Urteil des OLG Stuttgart vom 02.12.2014

wichtiger grund, ablauf der frist, anfechtbarkeit, anfechtungsklage

OLG Stuttgart Beschluß vom 2.12.2014, 20 AktG 1/14
Freigabeverfahren nach Anfechtungsklage gegen
Hauptversammlungsbeschluss: Voraussetzungen für die offensichtliche
Unbegründetheit der Anfechtungsklage; Business Combination Agreement und
Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag als einheitliches
Rechtsgeschäft; Gründe für die Anfechtung eines Zustimmungsbeschlusses zu
einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag
Leitsätze
1. Offensichtlich unbegründet nach § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG ist eine
Anfechtungsklage, wenn sie - sei es auch aufgrund komplexer rechtlicher
Erwägungen - nach der Rechtsauffassung des im Freigabeverfahren erkennenden
Senats aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eindeutig unbegründet ist oder - sofern
ihr Erfolg von einer Beweisaufnahme abhängt - mit eindeutig überwiegender
Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird.
2. Zu den (hier fehlenden) Voraussetzungen eines einheitlichen Rechtsgeschäfts im
Sinne von § 139 BGB eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags mit
einem vorangegangenen Business Combination Agreement.
3. Die Anfechtung eines Zustimmungsbeschlusses zu einem Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag kann nicht darauf gestützt werden, dass eine unzulässige
anlassbezogene Negativplanung vorliegt. Dieser Vortrag stellt eine Bewertungsrüge
dar, die im Spruchverfahren zu prüfen ist.
4. Der fehlende Hinweis in dem Vertragsbericht auf einen Bewertungsmangel stellt
keine Informationspflichtverletzung dar, die den Vertragsbericht mangelhaft machen
und die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses begründen würde. Die
Rüge eines Bewertungsmangels und die damit zusammenhängende Rüge, diesen
Mangel in dem Vertragsbericht nicht offen gelegt zu haben, sind vielmehr einheitlich
als Bewertungsrüge anzusehen, über die in einem Spruchverfahren zu entscheiden
ist.
Auch der fehlende Hinweis auf eine Plananpassung als solche in dem Vertragsbericht
stellt keine Informationspflichtverletzung dar, wenn sich hierzu entsprechende
Ausführungen in dem als Anlage dem Vertragsbericht zugehörigen
Bewertungsgutachten finden.
5. Personelle Verflechtungen auf Leitungsebene zwischen herrschendem und
beherrschtem Unternehmen sind rechtlich zulässig und tatsächlich üblich, wobei die
Vorstandsmitglieder bei Entscheidungen die Interessen des jeweiligen
Pflichtenkreises wahrzunehmen haben. Hierin kann deshalb keine unzulässige
vorweggenommene Beherrschung gesehen werden.
6. Die Abberufung eines satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiters ist nur bei
Vorliegen eines wichtigen Grundes zulässig. Eine Abstimmung über einen
Abwahlantrag setzt zumindest voraus, dass ein wichtiger Grund schlüssig vorgetragen
ist. Allein die Tatsache einer Redezeitbeschränkung stellt grundsätzlich keinen
wichtigen Grund für eine Abwahl des Versammlungsleiters dar, so dass auch der reine
Bezug auf die erfolgte Redezeitbeschränkung keinen schlüssigen Vortrag eines
wichtigen Grundes enthält.
7. Zur Anfechtung wegen Informationspflichtverletzungen im Zusammenhang mit
behaupteten unzureichenden Auskunftserteilungen in der Hauptversammlung
betreffend den Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags.
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Stuttgart, 31. Kammer
für Handelssachen, unter dem Aktenzeichen 31 O 55/14 KfH rechtshängigen Klage
gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der ordentlichen Hauptversammlung der
Antragstellerin vom 15. Juli 2014 zu Tagesordnungspunkt 10 über die Zustimmung
zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der X AG und der D
GmbH & Co. KGaA (seit 29.10.2014: K Deutschland GmbH & Co. KGaA) der
Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des Hauptversammlungsbeschlusses die
Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
2. Die Antragsgegnerinnen tragen die Gerichtskosten und die Kosten der
Antragstellerin zu je einem Viertel. Im Übrigen werden außergerichtliche Kosten nicht
erstattet.
3. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 500.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Wege des Freigabeverfahrens die Feststellung,
dass die Erhebung der Klage gegen den Zustimmungsbeschluss der
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 15.07.2014 zu dem zwischen ihr als
abhängiger Gesellschaft und der D GmbH & Co. KGaA (i.F. D; seit 29.10.2014
firmierend als K Deutschland GmbH & Co. KGaA) als herrschender Gesellschaft
am 22. Mai 2014 abgeschlossenen Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrags (i.F. BGAV) der Eintragung dieses BGAV nicht
entgegensteht.
2
Die Antragstellerin ist eine nach deutschem Recht errichtete Aktiengesellschaft
mit Sitz in S.. Sie ist die Verwaltungs- und Holdinggesellschaft des X-Konzerns,
eines Groß- und Einzelhandelsunternehmens und Anbieters von Logistik- und
Serviceleistungen im Pharma- und Gesundheitssektor. Das Grundkapital der
Antragstellerin beträgt 260.122.792,96 Euro und ist in 203.220.932 nennwertlose
Namensaktien mit einem anteiligen Betrag von 1,28 Euro je Aktie am
Grundkapital eingeteilt (vgl. Vertragsbericht vom 22.05.2014, AS 2, S. 4 sowie
www.x.com unter i. r.). Mehrheitsaktionärin mit einer Beteiligungsquote von
75,92% ist die D. Die restlichen Aktien befinden sich im Streubesitz.
3
Die Antragsgegnerinnen sind materiell-rechtlich Eigentümer von Aktien der
Antragstellerin insgesamt mit einem Anteil am Grundkapitel der Antragstellerin
von 1,97 % (Klagschrift, AS 3, S. 7), wobei jede der Antragsgegnerinnen
ausweislich der Bestätigung der ... Bank L. (Bl. 101 ff.) mindestens 1.000 Stück
Namensaktien hält. Für die Antragsgegnerinnen ist die ... Bank L. als
Legitimationsaktionär im Aktienregister der Antragstellerin eingetragen.
4
Die Mehrheitsaktionärin D ist eine hundertprozentige mittelbare
Tochtergesellschaft der K Corporation, die im Bereich der Lieferung von
Arzneimitteln, medizinischen Produkten und medizinischer
Informationstechnologie tätig ist und ihren Sitz in F., V., hat.
5
Im Jahr 2013 betrug das Grundkapital der Antragstellerin noch 217.728.000,00
Euro und war unterteilt in 170.100.000 nennwertlose Namensaktien. Die F H &
Cie. GmbH (i.F. H) hielt zu diesem Zeitpunkt eine Beteiligung in Höhe von ca.
50,01 % des Grundkapitals. Es existierten daneben Wandelanleihen im Nennwert
von 350 Mio. Euro, die am 29. Oktober 2014 fällig werden sollten, ein Recht zur
Umwandlung in Aktien der Antragstellerin gewährten und von dieser garantiert
waren (Wandelanleihen 2014), sowie Wandelanleihen im Nennwert von 350 Mio.
Euro, die am 7. April 2018 fällig werden sollten und ebenfalls ein Recht zur
Umwandlung in Aktien der Antragstellerin gewährten und von dieser garantiert
wurden (Wandelanleihen 2018). Im Falle eines Kontrollwechsels konnte jeder
Inhaber von Anleihen entweder die vorzeitige Rückzahlung einzelner oder aller
ausstehenden Anleihen in bar oder die Wandlung einzelner oder aller Anleihen in
X Aktien verlangen (im Einzelnen vgl. Vertragsbericht, Beiakte K 4, S. 8 f.).
6
Am 24. Oktober 2013 veröffentlichte D ihre Entscheidung zur Abgabe eines
öffentlichen Übernahmeangebots an alle Aktionäre der Antragstellerin. Am
gleichen Tag schlossen D, K Corporation und die Antragstellerin eine
Vereinbarung über die Zusammenführung von Unternehmen (Business
Combination Agreement, i.F. BCA, AS 1). Darüber hinaus schlossen D und H
einen Kaufvertrag über die von H gehaltene Beteiligung an der Antragstellerin. D
gab sodann am 5. Dezember 2013 ein freiwilliges öffentliches Angebot für den
Erwerb der Aktien der Antragstellerin sowie der o.g.
Wandelschuldverschreibungen ab. Der Vollzug des öffentlichen
Übernahmeangebots, des Anleihekaufangebots und des Aktienkaufvertrags
standen unter der Bedingung, dass eine Mindestbeteiligungsquote der D von 75
% auf voll verwässerter Basis, also unter Berücksichtigung der Ausgabe neuer
Aktien auf Grund der Wandelung der Wandelschuldverschreibungen, erreicht
wird. Diese Mindestannahmeschwelle wurde nicht erreicht, so dass das
ursprüngliche Übernahmeangebot erfolglos blieb.
7
In der Folge erhöhte H am 22. Januar 2014 seine Beteiligung an der
Antragstellerin auf 75,99 % der Aktien (vgl. Bekanntmachung an die Inhaber der
Wandelschuldverschreibungen vom 28.01.2014, www.x.com unter i. r.,
Zusammenschluss mit K) durch Kauf eines Aktienpakets von 25,98 % von E
Gesellschaften, die ihren Anteilsbesitz an der Antragstellerin im Januar 2014 auf
diese Beteiligungshöhe erhöht hatten und zugleich
Wandelschuldverschreibungen hielten. D schloss mit H am 23. Januar 2014
einen neu gefassten Aktienkaufvertrag über den Erwerb der erhöhten Beteiligung
von 75,99 %, der am 6. Februar vollzogen wurde (vgl. Antragsschrift S. 9;
Klagschrift Seite 23 f.; Vertragsbericht Beiakte K 4., Seite 1). Zugleich schloss D
mit E Gesellschaften Kaufverträge über den Erwerb von 4.840
Wandelschuldverschreibungen 2014 und 2.180 Wandelschuldverschreibungen
2018 (vgl. Veröffentlichung der Abgabe eines Übernahmeangebots vom
23.01.2014, Beiakte K 3, Seite 1 sowie Angebotsunterlage Ziff. 7.7.2, Beiakte K
1).
8
Am 28. Februar 2014 unterbreitete D erneut ein öffentliches Übernahmeangebot
(Angebotsunterlage Beiakte K 1). Seit Durchführung dieses Übernahmeangebots
und im Zeitpunkt des Abschlusses des BGAV hielt D 75,92 % der Aktien der
Antragstellerin. Wandelanleihen 2014 oder 2018 bestehen nicht mehr – sie
wurden entweder vor Abschluss des BGAV gewandelt oder ausbezahlt
(Vertragsbericht, Beiakte K 4, Seite 9).
9
Am 22. Mai 2014 schlossen die Antragstellerin und D den streitgegenständlichen
BGAV (AS 15). Dieser sieht zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre einen
Ausgleich in Höhe von 0,83 Euro brutto sowie eine Abfindung in Höhe von 22,99
EUR je Aktie vor. Am 15. Juli 2014 stimmte die Hauptversammlung der
Antragstellerin mit 97,13 % der abgegebenen Stimmen und des bei der
Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals dem BGAV zu (vgl. notarielle
Niederschrift der HV, AS 17, S. 27).
10 Mit Klagschrift vom 13. August 2014, bei dem Landgericht Stuttgart eingegangen
am 13. August 2014, erhoben die Antragsgegnerinnen Anfechtungs- und
Nichtigkeitsklage gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung der
Antragstellerin mit dem Antrag, diesen Zustimmungsbeschluss für nichtig zu
erklären, hilfsweise dessen Nichtigkeit festzustellen (Klagschrift, AS 3). Die
Antragsgegnerinnen berufen sich in der Klagschrift darauf, dass der
Zustimmungsbeschluss aus folgenden Gründen anfechtbar oder nichtig sei:
11
1. wegen Verstoßes gegen das Gebot unabhängiger Leitung, §§ 243 Abs. 1,
293, 76 AktG,
2. wegen anlassbezogener Negativplanung und korrespondierender
Mangelhaftigkeit des Vertragsberichts, §§ 243 Abs. 1, 291 ff. AktG
3. wegen Vorwegnahme einer vertraglichen Beherrschung durch
Vorstandsneubesetzung, §§ 243 Abs. 1, 293, 76 AktG,
4. wegen Nichtabstimmung über den Abwahlantrag bezüglich des
Versammlungsleiters der Hauptversammlung, §§ 241 Nr. 2, 243 Abs. 1, 130
Abs. 2 S. 1 AktG
5. wegen unzureichender Auskunftserteilung in der Hauptversammlung, §§ 243
Abs. 1, Abs. 4, 293 g Abs. 3, 131 Abs. 1 AktG.
12 Wegen der Begründung der Anfechtungsklage im Einzelnen wird auf die
Klagschrift (AS 3) nebst zugehörigen Anlagen (Beiakte LG Stuttgart, 31 O 55/14
KfH) verwiesen.
13 Mit Interventionsschrift vom 23.09.2014 trat der Aktionär M B dem
Anfechtungsverfahren auf Seiten der Anfechtungsklägerinnen als
Nebenintervenient bei. In der Interventionsschrift beruft er sich als zusätzlichem
Anfechtungsgrund auf die Nichtbeantwortung zweier von ihm gestellter Fragen
(AS 35).
14 Neben der Anfechtungsklage führen die Antragsgegnerinnen vor dem
Landgericht F. einen Rechtsstreit gegen die D, mit dem sie im Hinblick auf den
den E Gesellschaften gezahlten Preis für die Wandelschuldverschreibungen die
Erhöhung der Gegenleistung gemäß § 31 Abs. 1, 6 WpÜG i.V.m. § 4 der WpÜG-
Angebotsverordnung für die Aktien verlangen, welche sie in das
Übernahmeangebot der D eingeliefert haben (Klagschrift, AS 25).
15 Mit Antragsschrift vom 2. September 2014, eingegangen bei dem
Oberlandesgericht am 2.September 2014, begehrt die Antragstellerin die
Freigabe zur Eintragung des BGAV gemäß § 246 a AktG.
16 Die Antragstellerin hält die Anfechtungsklage der Antragsgegnerinnen für
offensichtlich unbegründet im Sinne von § 246 a Abs. 2 Nr. 1 AktG.
