Urteil des OLG Stuttgart vom 19.12.2014

ablauf der frist, bauschutt, einbau, ordnungswidrigkeit

OLG Stuttgart Beschluß vom 19.12.2014, 4 Ss 232/14
Ordnungswidrige Abfallbeseitigung: Abgrenzung von Abfall zur Beseitigung und
Abfall zur Verwertung
Leitsätze
Zur Abgrenzung von Abfall zur Beseitigung und Abfall zur Verwertung bei der Nutzung
von Bauschutt als Recyclingbaustoff für den Bau von Waldwegen.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tettnang
vom 18. November 2013 wird als unbegründet
verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
1 Der Betroffene wurde mit Urteil des Amtsgerichts Tettnang vom 22. Dezember
2011 wegen fahrlässiger Beseitigung von Abfällen außerhalb einer dafür
zugelassenen Anlage oder Einrichtung zu der Geldbuße von 30.000 EUR
verurteilt. Auf seine Rechtsbeschwerde hat der Senat das Urteil durch Beschluss
vom 20. Juli 2012 mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung
und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tettnang
zurückverwiesen. Mit Urteil vom 18. November 2013 hat das Amtsgericht Tettnang
den Betroffenen wegen fahrlässiger Ablagerung von Abfällen außerhalb einer
zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage zu der Geldbuße von 5.000 EUR
verurteilt. Hiergegen wendet er sich mit seiner Rechtsbeschwerde und erhebt
Sach- und Verfahrensrügen.
II.
2 Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache erfolglos, weil die
Nachprüfung des Urteils aufgrund der Begründung der Rechtsbeschwerde keinen
Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben hat (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG,
§ 349 Abs. 2 StPO).
3 1. Eine Nachprüfung des Urteils aufgrund der Sachrüge deckt keine Rechtsfehler
zum Nachteil des Betroffenen auf.
4 a) Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen: Die … (im Folgenden
H.), deren Geschäftsführer und Gesellschafter der Betroffene ist, führte im Jahr
2009 den Abbruch des Gebäudes der … durch. Mit Wissen des Betroffenen
brachten Mitarbeiter der H. 710 m³ des Bauschutts zur Errichtung von Waldwegen
in ein Waldgebiet am … bei …, womit der Revierförster einverstanden war. Die H.
lieferte den Bauschutt kostenlos an und erneuerte damit kostenlos die Waldwege.
Der eingebrachte Bauschutt, den der Betroffene selbst gesehen hatte, war
erkennbar mit Gussasphalt, Kabeln, Steckdosen, Holz, Metallstücken, Gummi,
Resten von Bodenbelag, Drahtgeflecht, Styropor und Glaswolle durchsetzt. Zum
Teil enthielt das eingebrachte Material ungebrochene Ziegelsteine. Der zum
Wegebau verwendete Bauschutt enthielt teilweise so hohe Konzentrationen an
polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK),
Mineralölkohlenwasserstoffen (C10-C40) und Sulfat, dass er nach der
einschlägigen Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Umwelt und Verkehr
Baden-Württemberg (sog. Dihlmann-Erlass) als Recyclingbaustoff für den offenen
Einbau (Einbaukonfiguration und Materialqualität Z1.1) nicht verwendet werden
durfte. Der Betroffene hätte erkennen können, dass sich der Bauschutt aufgrund
seiner Zusammensetzung nicht zum Bau von Waldwegen eignet und er deshalb
einer Abfallbeseitigungsanlage zuzuführen war.
5 Das Amtsgericht bewertete das eingebrachte Material als Abfall zur Beseitigung.
Zu dieser Einschätzung gelangte es zum einen aufgrund des fehlenden
wirtschaftlichen Werts des Bauschutts, der dadurch ersichtlich ist, dass die H. das
Material nicht nur unentgeltlich anlieferte, sondern auch unentgeltlich verbaute.
