Urteil des OLG Stuttgart vom 21.01.2016

billigkeit, kontrolle, herstellungskosten, überprüfung

OLG Stuttgart Urteil vom 21.1.2016, 2 U 89/15
Leitsätze
Gegen die Entscheidung wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Das Aktenzeichen des Bundesgerichtshofs lautet: EnZR 11/16.
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 41. Kammer für Handelssachen
des Landgerichts Stuttgart vom 30.04.2015 in seiner Gestalt des
Berichtigungsbeschlusses vom 31.07.2015
a b g e ä n d e r t .
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens:
1.287.956,67 EUR
Gründe
I.
1
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat der Sache nach auch Erfolg.
A
2
Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen (§ 540
Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3
Das Landgericht hat insbesondere festgestellt (US 3 = Bl. 609 [vorgeheftet Bd. I]):
4
Die Klägerin begehrt als Netznutzerin die gerichtliche Bestimmung des
angemessenen Entgelts für die Netznutzung im Jahr 2007 und Rückzahlung von
zu viel gezahltem Entgelt. Ihren Antrag gegen die Beklagte als Netzbetreiberin
stützt sie auf §§ 315, 812 BGB sowie hilfsweise auf einen kartellrechtlichen
Schadensersatzanspruch (§ 33 Abs. 3 GWB in Verbindung mit Artikel 102 Satz 2
lit. a AEUV).
5
Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der E... AG und Netzbetreiberin.
6
Die Klägerin ist Stromhändlerin. Sie bzw. ihre Rechtsvorgängerin verfügt seit
1998 über die erforderliche bundesweite Genehmigung für den Handel mit
elektrischer Energie.
7
Rückwirkend zum 01.01.2009 wurde das bisher in der Firma L... GmbH & Co KG
angesiedelte Ökostrom- und Gashandelsgeschäft, zu dem die geltend
gemachten Forderungen gehörten, im Wege der Umwandlung und
Ausgliederung am 31.07.2009 auf die Klägerin übertragen.
8
Die Parteien bzw. ihre Rechtsvorgänger stehen bereits seit 2003 durch einen
Händlerrahmenvertrag in Vertragsbeziehungen.
9
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin lieferte aufgrund eines vertraglichen
Verhältnisses mit der Beklagten elektrische Energie durch das von der Beklagten
betriebene Verteilnetz an Endverbraucher. Auch im Jahr 2007 nutzte die Klägerin
das von der Beklagten betriebene Stromnetz, wofür die streitgegenständlichen
Entgelte erhoben wurden. Die Klägerin bezahlte die von der Beklagten bzw.
deren Rechtsvorgängerin erhobenen Entgelte unter Vorbehalt (K4). Diese
Entgelte richteten sich nach dem einseitig von der Beklagten bzw. deren
Rechtsvorgängerin bestimmten Preisblatt und für das hier relevante Jahr 2007
verlangte die Beklagte das nach dem mit Beschluss der Bundesnetzagentur vom
31.08.2006 (Anlage B5a/K23) genehmigte Höchstentgelt. Die
Bundesnetzagentur genehmigte der Beklagten mit Bescheid vom 31.8.2006 die
Netznutzungsentgelte mit Wirkung zum 1.9.2006 befristet bis 31.12.2007 und
machte von einer vorbehaltenen Widerrufsmöglichkeit keinen Gebrauch.
10 Die Klägerin hatte auch im Hinblick auf den im Zusammenhang mit ihren
Zahlungen ausgesprochenen Vorbehalt die Beklagte in der Darlegungs- und
Beweislast für die Billigkeit des von dieser entsprechend dem
Genehmigungsbescheid festgesetzten Netznutzungsentgeltes gesehen und im
Wesentlichen die jeweiligen auch im Genehmigungsverfahren nach § 23 a EnWG
a.F. maßgeblichen Kosten- und Kalkulationsansätze durchgängig für überhöht,
überzogen oder rechtsmissbräuchlich angesetzt bewertet. Mit Bekanntwerden
(vgl. Bl. 277) des Urteils des BGH vom 15.05.2012 - EnZR 105/10 -
Stromnetznutzungsentgelt V und der dort bezeichneten Indizwirkung hat die
Klägerin folgerichtig andersartige, nämlich die vom Landgericht in seinem Urteil
bezeichneten Angriffe geführt, auf welche der Senat in seinen
Entscheidungsgründen eingehen wird.
11 Das
Landgericht
hat die Indizwirkung des Genehmigungsbescheides der
Bundesnetzagentur vom 31.08.2006 (K 40) für erschüttert erachtet und mangels
dann gebotener Substantiierung der Beklagten, auf deren Vortragslast es
hingewiesen hatte (vgl. auch Bl. 333) und welcher diese nicht gerecht geworden
sei, zu einem gegenüber dem Antrag leicht ermäßigten Ansatz verurteilt, wobei es
im Rückerstattungsausspruch (Ziff. 2) nur auf den Nettobetrag erkannt hatte (vgl.
dann Berichtigungsbeschluss Bl. 656 - 658 [Bd. I vorgeheftet], dort dann
Bruttosumme), weshalb es aussprach:
12
1. Das angemessene Netznutzungsentgelt einschließlich der Mess- und
Verrechnungsentgelte für die Nutzung des Stromversorgungsnetzes der
Beklagten durch die ehemalige L... GmbH & Co. KG zur Energieversorgung ihrer
Kunden, die sie im Jahr 2007 im Netzgebiet der Beklagten angemeldet und
versorgt hat, einschließlich der Nutzung der vorgelagerten Netze wird auf
3.523.285,48 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer bestimmt.
13
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.082.316,45 EUR zuzüglich
gesetzlicher Umsatzsteuer nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab
14.01.2011 zu bezahlen.
14 Auf den Hilfsantrag der Klägerin für den Fall,
15
dass der Antrag zu 1 abgewiesen wird,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe der
Differenz des zwischen dem von der ehemaligen L... GmbH & Co. KG für die
Netznutzung im Jahr 2007 gesamt gezahlten Entgelts in Höhe von 4.605.601,93
EUR (netto) und dem vom Gericht nach § 287 ZPO festgestellten kartellrechtlich
zulässigen Entgelt für die Netznutzung für das Jahr 2007 nebst 5 %-Punkten
Zinsen über dem Basiszinssatz ab 14.01.2011 an die an die L... SE zu zahlen,
16 kam es danach für das Landgericht nicht mehr an.
