ziff. 1, Ehefrau des Klägers Ziff. 2, ist gemäß § 15 Abs. 1 ARB i. V. m. § 26 Abs. 1 ARB
mitversicherte Person.
b)
40 Der Versicherungsfall ist eingetreten.
aa)
41 Die Regelung des § 4 Abs. 1 lit. c ARB definiert den Eintritt des Versicherungsfalls als den Zeitpunkt, zu dem
der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften
begangen hat oder begangen haben soll. Für die Annahme eines den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoßes
in diesem Sinne genügt jeder tatsächliche, objektiv feststellbare Vorgang, der den Keim eines solchen
Rechtskonflikts in sich trägt. Der Rechtsstreit ist dann jedenfalls latent vorhanden und damit gewissermaßen
bereits „vorprogrammiert“ (BGH, Urteil v. 28.09.2005 - IV ZR 106/04 -, VersR 2005, 1684 Tz. 26).
42 Der insoweit maßgebliche behauptete Pflichtverstoß der ING-DiBa ist die Zurückweisung des Widerrufs mit
Schreiben vom 25.11.2014.
43 Für den Fall eines Widerspruchs gemäß § 5 a VVG a. F. durch den Versicherungsnehmer ist die
Zurückweisung des Widerspruchs durch den Versicherer als maßgeblicher Pflichtenverstoß anzusehen (BGH,
Urteil v. 24.04.2013 - IV ZR 23/12 -, VersR 2013, 899). Diese Rechtsprechung kann auf die Ausübung eines
den Klägern zustehenden Widerrufsrechts gemäß § 355 BGB übertragen werden. Auch hier ist der
Pflichtenverstoß nach dem Vortrag der Kläger darin zu sehen, dass die … ein noch bestehendes
Widerrufsrecht der Kläger in Abrede gestellt und demzufolge eine Rückabwicklung der Darlehensverträge
abgelehnt hat.
44 Dass sich die … in ihren Ablehnungsschreiben vom 25.11.2014 und 14.04.2015 (Anlage K 11, Bl. 237) zu
der von den Klägern begehrten Freigabe der Grundschuld nicht (ausdrücklich) geäußert hatte, mithin eine
solche auch nicht ausdrücklich abgelehnt hatte, steht dem nicht entgegen. Zum einen bestand hierzu für die
… - nachdem sie das Bestehen eines Widerrufsrechts aufgrund einer aus ihrer Sicht ordnungsgemäß
erteilten Widerrufsbelehrung in Abrede gestellt hatte - kein Anlass. Zum anderen wäre die … im Falle eines
wirksamen Widerrufs der Kläger gemäß § 355 Abs. 3 BGB verpflichtet, die empfangenen Leistungen
zurückzugewähren, wozu auch die Rückgabe gewährter Sicherheiten rechnet (BGH, Urteil v. 24.04.2007 -
XI ZR 17/06 -, NJW 2007, 2401 Tz. 22). Mit Ablehnung des Widerrufs hatte die … mithin (zumindest
konkludent) auch die Freigabe der Grundschuld abgelehnt.
bb)
45 Dem Eintritt des Versicherungsfalls steht auch nicht eine mangelnde Fälligkeit des Anspruchs auf Freigabe
der Grundschuld entgegen. Der hierauf gerichtete Anspruch der Kläger - die Wirksamkeit des Widerrufs
unterstellt - war fällig.
46 Wie ausgeführt, erfasst der Rückforderungsanspruch des Darlehensnehmers (der Kläger) gegenüber dem
Darlehensgeber … nach Widerruf des Darlehensvertrages auch die Rückabtretung gewährter Sicherheiten.