17 Die Antragsgegnerinnen seien schon nicht anfechtungsbefugt im Sinne von §
245 AktG, da nicht sie, sondern die ... Bank L. im Aktionärsregister eingetragen
und deshalb nach § 67 Abs. 2 S. 1 AktG allein anfechtungsbefugt sei, woran
auch deren Stellung als Legitimationsaktionärin nichts ändere. Es fehle zudem an
einem Widerspruch zur Niederschrift nach § 245 Nr. 1 AktG: Der Widerspruch sei
nur für die ... Bank erklärt. Diese habe aber eine erforderliche
Stimmrechtsmeldung nach § 21 WpHG nicht vorgenommen, so dass gemäß § 28
Satz 1 WpHG ein Rechtsverlust bezüglich Widerspruch und Klagerhebung
vorliege.
18 Die Anfechtungsklagen seien im Übrigen auch deshalb unbegründet, weil die
erhobenen Rügen mit hoher Sicherheit keine Aussicht auf Erfolg hätten.
19 Zu den einzelnen Anfechtungsgründen trägt die Antragstellerin
zusammengefasst vor:
20 Zu 1: Verstoß gegen das Gebot unabhängiger Leitung:
21 Die Vorwürfe, der Vorstand habe die Transaktion nicht geprüft und keine
unabhängige Sichtweise eingenommen und allein im Interesse von K gehandelt,
sei unsubstantiiert und unbegründet. Das BCA sei nicht wegen unzulässiger
Selbstbindung des Vorstands nichtig; das BCA enthalte schon keine
Regelungen, aus denen sich eine derartige unzulässige Selbstbindung ergebe.
Zudem stellten BCA und BGAV kein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von §
139 BGB dar, so dass selbst die Nichtigkeit des BCA die Wirksamkeit des BGAV
nicht berühren würde.
22 Zu 2: anlassbezogene Negativplanung und korrespondierende Mangelhaftigkeit
des Vertragsberichts
23 Bei den Rügen der Antragsgegnerinnen zu einer angeblich anlassbezogenen
Negativplanung handele es sich um Bewertungsrügen, für die gemäß §§ 304
Abs. 3 Satz 2, 305 Abs. 5 Satz 1 AktG das Anfechtungsverfahren nicht statthaft
sei. Zudem liege keine anlassbezogene Negativplanung vor. Eine
Planaktualisierung im Vorfeld des Bewertungsstichtags sei nicht zu beanstanden.
Konkrete Anhaltspunkte für eine unzutreffende negative Planung seien nicht
vorgetragen. Die Berichterstattung im Vertragsbericht sei nicht zu beanstanden; in
dem Bewertungsgutachten werde der Planungsprozess zutreffend dargestellt
und auch die – zulässige – Unterstützung der Y an der Planaktualisierung offen
gelegt.
24 Zu 3: Vorwegnahme einer vertraglichen Beherrschung durch
Vorstandsneubesetzung
25 Aus der Bestellung von zwei Mitarbeitern aus dem K-Konzern zu
Vorstandsmitgliedern der Antragstellerin folge keine Anfechtbarkeit. Personelle
Verflechtungen zwischen Konzernunternehmen seien zulässig und verbreitet.
Das Aktienrecht halte mit §§ 76, 31 ff. AktG ein spezifisches Schutzsystem zu
Gunsten der abhängigen Gesellschaft vor. Eine vorweggenommene
Durchführung des BGAV liege nicht vor.
26 Zu 4: Nichtabstimmung über den Abwahlantrag bezüglich des
Versammlungsleiters
27 Die Abberufung des satzungsmäßig berufenen Versammlungsleiters sei nur bei
objektivem Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Ein solcher habe nicht
vorgelegen und sei auch nicht schlüssig dargelegt worden. Die pauschale
unzutreffende Behauptung „offensichtlicher Unfähigkeit und Überforderung“ in
dem Abwahlantrag enthalte keinen Vortrag wichtiger Gründe, der eine
Abstimmung erforderlich gemacht hätte. Die Redezeitbeschränkung sei
ermessensfehlerfrei im Interesse aller Aktionäre an einer Durchführung der
Hauptversammlung innerhalb einer angemessenen Frist angeordnet worden.
28 Zu 5: Unzureichende Auskunftserteilung in der Hauptversammlung
29 Den Aktionären sei in der Hauptversammlung Auskunft in dem rechtlich
gebotenen Umfang erteilt worden. Es seien über 400 Fragen und Nachfragen
gestellt worden. Nur 4 Fragen seien als nicht ausreichend beantwortet zu
Protokoll gegeben worden. Auch insoweit sei aber das Auskunftsrecht nicht
verletzt worden. Die Fragen, die den Erwerb der Beteiligung durch D vor
Abschluss des BGAV betreffen würden, seien für die Beurteilung des BGAV nicht
erheblich, so dass insoweit auch kein Auskunftsrecht bestanden habe.
30 Auch die Rügen des Nebenintervenienten führten nicht zur Begründetheit. Sie
seien insbesondere bereits präkludiert und zudem unsubstantiiert.
31 Abgesehen von der offensichtlichen Unbegründetheit der erhobenen
Anfechtungsrügen hält die Antragstellerin die Anfechtungsklagen auch deshalb
für unbegründet, weil die Antragsgegnerinnen sachfremde Interessen im
Anfechtungsverfahren verfolgten. Sie zielten mit der Anfechtungsklage nur darauf
ab, durch eine Verzögerung des Eintragungsverfahrens ihre
Verhandlungsposition in der Zahlungsklage, die sie gegen die D angestrengt
haben, zu verbessern.
32 Darüber hinaus sei der Antrag auch nach § 246 Abs. 2 Nr. 3 AktG begründet. Die
Interessenabwägung ergebe ein eindeutiges Überwiegen der Interessen der
Antragstellerin und ihrer Aktionäre an der Eintragung des BGAV.
33 Die Antragstellerin beantragt dem entsprechend:
34
Es wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Stuttgart, 31.
Kammer für Handelssachen, unter dem Aktenzeichen 31 O 55/14 KfH
rechtshängigen Klage gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der ordentlichen
Hauptversammlung der Antragstellerin vom 15. Juli 2014 zu
Tagesordnungspunkt 10 über die Zustimmung zum Beherrschungs- und
Gewinnabführungsvertrag zwischen der X AG und der D GmbH & Co. KGaA der
Eintragung nicht entgegensteht und Mängel des
Hauptversammlungsbeschlusses die Wirkung der Eintragung unberührt lassen.
35 Die Antragsgegnerinnen beantragen,
36
den Antrag zurückzuweisen.
37 Sie halten den Freigabeantrag für unbegründet und ihre Anfechtungsklage für
begründet.
38 Die Antragsgegnerinnen seien als wahre Aktionäre anfechtungsbefugt. Jedenfalls
liege eine wirksame Rückübertragung von Widerspruchs- und Anfechtungsrecht
durch die ... Bank vor. Es bestehe auch keine Verpflichtung der ... Bank als
Legitimationsaktionärin, eine Stimmrechtsmitteilung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1
WpHG abzugeben. Ein Rechtsverslust nach § 28 WpHG scheide abgesehen
davon auch aus, weil kein Verschuldensvorwurf gemacht werden könne.
39 Zu den einzelnen Anfechtungsgründen tragen die Antragsgegnerinnen
zusammengefasst vor:
40 Zu 1: Verstoß gegen das Gebot unabhängiger Leitung:
41 Der Vorstand sei nach Inkrafttreten des BCA nicht frei gewesen, ob er einen
BGAV abschließe. Schon dadurch, dass der Vorstand bei dem Abschluss des
BCA im Hinblick auf das Zustandekommen des BGAV erheblich monetär
incentiviert gewesen sei durch Abfindungszahlung an die Sprecherin des
Vorstands in Höhe von rund 16 Mio. Euro bei Zustandekommen der Transaktion,
habe eine Motivation des Vorstands bestanden. Ziff. 11 des BCA lasse sich mit
der Behauptung der Antragstellerin für eine Wahlfreiheit des Vorstands nicht in
Einklang bringen. Nicht glaubhaft sei, dass der Vorstand trotz der Regelung in
Ziff. 11 des BCA den Abschluss des BGAV im Unternehmensinteresse geprüft
habe, also auch im Interesse aller Aktionäre, der Gläubiger und der Arbeitnehmer.
Der Vorstand habe sich nicht bereits über Ziff. 3.1, 3.2 (a) und 4.3 des BCA zu
konkreten Unterstützungsmaßnahmen im Hinblick auf den weiteren Fortgang der
Transaktion verpflichten dürfen. Das BCA übe eine Klammerfunktion zwischen
Übernahme und BGAV aus. Die Verträge seien als Einheit gewollt und die eine
Vereinbarung habe mit der anderen stehen und fallen sollen.
42 Zu 2: anlassbezogene Negativplanung und korrespondierende Mangelhaftigkeit
des Vertragsberichts
43 Die erst am 18. November 2013 verabschiedete reguläre Unternehmensplanung
der Antragstellerin sei im Zuge der Bewertungsarbeiten für den BGAV mit dem
Ziel revidiert worden, zu einem geringeren Unternehmenswert und damit zu
geringeren Ausgleichs- und Abfindungszahlungen an die außenstehenden
Aktionäre zu gelangen. Die rein anlassbezogene, auf sachfremden Erwägungen
beruhende Verschlechterung der Planung stelle einen methodischen Fehler bei
der Anwendung der minderheitsschützenden Regelungen über die Feststellung
der Ausgleichs- und Abfindungszahlungen dar und führe zur Anfechtbarkeit des
Zustimmungsbeschlusses.
44 Die anlassbezogene negative Anpassung der Planung sei in dem Vertragsbericht
nicht transparent offen gelegt worden. Es werde aus den Erläuterungen der Y
nicht deutlich, dass die Planung unmittelbar vor Abschluss des BGAV gegenüber
der ursprünglichen Planung vom 18. November 2013 verschlechtert worden sei
und auf dieser Basis ein geringerer Unternehmenswert ermittelt worden sei. Der
Vertragsbericht weise auch nicht hinreichend deutlich darauf hin, dass die von D
und der Antragstellerin als neutraler Gutachter mit der Unternehmensbewertung
beauftragte Y zugleich in eine nach unten korrigierende Revision der
bewertungsrelevanten Planung involviert gewesen sei. Es müsse den Aktionären
deutlich gemacht werden, wenn die Y herangezogen wurde, um
Verschlechterungspotentiale auszuloten und anlassbezogen planerisch
umzusetzen. Die Informationen müssten in dem Vertragsbericht selbst und nicht
nur in dem Bewertungsgutachten stehen. Es handele sich auch nicht um
Bewertungsmängel, sondern um Berichtsmängel, die mit der Anfechtungsklage
geltend gemacht werden könnten.
45 Zu 4: Nichtabstimmung über den Abwahlantrag bezüglich des
Versammlungsleiters
46 Eine Abstimmung über den Antrag auf Abwahl eines Versammlungsleiters habe
bereits dann stattzufinden, wenn ein wichtiger Grund für die Abwahl plausibel
vorgetragen worden sei. Der Versammlungsleiter habe bereits drei Stunden nach
Beginn der Generaldebatte in einer für das Schicksal der Gesellschaft
entscheidenden Hauptversammlung eine Redezeitbegrenzung auf 10 Minuten
verhängt, ohne mitzuteilen, wie viele Redner sich zu diesem Zeitpunkt noch auf
der Rednerliste befanden. Er habe keine Antwort gegeben, als die Aktionäre
moniert hätten, dass man bei dieser Vorgehensweise nicht beurteilen könne, ob
eine Redezeitbeschränkung angemessen sei. Auf Grund dieser Verhaltensweise
– nicht auf Grund der Verhängung der Redezeitbeschränkung als solcher – habe
der Aktionär den Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters gestellt mit der
Begründung, dass dieser nicht mitgeteilt habe, wie viele Redner sich auf der
Rednerliste befanden, als er die Redezeitbegrenzung ankündigte und verhängte.
Hierbei handele es sich um eine schlüssige Darlegung eines wichtigen
Abberufungsgrunds.
47 Zu 5: Unzureichende Auskunftserteilung in der Hauptversammlung
48 Die Nichtbeantwortung der Frage 1 zur Anpassung des H-Kaufvertrags sei
ungenügend gewesen. Die Frage habe wesentliche Rahmenbedingungen
betroffen, unter denen es D als Vertragspartner des BGAV letztlich im zweiten
Anlauf gelungen sei, sich die qualifizierte Mehrheit zu sichern. Schon wegen der
Transaktionshistorie sei es klar, dass es sich um Vertragsanpassungen von
erheblicher Bedeutung gehandelt habe. Die Kenntnis dieser Umstände sei für die
außenstehenden Aktionäre von Bedeutung gewesen, weil sie Rückschlüsse
zuließen auf die Angemessenheit der angebotenen Ausgleichs- und
Abfindungsleistungen sowie allgemein darauf, ob im Rahmen der
Gesamttransaktion auch die Interessen der Antragsgegnerinnen und der weiteren
außenstehenden Aktionäre berücksichtigt worden seien und von D die
zwingenden gesetzlichen Schutzvorschriften zu Gunsten der außenstehenden
Aktionäre eingehalten worden seien. Die außenstehenden Aktionäre hätten ein
Interesse daran, die Rechtstreue des künftigen beherrschenden Unternehmens
zu hinterfragen.
49 Der Vorstand hätte sich die zur Beantwortung dieser Frage erforderlichen
Informationen verschaffen müssen, weil mit Nachfragen der außenstehenden
Aktionäre zur Transaktionshistorie und zur Anpassung des H-Aktienkaufvertrags
zu rechnen gewesen sei.
50 Auch die Frage nach der Bedeutung der Zuzahlungen an E für den Erfolg der
Übernahme sei zu Unrecht nicht beantwortet worden. Der Vorstand sei nach
seiner eigenen Beurteilung gefragt worden, die er hätte abgeben können, ohne
Spekulationen anzustellen oder Auskünfte über fiktive Sachverhalte zu erteilen.
51 Auch die Frage nach den von D eingeholten Rechtsgutachten betreffe die
Umstände des Beteiligungserwerbs und die Frage, ob hierbei zwingende
Anforderungen des gesetzlichen Minderheitenschutzes eingehalten worden
seien. Auch insoweit habe den Vorstand eine Informationsbeschaffungspflicht
getroffen.
52 Die Antragsgegnerinnen halten auch ein vorrangiges Vollzugsinteresse im Sinne
von § 246 a Abs. 2 Nr. 3 AktG nicht für gegeben. Die Interessen der
Antragsgegnerinnen seien nicht Interessen einer unbedeutenden Splittergruppe,
vielmehr repräsentiere M über 3 % des Grundkapitals, was einem
Gesamtinvestment von ca. 168 Mio. Euro entspreche. Nicht nur M, sondern 20 %
des Grundkapitals hätten dem BGAV nicht zugestimmt, so dass den Interessen
des Mehrheitsaktionärs die Interessen weiterer maßgeblich beteiligter
außenstehender Aktionäre gegenüber stünden.