17 Dabei hat es sich im Wesentlichen von folgenden Erwägungen, auf welche
zudem verwiesen wird, leiten lassen:
18 Es sei als nicht ausreichend bestritten davon auszugehen, dass die Klägerin im
Jahre 2007 einen Betrag von 4.605.601,93 EUR an Netznutzungsentgelt an die
Beklagte bezahlt und dabei eine, gemessen an § 315 BGB, Überzahlung in Höhe
von 23,5 % vorgenommen habe, weshalb diese gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 BGB
den Überzahlungsbetrag in Höhe von 1.082.316,45 EUR zuzüglich gesetzlicher
Umsatzsteuer in Höhe von 19 %, zurückfordern könne. Dass § 315 BGB neben
das Regulierungsregime nach dem EnWG trete, sei der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (Urteil vom 15.05.2012 - EnZR 105/10 -
Stromnetznutzungsentgelt V) zu entnehmen. Die vom Genehmigungsbescheid
grundsätzlich ausgehende Indizwirkung sei im Hinblick auf die durch Anhörung
des Sachverständigen C... durchgeführte Beweisaufnahme als erschüttert
anzusehen. Denn die Bundesnetzagentur habe sich bei ihrem
Genehmigungsbescheid mit der im Hinblick auf die Konzerngesellschaft
vorgegebene Finanzierungsstruktur und der damit naheliegenden Möglichkeit
eines sog. Cash-Poolings nicht auseinandergesetzt, einem Finanzierungsmodell
des Konzerns, der einen starken Hinweis darauf biete, dass die geltend
gemachte kalkulatorische Eigenkapitalquote in tatsächlicher Hinsicht nicht
erforderlich sei, jedenfalls nicht in dieser Größenordnung. Eine Prüfung der
Betriebsnotwendigkeit von aufwandsgleichen Kosten sei ebenso wenig
ersichtlich. Überraschend sei auch, dass die Bundesnetzagentur die
Kostenposition „Kosten des Differenzbilanzkreises“ anerkannt habe, was im
Widerspruch zu der Überleitungspflicht von aufwandsgleichen Kosten aus der
netzbezogenen Gewinn- und Verlustrechnung stehe. Mess- und
Abrechnungsentgelte fänden in den Genehmigungsbeschlüssen keine
Erwähnung. Die konkrete Ermittlung der Netzentgelte aus den zulässigen Kosten
sei nicht geprüft worden. Gegen diese Erschütterungseinschätzung stehe auch
nicht die ohnehin in der Revisionsinstanz befindliche Entscheidung des
Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 13.08.2014 - IV-2 U [Kart] 2/13), da
jener Entscheidung ein Bescheid der zweiten und damit einer mit weit
detailgenaueren Prüfung verbundenen Genehmigungsrunde der
Bundesnetzagentur zu Grunde gelegen habe, welche eine größere Indizwirkung
entfalte und damit spiegelbildlich eine gesteigerte Anforderung an die
Erschütterung dieser Wirkung gebiete. In dieser Wertung sieht es sich auch durch
etliche erstinstanzliche, im Verfahren vorgelegte Entscheidungen bestärkt. Auch
dem weiteren Ansatz des OLG Düsseldorf, wonach der Netznutzer mit allen
Argumenten ausgeschlossen sei, die sich trotz der generellen Schwäche der
Datenerhebung und Prüfungstiefe durch die Bundesnetzagentur aus dem bloßen
Genehmigungstatbestand ergäben, könne nicht gefolgt werden, gerade dann
nicht, wenn die Beklagte den Genehmigungsbescheid wie vorliegend nicht
vollständig, weil weitgehend geschwärzt vorlege. Wenn der Klägerin in einem so
großen Maße die Kontrollmöglichkeit vorenthalten werde, reiche deren
gehaltenes Vorbringen aus, die Indizwirkung des Bescheids zu erschüttern, was
auch aus den Ausführungen des Sachverständigen zu folgern sei, der selbst
noch in jenem Monat, in dem die hier relevante Genehmigungsentscheidung
ergangen war, Mitglied der Beschlusskammer der Bundesnetzagentur war und
deshalb über deren Erkenntnisschwierigkeiten zu berichten wusste. Eine andere
Sicht konterkariere den eröffneten Rechtsschutz aus § 315 BGB durch überhöhte
prozessuale Anforderungen. Die Anforderung, behördliche Fehler vorzutragen
und zugleich deren konkrete Auswirkung auf die Herleitung des genehmigten
Entgeltes aufzuzeigen, setze die Kenntnis von konkreten Zahlenwerken voraus;
nur weitgehend geschwärzte Genehmigungsbescheide vorzulegen, vereitle
sogar eine bloße Plausibilitätskontrolle. Diese Bewertung des Sach- und
Streitstandes habe das Landgericht der Beklagten angezeigt, diese sei aber
gleichwohl der sie jetzt treffenden Pflicht zu Vortrag und Vorlage der Unterlagen
nicht nachgekommen. Der Höhe nach folgte das Landgericht dem von der
Klägerin geltend gemachten Anspruch. „Die Klägerin hat eine Überhöhung von
28,5 % vorgetragen, was mangels Vorlage der Unterlagen von der Beklagten
nicht widerlegt wurde ... Das Netznutzungsentgelt im Jahr 2007 wird durch die
Kammer demnach auf Grundlage des Klägervortrags unter Berücksichtigung der
Reduktion der Entgelte durch die Bundesnetzagentur in der zweiten
Genehmigungsrunde gemäß § 287 ZPO als um 23,5 % überhöht geschätzt“ (US
38 = Bl. 644).