Zum anderen spricht nach Auffassung des Amtsgerichts der hohe Anteil an
Fremdstoffen und die Schadstoffbelastung des eingebrachten Materials, die es
aufgrund der Untersuchung eines gerichtlichen Sachverständigen festgestellt hat,
für die Einordnung als Abfall zur Beseitigung.
6 b) Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Ablagerung von Abfällen außerhalb einer
zugelassenen Abfallbeseitigungsanlage gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 Satz
1 KrW-/AbfG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung hält der rechtlicher
Prüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand.
7 aa) Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht auf Grundlage der bis zum 31. Mai
2012 geltenden abfallrechtlichen Vorschriften den zum Waldwegebau
verwendeten Bauschutt als Abfall zur Beseitigung eingestuft.
8 (1) Tatobjekt der Ordnungswidrigkeit nach § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1
KrW-/AbfG, die insoweit der heute geltenden Regelung des § 69 Abs. 1 Satz 1, §
28 Abs. 1 Satz 1 KrWG entspricht, ist Abfall zur Beseitigung. Deshalb muss der in
Rede stehende Stoff zunächst unter den in § 3 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG definierten
Abfallbegriff fallen. Darüber hinaus muss es sich um Abfall zur Beseitigung
handeln. § 3 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 KrW-/AbfG definiert den Abfall zur
Beseitigung in Abgrenzung zu Abfall zur Verwertung. Danach sind Abfälle, die
nicht verwertet werden, Abfälle zur Beseitigung. Diese Vorschriften entsprechen in
den hier entscheidenden Punkten den heute geltenden Regelungen in § 3 Abs. 1
KrWG.
9 Anzuwenden sind hier die bis zum 31. Mai 2012 geltenden Vorschriften der § 61
Abs. 1 Nr. 2, § 27 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG, denn gemäß § 4 Abs. 1
OWiG bestimmt sich die Geldbuße nach dem Gesetz, das zur Zeit der Handlung
galt. Mit dem Einbau des Bauschutts in die Waldwege war die Ordnungswidrigkeit
beendet, denn § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG und § 69 Abs. 1 Nr. 2 KrWG sind keine
Dauer-, sondern Handlungsdelikte (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19. Februar
2004 - 1 Ss 515/03, juris Rn. 12; Enderle in Kopp-Assenmacher, KrWG, 2015, § 69
Rn. 21; Kraft in Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 69 Rn. 43). Die seit 1. Juni 2012
geltenden und in den entscheidenden Punkten unveränderten Vorschriften der §
69 Abs. 1 Nr. 2, § 28 Abs. 1, § 3 Abs. 1 KrWG erweisen sich nicht als milderes
Gesetz, das gemäß § 4 Abs. 3 OWiG vorrangig anzuwenden ist.
10 (2) Was Abfall zur Beseitigung ist, beurteilt sich nach den im Zeitpunkt der
Beendigung der Tat geltenden Rechtsnormen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober
2013 - 5 StR 505/12, BGHSt 59, 45 Rn. 30), normkonkretisierenden
Verwaltungsvorschriften und technischen Normen.
11 (a) Die Definition des Abfalles zur Beseitigung richtet sich - anders als bei § 326
Abs. 1 StGB, wonach der Abfallbegriff zwar in Anlehnung an die
verwaltungsrechtlichen Vorschriften jedoch selbständig zu bestimmen ist (vgl. dazu
BGH, Urteile vom 26. April 1990 - 4 StR 24/90, juris Rn. 7 f.; vom 23. Oktober 2013
- 5 StR 505/12, BGHSt 59, 45 Rn. 23; Heine/Hecker in Schönke/Schröder, StGB,
29. Aufl., § 326 Rn. 2a) - unmittelbar nach der abfallrechtlichen Definition (vgl.
Häberle in Erbs/Kohlhaas, K 185, § 69 Rn. 6, Stand: Juli 2012). So bezieht sich die
zentrale Abfalldefinition in § 3 Abs. 1 KrW-/AbfG - ebenso wie die geltende
Regelung des § 3 Abs. 1 KrWG - ausdrücklich auf „Abfälle im Sinne dieses
Gesetzes“. Deshalb beansprucht sie auch Geltung für die im Kreislaufwirtschafts-
und Abfallgesetz enthaltenen Bußgeldtatbestände. Dies entspricht dem Zweck des
in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG geregelten Bußgeldtatbestands, der darauf zielt, die
Verletzung der in § 27 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG geregelten verwaltungsrechtlichen
Pflicht zur Nutzung von Abfallbeseitigungsanlagen zu sanktionieren.