53 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst
Anlagen verwiesen.
54 Der Senat hat die Akten des vor dem Landgericht Stuttgart rechtshängigen
Anfechtungsverfahrens (31 O 55/14 KfH) beigezogen. Die mündliche
Verhandlung fand am 26. November 2014 statt. Auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung wird Bezug genommen.
II.
55 Der zulässige Freigabeantrag ist begründet. Die Anfechtungsklage der
Antragsgegnerinnen gegen den Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung
der Antragstellerin vom 15. Juli 2014 zu dem BGAV ist offensichtlich unbegründet
im Sinne von § 246 a Abs. 2 Nr. 1 AktG
1.
56 Offensichtlich unbegründet nach § 246a Abs. 2 Nr. 1 AktG ist eine
Anfechtungsklage, wenn sie - sei es auch aufgrund komplexer rechtlicher
Erwägungen - nach der Rechtsauffassung des im Freigabeverfahren
erkennenden Senats aufgrund des unstreitigen Sachverhalts eindeutig
unbegründet ist oder - sofern ihr Erfolg von einer Beweisaufnahme abhängt - mit
eindeutig überwiegender Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg haben wird (OLG
Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2009, 204, juris Rn. 31;
OLG Stuttgart, AG 2004, 105, juris Rn. 5; OLG Stuttgart, AG 2003, 456, juris Rn.
36; OLG Hamburg, NZG 2005, 86; OLG München, Der Konzern 2014, 108, juris
Rn. 7: wenn eine andere Beurteilung nicht oder kaum vertretbar erscheint; vgl.
auch Drescher in Henssler/Spohn, GesR, 2. Aufl., § 246a AktG Rn. 5; Hüffer in
Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 246 a Rn. 20 ff. m.w.N.). Bei der
Beurteilung von Rechtsfragen ist keine Eindeutigkeit im Sinne einer Evidenz zu
fordern; es genügt vielmehr, wenn die Rechtsfragen aus Sicht des Senats
eindeutig im Sinne einer Unbegründetheit der Klage zu beantworten sind, ohne
dass es darauf ankommt, ob dazu auch andere Standpunkte vertreten werden
(OLG Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 119; OLG Stuttgart, AG 2009, 204, juris
Rn. 31 m.w.N.).
2.
57 Auf dieser Grundlage sind sämtliche mit der Anfechtungsklage vorgebrachten
Rügen offensichtlich unbegründet.
58 Zu 1: Verstoß gegen das Gebot unabhängiger Leitung:
59 Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen liegt ein Anfechtungsgrund nicht
deshalb vor, weil das BCA wegen Verstoßes gegen die aktienrechtliche
Kompetenzordnung nichtig ist und die dem BCA anhaftende Nichtigkeit wegen
Einheitlichkeit im Sinne von § 139 BGB zur Nichtigkeit des BGAV führt.
60 Eine Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses zu dem BGAV auf Grund
einer Nichtigkeit des BCA scheidet hier schon deshalb aus, weil kein einheitliches
Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB vorliegt, so dass eine Nichtigkeit des
BCA die Wirksamkeit des BGAV unberührt ließe (hierzu unter a.). Die Frage der
Nichtigkeit des BCA kann somit dahingestellt bleiben (hierzu unter b.).
a.
61 Das BCA und der BGAV bilden hier keine rechtliche Einheit im Sinne von § 139
BGB. Zwar setzt ein einheitliches Rechtsgeschäft in diesem Sinne nicht voraus,
dass eine einheitliche Urkunde oder ein einheitlicher Vertrag vorliegt.
Entscheidend ist, dass nach dem Willen der Vertragsparteien die
Rechtsgeschäfte miteinander stehen und fallen sollen. Der maßgebliche
Verknüpfungswille ist auf Grund der Erklärungen und Interessenlage der
Vertragsschließenden mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln (vgl. m.w.N.
Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 139 Rn. 5 ff.).
62 Eine derartige Einheit besteht hier zwischen dem BCA und dem BGAV nicht. Das
BCA ist schon nach seinem eindeutigen Regelungsgehalt nur auf die
Unternehmenszusammenführung durch Abgabe eines freiwilligen öffentlichen
Übernahmeangebots ausgerichtet. So stellt Buchstabe D. der Präambel klar,
dass es bei dem BCA um die Unternehmenszusammenführung durch ein
öffentliches Übernahmeangebot geht und in dem BCA die Bedingungen und
gegenseitigen Absichten und Übereinkünfte bezüglich dieser Transaktion, die
zukünftige organisatorische und Verwaltungsstruktur der Gesellschaft sowie die
durch die Unternehmenszusammenführung verfolgte Geschäftsstrategie
festgelegt sind. Dem entsprechend regelt Ziff. 3 des BCA die Unterstützung des
Übernahmeangebots, die nur bis zur Kündigung oder dem Vollzug des
Übernahmeangebots – nicht also darüber hinaus für die Zeit nach dem Vollzug
des Übernahmeangebots – gilt. Pflichten für die Zeit nach der Übernahme – also
insbesondere im Hinblick auf mögliche Unternehmensverträge wie einen BGAV –
enthält das BCA dagegen nicht.
63 Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen ergibt sich auch aus Ziff. 11 der
Vereinbarung keine Verpflichtung des Vorstands im Hinblick auf einen künftigen
BGAV. Diese Regelung enthält keine Verpflichtung des Vorstands zur
Unterstützung des BGAV - die Regelung stellt nur klar, dass das BCA
Unternehmensverträgen nicht entgegensteht. Dies ergibt sich aus der
eindeutigen Formulierung, wonach nichts in dieser Vereinbarung die Parteien
daran hindern soll, einen Unternehmensvertrag zu schließen. Dies bedeutet,
dass die Vereinbarungen des BCA nicht von dem Abschluss eines
Unternehmensvertrags abhalten sollen. Die Klausel bedeutet dagegen entgegen
der Auffassung der Antragsgegnerinnen gerade nicht, dass eine Verpflichtung
des Vorstands zum Abschluss eines Unternehmensvertrags besteht. Diese
Interpretation der Antragsgegnerinnen (hierzu Antragserwiderung, Seite 23 ff.)
lässt sich mit dem Wortlaut nicht in Einklang bringen. Die
Entscheidungskompetenz des Vorstands der Antragstellerin ist vielmehr durch
die Regelung in Ziff. 11 nicht berührt. Unzutreffend ist demnach auch die für die
Einheitlichkeit von den Antragsgegnerinnen herangezogene Behauptung, dass
sich die Antragstellerin und ihre Organe bereits vor und während der Dauer des
Übernahmeverfahrens sowie anschließend bis zur Registrierung des BGAV an
den Interessen von K/D ausrichten sollten (Klagschrift AS 3, Seite 41).
64 Der Abschluss eines BGAV wird in dem BCA nur als eine der möglichen Optionen
nach Vollzug der Übernahme genannt, so in Ziff. 6.2 (b), in Ziff. 10.2 (b) und in Ziff.
11, und dies durch die Formulierung „vorbehaltlich“ und „im Falle eines“
hinlänglich zum Ausdruck gebracht. An keiner Stelle des BCA wird darauf
abgestellt, dass der Abschluss eine BGAV bereits konkret vorbesprochen oder
vereinbart wurde. Der Abschluss eines BGAV wird in dem BCA nicht einmal als
konkretes Ziel nach der Übernahme genannt. Dafür, dass das BCA nur bei
späterem Abschluss eines wirksamen BGAV gelten sollte, bestehen keine
Anhaltspunkte. Dies ergibt sich auch schon aus der logischen zeitlichen
Nachfolge des BGAV, der erst nach Vollzug des Übernahmeangebots und damit
dem Ende der Pflichten aus dem BCA abgeschlossen werden konnte. Der
Vollzug der Übernahme einer Mehrheit war Voraussetzung dafür, dass ein BGAV
überhaupt möglich würde. Ob eine Mehrheit von 75 % erreicht werden würde, war
im Zeitpunkt des Abschlusses des BCA noch nicht sicher vorhersehbar. Die
Pflichten aus dem BCA sollten aber bis zum Vollzug des Übernahmeangebots
gelten, unabhängig davon, ob später ein BGAV möglich würde oder nicht.
65 Auch in dem BGAV wird an keiner Stelle auf die Einheitlichkeit mit dem BCA
verwiesen. Die Entscheidung über die Vereinbarung eines BGAV und die
Zustimmung durch die Hauptversammlung war von den Regelungen des BCA
unabhängig, zumal die dort statuierten Pflichten mit Vollzug der Übernahme und
damit vor den Entscheidungen über den BGAV endeten.
66 Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen darauf, dass K von Anfang an
das Ziel gehabt habe, die erforderliche Mehrheit für den Zustimmungsbeschluss
zu einem BGAV zu erhalten, und von Anfang an einen BGAV erstrebt habe. Es ist
naheliegend, dass K/D den Abschluss eines BGAV bereits im Zeitpunkt des
Abschlusses des BCA als weitergehendes Ziel hatte. Bereits in den
Angebotsunterlagen des ersten Angebots vom 4. Dezember 2013 (Beiakte K 6)
ist ausgeführt, dass der Abschluss eines BGAV dann geprüft wird, wenn D nach
Vollzug der Transaktion mindestens 75 % der Stimmrechte hält (Beiakte K 6,
Seite 28). Naheliegend ist auch, dass seitens der Antragstellerin der zukünftige
Abschluss eines BGAV ebenfalls angedacht war und beide Parteien faktisch
damit rechneten, dass bei erfolgreicher Übernahme ein BGAV abgeschlossen
würde. Dies führt aber nicht dazu, dass zwischen dem BCA und dem BGAV ein
einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139 BGB vorliegt. Weder der von
einem Vertragspartner erstrebte Abschluss weiterer Verträge nach Vollzug des
ersten Vertrags noch die gemeinsame Erwartung eines solchen künftigen
Vertrags führt dazu, dass ein einheitliches Rechtsgeschäft im Sinne von § 139
BGB vorliegt. Es ist praktisch üblich und wirtschaftlich vernünftig, im Zuge einer
geplanten Übernahme und eines in diesem Zusammenhang abgeschlossenen
BCA bereits die weitere Zukunft und mögliche weitere Unternehmensverträge zu
besprechen. Dies führt nicht zu einer Einheitlichkeit des BCA mit späteren
Verträgen im Sinne von § 139 BGB. Dies gilt hier umso mehr, als die
Durchführung der Übernahme, deren Regelung und Unterstützung das BCA
diente, Voraussetzung für die Ermöglichung eines BGAV war, also auch aus der
Sicht beider Vertragsparteien die Verpflichtungen des BCA bis zum Vollzug der
Übernahme auf jeden Fall und unabhängig von dem späteren erfolgreichen
Abschluss eines BGAV gelten sollten. Dem entsprechend wird in der ersten
Angebotsunterlage (Beiakte K 6) die Prüfung eines BGAV auch nur für den Fall
des erfolgreichen Übernahmeangebots angekündigt, also nach Vollzug der
Übernahme und damit dem Ende der Pflichten aus dem BCA.
67 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der zweiten
Angebotsunterlage vom 28. Februar 2014 (Beiakte K 1) sowie der zugehörigen
Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe dieses Angebots (Beiakte K 3)
ausgeführt wird, dass ein BGAV beabsichtigt ist und derzeit über dessen
Bedingungen verhandelt werde (Beiakte K 1, S. 27, und Beiakte K 3). Zum
Zeitpunkt der Abgabe des zweiten Übernahmeangebots hatte D bereits durch
Zukäufe die für den Abschluss eines BGAV erforderliche Mehrheit von 75 %, war
also auf den Erhalt weiterer Aktien im Wege der Übernahme nicht mehr
angewiesen (Beiakte K 3, S. 1 f.). Dem entsprechend wurde der Abschluss des
BGAV bereits vor Vollzug des zweiten Übernahmeangebots vorbereitet
(Vertragsbericht, Beiakte K 4, Seite 2). Hierdurch entstand aber nicht nachträglich
ein einheitliches Rechtsgeschäft zwischen BCA und BGAV. Im Gegenteil war die
Übernahme, die durch das BCA gefördert werden sollte, für den Abschluss des
BGAV schon nicht mehr relevant, so dass der Abschluss des BGAV von der
Übernahme und den Regelungen des BCA umso mehr unabhängig war.
68 Nicht vergleichbar ist der hier vorliegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt, der
den Entscheidungen des LG München I (NZG 2012, 1152) und des OLG
München (ZIP 2012, 2439, Freigabeverfahren II und ZIP 2012, 773,
Freigabeverfahren I) zu Grunde lag. Dort waren bereits in dem BCA eindeutig die
gemeinsame Absicht des Abschlusses eines BGAV enthalten und das Ende der
Laufzeit des BCA durch Zeitablauf von 18 Monaten oder den Abschluss eines
BGAV bestimmt sowie weitere Regelungen bis zum Abschluss des BGAV
getroffen (im Einzelnen LG München I, NZG 2012, 1152, juris Rn. 5 ff.). Die
Vertragsparteien selbst stellten demnach durch den Inhalt der vertraglichen
Regelungen eine Nähe zwischen beiden Verträgen dar, die das LG München und
das OLG München zu der - aus Sicht des Senats auch in diesem Fall nicht
zwingenden - Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts veranlassten
(kritisch hierzu: Peitsmeyer/Theusinger, EWiR 1/12, 333; König, NZG 2012, 452).
Derartige vertragliche Verknüpfungen von BCA und BGAV fehlen hier.
b.
69 Es kann mithin dahingestellt bleiben, ob das BCA gegen die aktienrechtliche
Kompetenzordnung verstößt. Nur ergänzend weist der Senat darauf hin, dass
das Vorbringen der Antragsgegnerinnen auch insoweit kaum zu überzeugen
vermag:
70 Soweit sich die Antragsgegnerinnen zur Begründung der Nichtigkeit des BCA
darauf stützen, der Vorstand der Antragstellerin habe sich in dem BCA
verpflichtet, sowohl die Übernahme als auch die Konzernintegration durch
Implementierung eines BGAV uneingeschränkt zu unterstützen, ist dies wie oben
ausgeführt unzutreffend. Das BCA ist schon nach seinem eindeutigen
Regelungsgehalt nur auf die Unternehmenszusammenführung durch Abgabe
eines freiwilligen öffentlichen Angebots ausgerichtet. Unzulässige Bindungen im
Hinblick auf einen späteren BGAV enthält das BCA nicht.