19 Dagegen wendet sich die
Berufung
der
Beklagten
, welche unter vertiefender
Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens daran festhält, das sowohl das an
der BGH-Entscheidung ausgerichtete Klägervorbringen wie die Ausführungen
des vom Landgericht zweifach gehörten Sachverständigen C... für zu wenig
konkret, hinsichtlich des Sachverständigen für nur von allgemeinen
Ausführungen zum Regulierungsrecht getragen, ansah, weshalb eine
Erschütterung der Indizwirkung, zumal gemessen an den Erfordernissen neuerer
obergerichtlicher Rechtsprechung, nicht eingetreten sei. Denn in der
obergerichtlichen Rechtsprechung im Gefolge des BGH-Urteils vom 15.05.2012 -
Stromnetznutzungsentgelt V sei die Indizwirkung entsprechender
Genehmigungsbescheide festgeschrieben worden, auch wenn diese in Teilen
nicht über eine große Prüfungstiefe verfügten. Dieser Umstand sei dem
Bundesgerichtshof nach seiner vielfältigen Befassung mit der Regulierungspraxis
der Bundesnetzagentur nicht unbekannt gewesen; wenn er im bezeichneten
Urteil gleichwohl diese verfahrensrechtliche Wirkung festgeschrieben habe, so
schließe sie Genehmigungsbescheide von solcher Kontrolltiefe ein. Diese
Indizwirkung habe entgegen der landgerichtlichen Wertung die Klägerin nicht zu
erschüttern vermocht, da deren Vortrag sich in oberflächlichen Behauptungen,
weitgehend durchsetzt von Textbausteinen, erschöpft habe und sich nur auf einer
abstrakten, unsubstantiierten und spekulativen Ebene aufgehalten habe. Auch
der Sachverständige selbst habe nur allgemeine Betrachtungen zu
Kalkulationsfragen anzustellen vermocht, substantiell aber keine Bedenken
aufzeigen können gegen die von der Bundesnetzagentur geprüfte und mit
entsprechenden Bescheiden gebilligte Netznutzungsentgeltkalkulation der
Beklagten. Demgegenüber stehe bei der von der Klägerin ebenfalls nur pauschal
angegriffenen Eigenkapitalquote mit 40 % die Wertung des Verordnungsgebers.
Gleiches gelte für die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung. Hinsichtlich der
aufwandsgleichen Kosten hätten sich sowohl die Klägerin wie der
Sachverständige nur in Mutmaßungen ergangen. Nichts anderes gelte auch in
Bezug auf die kalkulatorischen Kosten des Sach- und Anlagevermögens; die
bloßen Einwände gegen die Prüfungstiefe der Bundesnetzagentur seien
mittlerweile etwa von den Oberlandesgerichten Düsseldorf wie Naumburg als
nicht ausreichend für eine der Klägerin obliegende Substantiierung im Angriff
gegen die Genehmigungswirkung eingeordnet worden. Auch der
Sachverständige habe insoweit nichts für einen weitergehenden sachlichen
Ansatz geliefert. Auch der Umstand, dass es nach der zweiten
Genehmigungsrunde zu einer Entgeltabsenkung von 10,5 % gegenüber dem
Erstbescheid gekommen sei, besage nichts über eine unbillige Kostenerhebung
im Jahre 2007, da der bezeichnete Zweitbescheid angesichts von allfälligen
Kostenschwankungen von einer anderen Faktengrundlage bestimmt gewesen
sei. Einen Anspruch auf Vorlage ungeschützter Genehmigungsbescheide ergebe
sich nicht. Die Klägerin stehe in der Darlegungs- und Beweislast; auf § 142 ZPO
könne diese sich erst nach der ihr obliegenden Erschütterung der Indizwirkung
der Genehmigung berufen. Allemal sei die landgerichtliche Entscheidung im
Kostenpunkt unzutreffend. Denn bei einem Streitwert von 1.561.990,00 EUR und
einer Verurteilung zu 1.082.316,45 EUR bestehe eine so große Spanne des
Teilunterliegens, dass diese auch nicht über § 92 Abs. 2 ZPO und dem
Gesichtspunkt, dass sie die Klägerin mit ihrem Abstellen auf § 315 BGB auf eine
gerichtliche Bestimmung angewiesen sei, kostenrechtlich unbeachtet bleiben
könne.
20 Die Beklagte beantragt,
21
das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 30.04.2015, Az. 41 O 93/10 KfH
aufzuheben und die Klage abzuweisen.
22 Die Klägerin beantragt,
23
die Berufung zurückzuweisen.
24 Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und hält unter
vertiefender Anführung ihrer Angriffe gegen die offenkundige
Prüfungsoberflächlichkeit des Genehmigungsbescheides daran fest, dass sie die
von diesem ausgehende Indizwirkung erschüttert habe, zumal sie Weiteres im
Hinblick auf die umfänglichen Schwärzungen dieser Genehmigungen
vorzutragen außer Stande sei, weshalb es mit der Beklagten heimgehen müsse,
wenn diese sich einer angemessenen Entgeltbestimmung berühme, ohne auch
nur einen hinlänglichen Kalkulationsansatz zu offenbaren.
25 Der
Bundesnetzagentur
wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Diese
hat davon Gebrauch gemacht durch einerseits Darstellung der
Regulierungshistorie seit 1998 und andererseits Benennung ihrer Maßstäbe der
Kostenprüfung im Rahmen der sog. ersten Genehmigungsrunde (Bl. 747 - 752).
26 Diese Ausführungen hat die
Klägerin
erneut zum Anlass genommen, ihre
Kritikpunkte an der Genehmigungspraxis und der damit angeblich geschmälerten,
bzw. gar nicht als bestehend anzusehenden Indizwirkung vorzubringen,
insbesondere dahin, dass die Bundesnetzagentur sich wegen
Ressourcenmangels nicht einmal an die von ihr in Anspruch genommene
Kontrolle wenigstens anhand von Prüfungsschwerpunkten gehalten habe. So
habe sie bei der Eigenkapitalquote pauschal in ständiger Übung, losgelöst vom
jeweiligen Netzbetreiber und damit ungeachtet der konkreten betrieblichen
Notwendigkeit und Effizienz, eine Kenngröße von 40 % zu Grunde gelegt. Ihr
Personalmangel habe sie geleitet, gar Erstreckungsgenehmigungen bei
Zustimmung der Netzbetreiber zu erteilen, indem der Bescheid 2006 einfach für
das Jahr 2007 für ebenfalls gültig erklärt worden sei. Bei kleineren Netzbetreibern
habe sie bei Abgabe eines Rechtsmittelverzichts die Genehmigung sogar für das
Jahr 2008 prolongiert. Aber auch für 145 der insgesamt 255 großen Netzbetreiber
sei auch in der zweiten Genehmigungsrunde keine erneute Kostenprüfung
erfolgt, weshalb diese für sich keine größere Prüfungstiefe beanspruchen könne.