12 (b) Da die verwaltungsrechtliche Pflicht maßgeblich durch die jeweils geltende
Definition des Abfallbegriffs bestimmt wird, kommt es auf die zur Zeit der Begehung
der Ordnungswidrigkeit geltenden Regelungen an. Eine spätere Änderung der
abfallrechtlichen Vorschriften, die eine andere Behandlung des in Rede stehenden
Stoffes zulassen oder vorschreiben, kann deshalb die bußgeldrechtliche
Verantwortlichkeit nicht beeinflussen. Selbst dann, wenn die Regelung des § 4
Abs. 3 KrW-/AbfG beziehungsweise des teilweise an ihre Stelle getretenen § 3
Abs. 23 KrWG als zur Beschreibung des Bußgeldtatbestands gehörend
angesehen werden sollte, würden sie sich als unter § 4 Abs. 4 OWiG fallende
Zeitgesetze im weiteren Sinne erweisen. Ein Zeitgesetz im weiteren Sinne liegt vor,
wenn die Regelung für sich ändernde wirtschaftliche oder sonstige zeitbedingte
Verhältnisse gedacht ist, nur für deren Dauer gelten soll und eine Rechtsänderung
nur auf die Änderung der zeitbedingten Verhältnisse zurückzuführen ist (KG,
Beschluss vom 17. Mai 1999 - 2 Ss 336/98, juris Rn. 23). Dies ist hier der Fall. Das
Abfallrecht will sicherstellen, dass die Verantwortlichen mit Abfällen entsprechend
den zum Tatzeitpunkt geltenden verwaltungsrechtlichen Vorschriften umgehen.
Der Bußgeldtatbestand bezweckt, dass sich die Verantwortlichen entsprechend
diesen verwaltungsrechtlichen Verpflichtungen verhalten. Entscheidend ist
deshalb die Sach- und Rechtslage im Jahr 2009. Dementsprechend richtet sich die
Abgrenzung zwischen Abfall zur Beseitigung und Abfall zu Verwertung nach der
bis zum 1. Juni 2012 geltenden Regelung des § 4 KrW-/AbfG und nicht nach der
heute geltenden Regelung in § 3 Abs. 23 KrWG.
13 Die hier für einen Ausschluss von Abfall zur Beseitigung allein in Betracht
kommende stoffliche Verwertung wird in § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG näher definiert. Eine
stoffliche Verwertung liegt nach § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG vor, wenn nach einer
wirtschaftlichen Betrachtungsweise, unter Berücksichtigung der im einzelnen Abfall
bestehenden Verunreinigungen, der Hauptzweck der Maßnahme in der Nutzung
des Abfalls und nicht in der Beseitigung des Schadstoffpotentials liegt.