71 Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragsgegnerinnen,
wonach die Vorstandssprecherin der Antragstellerin von H einen
Transaktionsbonus in Höhe von 4 Mio. Euro sowie 11,9 Mio. Euro bei einer
Beendigung des Vorstandsdienstvertrags im Falle des Kontrollwechsels und der
damit verbundenen Auszahlung ihrer Bezüge für die Restlaufzeit des Vertrags
erhalten würde (Klagschrift AS 3, Seite 28; Antragserwiderung Seite 23). Eine
unzulässige Verpflichtung des Vorstands im Hinblick auf den BGAV und damit ein
Eingriff in die Kompetenzordnung ergibt sich hieraus nicht. Vielmehr bestand für
den Vorstand weiterhin die Möglichkeit und zugleich Verpflichtung, die
Gesellschaft unter eigener Verantwortung im Sinne von § 76 Abs. 1 AktG zu
leiten und hierbei die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften
Geschäftsleiters anzuwenden (§ 93 Abs. 1 AktG).
72 Auch gegen den Abschluss des BCA dem Grunde nach bestehen keine
Bedenken. Wie sich aus den detaillierten Ausführungen in der gemeinsamen
begründeten Stellungnahme des Vorstands und des Aufsichtsrats gemäß § 27
WpHG (AS 4) ergibt, hat der Vorstand vor Abschluss des BCA alle sonstigen
Optionen geprüft und ist nach sorgfältiger Prüfung zu dem Ergebnis gelangt, dass
die Unternehmenszusammenführung mit K im Interesse der Antragstellerin und
deren Aktionäre liegt. Pflichtverletzungen des Vorstands im Zusammenhang mit
dieser Entscheidung sind weder von den Antragsgegnerinnen konkret
vorgetragen noch ersichtlich. Der nicht näher konkretisierte Vorwurf, der Vorstand
habe die Interessen der außenstehenden Aktionäre nicht beachtet (Klagschrift
AS 3, Seite 18; Antragserwiderung Seite 24), ist unsubstantiiert. Gleiches gilt für
den an mehreren Stellen der Anfechtungsklage und der Antragserwiderung von
den Antragsgegnerinnen erhobenen pauschalen Vorwurf, der Vorstand habe
keine kritische Prüfung vorgenommen (Klagschrift AS 3, Seite 27 ff.;
Antragserwiderung Seite 24), soweit er sich überhaupt auf den Abschluss des
BCA und nicht auf die Prüfung des Übernahmeangebots und des BGAV bezieht,
was für die Frage der Nichtigkeit des BCA keine Rolle spielen würde.
73 Nachdem sich der Vorstand ohne erkennbare Pflichtverletzung dazu entschieden
hatte, die Übernahme durch D grundsätzlich zu befürworten, stellte der Abschluss
des BCA und die grundsätzliche Unterstützung des Übernahmeangebots die
nachvollziehbare Umsetzung dieser unternehmerischen Entscheidung dar. Die in
dem BCA enthaltene grundsätzliche Pflicht, von allen Maßnahmen abzusehen,
die den Erfolg des Übernahmeangebots nachteilig beeinflussen, ist nicht zu
beanstanden, zumal die Pflicht, keine Handlungen vorzunehmen, die den Erfolg
eines Angebots verhindern könnten, in § 33 WpÜG gesetzlich normiert ist. Die
pauschalen Angriffe der Antragsgegnerinnen gegen das BCA und die
pauschalen Behauptungen der Aufgabe der Leitungsmacht gerade auch im
Hinblick auf den BGAV sind demnach nicht geeignet, die Nichtigkeit des BCA zu
begründen. Entscheidend ist allein, ob die Ausgestaltung im Einzelnen und die
einzelnen Reglungen zulässig sind und was ggf. Folge der Unzulässigkeit
einzelner Klauseln wäre (zur Zulässigkeit von BCA und einzelner Klauseln
vgl.m.w.N. Kiem, AG 2009, 301; Fleischer, ZHR 172 (2008), 538; Banerjea, DB
2003, 1489). Dies kann angesichts der offensichtlich fehlenden Einheitlichkeit von
BCA und BGAV aber offen bleiben.
74 Zu 2: anlassbezogene Negativplanung und korrespondierende Mangelhaftigkeit
des Vertragsberichts
75 Ein Anfechtungsgrund wegen anlassbezogener Negativplanung und
korrespondierender Mangelhaftigkeit des Vertragsberichts besteht ebenfalls
offensichtlich nicht.
76 Rügen betreffend die der Unternehmensbewertung zu Grunde liegende Planung
können als Bewertungsrügen keine Anfechtbarkeit begründen (hierzu unter a.).
Auf die Frage, ob eine unzulässige anlassbezogene Negativplanung vorliegt,
kommt es deshalb hier nicht an. Auch liegen weder diesbezügliche Mängel im
Vertragsbericht vor, die eine Anfechtbarkeit begründen könnten (hierzu unter b.),
noch eine Verschleierung der Rolle des Bewertungsgutachters (hierzu unter c.).
a.
77 Nach §§ 304 Abs. 3 S. 2, 305 Abs. 5 S. 1 AktG kann die Anfechtung des
Zustimmungsbeschlusses nicht darauf gestützt werden, dass der Vertrag keinen
angemessenen Ausgleich bzw. keine angemessene Abfindung vorsieht. Der
Anfechtungsausschluss umfasst sämtliche Bewertungsrügen, d.h. alle Rügen, die
die Höhe des Ausgleichs betreffen (vgl. Veil in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 304
Rn. 86; Stephan in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 304 Rn. 110; OLG Düsseldorf,
ZIP 2009, 518, juris Rn. 53). Bewertungsrügen sind im Spruchverfahren bei der
Frage der Angemessenheit von Abfindung und Ausgleich zu prüfen.
78 Die Planung des Vorstands ist wesentliches Element jeder Anteilsbewertung. Auf
ihr gründet die Unternehmensbewertung durch den Bewertungsgutachter. Nach
der zur Bewertung von Unternehmen üblicherweise herangezogenen
Ertragswertmethode sind die den Aktionären künftig zufließenden Erträge zu
schätzen und jeweils mit dem Kapitalisierungszinssatz abzuzinsen sowie um
Sonderwerte zu ergänzen. Die Ermittlung der zukünftigen Ergebnisse erfolgt
dabei allgemein üblich in einem Phasenmodell. Hiernach wird zwischen der
Detailplanungsphase und der Phase der ewigen Rente unterschieden. In der
Detailplanungsphase werden die finanziellen Überschüsse in ihren einzelnen
Komponenten in der Regel jahresweise detailliert geplant bzw. geschätzt,
beruhend auf den Planungsrechnungen des Unternehmens, während in der
Phase der ewigen Rente eine pauschale Weiterentwicklung der finanziellen
Überschüsse erfolgt (vgl. WP-Handbuch 2008, Band II, Rn. 156 ff.).
79 Die den Anteilseignern künftig zufließenden Erträge des betriebsnotwendigen
Vermögens bestimmen sich dabei grundsätzlich nach der
Unternehmensplanung. Bei der gerichtlichen Überprüfung der in der
Unternehmensplanung angesetzten Erträge im Spruchverfahren ist dem
Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich nur um Schätzungen handelt, die auf
Prognosen über künftige Entwicklungen gründen, von denen es nicht nur eine
richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt eintreffen (vgl.
OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274, juris Rn. 137). Planungen und Prognosen sind in
erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für
die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben
auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen zu
beruhen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die
Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre
Planung sei realistisch, darf ihre Annahme nicht durch andere - letztlich ebenfalls
nur vertretbare - Annahmen des Gutachters bzw. Gerichts ersetzt werden (vgl.
OLG Stuttgart, ZIP 2008, 883, juris Rn. 65; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112, juris
Rn. 28; OLG Stuttgart, AG 2010, 510, juris Rn. 106; OLG Stuttgart, ZIP 2012, 133,
juris Rn. 180).
80 Die Überprüfung der Planung unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist eines der
Kernelemente jedes Spruchverfahrens, sofern – wie regelmäßig – die
Unternehmensplanung von den Anteilseignern angegriffen wird. Gerade die
Frage, ob eine unzulässige anlassbezogene Negativplanung vorliegt, ist in
Spruchverfahren regelmäßig relevant und wird dort – zu Recht – von den
Gerichten überprüft.
81 Die Auffassung der Antragsgegnerinnen, die Ermittlung von Abfindung und
Ausgleich auf Grundlage einer anlassbezogenen Negativplanung beruhe auf
einer methodisch fehlerhaften Grundlage, was einen Rechtsverstoß darstelle, der
nicht im Spruchverfahren zu überprüfen sei, sondern die Anfechtbarkeit des
Zustimmungsbeschlusses begründe, ist offensichtlich unzutreffend. Es spielt für
die Frage der Anwendbarkeit des Spruchverfahrens keine Rolle, ob die
Unternehmensplanung von vornherein anlassbezogen bewusst zu negativ war
oder ob einzelne Planungselemente ohne die Absicht einer anlassbezogenen
Negativplanung nicht vertretbar nach o.g. Kriterien waren. Stets ist allein die
Frage, ob die der Unternehmensbewertung zu Grunde gelegte Planung
insgesamt oder zu Einzelfragen vertretbar nach o.g. Kriterien ist oder ob im
Rahmen des Spruchverfahrens Korrekturen erforderlich sind, entscheidend. Dies
gilt umso mehr, als nicht allein die Tatsache einer anlassbezogenen Planung,
sondern nur die bewusste nachteilige Abweichung der anlassbezogenen
Planung von der tatsächlichen Unternehmensplanung oder sonstige nach o.g.
Kriterien zu berücksichtigende Planungsfehler der Neuplanung zu Korrekturen im
Spruchverfahren führen können. Die Anpassung der Planung an neue
Erkenntnisse im Vorfeld einer Unternehmensbewertung ist nicht per se
unzulässig, vielmehr vielfach geboten. Die Planung soll die im Zeitpunkt der
Unternehmensbewertung aus Sicht des Vorstands zutreffende künftige
Entwicklung darstellen, was die Einbeziehung der neusten Entwicklungen
erforderlich macht (vgl. OLG Stuttgart, AG 2013, 724 juris Rn. 162 zur Zulässigkeit
von Planänderungen im Zuge der Bewertung auf Hinweis des
Bewertungsgutachters; OLG Stuttgart, AG 2013, 840, juris Rn. 129).
82 Dem widerspricht die Aussage des OLG Stuttgart in der von den
Antragsgegnerinnen zitierten Entscheidung vom 14.10.2010, wonach
typischerweise gerade dann Grund bestehe, an der Neutralität und Richtigkeit
einer Unternehmensplanung zu zweifeln, wenn diese anlassbezogen zur
Bewertung des eigenen Unternehmens erarbeitet werde (AG 2011, 49, juris Rn.
357), nicht. Auch dort geht das OLG Stuttgart mit der einhelligen Auffassung in
Literatur und Rechtsprechung von der grundsätzlichen Zulässigkeit von
Plananpassungen aus. Dass im konkreten Einzelfall gerade bei
anlassbezogenen Plananpassungen kritisch zu prüfen ist, ob diese
unzulässigerweise nachteilig von der tatsächlichen Unternehmensplanung
abweichen, entspricht allgemeiner Ansicht (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v.
05.03.2012, 21 W 11/11, juris Rn. 25; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh §
11 Rn. 76, 80; Ruiz de Vargas in Bürgers/Körber/Schenk, AktG, 3. Aufl., Anh. §
305 Rn. 27) und ist zutreffend, führt aber nicht dazu, dass eine anlassbezogene
Planung regelmäßig als unzulässige Negativplanung anzusehen wäre. Die
nachteilige Abweichung ist vielmehr an konkreten Elementen der Planung
festzustellen. Die unzulässig negativ von der tatsächlichen Planung
abweichenden Elemente wären dann zu korrigieren, was – wie auch bei
sonstigen aus anderen Gründen unzulässigen Planungen - im Rahmen der
Prüfung der Angemessenheit der Abfindung in Spruchverfahren zu erfolgen hat.
83 Auf die Frage, ob eine unzulässige anlassbezogene Negativplanung im Sinne
einer Abweichung von der tatsächlichen Unternehmensplanung vorliegt, kommt
es in dem Anfechtungsverfahren somit nicht an. Selbst wenn diese vorläge,
begründete dies nicht die Anfechtbarkeit des Zustimmungsbeschlusses.
b.
84 Offensichtlich unbegründet ist auch die Anfechtung der Antragsgegnerinnen mit
dem Argument, der Vertragsbericht lege nicht offen, dass die
Unternehmensbewertung auf einer anlassbezogenen Negativplanung beruhe.
85 Selbst wenn eine unzulässige Negativplanung vorläge und diese im Rahmen
eines Spruchverfahrens korrigiert werden müsste, könnte dies die Anfechtbarkeit
wegen einer Informationspflichtverletzung in dem Vertragsbericht nicht
begründen. Der Argumentation der Antragsgegnerinnen kann aus naheliegenden
Gründen nicht gefolgt werden. Hiernach wird dem Vorstand vorgeworfen, dass er
in seinem Vertragsbericht nicht selbst darauf hingewiesen hat, dass die von ihm
vorgenommene und der Unternehmensbewertung zu Grunde gelegte Planung
fehlerhaft war. Der Vorstand soll also in dem Vertragsbericht auf einen
Bewertungsfehler hinweisen müssen. Der fehlende Hinweis in dem
Vertragsbericht auf einen Bewertungsmangel stellt aber keine
Informationspflichtverletzung dar, die den Vertragsbericht mangelhaft machen
und die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses begründen würde.
Vielmehr ist Kern des Vorwurfs eines Bewertungsmangels wie hier der
behaupteten unzulässigen Negativplanung, dass die Abfindung auf Grund des
Mangels unangemessen ist. Einen darüber hinausgehenden Gehalt hat auch der
Vorwurf, der Vorstand habe nicht über einen Bewertungsfehler informiert, nicht.
Die Rüge eines Bewertungsmangels und die damit zusammenhängende Rüge,
diesen Mangel in dem Vertragsbericht nicht offen gelegt zu haben, sind deshalb
einheitlich als Bewertungsrüge anzusehen, über die in einem Spruchverfahren zu
entscheiden ist.