Bei einzelnen Kostenpositionen habe man sich schlicht durch Verständigung
geeinigt. So hätten einige Landesregulierungsbehörden bei der Frage über die
zulässige Nutzungsdauer des Anlagevermögens eine vergleichsweise Einigung
getroffen. Für eine solche Einigungspraxis auch in Bezug auf die Beklagte stehe
ein Artikel aus dem Handelsblatt vom 19.12.2007 (BB 3 = Bl. 768). All dies fordere
eine vertiefte gerichtliche Kontrolle im Rahmen des § 315 BGB heraus. Eine
andere Handhabung stelle die Netznutzer, die keine Beteiligungsrechte im
Genehmigungsverfahren gehabt hätten, rechtlos. Dies verstoße auch gegen das
Transparenzgebot nach der Richtlinie 2009/72/EG, weshalb im Falle einer
Entscheidung gegen die Klägerin eine Vorlage an den EuGH angezeigt sei.
27 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die
Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B
1.
a)
aa)
28 Der BGH war in seiner Entscheidung vom 15.05.2012 - EnZR 105/10 -
Stromnetznutzungsentgelt V (NJW 2012, 3090 = RdE 2012, 382), in welcher die
dortige Klägerin das von der Beklagten als Inhaberin des Stromverteilernetzes für
den Zeitraum vom 01. Oktober 2006 bis zum 31. Dezember 2006 als mindestens
27 % unbillig überhöht erachtete und deshalb Rückzahlung begehrte, obgleich
die dortige Beklagte nur die von der Bundesnetzagentur gemäß § 23 a EnWG für
den Geltungszeitraum ab 01. Oktober 2006 genehmigten Netznutzungsentgelte
gegenüber der Klägerin erhoben hatte, dem Wertungsansatz des
Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt (1 U 40/10) als dortigem
Berufungsgericht, wonach eine nachträgliche Überprüfung der vom Netzbetreiber
bestimmten Netznutzungsentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB regelmäßig
ausgeschlossen sei, wenn der Netzbetreiber nur das nach § 23 a EnWG 2005
genehmigte Netznutzungsentgelt verlange, nicht gefolgt und hatte grundsätzlich
eine Parallelität dieser unterschiedlichen Genehmigungs- bzw.
Billigkeitskontrollen bejaht (BGH a.a.O. [Tz. 17 ff.] - Stromnetznutzungsentgelt V
so auch KG U. v. 30.03.2015 - 2 U 124/11 EnWG [Rdn. 13] = BeckRS 2015,
08295 = NJOZ 2015, 1158; nun auch OLG Naumburg U. v. 23.04.2015 - 2 U 5/13
(Kart) = BeckRS 2015, 10347 = MDR 2015, 967 [Rdn. 25]; OLG München U. v.
22.01.2015 - U 1928/14 Kart [US 7]; grds. abl. Kühne in FS Bornkamm [2014], S.
211 ff., da auch unionsrechtlich die Korrektur- und Anpassungsmöglichkeit
konzentriert sei auf die Genehmigungsebene [a.a.O. S. 220 und 221]; deshalb:
„Als einen Beitrag zum sparsamen Umgang mit Justizressourcen wird man das
Urteil des BGH jedenfalls nicht ansehen können“).
bb)
29 Zwar trifft nach der Rechtsprechung des BGH den Netzbetreiber die Darlegungs-
und Beweislast für die Billigkeit der von ihm verlangten Entgelte, wenn der
Netznutzer die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung
gezahlt hat; dies gelte auch im Rückforderungsprozess (BGH a.a.O. [Tz. 33] -
Stromnetznutzungsentgelt V beim Rückforderungsprozess ohne Vorbehalt im
Zusammenhang mit der Zahlung grundsätzlich Netznutzer in der Darlegungs-
und Beweislast stehend dafür, dass eine vom Netzbetreiber nach § 315 BGB
vorgenommene Bestimmung des Entgelts nicht der Billigkeit entspricht [BGH
NJW 2014, 3089 {Tz. 14} - Stromnetznutzungsentgelt VI OLG Naumburg a.a.O.
{Rdn. 28}]; OLG München a.a.O. [US 7]). Allerdings könne sich nach Inkrafttreten
des EnWG 2005 der Netzbetreiber zur Darlegung der Billigkeit der von ihm
verlangten Netzentgelte - in einem ersten Schritt - auf die Entgeltgenehmigung
nach § 23 a EnWG stützen. Dies stelle aufgrund der engen Vorgaben der
Entgeltkontrolle nach den energiewirtschaftsrechtlichen Vorschriften und der
damit verbundenen Prüftiefe durch die (neutralen) Regulierungsbehörden ein
gewichtiges Indiz für die Billigkeit und Angemessenheit der genehmigten Entgelte
dar (BGH a.a.O. 100 [Tz. 36] - Stromnetznutzungsentgelt V vgl. auch BGH NJW
2014, 3089 [Tz. 21] - Stromnetznutzungsentgelt VI so auch KG a.a.O. [Rdn. 14];
OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 29]). Es obliege dann dem Netznutzer, im Einzelnen
darzulegen, aus welchen Gründen die behördlich genehmigten Netzentgelte
überhöht sein sollen, und die indizielle Wirkung der Entgeltgenehmigung zu
erschüttern. Gelinge ihm dies, müsse der Netzbetreiber seine Kostenkalkulation
vorlegen und im Einzelnen näher erläutern. In diesem Rahmen habe der
Tatrichter zu prüfen, ob im Hinblick auf die Genehmigungsunterlagen einer
Anordnung zu deren Vorlage nach § 142 ZPO in Betracht komme (BGH a.a.O.
100 [Tz. 36] - Stromnetznutzungsentgelt V ebenso OLG Naumburg a.a.O. [Rdn.
45]; KG a.a.O. [Rdn. 28]; OLG Düsseldorf U. v. 01.10.2014 - VI-2 U (Kart) 1/13
[Rdn. 19 und 23] = BeckRS 2015, 00608 {das Rechtsmittel wird geführt beim
BGH unter VIII ZR 299/14}, dort [a.a.O. Rdn. 34] auch zu den Voraussetzungen
und Grenzen einer Vorlagepflicht der Beklagten von Unterlagen gemäß §§ 422,
423 ZPO; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 30]; OLG München a.a.O. [US 8]). § 142
ZPO befreie aber nicht von der Darlegungs- und Substantiierungslast; deshalb
dürfe das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zweck der
Informationsgewinnung, sondern nur beim Vorliegen eines schlüssigen, auf
konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags anordnen (OLG Düsseldorf U. v.