14 Dagegen kommen Änderungen, die sich aus der neuen Definition in § 3 Abs. 23
Satz 1 KrWG ergeben, für die hier in Rede stehende Ordnungswidrigkeit keine
entscheidende Bedeutung zu. Nach dieser Regelung ist Verwertung jedes
Verfahren, als dessen Hauptergebnis die Abfälle innerhalb der Anlage oder in der
weiteren Wirtschaft einem sinnvollen Zweck zugeführt werden, indem sie andere
Materialien ersetzen, die sonst zur Erfüllung einer bestimmten Funktion verwendet
worden wären. Dadurch rücken objektive Gesichtspunkte stärker in den
Mittelpunkt; andererseits verlieren umweltbezogene Aspekte ihre selbständige
Bedeutung. Entscheidend ist die Substitutionswirkung des Entsorgungsverfahrens
(Delfs in GK-KrWG, 2013, § 3 Rn. 107), das sich auf einen Rohstoff- oder
Brennstoffersatz richten kann. Umweltbezogene Aspekte, wie etwa die
Schädlichkeit des Abfalls oder die Vermischung, spielen für die Abgrenzung keine
Rolle (BT-Drucks. 17/6052, S. 74; Delfs in GK-KrWG, 2013, § 3 Rn. 111; Reese in
Jarass/Petersen, KrWG, 2014, § 3 Rn. 313). Die Funktionsbestimmung erfolgt zwar
weiterhin subjektiv durch denjenigen, der die Maßnahme verantwortet, wird aber
durch das Erfordernis eines sinnvollen Zwecks stärker objektiviert (Delfs in GK-
KrWG, 2013, § 3 Rn. 108). Im Gegensatz zur Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-
/AbfG, die auf den Hauptzweck abstellte, kommt es nach der neuen Definition in §
3 Abs. 23 Satz 1 KrWG auf das Hauptergebnis an, womit eine weitere
Objektivierung verbunden ist (Delfs in GK-KrWG, 2013, § 3 Rn. 110; Reese in
KrWG, 2014, § 3 Rn. 314).
15 (3) Auf Grundlage der hier maßgeblichen Rechtslage begegnet es keinen
durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass das Amtsgericht den zum Bau von
Waldwegen eingebrachten Bauschutt als Abfall zur Beseitigung ansieht.
16 (a) Nach der Regelung des § 4 Abs. 3 Satz 2 KrW-/AbfG ist eine Verwertung, die
gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG eine Beseitigung ausschließt, dadurch
gekennzeichnet, dass sich die Nutzung des Abfalles wirtschaftlich als Hauptzweck
der Maßnahme darstellt (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 5 StR 505/12, BGHSt
59, 45 Rn. 30). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 3
Abs. 1 Buchstabe b der früheren Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli
1975 über Abfälle in der Fassung der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18.
März 1991 muss der Hauptzweck einer Maßnahme zur Abfallverwertung darauf
gerichtet sein, dass die Abfälle eine sinnvoll Aufgabe erfüllen können, indem sie
andere Materialien ersetzen, die für diese Aufgabe hätten verwendet werden
müssen, wodurch natürliche Rohstoffquellen geschont werden (EuGH, Urteil vom
27. Februar 2002 - Rs. C-6/00, juris Rn. 69). Dementsprechend zielt die stoffliche
Verwertung darauf, aus dem Material einen konkreten wirtschaftlichen oder
sonstigen Nutzen zu ziehen. Für die wertende Betrachtung, ob eine Nutzung der
stofflichen Eigenschaften des Materials oder die Beseitigung des Stoffes im
Vordergrund steht, ist von der Verkehrsanschauung unter Berücksichtigung der
Vorstellungen desjenigen auszugehen, der die Maßnahme durchführt (BVerwG,
Urteil vom 14. April 2005 - 7 C 26/03, juris Rn. 14; BGH, Urteil vom 23. Oktober
2013 - 5 StR 505/12, BGHSt 59, 45 Rn. 31; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Juni
2011 - 7 LC 10/10, juris Rn. 51; VGH Mannheim, Beschluss vom 31. Mai 1999 - 10
S 2766/98, juris Rn. 16 f.).
17 Der Schadstoffgehalt schließt eine Einstufung eines Materials als Abfall zur
Verwertung nicht von vornherein aus (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2013 - 5 StR
505/12, BGHSt 59, 45 Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 14. April 2005 - 7 C 26/03, juris
Rn. 17; EuGH, Urteil vom 27. Februar 2002 - Rs. C-6/00, juris Rn. 68). Allerdings
kann der Schadstoffgehalt innerhalb der nach § 4 Abs. 3 KrW-/AbfG
vorzunehmenden Gesamtbewertung insofern indizielle Bedeutung gewinnen, als
er zu einem - mit einer entsprechenden Verpflichtung korrespondierenden -
erhöhten Entsorgungsinteresse des Abfallbesitzers führt (BGH, Urteil vom 23.