86 Die von den Antragsgegnerinnen vertretene Gegenauffassung widerspricht dem
eindeutigen gesetzgeberischen Zweck des Spruchverfahrens und der
Ausklammerung von Bewertungsfragen in Anfechtungsverfahren. In dem
Anfechtungsverfahren müsste danach inzident geprüft werden, ob ein
Bewertungsmangel – hier eine fehlerhafte Planung – vorliegt, um feststellen zu
können, ob eine Informationspflichtverletzung über diesen Bewertungsmangel
gegeben ist. Da der Vorstand seine Planung und die darauf aufbauende
Unternehmensbewertung durch den Bewertungsgutachter grundsätzlich für
zutreffend hält und aus diesem Grund seinem Vertragsbericht zu Grunde legt,
wird der Vertragsbericht grundsätzlich nie darauf hinweisen, dass
Bewertungsmängel vorliegen. Würde darin jeweils eine
Informationspflichtverletzung gesehen, führte jeder Bewertungsmangel über
diesen Weg doch zu einer Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses.
Dies ließe für das Spruchverfahren und die Zuweisung von Bewertungsrügen in
das Spruchverfahren keinen Raum.
87 Auf die seit Einführung von § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG umstrittene Frage, ob
Informationsmängel über Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von
Kompensationen außerhalb der Hauptversammlung, also insbesondere in dem
Vertragsbericht, eine Anfechtbarkeit begründen können (hierzu Hüffer, AktG, 11.
Aufl., § 243 Rn. 47 c; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 144 ff),
kommt es nach allem nicht an. Wie ausgeführt kann ein fehlender Hinweis auf
einen Bewertungsmangel nicht als Informationsmangel angesehen und gerügt,
sondern nur als einheitliche Bewertungsrüge im Spruchverfahren berücksichtigt
werden.
88 Auch aus dem weiteren Vorbringen der Antragsgegnerinnen, dass nicht einmal
der Umstand als solcher, nämlich die Plananpassung an sich, im eigentlichen
Vertragsbericht erwähnt sei und die Erwähnung in dem Bewertungsgutachten
nicht transparent genug sei (Klagschrift AS 3, Seite 52; Antragserwiderung Seite
42), folgt keine Anfechtbarkeit. Dem Informationsbedürfnis der Aktionäre genügen
die Ausführungen in dem Bewertungsgutachten auf Seite 52 zur Herleitung und
Erstellung der der Bewertung zu Grunde liegenden Unternehmensplanung.
Hieraus wird deutlich, dass eine Planaktualisierung der Planungsrechnung vom
November 2013 auf Grundlage des im April 2014 durchgeführten Prozesses
strategischer Planung erfolgt war. Die genannten aktuellen negativen Ereignisse,
die beispielhaft als Grund für die Entscheidung für eine Plananpassung genannt
werden, stellen klar, dass eine Anpassung der Planung auch an diese
nachteiligen Entwicklungen erfolgt ist.
89 Wie ausgeführt läge bei einer unzulässigen, nicht der tatsächlichen
Unternehmensplanung entsprechenden Anpassung ein Bewertungsmangel vor,
so dass fehlende Hinweise hierauf in dem Vertragsbericht nicht zur
Anfechtbarkeit führten. Ausgehend von einer an der tatsächlichen
Unternehmensentwicklung ausgerichteten und damit zulässigen Plananpassung
aber waren Details der Anpassung der veralteten Planung für die sachgerechte
Information der Anteilseigner nicht erforderlich. Es kommt nicht darauf an, in
welchem Umfang sich eine frühere Planung überholt hat, sondern ob die aktuelle,
der Unternehmensbewertung zu Grunde liegende Planung die tatsächliche
Planung des Vorstands widerspiegelt, auf zutreffenden Informationen und daran
orientierten realistischen Annahmen beruht und nicht widersprüchlich ist. Es ist
auch nicht entscheidend, ob sich auf Grundlage einer früheren Planung eine
höhere Abfindung ergeben hätte. Entscheidend ist, welche Abfindung sich auf
Grundlage der aktuellen Planung ergibt. Der Hinweis auf die Aktualisierung der
Planung und die nähere Darlegung der aktualisierten Planung genügt damit dem
Informationsinteresse der Anteilseigner.
90 Einer gesonderten Erwähnung der Plananpassung in dem Vertragsbericht
außerhalb des Bewertungsgutachtens bedurfte es nicht. Vielmehr erfolgt die
Erwähnung genau an der Stelle, an der sie zu erwarten ist, nämlich im
Zusammenhang mit der Darlegung, welche Unternehmensplanung der
Unternehmensbewertung zu Grunde gelegt wurde. Der Vertragsbericht fasst –
wie allgemein üblich und nicht zu beanstanden – hinsichtlich der Bemessung von
Abfindung und Ausgleich unter Abschnitt F. nur die Ergebnisse der Bewertung
zusammen und verweist wegen Details der Bewertung auf das
Bewertungsgutachten. Zu solchen Details gehört auch, auf Grundlage welcher
Unternehmensplanung die Bewertung erstellt wurde und wie die Planung im
Einzelnen lautet.
c.
91 Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen auch darauf, der
Hauptversammlungsbeschluss sei wegen Verschleierung der Rolle des
Bewertungsgutachters in dem Vertragsbericht anfechtbar.
92 Zum einen ist in die Mitwirkung der Bewertungsgutachterin Y bei der
Planaktualisierung in dem Bewertungsgutachten auf Seite 52 ausdrücklich offen
gelegt (AS 9). Dies ist ausreichend und genügt dem berechtigten
Informationsbedürfnis der Aktionäre. Die Darlegung erfolgt an der zutreffenden
Stelle, nämlich dort, wo über die Herleitung und Erstellung der der Bewertung zu
Grunde liegenden Unternehmensplanung berichtet wird. Eine Verschleierung der
Rolle der Bewertungsgutachterin liegt nicht vor.
93 Zum anderen bestehen gegen die Unterstützung der Planung durch die
Bewertungsgutachterin keine Bedenken. Im Gegenteil hat der
Bewertungsgutachter die Unternehmensplanung auf Plausibilität zu prüfen, bei
fehlender Plausibilität darauf hinzuweisen (vgl. IDW S 1 2008 Rn. 81) und bei
hierauf erfolgter Planänderung die neue Planung zu Grunde zu legen (vgl. OLG
Stuttgart, AG 2013, 724, juris Rn. 162). Eine Mitwirkung an einer
Planaktualisierung ist in der Praxis üblich und unbedenklich und widerspricht der
Rolle des Bewertungsgutachters nicht. Entscheidend ist allein, dass die Planung
den o.g. Kriterien bei der Überprüfung im Spruchverfahren stand hält. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen der Antragsgegnerinnen, die
Y habe die Unternehmensleitung aktiv beratend dabei unterstützt, eine
bestehende Unternehmensplanung anlassbezogen einseitig zu verschlechtern
und sei hinzugezogen worden, um Verschlechterungspotentiale auszuloten und
umzusetzen (Antragserwiderung Seite 43). Läge – entsprechend dem Vorwurf
der Antragsgegnerinnen – eine unzulässige von der tatsächlichen
Unternehmensplanung abweichende anlassbezogene Negativplanung vor, stellte
dies wie ausgeführt einen Bewertungsmangel dar, der im Spruchverfahren zu
prüfen wäre. Im Falle einer Mitwirkung des Bewertungsgutachters hieran und
eines fehlenden Hinweises hierauf in dem Vertragsbericht gälte nichts anderes
als für den insgesamt fehlenden Hinweis auf die unzulässige anlassbezogene
Negativplanung: Eine Anfechtbarkeit könnte hierauf nicht gestützt werden, da es
sich einheitlich um einen Bewertungsmangel handelt, der sich in verschiedenen
Teilaspekten widerspiegelt.
94 Zu 3: Vorwegnahme einer vertraglichen Beherrschung durch
Vorstandsneubesetzung
95 Auch die Neubesetzung des Vorstands der Antragstellerin durch Beschluss des
Aufsichtsrats vom 22. Mai 2014 mit Wirkung ab 16. Juli 2014 mit zwei
langjährigen Führungskräften von K begründet offensichtlich keine Anfechtbarkeit
des Zustimmungsbeschlusses der Hauptversammlung. Entgegen der Auffassung
der Antragsgegnerinnen liegt in dieser Vorstandsbesetzung keine unzulässige
vorweggenommene Beherrschung, die durch den Hauptversammlungsbeschluss
legalisiert werden sollte, aber rechtlich nicht durfte.
96 Nach § 17 Abs. 2 AktG wird von einem im Mehrheitsbesitz stehenden
Unternehmen vermutet, dass es von dem an ihm mit Mehrheit beteiligten
Unternehmen abhängig ist. Dies führt nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG zur Vermutung
des Vorliegens eines Konzerns. Wesentliches Merkmal eines Konzerns ist die
Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung (§ 18 Abs. 1 S. 1 AktG). Besteht
zwischen dem herrschenden Unternehmen und der abhängigen Gesellschaft
keine Verbindung durch Unternehmensverträge, liegt ein faktischer Konzern vor.
Ein faktischer Konzern ist rechtlich zulässig und wird von dem geltenden
Aktienrecht als zulässige Form der Unternehmensverbindung angesehen (vgl.
BGH NZG 2008, 831, juris Rn. 17). Die abhängige Gesellschaft wird durch die
Regelungen in §§ 311 ff. AktG geschützt, die insbesondere eine Ausgleichspflicht
bei durch das herrschende Unternehmen veranlassten nachteiligen Maßnahmen
sowie besondere Berichts- und Prüfungspflichten vorsehen.
97 Rechtlich zulässig und tatsächlich üblich ist es, dass zwischen herrschenden und
beherrschten Unternehmen personelle Verflechtungen auf Leitungsebene
bestehen und herrschende Unternehmen den Vorstand der abhängigen
Gesellschaft mit eigenen Vorstandsmitgliedern im Wege eines
Vorstandsdoppelmandats oder mit Personen ihres Vertrauens besetzen (zur
Zulässigkeit: BGH ZIP 2009, 1162, juris Rn. 14 f.). Hieraus ergibt sich für die
Vorstandsmitglieder aber trotz der hiermit verbundenen Einflussmöglichkeiten des
herrschenden Unternehmens sowie des mit dem gleichzeitigen Einsatz bei zwei
Gesellschaften verbundenen Loyalitätskonflikts kein Freibrief zu Gunsten der
Konzernspitze, vielmehr haben die Vorstandsmitglieder bei ihren Entscheidungen
die Interessen des jeweiligen Pflichtenkreises wahrzunehmen (BGH ZIP 2009,
1162, juris Rn. 16).
98 Weder die Bildung eines faktischen Konzerns noch die personellen
Verflechtungen auf Vorstandsebene bis hin zu Doppelmandaten führen dazu,
dass bereits ein vorweggenommener BGAV vorliegt. Im Gegenteil ist die Bildung
eines faktischen Konzerns und die einheitliche Leitung dieses Konzerns sowie
die häufig damit verbundene und zulässige personelle Verflechtung auf
Leitungsebene eine von dem geltenden Aktienrecht zugelassene Möglichkeit der
Unternehmensverbindung neben der Unternehmensverbindung durch
Unternehmensverträge. Die beherrschte Gesellschaft wird über die Regelungen
in §§ 311 ff. AktG geschützt. Für die Vorstände der beherrschten Gesellschaft
gelten die Pflichten des § 76 Abs. 1 AktG (vgl. Bürgers/Israel in Bürgers/Körber,
AktG, 3. Aufl., § 76 Rn. 27).
99 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen gegen die Neubesetzung
des Vorstands der Antragstellerin keine Bedenken. Auf Grund der
Mehrheitsbeteiligung der D an der Antragstellerin wird nach § 17 Abs. 2 AktG die
Abhängigkeit der Antragstellerin vermutet. Dies führt nach § 18 Abs. 1 S. 3 AktG
zur Vermutung des Vorliegens eines Konzerns, dessen wesentliches Merkmal
die Zusammenfassung unter einheitlicher Leitung ist (§ 18 Abs. 1 S. 1 AktG). Die
Bestellung von Führungspersonen des K-Konzerns zu Vorständen der
Antragstellerin ist unter diesen Voraussetzungen rechtlich zulässig. Eine faktische
Vorwegnahme des BGAV liegt hierin – wie ausgeführt – nicht. Der Beschluss der
Hauptversammlung über die Zustimmung zu dem BGAV stellt demnach auch
keine nachträgliche Legalisierung einer vorweggenommenen Beherrschung dar.
100 Zu 4: Nichtabstimmung über den Abwahlantrag bezüglich des
Versammlungsleiters
101 Die unterlassene Abstimmung über den Antrag des Aktionärs G auf Abwahl des
Versammlungsleiters berechtigt die Antragsgegnerinnen offensichtlich nicht zur
Anfechtung des Zustimmungsbeschlusses.
102 Die unterlassene Abstimmung über den Abwahlantrag stellt keinen
Verfahrensfehler dar, vielmehr bestand keine Verpflichtung, über diesen Antrag
abzustimmen.
103 Der Versammlungsleiter R war auf Grundlage von § 8 Abs. 1 Satz 1 der Satzung
der Antragstellerin (AS 24) von dem Aufsichtsratsvorsitzenden mit der
Versammlungsleitung betraut, also satzungsmäßig bestimmt.
104 Nach ganz überwiegender und zutreffender Ansicht ist die Abberufung eines
satzungsmäßig bestimmten Versammlungsleiters nur bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes zulässig, insbesondere wenn es der Hauptversammlung auf
Grund schwerwiegender Verfahrensverstöße oder aus ähnlichen, ebenso
gewichtigen Gründen nicht zumutbar gewesen wäre, an der Person des
Versammlungsleiters festzuhalten (vgl. OLG Frankfurt, Urteil v. 02.10.2012, 5 U
10/12, juris Rn. 61; OLG Bremen, AG 2010, 256, juris Rn. 32; OLG Hamburg, AG
2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4).
105 Eine Abstimmung über einen Abwahlantrag setzt zumindest voraus, dass ein
wichtiger Grund in diesem Sinne schlüssig vorgetragen ist (vgl. OLG Bremen, AG
2010, 256, juris Rn. 33 f; OLG Hamburg, AG 2001, 359, juris Rn. 89; Wicke in
Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 4).
106 Einen solchen wichtigen Grund hat der Aktionär G bei seinem Abwahlantrag nicht
vorgetragen. Ausweislich der notariellen Niederschrift über die
Hauptversammlung, die als öffentliche Urkunde vollen Beweis über die
beurkundeten Vorgänge nach § 415 ZPO erbringt (vgl. Reger in Bürgers/Körber,
AktG, 3. Aufl., § 130 Rn. 2; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 130 Rn. 2), hat der Redner G
zunächst seinen Protest gegen die Redezeitbeschränkung erklärt und sodann
den Antrag auf Abwahl des Versammlungsleiters wegen offensichtlicher
Unfähigkeit und Überforderung gestellt. Er hat danach in Aussicht gestellt, den
Antrag zurückzunehmen, wenn der Versammlungsleiter die
Redezeitbeschränkung zurücknehme.