13.08.2014 - VI-2 U (Kart) 2/13 = BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 24], das
Rechtsmittel dagegen wird beim BGH geführt unter EnZR 50/14; OLG Naumburg
a.a.O. [Rdn. 45]). Der Netzbetreiber kann sich zur Darlegung der Billigkeit des
verlangten Netznutzungsentgelts zunächst auf die von der Bundesnetzagentur
erteilte Entgeltgenehmigung berufen. Sie ist ein gewichtiges Indiz für die Billigkeit
und Angemessenheit des berechneten Entgelts. Es besteht daher die
widerlegliche tatsächliche Vermutung, dass das genehmigte Entgelt der Billigkeit
entspricht. Die Indizwirkung erstreckt sich auf alle der Entgeltberechnung zu
Grunde liegenden Teile der Entgeltgenehmigung (OLG Düsseldorf BeckRS 2014,
19052 [Rdn. 15]; KG a.a.O. [Rdn. 14]). Bei dieser indiziellen Wirkung der
Genehmigung verbleibe es auch, wenn die Klägerin einen Zahlungsvorbehalt
ausgesprochen habe (OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 00608 [Rdn. 25]). Beruft
sich der Netzbetreiber auf diese Indizwirkung, muss zunächst der Netznutzer im
Einzelnen substantiiert und nachvollziehbar darlegen sowie gegebenenfalls
beweisen, aus welchen Gründen das behördlich genehmigte Entgelt im
konkreten Einzelfall unbillig überhöht sein soll, um die indizielle Wirkung der
Entgeltgenehmigung insgesamt und nicht nur einzelne Berechnungs- und
Prüfungsteile zu erschüttern. Dabei muss er insbesondere darlegen, dass das
verlangte Entgelt die Kosten des Netzbetriebs übersteigt, und dass dies beim
Netzbetreiber zu einem unvertretbar hohen, marktwirtschaftlich und
unternehmerisch nicht mehr zu rechtfertigenden Gewinn führt. Erst wenn es dem
Netznutzer gelingt, dies darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, muss der
Netzbetreiber die ungeschwärzte Entgeltgenehmigung und seine vollständige
Kostenkalkulation vorlegen und letztere erläutern (OLG Düsseldorf BeckRS 2014,
19052 [Rdn. 16]). Der Bundesgerichtshof habe die Indizwirkung der in der sog.
ersten Entgeltgenehmigungsrunde der Entgeltregulierung von der
Bundesnetzagentur erteilte Entgeltgenehmigung in Kenntnis der seitens der
Netzbetreiber gelieferten und von der Bundesnetzagentur zu Grunde gelegten
Kostendaten sowie von Art und Umfang der Prüfung dieser Daten durch die
Bundesnetzagentur im Entgeltgenehmigungsverfahren bejaht. Folglich sei der
Netznutzer mit allen Argumenten ausgeschlossen, die sich auf die generellen
Schwächen der Datenerhebung sowie die generelle Dichte und Tiefe der Prüfung
durch die Bundesnetzagentur beziehen. Er müsse daher darüber hinausgehende
Umstände des konkreten Einzelfalls vortragen, um die Indizwirkung der
Entgeltgenehmigung insgesamt zu erschüttern, beispielsweise müsse er einen
Verstoß der Bundesnetzagentur gegen die Vorschriften des EnWG und/oder der
StromNEV oder auch unrichtige Angaben des Netzbetreibers im
Genehmigungsverfahren, deren Fehlerhaftigkeit seinerzeit nicht aufgedeckt
worden ist, substantiiert und nachvollziehbar darlegen und gegebenenfalls
beweisen (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn 17]; ebenso OLG
Düsseldorf U. v. 01.10.2014 - VI-2 U (Kart) 1/13 [Rdn. 17] = BeckRS 2015, 00608;
KG a.a.O. [Rdn. 23]; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 33]). Der Netznutzer hat
darzulegen, warum die genehmigten Entgelte in diesem Einzelfall überhöht sind,
nicht aber genügt zur Widerlegung der Indizwirkung, wenn nur dargelegt wird,
dass eine abschließende, fehlerausschließende Prüfung nicht erfolgt sei (OLG
München U. v. 22.01.2015 - U 1928/14 Kart [US 9/10]).
cc)
30 Treffe - wie allgemein bei der Rückforderung behaupteter Überzahlung - den
Netznutzer die Darlegungs- und Beweislast dafür (BGH a.a.O. [Tz. 14] -
Stromnetznutzungsentgelt VI KG a.a.O. [Rdn. 15]), wenn der Nutzer nicht nur
Abschlags- oder Vorauszahlungen in Erwartung einer noch festzustellenden
Schuld erbracht oder die Entgelte nur unter dem Vorbehalt der gerichtlichen
Nachprüfung gezahlt hat (BGH a.a.O. [Tz. 15] - Stromnetznutzungsentgelt VI
OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 15], das Rechtsmittel wird beim BGH
geführt unter EnZR 50/14), so könne aus dem Umstand, dass die festgesetzten
Entgelte von den genehmigten abwichen, nicht umgekehrt ein Indiz für deren
Unbilligkeit darstellen (BGH a.a.O. [Tz. 22] - Stromnetznutzungsentgelt VI). Denn
eine Vertragspartei, die nach § 315 Abs. 1 BGB zur Bestimmung der Leistung
befugt sei, habe einen Ermessensspielraum. Die von ihr vorgenommene
Bestimmung sei erst dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315
Abs. 3 BGB gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht hingegen schon dann,
wenn das Gericht eine andere Festsetzung für richtig halte. Daraus sei zu folgern,
dass nicht jede Abweichung von einer behördlichen Genehmigung oder einer
gerichtlichen Bestimmung des Entgelts als Indiz für die Überschreitung des
Ermessensspielraums gewertet werden könne (BGH a.a.O. [Tz. 23] -
Stromnetznutzungsentgelt VI vgl. auch BGH U. v. 09.12.2015 - IV ZR 336/14 [Tz.