Oktober 2013 - 5 StR 505/12, BGHSt 59, 45 Rn. 35). Die fehlende oder
unzureichende Trennung eines Abfallgemisches kann gegen die Annahme von
Abfall zur Verwertung sprechen (VGH Mannheim, Beschluss vom 31. Mai 1999 -
10 S 2766/98, juris Rn. 23).
18 Aus dem Einsatz eines Materials wird ein konkreter Nutzen gezogen, wenn das
verwendete Material die Eigenschaften des Rohstoffes aufweist, der ansonsten
statt des eingesetzten Materials verwendet werden müsste (vgl. OVG Lüneburg,
Urteil vom 24. Juni 2011 - 7 LC 10/10, juris Rn. 52). Darüber hinaus müssen die
verwendeten Abfälle aber auch aufgrund ihrer sonstigen stofflichen Eigenschaften
geeignet sein, ihren Verwendungszweck zu erfüllen (BVerwG, Urteil vom 14. April
2005 - 7 C 26/03, juris Rn. 16; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Juni 2011 - 7 LC
10/10, juris Rn. 53).
19 Die bei der Einstufung als Verwertung oder Beseitigung maßgebliche
wirtschaftliche Betrachtungsweise schließt einerseits das isolierte Abstellen auf die
von den Beteiligten gewählte rechtliche Bezeichnung des Vorgangs aus, verlangt
aber andererseits nicht das alleinige Abstellen auf die ökonomische
Vorteilhaftigkeit, sondern gebietet eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nach den
Bedingungen der Kreislaufwirtschaft unter Berücksichtigung der Ziele des
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (Kunig in Kunig/Paetrow/Versteyl, KrW-
/AbfG, 2. Aufl., § 4 Rn. 33; vgl. Dolde/Vetter, NVwZ 2000, 21, 24). Allerdings ist die
Frage, wer an wen etwas bezahlt, ein wichtiges Indiz für die Ermittlung des
Hauptzwecks der Maßnahme (v. Lersner in v. Lersner/Wendenburg/Versteyl,
Recht der Abfallbeseitigung, Bd. 6, § 4 KrW-/AbfG Rn. 25, Stand: Oktober 2004;
vgl. Dolde/Vetter, NVwZ 2000, 21, 25).
20 (b) Gemessen hieran hat das Amtsgericht den hier in Rede stehenden Bauschutt
rechtsfehlerfrei als Abfall zur Beseitigung eingestuft. Für die Annahme einer
Verwertung spricht im Ausgangspunkt der Umstand, dass durch den Einsatz des
Bauschutts zum Wegebau nach dem Willen des Betroffenen eine Verwertung
erfolgten sollte. Diese subjektive Bestimmung hat das Amtsgericht ohne
Rechtsfehler bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise nicht als
Hauptzweck der Maßnahme angesehen und eine Abfallbeseitigungsmaßnahme
angenommen.
21 Anders als die Rechtsbeschwerdebegründung meint, hat das Amtsgericht die
Einstufung nicht ausschließlich oder vorrangig auf die Schadstoffbelastung des
Bauschutts gestützt, die nach dem gerichtlichen Sachverständigengutachten die
für den konkreten Einsatz als Recyclingbaustoff nach den Verwaltungsvorschriften
geltenden Grenzwerte überschreitet. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang
der Urteilsgründe ergibt, hat das Amtsgericht vielmehr eine wertende
Gesamtbetrachtung der in Rede stehenden Maßnahme vorgenommen und dabei
maßgeblich auf die Durchmischung des Bauschutts mit Fremdkörpern und die
Kosten der Maßnahme abgestellt.