107 Diese protokollierte Begründung des Abwahlantrags durch den Aktionär G enthält
keinen schlüssigen Vortrag eines wichtigen Grundes für die Abwahl des
Versammlungsleiters. Zu Recht und ohne Verfahrensfehler hat der
Versammlungsleiter diesen Antrag deshalb nicht zur Abstimmung gestellt.
108 Dies gilt zum einen hinsichtlich der gerügten Redezeitbeschränkung. Allein die
Tatsache einer Redezeitbeschränkung stellt keinen wichtigen Grund für eine
Abwahl des Versammlungsleiters dar, so dass auch der reine Bezug auf die
erfolgte Redezeitbeschränkung keinen schlüssigen Vortrag eines wichtigen
Grundes enthält.
109 Grundsätzlich sind Redezeitbeschränkungen in der Hauptversammlung sowohl
auf Grundlage einer Satzungsermächtigung nach § 131 Abs. 2 Satz 2 AktG als
auch auf Grundlage eigenen Rechts des Versammlungsleiters zulässig (vgl. BGH
ZIP 2010, 575, juris Rn. 29; so auch der Gesetzgeber in der Begründung des
UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 17). Es gehört zu den Aufgaben des
Versammlungsleiters, für eine sachlich erschöpfende, gleichzeitig aber auch im
Interesse aller Aktionäre zeitlich angemessene Abwicklung der
Hauptversammlung Sorge zu tragen. Dabei sollte eine normale
Hauptversammlung, in der keine tiefgreifenden unternehmensstrukturellen
Maßnahmen zu erörtern sind, in vier bis sechs Stunden abgewickelt sein,
während bei darüber hinausgehendem Inhalt eine Abwicklung zumindest an
demselben Tag, an dem die Hauptversammlung begonnen wurde, erfolgen sollte
(vgl. für die Dauer einer normalen HV: BT-Drucks. 15/5092, S. 17; BGH ZIP 2010,
juris Rn. 29; für die Dauer auch bei schwierigeren Themen: Wicke in
Spindler/Stilz, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 9: an demselben Tag und nicht über 12
Stunden; ebenso Kubis in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., 2013, § 121 Rn.
35 und 38; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 121 Rn. 17). Eine Beschränkung der
Redezeit mit dem Ziel, eine zeitlich angemessene und sachbezogene
Abwicklung der Hauptversammlung zu gewährleisten, ist grundsätzlich zulässig.
Bei einer generellen Redezeitbeschränkung ist eine Beschränkung auf 10 bis 15
Minuten pro Redner und zu einem späteren Zeitpunkt 5 Minuten regelmäßig
zulässig (vgl. Kubis in Münchener Kommentar AktG, § 119 Rn. 166; Wicke in
Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Anh. § 119 Rn. 11; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 129 Rn.
29). In jedem Fall hat der Versammlungsleiter sich an dem Gebot der
Sachdienlichkeit zu orientieren sowie das Gleichbehandlungsgebot und das
Verhältnismäßigkeitsprinzip zu wahren und darf nur Maßnahmen anordnen, die
zur sachgemäßen Erledigung der Geschäfte der Hauptversammlung notwendig
sind. Das Ermessen des Versammlungsleiters ist unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände der Hauptversammlung pflichtgemäß auszuüben (vgl. BGH
ZIP 2010, 575, juris Leitsatz 3 und Rn. 16).
110 Auf dieser Grundlage bestehen gegen die von dem Versammlungsleiter
ausgesprochene Redezeitbeschränkung keine Bedenken. Diese war
offensichtlich zulässig. Die Redezeitbeschränkung erfolgte ausweislich der
Niederschrift über die Hauptversammlung (AS 17) um 15.13 Uhr, also zu einem
Zeitpunkt, zu dem die um 10 Uhr eröffnete Hauptversammlung bereits mehr als 5
Stunden und die um 11.46 Uhr eröffnete Generaldebatte bereits beinahe 3,5
Stunden andauerte. Ausweislich der als AS 19 vorgelegten Auswertung waren
zum Zeitpunkt der Redezeitbeschränkung bereits 216 Fragen gestellt, wovon 92
noch in Bearbeitung waren. Bis zum Ende der Generaldebatte wurden insgesamt
416 Fragen gestellt. Auf Grundlage der bereits gestellten Fragen, der bereits
laufenden Dauer der Generaldebatte und zu diesem Zeitpunkt noch offener
Wortmeldungen musste der Versammlungsleiter davon ausgehen, dass noch
eine erhebliche Zahl weiterer Fragen gestellt würden und zu beantworten wären.
Die Einschätzung des Versammlungsleiters, dass eine angemessene Dauer der
Hauptversammlung nur bei Beschränkung der Redezeit auf 10 Minuten zu
erreichen war, war nachvollziehbar und begründet. Ermessensfehler sind nicht
ersichtlich und auch nicht dargetan. Ein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass die
Generaldebatte trotz der angeordneten Redezeitbeschränkung noch bis 21.03
Uhr dauerte und die Hauptversammlung erst um 22.06 Uhr geschlossen wurde,
bestätigt auch im Nachhinein die Erforderlichkeit der Redezeitbeschränkung.
111 Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen darauf, dass der Abwahlantrag
deshalb hätte zur Abstimmung gestellt werden müssen, weil der Aktionär G zur
Begründung des Abwahlantrags im Hinblick auf die Redezeitbeschränkung
ausgeführt habe, dass der Versammlungsleiter die Begrenzung der Rede- und
Fragezeit der Aktionäre zu einem deutlich zu frühen Zeitpunkt am Nachmittag
vorgenommen habe, überhaupt keine nachvollziehbare Begründung für eine
Redezeitbegrenzung gegeben habe (Klagschrift AS 3, Seite 56) und nicht
mitgeteilt habe, wie viele Redner sich bis zu diesem Zeitpunkt noch angemeldet
hätten und warum unter diesen Umständen eine Redezeitbegrenzung überhaupt
erwägenswert sei (Klagschrift AS 3, Seite 39; Antragserwiderung Seite 46).
Abgesehen davon, dass sich derartige Ausführungen des Aktionärs G zur
Begründung des Abwahlantrags nicht in der notariellen Niederschrift über die
Hauptversammlung sowie der stenographischen Mitschrift der mit den Fragen-
und Antragsaufnahmen betrauten Stenographen (Ak 41) finden, läge auch in
einer derartigen Begründung kein schlüssiger Vortrag eines wichtigen Grunds zur
Abwahl des Versammlungsleiters. Wie ausgeführt war die Begrenzung der
Redezeit angesichts der bereits über 3,5 Stunden andauernden Generaldebatte
ohne absehbares Ende und der Vielzahl der bereits gestellten Fragen sowie noch
offener Wortmeldungen offensichtlich sachgerecht und ermessensfehlerfrei. Im
Hinblick auf die offensichtlich sachgerechte Beschränkung der Redezeit war auch
allein die Behauptung des Aktionärs G, die Redezeitbeschränkung sei zu früh
und ohne Bedürfnis vorgenommen worden, nicht ausreichend für eine schlüssige
Behauptung eines wichtigen Grundes.
112 Erst Recht keine schlüssige Darlegung eines wichtigen Grundes ergibt sich aus
dem Vortrag der Antragsgegnerinnen in der Antragserwiderung, wonach nicht die
Redezeitbeschränkung als solche, sondern nur die unterlassene Mitteilung, wie
viele Redner sich noch auf der Rednerliste befanden, zu dem Antrag auf Abwahl
geführt habe, womit der Antrag begründet worden sei (Antragserwiderung Seite
46). Es ist schon nicht ersichtlich, dass vor dem unmittelbar auf die
Redezeitbeschränkung folgenden Abwahlantrag überhaupt Fragen zur Anzahl
der Redner gestellt worden wären, deren Nichtbeantwortung Anlass für den
Abwahlantrag gewesen sein könnte. Abgesehen davon stellt die Begründung des
Versammlungsleiters für die Einführung der Redezeitbeschränkung – nämlich
Zahl der Redner, Vielzahl der gestellten umfangreichen Fragen sowie offenen
Wortmeldungen (Niederschrift AS 17, Seite 14 und 15) – eine ausreichende und
für die Aktionäre nachvollziehbare Begründung der Redezeitbeschränkung dar,
zumal diese Gründe für alle Teilnehmer der Hauptversammlung offen auf der
Hand lagen. Konkretere Angaben des Versammlungsleiters hierzu, insbesondere
die genaue Zahl der noch auf der Rednerliste befindlichen Redner, waren nicht
erforderlich. Selbst wenn diese gefordert würden, läge darin, dass der
Versammlungsleiter keine noch weitergehende Begründung der
Redezeitbeschränkung gegeben hat und die Anzahl der Redner auf der
Rednerliste trotz Nachfrage nicht mitteilte, offensichtlich kein schwerwiegender
Fehler im Sinne eines wichtigen Grundes, der eine Abwahl auch nur annähernd
begründen könnte. Die Begründung des Antrags damit, dass die Zahl der Redner
nicht genannt worden sei, stellte demnach offensichtlich keine schlüssige
Behauptung eines wichtigen Grundes für die Abwahl dar und gab keinen Anlass,
den Antrag zur Abstimmung zu stellen.
113 Auch mit den zur Begründung des Abwahlantrags vorgebrachten unspezifizierten
Schlagworten wie „offensichtlicher Unfähigkeit und Überforderung“ liegt keine
hinreichende schlüssige Darlegung eines wichtigen Grunds vor. Hierzu hätten
konkrete Tatsachen vorgetragen werden müssen, die den Schluss auf die
behauptete Unfähigkeit zuließen (vgl. OLG Hamburg, AG 2001, 359, juris Rn. 89).
Eine Konkretisierung der behaupteten Unfähigkeit ist in der Hauptversammlung
im Zuge des Abwahlantrags aber nicht erfolgt. Gleiches gilt für die von den
Antragsgegnerinnen behauptete Begründung des Aktionärs G, der
Versammlungsleiter sei zu unerfahren, würde aus vorformulierten Sprechzetteln
ablesen und zeige sich insgesamt sehr unsicher und nicht in der Lage, eine
Versammlung souverän zu leiten. Das Ablesen von Sprechzetteln ist angesichts
des Umfangs und der Vielzahl der Themen einer Hauptversammlung üblich und
nicht zu beanstanden. Die Tatsache, dass der Versammlungsleiter erstmals
diese Aufgabe übernimmt, stellt ebenfalls offensichtlich keinen wichtigen Grund
für dessen Abwahl dar. Die Vorwürfe, er sei unsicher und nicht souverän, sind
pauschale Aussagen, die für eine schlüssige Darlegung eines wichtigen Grundes
nicht genügen.
114 Zu 5: Unzureichende Auskunftserteilung in der Hauptversammlung
115 Ein Anfechtungsgrund ergibt sich auch nicht wegen fehlender oder
unzureichender Beantwortung von Fragen in der Hauptversammlung. Die
diesbezüglichen Rügen der Antragsgegnerinnen sind offensichtlich unbegründet.
Auch die diesbezüglichen Rügen des Nebenintervenienten des
Anfechtungsverfahrens führen offensichtlich nicht zum Erfolg.
a.
116 Nach § 131 Abs. 1 S. 1 AktG ist jedem Aktionär auf Verlangen in der
Hauptversammlung von dem Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der
Gesellschaft zu geben, soweit sie zur sachgerechten Beurteilung des
Gegenstands der Tagesordnung erforderlich ist. Ist Gegenstand der
Tagesordnung ein Unternehmensvertrag, ist jedem Aktionär nach § 293 g Abs. 3
AktG in der Hauptversammlung Auskunft auch über alle für den Vertragsschluss
wesentlichen Angelegenheiten des anderen Vertragsteils zu geben. Nach § 243
Abs. 4 S.1 AktG kann wegen unrichtiger, unvollständiger oder verweigerter
Erteilung der Information nur angefochten werden, wenn ein objektiv urteilender
Aktionär die Erteilung der Information als wesentliche Voraussetzung für die
sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte
angesehen hätte.
117 Voraussetzung eines Auskunftsrechts der Aktionäre ist somit, dass die Auskunft
aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs zur Beurteilung des Gegenstands
der Tagesordnung erforderlich bzw. die Information in diesem Sinne wesentlich
ist. Die Begriffe „erforderlich“ in § 131 Abs. 1 AktG und „wesentlich“ in § 243 Abs.
4 S. 1 AktG sowie § 293 g Abs. 3 AktG sind inhaltsgleich: Auskünfte, die aus der
Sicht eines objektiven Durchschnittsaktionärs zur sachgemäßen Beurteilung
eines Gegenstands der Tagesordnung nicht erforderlich sind, können aus Sicht
eines objektiv urteilenden Aktionärs für die sachgerechte Wahrnehmung seiner
Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte bei der Beschlussfassung zu diesem
Tagesordnungspunkt nicht wesentlich sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris
Rn. 524; Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 251 und Veil in
Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 293 g Rn. 8). Soweit im Folgenden der Begriff
Erforderlichkeit im Sinne von § 131 Abs. 1 Satz 1 AktG verwendet wird, ist damit
zugleich die Wesentlichkeit im Sinne von § 243 Abs. 4 S. 1 AktG und § 293 g
Abs. 3 AktG angesprochen.
118 Maßstab für die Erforderlichkeit bzw. Wesentlichkeit einer Auskunft ist die Sicht
eines objektiv urteilenden Durchschnittsaktionärs, der die
Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt
und daher die begehrte Auskunft als wesentliches Beurteilungselement benötigt
(vgl. BGH WM 2014, 618, juris Rn. 26; BGHZ 160, 385, juris Rn. 9; BGHZ 180, 9
juris Rn. 39; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 510). Hierdurch wird der
Auskunftsanspruch des Aktionärs sowohl in quantitativer und qualitativer Hinsicht
als auch in Bezug auf seinen Detaillierungsgrad begrenzt (BGH WM 2014, 618,
juris Rn. 26; BGHZ 180, 9, juris Rn. 39).