Dem steht nicht entgegen, dass der Rückgewähranspruch durch den Fortfall des Sicherungszwecks
aufschiebend bedingt ist und dass bei einer weiten Sicherungszweckvereinbarung die bestellte Grundschuld
auch die Rückabwicklungsansprüche des Darlehensgebers nach einem Widerruf sichert. Denn aus den §§
1144, 1192 Abs. 1 BGB folgt, dass der Eigentümer (die Kläger) schon vor vollständiger Befriedigung des
Gläubigers die Aushändigung der Urkunden verlangen kann, die zur Löschung der Grundschuld erforderlich
sind. § 1144 BGB erweitert - insbesondere zum Schutz vor unberechtigten Verfügungen des Gläubigers in
der Zeit zwischen Befriedigung und Urkundenaushändigung - die Rechte, die dem Eigentümer nach den
allgemeinen Bestimmungen zustehen. Die Befriedigung des Gläubigers ist nicht Tatbestandsvoraussetzung
für das Entstehen des Anspruchs, sondern begründet lediglich ein Zurückbehaltungsrecht, das gemäß § 274
BGB zur Zug um Zug-Verurteilung führt (KG, Urteil v. 22.12.2014 - 24 U 169/13 -, BKR 2015, 109 Tz. 53
m.w.N.).
47 Das der … wegen ihrer Ansprüche zustehende Zurückbehaltungsrecht beseitigt jedoch nicht die Fälligkeit
des Anspruchs der Kläger auf Freigabe der Grundschuld (Krüger in Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl.
2016, Rn. 91 zu § 273).
48 Dessen ungeachtet haben die Kläger eine Deckungszusage für einen auf eine Zug um Zug-Verurteilung
gerichteten Klageantrag begehrt.
c)
49 Die Beklagte ist nicht berechtigt, eine Deckungszusage im Hinblick auf eine Leistungsfreiheit bzw. ein
Leistungskürzungsrecht gemäß § 17 Abs. 6 ARB i. V. m. § 17 Abs. 5 lit. c, cc ARB zu verweigern.
50 Die bezeichnete Regelung in § 17 Abs. 5 lit. c, cc ARB ist, soweit dem Versicherungsnehmer auferlegt wird,
„alles zu vermeiden, was eine unnötige Erhöhung der Kosten oder eine Erschwerung ihrer Erstattung durch
die Gegenseite verursachen könnte“, wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot sowie im Übrigen
wegen Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung (§ 82 Abs. 1 VVG), von
der abgewichen wird, gemäß § 307 BGB unwirksam (OLG München, Urteil v. 22.09.2011 - 29 U 1360/11 -,
NJW 2012, 1664; OLG Köln, Urteil v. 17.04.2012 - 9 U 207/11 -, VersR 2012, 1385 - die Revision hat der
BGH mit Beschluss v. 26.09.2015 - IV ZR 159/12 - gemäß § 552 a ZPO zurückgewiesen; OLG
Frankfurt/Main, Urteil v. 01.03.2012 - 3 U 119/11 - VuR 2012, 492; OLG Karlsruhe, Urteil v. 15.11.2011 - 12
U 104/11 - SVR 2012, 111).
d)
51 Die Kläger haben nicht gegen ihre Obliegenheit zur Schadensminderung (§ 82 Abs. 1 VVG) verstoßen. Im
Übrigen liegt selbst bei einem Verstoß der Kläger weder vorsätzliches noch grob fahrlässiges Verhalten,
welches gemäß § 82 Abs. 3 VVG zur Leistungsfreiheit der Beklagten oder zumindest zu einem
Leistungskürzungsrecht führen könnte, vor.
52 Gemäß § 82 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer bei Eintritt des Versicherungsfalles für die
Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen.
53 Maßstab für danach mögliche und zumutbare Maßnahmen ist, wie sich ein nicht rechtsschutzversicherter
Rechtssuchender, der auf Kostenüberlegungen keine Rücksicht nehmen muss, in gleicher Lage verhalten
würde. Zweck einer Rechtsschutzversicherung ist es, dass ein Versicherungsnehmer, der sich die Abwälzung
von Rechtskostenrisiken durch freiwillige Beitragszahlung zu einer Rechtsschutzversicherung erkauft, seine
Rechte ohne die Kostenüberlegungen wahrnehmen kann, die ein nicht Rechtsschutzversicherter in gleicher
Lage anstellen würde. Lediglich die Finanzierung sinnloser oder wirtschaftlicher in hohem Maße
unvernünftiger rechtlicher Maßnahmen Einzelner muss mit Rücksicht auf die Gefahrengemeinschaft der
Versicherten ausgeschlossen sein, wobei beachtet werden muss, dass dem Versicherten aus demselben
Gesichtspunkt unwirtschaftliche Teilmaßnahmen gerade versagt sein können. Die Grenze ist daher dort zu
ziehen, wo sich das Verhalten des Versicherungsnehmers mit dem einer vernünftigen unversicherten Partei,
bei der finanzielle Überlegungen keine Rolle spielen, nicht mehr in Einklang bringen lässt (OLG Karlsruhe,
Urteil v. 04.07.2002 - 12 U 69/02 -, VersR 2003, 58, Tz. 12).