22 Schon die im Bauschutt enthaltenen Fremdstoffe, wie Kabel oder Metallstücke,
sprechen entscheidend gegen die Annahme von Abfall zur Verwertung. Bei einem
offenen Einbau des Bauschutts, wie er für Waldwege typisch ist, befinden sich die
Fremdstoffe auch unmittelbar an der Oberfläche und sind nicht unter einer
Deckschicht aus Asphalt oder andere Materialien abgedeckt. In dieser Situation
können die Fremdstoffe für das Betreten des Waldes atypische Gefahren
hervorrufen. Solche atypischen Gefahren können eine Haftung des - für
waldtypische Gefahren grundsätzlich nicht haftenden - Waldbesitzers wegen der
Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auslösen (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 3, 4
BWaldG; BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 - VI ZR 311/11, BGHZ 195, 30 Rn. 10;
BT-Drucks. 17/1220, S. 6 f.). Zudem besteht die Möglichkeit, dass sich Tiere -
beispielsweise an in dem Material vorhandenen Drahtgeflecht - verletzen.
23 Dass der Waldbesitzer für die Lieferung des Bauschutts kein Entgelt zu bezahlen
hatte und die H. auch noch die Kosten des Einbaus übernahm, deutet mit Gewicht
darauf hin, dass hier bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise die
Beseitigung des Schadstoffpotenzials erkennbar im Vordergrund stand.
24 bb) Tathandlung der Ordnungswidrigkeit nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KrW-/AbfG ist die
Ablagerung von Abfall außerhalb einer zugelassenen Anlage. Ablagern bedeutet
das endgültige Ablegen des Stoffes (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.
Februar 2004 - 1 Ss 515/03, juris Rn. 10). Dies war beim Einbau des Bauschutts in
die Waldwege der Fall.
25 cc) Ohne Rechtsfehler hat das Amtsgericht die Verantwortlichkeit des Betroffenen
für die fahrlässig begangene Ordnungswidrigkeit begründet. Nach den
Feststellungen des Amtsgerichts vereinbarte der Betroffene mit dem Revierförster
die Verwendung des Bauschutts zum Bau von Waldwegen und fungierte ihm
gegenüber als Ansprechpartner. Zeitweise war der Betroffene auch beim Abbruch
auf dem Gelände anwesend; über das verfolgte Entsorgungskonzept und den
Fortgang der Arbeiten war er informiert. Die Kenntnis des Betroffenen sowohl von
dem Fremdstoffe enthaltenden Material als auch von der Vereinbarungen mit dem
Revierförster über die unentgeltliche Anlieferung sowie den unentgeltlichen Einbau
lässt den Schluss darauf zu, dass er bei der gebotenen Sorgfalt die fehlende
Eignung des Bauschutts für den Waldwegebau hätte erkennen können und
müssen. Als Geschäftsführer der H. hatte er auch die Möglichkeit und war
verpflichtet, den Einbau des Bauschutts zu verhindern.
26 c) Die Beweiswürdigung und die Zumessung der Geldbuße halten aus den in der
Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft genannten Gründen der im
Rechtsbeschwerdeverfahren gebotenen rechtlicher Prüfung stand.
27 Soweit die Rechtsbeschwerde das gerichtliche Sachverständigengutachten
angreift, deckt die durch die Sachrüge veranlasste rechtliche Prüfung anhand der
Urteilsgründe keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.
28 Das Tatgericht hat in den Fällen, in denen es dem Gutachten eines
Sachverständigen folgt, die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und
Ausführungen des Sachverständigen so darzulegen, dass das Rechtsmittelgericht
prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage
beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den
Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft
möglich sind. Dabei dürfen die Anforderungen, die das Tatgericht an das
Gutachten zu stellen hat, nicht mit den sachlich-rechtlichen Anforderungen an den
Inhalt der Urteilsgründe gleichgesetzt werden. Mögliche Fehlerquellen sind nur zu
erörtern, wenn der Einzelfall dazu Veranlassung gibt. Dies beeinträchtigt die
Rechtsposition des Betroffenen nicht, da er etwaige Fehler des
Sachverständigengutachtens sowohl in der Hauptverhandlung als auch mit der
Verfahrensrüge im Rechtsbeschwerdeverfahren geltend machen kann (BGH,
Urteile vom 21. März 2013 - 3 StR 247/12, BGHSt 58, 212 Rn. 12; BGH, vom 5.