27]). Der Begriff der Billigkeit eröffne dem Netzbetreiber einen
Kalkulationsspielraum - es gebe nicht nur ein billiges Netzentgelt, sondern eine
Bandbreite innerhalb derer ein Netznutzungsentgelt als billig angesehen werden
könne - und die Annahme der Unbilligkeit setze eine erhebliche Abweichung von
den Netznutzungsentgelten vergleichbarer Stromverteilernetzbetreiber voraus
(OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 20]). Die vom BGH für
Entgeltgenehmigungen der ersten Genehmigungsrunde angenommene
Indizwirkung gelte erst recht für Entgeltgenehmigung in der sog. zweiten
Genehmigungsrunde der Entgeltregulierung aus dem Jahr 2008, die auf den
Daten des Jahres 2006 beruhe. Denn in der zweiten Genehmigungsrunde sei
eine noch umfassendere Überprüfung und Auswertung der von der Netzbetreiber
mitgeteilten Daten als in der ersten Genehmigungsrunde erfolgt, so dass viele
Schwächen der ersten Genehmigungsrunde nicht mehr aufgetreten seien und
folglich das Ergebnis der zweiten Genehmigungsrunde wesentlich treffsicherer
gewesen sei als das Ergebnis der ersten Genehmigungsrunde und zu weiteren
erheblichen Kürzungen der beantragten Netzentgelte geführt habe. Daher sei
auch die Indizwirkung einer zweiten Entgeltgenehmigung stärker als die
Indizwirkung einer ersten zu gewichten, so dass an die Erschütterung der
Indizwirkung einer zweiten Entgeltgenehmigung gesteigerte Anforderungen
gegenüber einer ersten Entgeltgenehmigung zu stellen seien (OLG Düsseldorf
BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 20]).
b)
aa)
31 Das Ermessen des Netzbetreibers sei in zweifacher Hinsicht gebunden. Außer an
der Beachtung des Diskriminierungsverbots komme es auch darauf an, inwieweit
das geforderte Netzentgelte der Deckung der Kosten des Netzbetriebs und die
Erzielung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns diene, welche
allgemeinen und besonderen Kosten, die ihm nach seiner Kalkulation durch den
Netzbetrieb in dem in Rede stehenden Zeitraum entstanden sind, abzudecken
waren und welchen Teil seiner Einnahmen er zur Bildung von Rücklagen, zur
Finanzierung von Investitionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit denen
der Klägerin berechneten Preis erzielen wollte (BGH a.a.O. [Tz. 27] -
Stromnetznutzungsentgelt VI OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 00608 [Rdn. 18]:
OLG München a.a.O.). Der Billigkeitsmaßstab ist nicht individuell zu bestimmen,
sondern muss aus der typischen Interessenlage des Netznutzungsverhältnisses
und den für dessen Ausgestaltung maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben der §§
21 ff. EnWG gewonnen werden. Die Entgeltbildung muss sich an § 1 Abs. 1, Abs.
2 EnWG, § 21 Abs. 1, Abs. 2 S. 2 EnWG orientieren, sowie die für die
Entgeltermittlung maßgeblichen Vorschriften der StromNEV einhalten. Von
besonderer Bedeutung ist § 21 Abs. 2 S. 2 EnWG, wonach im Entgelt keine
Kosten oder Kostenbestandteile enthalten sein dürfen, die sich in ihrem Umfang
nach im Wettbewerb nicht einstellen würden. Das geforderte Netzentgelt dient der
Deckung der Kosten des Netzbetriebs und der Erzielung eines im vertretbaren
Rahmen bleibenden Gewinns (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 15];
OLG München a.a.O.).
bb)
32 Nur abstrakte tatsächliche und rechtliche Ausführungen genügten der
Darlegungslast nicht, wenn eine Auseinandersetzung mit der konkret erteilten
Entgeltgenehmigung ansonsten fehle (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052
[Rdn. 22]). Die Erschütterung könne nur dadurch geschehen, dass die
beweisbelastete Klägerin einen abweichenden Sachverhalt dartue und
gegebenenfalls nachweise, bei dessen Vorliegen die ernsthafte Möglichkeit eines
unbilligen und unangemessenen Netznutzungsentgeltes gegeben sei (OLG
Düsseldorf BeckRS 2015, 00608 [Rdn. 20 und 31]; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn.
39]). So werde die Indizwirkung einer Entgeltgenehmigung nicht bereits durch
Einwendungen der Klägerin erschüttert, die sich allein auf statistische
Vergleichsdaten stützten (OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 40]). Auch habe eine
Darlegung der tatsächlichen Auswirkungen des behaupteten abweichenden
Bewertungsansatzes auf die Preisbestimmung zu geschehen (KG a.a.O. [Rdn.
20]; OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 23]).
cc)
33 So hatte der BGH die tatrichterliche Bewertung von Klägervorbringen, die von der
Beklagten verlangten Netzentgelte seien allein deshalb überhöht, weil die Höhe
des Eigenkapitals der Beklagten von 40 % über dem Durchschnitt liege,
revisionsrechtlich nicht beanstandet, weil es vor allem an der konkreten
Darlegung der Klägerin fehle, inwieweit die Bundesnetzagentur als zuständige
Regulierungsbehörde die angesetzte Eigenkapitalquote nicht auf ihre sachliche
Richtigkeit überprüft habe (BGH a.a.O. [Tz. 38] - Stromnetznutzungsentgelt V
ebenso OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 23]; BeckRS 2015, 00608
[Rdn. 25]; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 32 und 40]). Im Übrigen sei insoweit zu
fordern, dass konkret vorgetragen werden müsse, wie sich eine für angemessen
oder angemessener gehaltene kalkulatorische Eigenkapitalquote letztlich auf die
Höhe des von der Beklagten zu berechnenden Netznutzungsentgeltes
ausgewirkt hätte (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 23]). Nichts
anderes gelte für eine kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung, welche
entsprechend der maßgeblichen Rechtsverordnung (§ 7 Abs. 6 StromNEV) von
6,5 % für Altanlagen und von 7,91 % für Neuanlagen ausgehe (OLG Düsseldorf
BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 23]; KG a.a.O. [Rdn. 22]; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn.
32]). Ferner hätte es hinsichtlich des Sach- und Anlagevermögens, auch wenn
nicht alle Positionen durch die Bundesnetzagentur einer umfassenden Prüfung
unterzogen worden seien, eines klägerischen Vorbringens von Anhaltspunkten
bedurft, dass die Anlagen über die angesetzte Nutzungsdauer hinaus genutzt
worden seien; bloße Spekulationen insoweit reichten nicht aus (OLG Düsseldorf
BeckRS 2014, 19052 [Rdn. 24]; OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 35, 37 und 49]).
Dass die Bundesnetzagentur die Angaben nicht in vollem Umfang auf ihre
sachliche Richtigkeit hin überprüft habe, bedeute im Umkehrschluss nicht, dass
die Angaben der Beklagten tatsächlich unzutreffend und auch letztlich
entgelterhöhend gewesen seien (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Rdn.