119 Nicht jede marginale Information ist in diesem Sinne zur Beurteilung eines
Beschlussgegenstandes erforderlich. Vielmehr muss somit eine gewisse
Maßgeblichkeitsschwelle überschritten sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377,
juris Rn. 356; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 511; Siems in Spindler/Stilz,
AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 28; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 11;
Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 34. Aufl., § 131 Rn. 38; ähnlich Decher in
Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 144 [„wesentliches Element für die
Beurteilung“]; ebenso Spindler in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 30;
Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243 Rn. 250 [Ausscheiden
„unerheblicher“ Informationen]). Das Auskunftsrecht des § 131 AktG dient nicht
der allgemeinen Kontrolle der Verwaltung durch die Aktionäre, sondern nur der
sachgerechten Ausübung der Mitgliedschaftsrechte im Zusammengang mit der
konkreten Tagesordnung (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 355;
Decher in Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 245).
120 Soweit die Verletzung des Auskunftsrechts im Rahmen der Anfechtung eines
Hauptversammlungsbeschlusses geltend gemacht wird, kann nur die
unzureichende Erteilung von Auskünften gerügt werden, die gerade zur
sachgemäßen Beurteilung des Gegenstands der Tagesordnung erforderlich
waren, zu dem der angefochtene Beschluss gefasst wurde (vgl. OLG Stuttgart,
AG 2011, 73, juris Rn. 507).
121 Auf unrichtige, unvollständige oder unzureichende Information in der
Hauptversammlung über die Ermittlung, Höhe oder Angemessenheit von
Ausgleich, Abfindung, Zuzahlung oder über sonstige Kompensationen kann eine
Anfechtungsklage nicht gestützt werden (§ 243 Abs. 4 Satz 2 AktG).
122 Inhaltlich hat die Auskunft nach § 131 Abs. 2 Satz 1 AktG den Grundsätzen einer
gewissenhaften und getreuen Rechenschaft zu entsprechen. Sie muss demnach
vollständig und sachlich zutreffend sein (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris
Rn. 397 und 405; OLG Stuttgart AG 2011, 73, juris Rn. 606). Ob der Gegenstand
der Frage vollständig beantwortet wurde, bestimmt sich nach dem
Detaillierungsgrad der Frage, wobei die Antwort umso weniger konkret ausfallen
muss je pauschaler die Frage gestellt wird (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris
Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011, 73, juris Rn. 607 m.w.N.). Besteht das
Informationsbedürfnis des Aktionärs danach fort, muss er dies durch eine
erneute, detailliertere Frage kundtun (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn.
400; OLG Stuttgart, AG 2005, 94, juris Rn. 47; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 131 Rn.
21; Reger in Bürgers/Körber, AktG, 3. Aufl., § 131 Rn. 17; Spindler in
Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 63).
123 Der Auskunftsanspruch des Aktionärs wird nur durch eine sachlich zutreffende
Auskunft erfüllt (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart,
AG 2011, 73, juris Rn. 527; Kubis in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 131
Rn. 73 und 69; Siems in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 131 Rn. 69). Richtet sich
die Frage auf eine subjektive Einschätzung des Vorstands, kann diesem jedoch
nicht entgegen gehalten werden, die von ihm dazu erteilte Auskunft sei objektiv
falsch (vgl. OLG Stuttgart, AG 2012, 377, juris Rn. 400; OLG Stuttgart, AG 2011,
73, juris Rn. 571). Kann man über die Richtigkeit einer Aussage geteilter Meinung
sein, so genügt der Vorstand seiner Auskunftspflicht im Übrigen grundsätzlich,
wenn er die nach seiner Auffassung richtige Auskunft erteilt (Decher in
Großkommentar, AktG, 4. Aufl., § 131 Rn. 246).
124 Nach allgemeinen Grundsätzen obliegen dem klagenden Aktionär die Darlegung
und gegebenenfalls der Beweis sämtlicher Umstände, die die Anfechtbarkeit des
Beschlusses begründen. Hierzu gehört grundsätzlich auch die Verletzung einer
Informationspflicht, so dass der klagende Aktionär insbesondere die Beweislast
für die Erforderlichkeit der Auskunft und grundsätzlich auch für die Unrichtigkeit
oder Unvollständigkeit der Auskunft trägt (vgl. Würthwein in Spindler/Stilz, 2. Aufl.,
§ 243 Rn. 264 ff.; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 144
f.). Im Hinblick auf die größere Sachnähe der Gesellschaft betreffend Sachfragen,
die sich in ihrer Sphäre abspielen, können insbesondere in Bezug auf die
Unrichtigkeit einer Auskunft die Grundsätze der sekundären Darlegungslast
Anwendung finden. Diese entbinden allerdings nicht von der Verpflichtung zu
schlüssigem Vortrag, weshalb die Anfechtungskläger ihrer Darlegungslast nicht
schon durch schlichte Behauptungen genügen. Statt dessen haben sie
zumindest ernsthafte Anhaltspunkte für die von ihnen behauptete Unrichtigkeit
einer Auskunft aufzuzeigen (vgl. Würthwein in Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., § 243
Rn 265; Hüffer in Münchener Kommentar AktG, 3. Aufl., § 243 Rn. 148).
b.
125 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen keine Anfechtungsgründe
im Zusammenhang mit dem Auskunftsverlangen und der Auskunftserteilung in
der Hauptversammlung. Ohne Erfolg berufen sich die Antragsgegnerinnen
darauf, dass vier Fragen nicht oder unzureichend beantwortet worden seien.
126 Zu Frage Nr. 130 (Anlage 10 zur Niederschrift der Hauptversammlung)
127 Die Beantwortung der Frage
128 „Welche Anpassungen des Aktienkaufvertrages mit F H & Cie GmbH erfolgten
am 23. Januar 2014 objektiv oder zumindest nach Kenntnis des Vorstands?“
129 mit
130 „Bitte habe Sie Verständnis, dass X an diesem Aktienkaufvertrag nicht beteiligt
war. Daher möchten wir dazu nicht weiter Stellung nehmen.“
131 begründet kein Anfechtungsrecht der Antragsgegnerinnen. Die begehrte
Auskunft ist nicht erforderlich im Sinne von § 131 Abs. 1 AktG bzw. „wesentlich“
im Sinne von § 243 Abs. 4 S. 1 AktG sowie § 293 g Abs. 3 AktG. Die Frage betrifft
nicht die Umstände und Hintergründe des BGAV und nicht für den
Unternehmensvertrag wesentliche Angelegenheiten der D, sondern nur die
Umstände des Erwerbs der Mehrheit durch D und hier den Teilaspekt des
Erwerbs des Aktienpakets von dem bisherigen Mehrheitsaktionär. Diese
Umstände spielten für einen objektiv urteilenden Aktionär im Zeitpunkt der
Entscheidung über die Zustimmung zu dem BGAV keine bedeutende Rolle. Die
Tatsache, dass D die Mehrheit von über 75 % der Stimmrechte erworben hatte,
war allen Aktionären bekannt. Auch die Tatsache, dass die Mehrheitsbeteiligung
von dem bisherigen Mehrheitsaktionär erworben wurde, war allen Aktionären
bekannt. An der Wirksamkeit dieses Erwerbs von H und dem Erwerb der Mehrheit
insgesamt bestehen keine Zweifel. Nur hierauf kommt es für die Beurteilung der
Wirksamkeit des BGAV an. Auf welche Weise, von wem und zu welchen
Bedingungen D diese Mehrheit – wirksam – erworben hat, ist in diesem
Zusammenhang grundsätzlich nicht relevant.
132 Auch die Antragsgegnerinnen legen keine konkreten Umstände dar, aus denen
sich die Erheblichkeit der begehrten Auskunft für einen objektiv urteilenden
Aktionär ergeben könnte. In der Klagschrift behaupten sie hierzu lediglich, die
Frage, wie D die Mehrheit erworben habe, sei „essentiell“ und eine „wesentliche
Angelegenheit“ (Klagschrift AS 3, Seite 60). Eine Begründung hierfür folgt nicht.
Auch die Begründung der Antragsgegnerinnen in der Antragserwiderung dafür,
dass die Kenntnis der Veränderung der Bedingungen des H-Aktienkaufvertrags
ein wesentliches Beurteilungselement darstellt, überzeugt nicht. Es ist weder
ersichtlich noch vorgetragen, dass die Aktionäre aus der Kenntnis der Änderung
der Bedingungen des Aktienkaufvertrags für den BGAV bedeutsame
Informationen erhalten könnten. Soweit sich die Antragsgegnerinnen darauf
beziehen, dass sich hieraus Rückschlüsse auf die Angemessenheit der
angebotenen Ausgleichs- und Abfindungsleistungen ergeben könnten, vermag
der Senat dies nicht nachzuvollziehen. Für die Höhe der Ausgleichs- und
Abfindungsleistung ist der im Zeitpunkt des Hauptversammlungsbeschlusses
bestehende Wert des Anteils maßgeblich. Ein vorangegangener Paketpreis für
den Erwerb der Mehrheit spiegelt diesen Anteilswert nicht wider. Für die Aktionäre
ist entscheidend, ob der Anteilswert im Beurteilungszeitpunkt zutreffend
bemessen wurde, was sie anhand des ihnen vorgelegten Bewertungsgutachtens
nachvollziehen können. Abgesehen davon könnte eine Anfechtbarkeit hierauf
schon wegen § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht gestützt werden.
133 Auch ergibt sich ein Auskunftsanspruch entgegen der Ansicht der
Antragsgegnerinnen nicht deshalb, weil sich aus der Kenntnis der
Veränderungen des H-Aktienkaufvertrags Rückschlüsse auf die
Berücksichtigung der Interessen der außenstehenden Aktionäre im Rahmen der
Gesamttransaktion und die Rechtstreue des beherrschenden Unternehmens
ergeben könnten (so Antragserwiderung Seite 49). Es ist schon nicht ersichtlich,
wie sich aus der Kenntnis der Änderungen des Kaufvertrags über die
Anteilsmehrheit – einem Kaufvertrag zwischen D und der bisherigen
Mehrheitsaktionärin - derartige Rückschlüsse ergeben sollen, die für die
Beurteilung der Zustimmung zu dem BGAV bedeutsam wären. Abgesehen davon
besteht das Auskunftsrecht grundsätzlich nur bezüglich der für den konkreten
Unternehmensvertrag wesentlichen Umstände. Details vorangegangener
Transaktionen gehören hierzu in der Regel nicht. Informationen über
vorangegangene Rechtsgeschäfte und Transaktionen können auch nicht mit
dem Argument, die Rechtstreue und die Einhaltung gesetzlicher
Schutzvorschriften zu Gunsten der Minderheit prüfen zu wollen, verlangt werden.
Dies führte zu einer nicht dem Sinn und Zweck des Auskunftsrechts
entsprechenden beliebigen Ausdehnung des Auskunftsrechts auf
vorangegangene Transaktionen, da das Argument der Prüfung der Rechtstreue
des Vertragspartners sich beliebig auf alle vorangegangenen Transaktionen
ausdehnen ließe. Ob im Einzelfall etwas anderes gelten kann, wenn konkrete
Anhaltspunkte für gravierende vorangegangene Rechtsverstöße vorlägen, die bei
einem objektiv urteilenden Aktionär zu einer Verneinung der Zusammenarbeit im
Wege eines Unternehmensvertrags führen könnten, kann dahingestellt bleiben,
weil nicht ersichtlich oder vorgetragen ist, dass sich aus den Änderungen des
Kaufvertrags derartige gravierende Verstöße ergeben könnten.
134 Mangels Erforderlichkeit der Auskunft über die Veränderungen des H-
Kaufvertrags stellt sich die Frage nach einer Kenntnis oder
Informationsbeschaffungspflicht des Vorstands nicht, so dass die
diesbezüglichen Streitpunkte zwischen den Parteien keiner Entscheidung
bedürfen.
135 Zu Frage 141 (Anlage 10 zur Niederschrift der Hauptversammlung).
136 Die Beantwortung der Frage
137 „Besteht nach Auffassung des Vorstands ein Zusammenhang zwischen dem
Erfolg des zweiten Übernahmeangebots zu dem Verkauf der
Wandelschuldverschreibungen durch E?
138 Wäre die Übernahme nach Auffassung des Vorstands auch ohne die Zuzahlung
von E im Rahmen des Wandelschuldverschreibungskaufvertrags erfolgreich
durchgeführt wurden?“
139 mit
140 „Wie bereits mehrfach ausgeführt, waren wir in die Vereinbarungen mit E nicht
eingebunden. Wir können dazu nur sagen, dass bei dem zweiten
Übernahmeangebot die Transaktionssicherheit gewährleistet war und daher der
Vorstand zu der Überzeugung gelangt ist, dass das zweite Übernahmeangebot
im besten Interesse der Aktionäre ist.“
141 begründet ebenfalls kein Anfechtungsrecht der Antragsgegnerinnen.
142 Auf die Frage, ob hinsichtlich des ersten Teils der Frage schon deshalb kein
Anfechtungsrecht mehr besteht, weil dieser Teil in der Hauptversammlung nicht
als unzureichend oder nicht beantwortet gerügt wurde trotz Aufforderung seitens
des Versammlungsleiters zu entsprechenden Rügen, kommt es hier nicht an.
Hinsichtlich beider Teile der Frage fehlte es bereits an einer Erforderlichkeit bzw.
Wesentlichkeit der Auskunft aus Sicht eines objektiv urteilenden Aktionärs für die
Entscheidung über die Zustimmung zu dem BGAV. Auch diese Fragen beziehen
sich darauf, wie D die für den Abschluss des BGAV erforderliche Mehrheit
erworben hat, konkret dazu, wie der Vorstand die Bedeutung des Verkaufs der
Wandelschuldverschreibungen durch E und die Bedeutung der Zuzahlung an E
für den Erfolg des zweiten Übernahmeangebots einschätzt. Es gilt auch hier
entsprechend der obigen Ausführungen, dass diese Auskunft zur sachgerechten
Entscheidung über die Zustimmung zu dem BGAV nicht erforderlich war. Weder
spielt insoweit die Einschätzung des Vorstands über den Zusammenhang
zwischen dem Erfolg des zweiten Übernahmeangebots und dem Verkauf der
Wandelschuldverschreibungen eine Rolle noch die Einschätzung des Vorstands,
ob die Übernahme auch ohne die Zuzahlung erfolgreich abgeschlossen worden
wäre.
143 Die weitere Begründung der Antragsgegnerinnen, dass „die von dem Vorstand
beschworene Transaktionssicherheit“ bei der Frage der Beurteilung des
Vorliegens der Voraussetzungen des BGAV für die Aktionäre nicht weniger
wichtig seien (Klagschrift AS 3, Seite 61), überzeugt nicht. Der Vorstand hatte sich
bei Beantwortung der Frage auf die Transaktionssicherheit bezüglich der
„Transaktion Übernahme“ bezogen. Die Transaktionssicherheit bezüglich der
zum Zeitpunkt der Hauptversammlung bereits längst durchgeführten und
abgeschlossenen Übernahme spielt für die Entscheidung über die Zustimmung
zu dem BGAV keine Rolle mehr.