54 Dies zugrunde legend, liegt ein Verstoß der Kläger gegen § 82 Abs. 1 VVG, keine in diesem Sinne unnötigen
Kosten zu verursachen, nicht vor.
55 Das Rechtsschutzziel der Kläger war vorliegend darauf gerichtet, die Freigabe der Grundschuld zum Zwecke
der Ermöglichung einer Anschlussfinanzierung zu erwirken. Die Beklagte hat gemäß § 1 ARB die für die
Wahrnehmung dieser rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers oder des Versicherten (der Kläger)
erforderlichen Leistungen im vereinbarten Umfang zu erbringen.
aa)
56 Die Kläger müssen sich nicht auf eine Klage, gerichtet auf die Feststellung der Wirksamkeit des Widerrufs,
verweisen lassen. Zwar führt eine i. S. d. klägerischen Begehrens getroffene Feststellung dazu, dass das mit
der … bestehende Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt wird mit der Folge,
dass gemäß § 355 Abs. 3 BGB die gegenseitigen Leistungen zurückzugewähren sind.
57 Dies führt aber nicht ohne weiteres dazu, dass entsprechend dem Rechtsschutzziel der Kläger die
Grundschuld von der … freigegeben wird, da der … im Gegenzug eine Schlusszahlung aus den
Darlehensverträgen zusteht, deren Berechnung im Einzelnen sich nicht einfach gestaltet (dazu OLG
Frankfurt, Urteil v. 27.04.2016 - 23 U 50/15) und deshalb zu einem Streit über die Höhe des
Rückzahlungsanspruches führen kann (vgl. Anlage K 9, Bl. 44 - 49).
bb)
58 Weiter müssen sich die Kläger nicht auf eine Klage, gerichtet auf die Feststellung, dass der … aufgrund des
Widerrufs der Darlehensverträge lediglich noch eine (genau berechnete) Schlusszahlung zusteht, verweisen
lassen.
59 Zwar würden - das ist der Beklagten zuzugeben - bei einer entsprechenden Entscheidung Streitigkeiten
zwischen den Klägern und der … über die Höhe der Schlusszahlung ausgeräumt. Damit steht aber noch
nicht hinreichend sicher zu erwarten, dass die … die Grundschuld (Zug um Zug gegen Leistung dieser
Schlusszahlung) auch freigeben wird, insbesondere, wenn die Grundschuld bei einer weit gefassten
Sicherungsvereinbarung noch weitere Ansprüche (aus der laufenden Geschäftsverbindung) sichert.
cc)
60 Selbst wenn man jedoch einen Verstoß der Kläger gegen die Obliegenheit, die Kosten möglichst gering zu
halten, annimmt, fällt den Klägern weder vorsätzliches Verhalten, welches zur Leistungsfreiheit der
Beklagten führt, noch grob fahrlässiges Verhalten, welches das Recht der Beklagten zur Leistungskürzung
begründet, zur Last.
(1)
61 Die Kläger als Versicherungsnehmer bzw. mitversicherte Person trifft diesbezüglich bereits deshalb kein
Verschulden, weil von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auf den insoweit abzustellen ist,
keine Kenntnis dahingehend erwartet werden kann, welche Klage seinem Rechtsschutzziel entsprechend
zielführend ist und im Hinblick auf die Obliegenheit des § 82 Abs. 1 VVG anzustreben ist.