24]; vgl. auch OLG Naumburg a.a.O. [Rdn. 33 und 34]). Die Indizwirkung werde
nicht schon durch Ausführungen zur Prüfungstiefe im Genehmigungsbeschluss
selbst erschüttert. Würde man die Indizwirkung schon allein aufgrund der sich aus
dem Bescheid selbst ergebenden, eine abschließende Feststellung nicht
rechtfertigenden Prüfungstiefe entfallen lassen, käme den
Genehmigungsbescheiden im Ergebnis gar keine Indizwirkung zu (OLG
München a.a.O. [US 9]). Für ebenso unsubstantiiert wurde der Einwand erklärt,
von der Billigkeit der Entgelte könne auch deshalb nicht ausgegangen werden,
weil die Genehmigung der Beklagten als Netzbetreiberin Spielräume belasse,
deren Ausschöpfung zu kontrollieren sei (BGH a.a.O. [Tz. 39] -
Stromnetznutzungsentgelt V vgl. ferner BGH a.a.O. [Tz. 29 und 33] -
Stromnetznutzungsentgelt VI).
dd)
34 Die sich in Bezug auf die zweite Entgeltgenehmigungsrunde ergebenden
Kürzungen rechtfertigten für sich ebenso wenig deren Übertragung auf die
Billigkeitskontrolle gemäß § 315 BGB (OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052
[Rdn. 24]; KG a.a.O. [Rdn. 17]).
c)
aa)
35 War die Rechtsprechung lange Zeit davon bestimmt, die flankierende
Anwendung des § 315 BGB im Hinblick auf eine stattgehabte Regulierung der
Netznutzungsentgelte überhaupt für ausgeschlossen zu halten, so vollzog sich
ein Wandel hin zur Parallelkontrolle und zu einer größeren Rückerstattungspraxis,
deren Teil auch der Senat mit seinem in Bezug genommenen Urteil (U. v.
05.05.2011 - 2 U 147/10 [K 29]) war. Im Gefolge der BGH-Entscheidung vom
15.05.2012 - EnZR 105/10 - Stromnetznutzungsentgelt V (NJW 2012, 3090 =
RdE 2012, 382) wird die dort dem Genehmigungsbescheid zugeschriebene
Indizwirkung nun mit hohen Anforderungen an deren Erschütterung verbunden,
was dazu führte, dass die von der Klägerin oder vergleichbaren Netznutzern
eingereichten, auf § 315 BGB oder Kartellrecht gestützten Klagen im Ergebnis
obergerichtlich nahezu durchgängig abgewiesen worden sind; einige dieser
Verfahren befinden sich hinwiederum in der Revisionsinstanz.
bb)
36 Zwar ist nicht zu verkennen, dass dem BGH, der durch Urteil vom 15.05.2012
dem Genehmigungsbescheid diese Indizwirkung zugeschrieben hat, mit der
Folge, dass der Netznutzer die indizielle Wirkung der Entgeltgenehmigung zu
erschüttern habe (BGH a.a.O. [Tz. 36] - Stromnetznutzungsentgelt V), bewusst
gewesen sein dürfte, dass der kostenbasierten Entgeltgenehmigung gemäß § 23
a EnWG a.F. nicht eine in jeder Hinsicht vertiefte Prüfung der angemeldeten
Kosten zu Grunde gelegt hatte. Auch die Klägerin selbst führt aus, „es liegt nahe,
dass dem BGH die Unzulänglichkeiten des Genehmigungsverfahrens bekannt
sind, wie die zahlreichen Entscheidungen des Kartellsenats in
energieverwaltungsrechtlichen Verfahren zeigen“ (Bl. 322), und belegt dies selbst
mit etlichen Zitaten aus Beschlüssen des BGH aus den Jahren 2009 und 2012
(Bl. 322/323). In Ansehung dessen hat der BGH den bezeichneten
Rechtsgrundsatz aufgestellt. Dabei hält der Senat nicht dafür, der feinsinnigen
Unterscheidung des Landgerichts zu folgen, im Hinblick auf OLG Düsseldorf U. v.
13.08.2014 - IV-2 U (Kart) 2/13 (BeckRS 2014, 19052) diese (starke) Indizwirkung
nur deshalb und dort anzuerkennen, weil/wo das rückgeforderte Entgelt sich auf
die sog. zweite Genehmigungsrunde stützte und damit einer höheren
Prüfungsidentität durch die Bundesnetzagentur unterzogen gewesen sei. Dies
war allerdings ein, aber nur ein vereinzeltes Zusatzargument des OLG Düsseldorf
(a.a.O. [Tz. 25]). Zudem lag der Entscheidung des BGH, in welcher er die
Indizwirkung etablierte, ein Zeitraum (letztes Quartal 2006) zu Grunde, der nur
von einem Bescheid in der ersten Genehmigungsrunde gedeckt gewesen war
(BGH a.a.O. [Tz. 1 bis 3, 9] - Stromnetznutzungsentgelt V). Die Indizwirkung
würde ihres verfahrensrechtlichen Ansatzes beraubt, wenn zunächst - gar im
Rahmen einer Beweisaufnahme (die Beklagte hat mit der
Genehmigungsentscheidung der Bundesnetzagentur befasste Zeugen hierfür
benannt [Bl. 466, 504, 522]) - zu klären wäre, in welcher Prüfungstiefe sich die
Regulierungsbehörde jeweils einer Kostenposition des Genehmigungsantrages
angenommen hatte.