144 Zu Frage 164 (Anlage AS 27)
145 Die Beantwortung der Frage
146 „Existieren seitens D Rechtsgutachten mit Blick auf die Zulässigkeit der
Transaktion? Wenn ja, wer hat diese Gutachten erstellt? Bitte legen Sie diese
vor.“
147 mit
148 „Wir haben keine Informationen über Rechtsgutachten, die D möglicherweise
eingeholt hat.“
149 begründet ebenfalls kein Anfechtungsrecht der Antragsgegnerinnen. Unabhängig
von der Frage des Verlusts des Anfechtungsrechts mangels Rüge in der
Hauptversammlung besteht auch insoweit keine Erforderlichkeit der Auskunft. Die
Begründung der Antragsgegnerinnen überzeugt nicht. Weder ist ersichtlich, wie
sich aus der Information über die Einholung von Rechtsgutachten durch D
Rückschlüsse auf die Einhaltung des Minderheitenschutzes im Rahmen des
Beteiligungserwerbs ergeben sollen, noch ist ersichtlich, warum diese Auskunft
für die Beurteilung der Zustimmung zu dem BGAV für einen objektiv urteilenden
Aktionär erforderlich sein sollte.
150 Zu Frage 172 (Anlage AS 26)
151 Die Beantwortung der Frage
152 „Welche Gespräche wurden von Vertretern von D mit der BaFin im Hinblick auf
das zweite Übernahmeangebot geführt? War der Vorstand der X AG dabei
involviert oder wurden diese isoliert geführt? Wann haben diese stattgefunden
und mit welchen Teilnehmern und welchem Inhalt?“
153 mit
154 „Wir haben an Gesprächen zwischen der BaFin und D beziehungsweise deren
Beratern nicht teilgenommen. Die Rechtsberater der D haben uns aber bereits
im Vorfeld des Abschlusses des BCA am 24. Oktober 2013 mitgeteilt, dass sie
mit der BaFin gesprochen hatten und die BaFin zu dem Ergebnis gekommen ist,
dass ein Kauf bereits ausgegebener Wandelschuldverschreibungen keinen
Vorerwerb im Sinne der übernahmerechtlichen Mindestpreisvorschriften im
Hinblick auf Aktien der selben Gesellschaft darstellt. Unsere Rechtsberater
haben ebenfalls mit der BaFin gesprochen und gleichfalls die Auskunft erhalten,
dass die BaFin einen Erwerb bereits ausgegebener
Wandelschuldverschreibungen nicht als mindestpreisrelevanten Vorgang
ansieht.
155 Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir darüber hinaus zu Gesprächen, die
D möglicherweise mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
geführt hat, nichts sagen können.“
156 begründet ebenfalls kein Anfechtungsrecht der Antragsgegnerinnen. Unabhängig
von der Frage des Verlusts des Anfechtungsrechts mangels Rüge in der
Hauptversammlung fehlt insoweit jeder Vortrag der Antragsgegnerinnen zur
Erforderlichkeit einer derartigen Auskunft ebenso wie dazu, aus welchen Gründen
diese Auskunft unzutreffend oder unzureichend sein sollte.
c.
157 Auch die von dem Nebenintervenienten des Anfechtungsverfahrens
vorgebrachten weiteren Rügen, zwei von ihm gestellte Fragen seien nicht
beantwortet worden (Nebeninterventionsschrift, AS 35), haben offensichtlich
keine Erfolgsaussichten.
158 Die Rügen sind bereits nach § 246 Abs. 1 AktG präkludiert, da sie nicht innerhalb
eines Monats nach der Beschlussfassung erhoben wurden. Nach § 246 Abs. 1
AktG genügt es nicht, dass innerhalb der Frist des § 246 Abs. 1 AktG Klage
erhoben wird. Vielmehr müssen innerhalb dieser Frist auch die Gründe, auf
welche die Anfechtung gestützt wird, in den Rechtsstreit einführt und zumindest in
ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern dargelegt werden (BGHZ 120, 141, juris
Rn. 42 m.w.N.; BGH, ZIP 2005, 706, juris Rn. 17; BGH, NZG 2010, 618, juris Rn.
3; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26 m.w.N.). Die Tatsachen, auf die die
Anfechtungsklage gestützt wird, müssen so vorgetragen sein, dass der
Streitgegenstand individualisiert und von anderen Anfechtungsgründen
abgrenzbar ist (vgl. Dörr in Spindler/Stilz, AktG., 2. Aufl., § 246 Rn. 19). Gründe,
die nicht in ihrem Kern bereits innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1
AktG vorgebracht wurden, sind präkludiert und können somit auch nicht mehr
nachgeschoben werden (vgl. Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 26 mwN).
159 Die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses wegen
Informationspflichtverletzungen setzt die konkrete Angabe der angeblich in der
Hauptversammlung nicht beantworteten Fragen innerhalb der Frist des § 246
Abs. 1 AktG voraus (vgl. BGH AG 2009, 285, Leitsatz 6 und Rn. 34). Wird die
Unrichtigkeit einer erteilten Antwort gerügt, muss auch die Antwort, die der
Anfechtungskläger für unrichtig hält, vor Ablauf der Anfechtungsfrist vorgetragen
werden (vgl. OLG Stuttgart, AG 2011, 93, juris Rn. 633).
160 Auch der Nebenintervenient kann nach Ablauf der Frist des § 246 Abs. 1 AktG
keine neuen Anfechtungsgründe mehr vortragen, vielmehr ist der
Nebenintervenient mit solchem Vorbringen präkludiert, das beim
Anfechtungskläger unter die Ausschlusswirkung des § 246 Abs. 1 AktG fällt (vgl.
Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 Rn. 6).
161 Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die von dem
Nebenintervenienten vorgebrachten Anfechtungsgründe präkludiert. Die
Nichtbeantwortung der zwei Fragen, die der Nebenintervenient in der
Nebeninterventionsschrift und damit nach Ablauf der Frist des § 246 Abs. 1 AktG
rügt, wurde von den Antragsgegnerinnen nicht innerhalb der Frist des § 246 Abs.
1 AktG geltend gemacht, was aber für einen Ausschluss der Präklusionswirkung
erforderlich gewesen wäre.
162 Abgesehen davon ergibt sich aus den Anlagen zur notariellen Niederschrift des
Protokolls, dass beide von dem Nebenintervenienten als unbeantwortet gerügten
Fragen von der Antragstellerin beantwortet wurden (AS 17, Frage 86 und Frage
104). Die Rüge, dass diese Fragen nicht beantwortet wurden, ist somit nicht
nachvollziehbar. Die Unvollständigkeit der Antwort hat der Nebenintervenient
weder geltend gemacht noch hinreichend substantiiert dargelegt.
3.
163 Da sämtliche Anfechtungsrügen mithin offensichtlich nicht zum Erfolg führen, ist
dem Freigabeantrag nach § 246 a Abs. 2 Nr. 1 AktG wegen offensichtlicher
Unbegründetheit der Anfechtungsklage stattzugeben.
164 Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass sich die Begründetheit
darüber hinaus auch aus § 246 a Abs. 2 Nr. 3 AktG ergeben würde. Die dort
vorgesehene Interessenabwägung führt zu einem vorrangigen Vollzugsinteresse
der Antragstellerin. Der Gesetzgeber hat bei der Gewichtung der Nachteile der
Anfechtungskläger einerseits und der Gesellschaft andererseits bewusst
vorgesehen, dass bei Aktionären mit geringer Beteiligung regelmäßig die
Abwägung zu Gunsten der Gesellschaft ausfallen wird (BT-Drucks. 16/13098,
42). Dies gilt auch hier: Das alsbaldige Wirksamwerden des Beschlusses über die
Zustimmung zu dem BGAV erscheint vorrangig, weil die von der Antragstellerin
dargelegten wesentlichen Nachteile für die Gesellschaft und ihre Aktionäre nach
freier Überzeugung des Senats die Nachteile für die Antragsgegnerinnen
überwiegen.
165 Die der Gesellschaft drohenden Nachteile sind von der Gesellschaft substantiiert
darzulegen und glaubhaft zu machen, die aus Sicht der Antragsgegnerinnen
ihnen drohenden Nachteile im Falle der Eintragung von diesen (vgl. Göz in
Bürgers/Körber, AktG, § 246a Rn. 4; Dörr in Spindler/Stilz, § 246 a Rn. 32 f.).
166 Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen sind auf ihrer Seite nur die
Nachteile für sie selbst, nicht die aller Aktionäre, die gegen den
Hauptversammlungsbeschluss gestimmt haben oder nicht an der
Hauptversammlung teilnahmen, zu berücksichtigen (vgl. Göz in Bürgers/Körber, §
246 a Rn. 4; Hüffer, AktG, 11. Aufl., § 246 a Rn. 21). Dies bedeutet, dass in die
Interessenabwägung nur eventuelle Nachteile für die Antragsgegnerinnen mit
ihrem Gesamtanteilsbesitz von 1,97 % (Vortrag Antragsgegnerinnen in der
Klagschrift, AS 3, S. 7) einzustellen sind.
167 Ein vorrangiges Vollzugsinteresse kann schon dann zu bejahen sein, wenn ein
schützenswertes Aufschubinteresse der Antragsgegner weder dargelegt noch
ersichtlich ist (vgl. OLG Stuttgart, AG 2013, 604, juris Rn. 231). Ein derartiges
Aufschubinteresse ist hier nicht ersichtlich. Die Antragsgegnerinnen haben schon
keine gewichtigen zu berücksichtigenden Nachteile auf ihrer Seite vorgetragen.
Die Antragsgegnerinnen stellen lediglich dar, dass die Interessen aller nicht
zustimmenden Aktionäre zu berücksichtigen seien und dass es sich um eine
gravierende und einschneidende Maßnahme handele.
168 Letzteres mag zwar zutreffen, zeigt aber nicht einen Nachteil der
Antragsgegnerinnen auf. Ein solcher ist auch nicht ersichtlich: Die
Vermögensinteressen der Antragsgegnerinnen werden durch die
Ausgleichszahlungen geschützt, die garantiert werden und ihnen einen festen
Ausgleich in Höhe des voraussichtlichen durchschnittlichen Gewinnanteils, der
sich bei Unterlassen des BGAV ergeben hätte, gewähren. Vermögensrechtlich
entstehen den Antragsgegnerinnen somit keine Nachteile. Im Hinblick auf die
prozentual geringe Beteiligung der Antragsgegnerinnen sind auch sonstige
Nachteile nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Dem gegenüber stehen
die Vollzugsinteressen der Antragstellerin. Zu berücksichtigen sind dabei nicht
nur die Interessen an einer alsbaldigen Durchführung der Maßnahme, sondern
auch das Interesse an der Vermeidung von Nachteilen, die durch den Erfolg der
Anfechtungsklage überhaupt entstehen (vgl. OLG Köln, MDR 2014, 601, juris Rn.
24 m.w.N.). Die Antragstellerin hat diese in der Antragsschrift ausführlich
dargestellt. Zwar sind die erwarteten Synergieeffekte nicht durch eine externe
betriebswirtschaftliche Berechnung belegt. Der Vortrag ist aber schlüssig und
nachvollziehbar und entspricht allgemeinen Erfahrungstatsachen. Es ist
überzeugend, dass durch den BGAV Synergieeffekte entstehen werden. Der
Senat hält diesen Vortrag für ausreichend, auch unter Berücksichtigung des
fehlenden Vortrags von Nachteilen für die Antragsgegnerinnen (so auch OLG
Hamm, NZG 2014, 581, juris Rn. 26 ff.). Die von den Antragsgegnerinnen zitierte
Entscheidung des OLG München (7 AktG 3/11, NZG 2012, 261, juris Rn. 63)
steht dem nicht entgegen, da die dortige Begründung eines nicht ausreichenden
Vortrags sowie einer nicht ausreichenden Glaubhaftmachung des
Vollzugsinteresses sich erkennbar auf den konkreten, nicht vergleichbaren
Einzelfall bezieht, bei dem der Vortrag zu dem Vollzugsinteresse ausweislich der
Gründe der Entscheidung nicht ausreichend und die vorgelegten eidesstattlichen
Versicherungen und Kostenaufstellungen nicht nachvollziehbar waren und ein im
Verhältnis zur Antragstellerin sehr geringes Stammkapital der übernehmenden
Gesellschaft vorlag sowie streitig war, ob sich die übernehmende Gesellschaft in
einer Krise befand. Das OLG München hielt unter diesen Gegebenheiten
substantielle Ausführungen zur Darlegung der positiven Synergieeffekte für
erforderlich. Die Konstellation ist mit der hier gegebenen Fallgestaltung nicht
vergleichbar.
169 Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen ist auch nicht zu prüfen, ob die
Vorteile auch auf anderem Wege erreicht werden könnten – zu prüfen ist nur, ob
der BGAV im Verhältnis zu dessen Unterlassen oder dessen verzögertem
Wirksamwerden gewichtige Vorteile bringt (vgl. OLG Hamm, NZG 2014, 581, juris
Rn. 27).
4.
170 Ob auch die Voraussetzungen von § 246 a Abs. 2 Nr. 2 AktG vorliegen und zu
einem Erfolg der Anfechtungsklage führen würden, kann angesichts der
Begründetheit des Freigabeantrags bereits nach § 246 a Abs. 2 Nr. 1 AktG sowie
nach § 246 a Abs. 2 Nr. 3 AktG dahingestellt bleiben. Nicht relevant sind
insbesondere auch die von den Parteien diskutierten Fragen der
Anfechtungsbefugnis der Antragsgegnerinnen und der Auswirkungen der
Stellung der ... Bank als Legitimationsaktionärin für die Anfechtungsbefugnis, die
Widerspruchsbefugnis, die Mitteilungspflichten nach dem WpHG und das
Erreichen des Quorums nach § 246 a Abs. 2 Nr. 2 AktG.
5.
171 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Die Kosten
sind den Antragsgegnerinnen zu gleichen Teilen aufzuerlegen.
6.
172 Der Beschluss ist nach § 246 a Abs. 3 Satz 4 AktG unanfechtbar.
7.
173 Der Streitwert bemisst sich nach § 247 AktG. Der Senat setzt diesen unter
Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen auf 500.000 Euro fest.