Juni 2014 - 4 StR 439/13, juris Rn. 15).
29 Nach diesem Maßstab erweist sich die Beweiswürdigung des Amtsgerichts als
noch tragfähig. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt,
hielt sich der gerichtliche Sachverständige bei der Ermittlung des
Schadstoffgehalts nicht durchweg an die Vorgaben der Richtlinie der
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall für das Vorgehen bei physikalischen,
chemischen und biologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit der
Verwertung/Beseitigung von Abfällen (LAGA PN 98). Er entnahm die Proben
unmittelbar aus den Waldwegen, ohne zuvor das zum Wegebau eingebrachte
Material zu entfernen und zu Haufwerken aufzuschichten. Die in der LAGA PN 98
vorgesehene Art der Beprobung von Haufwerken zielt vor allem auf die
Feststellung der Schadstoffbelastung in noch nicht verbautem, für die Verwendung
als Recyclingbaustoff vorgesehenem Material. Der gerichtliche Sachverständige
war hier aber vor die Aufgabe gestellt, bereits eingebautes Material zu beproben.
Wollte er das Material entsprechend den technischen Vorschriften beproben, hätte
er die erstellten Wege zu erheblichen Teile abtragen lassen müssen. Vor diesem
Hintergrund ist es unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falles aus
Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige auf den Wegen
Schürfschlitze anlegen ließ, aus denen er das zu beprobende Material entnahm.
Das Amtsgericht hat sich, wie die Urteilsgründe erkennen lassen, mit der Frage
befasst, inwiefern die Proben repräsentativ sind und inwiefern die Aussagekraft der
Ergebnisse durch einzelne hoch belastete Proben beeinträchtigt wird. Der durch
die gewählte Art der Beprobung möglicherweise beeinträchtigten Aussagekraft der
ermittelten durchschnittlichen Schadstoffbelastung kommt hier keine
entscheidende Bedeutung zu. Wie bereits ausgeführt, ist das Ausmaß der
Schadstoffbelastung nur ein einzelner Gesichtspunkt, der bei der Einordnung des
in Frage stehenden Materials als Abfall zur Beseitigung oder als Abfall zur
Verwertung eine Rolle spielen kann. In die vom Amtsgericht vorgenommene
Bewertung ist mit erheblichem Gewicht auch die Durchsetzung des Materials mit
Fremdstoffen und sein negativer wirtschaftlicher Wert eingeflossen, der sich in der
unentgeltlichen Anlieferung und im unentgeltlichen Einbau wiederspiegelt.
Angesichts dieser Umstände kommt dem konkreten Ausmaß der
Schadstoffbelastung hier keine ausschlaggebenden Bedeutung mehr zu.
30 2. Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den Gründen, die die
Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift angeführt hat, unzulässig. Über einen
Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Ausführung der
Verfahrensrügen muss der Senat nicht entscheiden. Zwar hat der Betroffene in
seiner Rechtsbeschwerdebegründung eine „Anhörungsrüge“ erhoben und
bemängelt, ihm sei innerhalb der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde das
Hauptverhandlungsprotokoll nicht vollständig zur Verfügung gestanden. Wie der
Betroffene in seinem Schriftsatz vom 27. Mai 2014, mit dem er zur Zuschrift der
Generalstaatsanwaltschaft Stellung nimmt, aber ausdrücklich klarstellt, hat er damit
keinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Das vom
Betroffenen mit diesem Schriftsatz - nach Ablauf der Frist zur Begründung der
Rechtsbeschwerde - vorgelegte Gutachten des Sachverständigen vom 18. März
2014, das aufgrund einer Untersuchung eines Teils der betroffenen Wege nach
vollständiger Entnahme des eingebrachten Materials im Januar 2014 zu einem
anderen Ergebnis gelangte, kann schon deshalb zur Ergänzung der
Verfahrensrügen nicht herangezogen werden.