(2)
62 Den Klägern ist jedoch ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zuzurechnen, wobei offenbleiben
kann, ob eine solche Zurechnung gemäß § 166 Abs. 1 BGB erfolgt (so OLG Köln, Urteil v. 29.09.2003 - 9 U
174/02 -, NJW-RR 2004, 181; OLG München, Urteil v. 30.03.1984 - 8 U 3763/83 -, ZfS 1986, 212), oder ob
die Prozessbevollmächtigten als Repräsentanten des Versicherungsnehmers anzusehen sind (so Armbrüster
in Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., Rn. 119 zu § 28 m.w.N.; Harbauer, ARB, 8. Aufl. 2010, Rn. 123 zu § 17 ARB
2000).
63 Auch den Prozessbevollmächtigten der Kläger fällt weder Vorsatz, wofür die Beklagte beweispflichtig ist,
noch grobe Fahrlässigkeit, für deren Fehlen die Kläger beweisbelastet sind, zur Last.
(a)
64 Für ein vorsätzliches Verhalten, welches das Bewusstsein vom Vorhandensein der Obliegenheitsverletzung
und das (bedingte) Wollen der Obliegenheitsverletzung voraussetzt (Harbauer, a.a.O., Rn. 84 zu § 17 ARB
2000), ergeben sich aus dem Vortrag der Parteien keine hinreichenden Anhaltspunkte.
(b)
65 Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt
wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und dasjenige nicht
beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (Grüneberg in Palandt, BGB, 75. Aufl.
2016, Rn. 5 zu § 277 m.w.N.). Hier haben die Prozessbevollmächtigten der Kläger mit der (beabsichtigten)
Klage auf Freigabe der Grundschuld sich für diejenige Rechtsschutzmöglichkeit entschieden, die eine sichere
Gewähr für die Erledigung sämtlicher Streitpunkte zwischen den Parteien bietet. Dass daneben eine
Möglichkeit der Feststellungsklage bestand, mit der das beschriebene Ziel mit einem verbleibenden
Restrisiko, bezüglich der Freigabe der Grundschuld einen weiteren Rechtsstreit führen zu müssen, erreicht
werden konnte, mag zwar den Vorwurf einfacher Fahrlässigkeit begründen, der Grad einer groben
Fahrlässigkeit wird damit jedenfalls nicht erreicht, zumal die oben aufgezeigten Rechtsschutz- und
Klagemöglichkeiten nicht nur alternativ, sondern auch kumulativ nebeneinander bestehen (vgl. BGH,
Beschluss vom 04.03.2016 - XI ZR 39/15).
3.
66 Ein Anspruch der Kläger auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten unter dem
Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 2, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB besteht vorliegend dagegen nicht.
a)
67 Zwar stellt die (unberechtigte) Ablehnung einer Deckungszusage für das klägerische Rechtsschutzbegehren
eine ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung i. S. d. § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB dar, die den Verzug
der Beklagten begründet.
68 Nachdem jedoch jeweils die bereits beauftragten Prozessbevollmächtigten der Kläger bei der Beklagten um
Deckungsschutz nachgesucht hatten, sind die hierdurch entstandenen Rechtsanwaltskosten nicht kausal
durch den Verzug der Beklagten begründet.
b)
69 Erstattungsfähig wären deshalb allenfalls diejenigen (Mehr-)Kosten, die den Klägern nach Eintritt des
Verzuges der Beklagten entstanden sind. Solche haben die Kläger jedoch nicht vorgetragen und sind den
Akten auch nicht zu entnehmen.
III.
70 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 1 und 2 ZPO.
71 Ein Grund, die Revision zuzulassen (§ 543 ZPO), liegt nicht vor, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.
72 Der Streitwert einer auf Deckungsschutz gerichteten Feststellungsklage war gemäß § 3 ZPO nach den
voraussichtlichen, durch die gerichtliche und außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des
Versicherungsnehmers entstehenden Kosten, deren Übernahme durch den Versicherer er erstrebt, zu
bemessen, abzüglich eines Feststellungsabschlages von 20 % (Noethen in Schneider/Herget,
Streitwertkommentar, 14. Auflage, Rn. 2416).