cc)
37 Andererseits vermag der Senat nicht zu erkennen, dass der BGH der
obergerichtlichen Rechtsprechung, wonach „eine nachträgliche Überprüfung der
vom Netzbetreiber bestimmten Netznutzungsentgelte nach § 315 Abs. 3 BGB
regelmäßig ausgeschlossen [sei], wenn der Netzbetreiber ... nur das nach § 23 a
EnWG 2005 genehmigte Netznutzungsentgelt verlange“ (so die Vorinstanz zu
BGH a.a.O. [Tz. 9] - Stromnetznutzungsentgelt V), einerseits eine klare Absage
zu Gunsten eines grundsätzlich doppelten, nämlich öffentlich- wie
privatrechtlichen Kontrollregimes erteilt, dass er andererseits seiner
Indizerwägung dann wiederum eine solche Sperrwirkung zuschreibt, dass der
öffentlich-rechtlichen Genehmigung beweisrechtlich im praktischen Ergebnis
kaum noch beizukommen sein soll. So hat der BGH als Einfallstor für eine
Erschütterung nur beispielhaft („etwa“) angesehen, ob die Entgeltregulierung auf
unrichtigen Tatsachenangaben des Netzbetreibers in den Antragsunterlagen
beruht, deren Fehlerhaftigkeit im Genehmigungsverfahren nicht aufgedeckt
worden ist (BGH a.a.O. [Tz. 23] - Stromnetznutzungsentgelt V). Gibt der Bescheid
dann selbst schon zu erkennen, dass eine Prüfung nicht stattgefunden oder dass
sie sich nur oberflächlich mit im Genehmigungsantrag zur Anmeldung gebrachten
Kosten befasst hat, wird im Ansatz nichts anderes gelten können. Der BGH wird
kaum dem Gebot der erhöhten parallelen Kontrolldichte das Wort geredet haben,
um dann verfahrensrechtlich wieder das zu nehmen, was er zunächst eingeräumt
hat. Dies gilt umso mehr, wenn der Netznutzer nicht die Unterlagen des
Genehmigungsverfahrens erhält und ihm nicht einmal ein ungeschwärztes
Exemplar (vgl. K 40 [geschwärzt], B 5 a [für die Kopie blank gestellte Teile]) der
Genehmigung zur Verfügung gestellt wird.
dd)
38 Hinzu tritt, dass ein Indiz, das sich als ein Beweistatbestand gleichsam einbettet
in ein Mosaik, in welchem Indiztatsachen als Steinchen bedeutsam sein können
(so Greger in Zöller, ZPO, 31. Aufl. [2016], § 286, 9 a), das als Hilfstatsache für
den Nachweis der Haupttatsache dient, falls erstere die ernstliche Möglichkeit des
logischen Rückschlusses auf den zu beweisenden Tatbestand bietet (BGH B. v.
16.06.2011 - V ZR 22/11 [Tz. 11]), leichter „erschütterbar“ erscheint (vgl. BGH B.
v. 12.03.2013 - VIII ZR 179/12 [Tz. 12]) als ein Anscheinsbeweis, in dessen
Zusammenhang in der Regel von Erschütterung die Rede ist, und welche als
gelungen angesehen wird, wenn derjenige, dem die Erschütterung obliegt,
Umstände behauptet und gegebenenfalls bewiesen hat, aus denen sich ein von
dem typischen Sachverhalt abweichender Geschehensablauf ergibt (BGH GRUR
2012, 1253 [Tz. 37] - Gartenpavillon), wenn die Möglichkeit eines anderen
Geschehensablaufs als ernsthaft in Betracht kommend erwiesen ist (BGH VersR
2010, 627 [Tz. 16]; Greger a.a.O. Vor § 284, 29).
39 Insoweit erscheinen die Erschütterung des Anscheinsbeweises wie der
Indizwirkung angenähert, wenngleich in Bezug auf letztere wohl erleichtert.
ee)
40 Deshalb hält der Senat dafür, dass von der Indizwirkung auszugehen ist, dass an
deren Erschütterung aber nicht die ganz strengen Anforderungen zu stellen sind,
wie sie in der bezeichneten obergerichtlichen Rechtsprechung ausgebildet
worden sind. Es genügt, wenn die Klägerin eine solche Reihe von
genehmigungsrechtlichen Unzulänglichkeiten aufzeigt, dass deren Geltung
zugleich als Entgeltbestimmung nach billigem Ermessen nicht mehr erkannt
werden kann.
2.
a)
41 Dabei ist zu bedenken, dass eine Vertragspartei, die nach § 315 Abs. 1 BGB zur
Bestimmung der Leistung befugt ist, einen Ermessensspielraum hat (BGH NJW
2014, 3089 [Tz. 23] - Stromnetznutzungsentgelt VI); dieser dem Bestimmer
eingeräumte Gestaltungsspielraum ist geradezu Wesensvoraussetzung des
einseitigen Bestimmungsrechts nach § 315 BGB (BGH U. v. 25.11.2015 - VIII ZR
360/14 (Tz. 20 und 42]). Die von der Partei vorgenommene Bestimmung ist erst
dann durch das Gericht zu ersetzen, wenn die durch § 315 Abs. 3 BGB
gezogenen Grenzen überschritten sind, nicht hingegen schon dann, wenn das
Gericht eine andere Festsetzung für richtig hält (BGH a.a.O. [Tz. 23] -
Stromnetznutzungsentgelt VI); so hat denn der BGH eine vom dortigen
Berufungsgericht festgestellte Abweichung um 9,75 % für noch nicht ausreichend
erklärt (BGH a.a.O. [Tz. 23] - Stromnetznutzungsentgelt VI). Die Ausübung des
billigen Ermessens kann gerichtlich nur dahingehend nachgeprüft werden, ob
dessen Grenzen eingehalten und sachfremde oder willkürliche Motive für die
Bestimmung maßgebend gewesen sind (BGH U. v. 09.12.2015 - IV ZR 336/14
[Tz. 27]).
b)
42 Soweit die Klägerin schon in der Klage vorgetragen hat, „auch die gegenüber den
beantragten, aber von der BNetzA gekürzten Kosten im Rahmen der ersten (hier
alleine um 14 %) bzw. zweiten Regulierungsrunde in den Jahren 2006 bzw.
2007/2008 zeigen, dass Kostenpositionen zu Unrecht in die Kalkulation mit
einbezogen wurden“ (Bl. 83, so auch Bl. 107 und 353; vgl. B 5 a S. 26 - 27),
spricht dies nicht nur für eine entsprechende Prüfungstiefe dieser
Regulierungsbehörde, sondern auch dafür, dass das korrespondierend erhobene
Entgelt bereits anfänglich gegenüber dem dadurch mittelbar beantragten
zurückgeführt worden war, und kann - entgegen der Behauptung der Klägerin -
nicht dahin aufgefasst werden, dass die Beklagte generell und damit auch in
anderen Bereichen und später überzogene Kostenpositionen in ihre Kalkulation
eingestellt habe.
c)
43 Auch dem Umstand, dass „die Beklagte im Vergleich zu den
streitgegenständlichen Netznutzungsentgelten (vgl.
Anlage K 3a
) durch den
Regulierungsbescheid gemäß StromNEV zum 01.01.2008
Absenkungen von
bis zu - 10,5 % (!)
erfahren“ hat (Bl. 18), mag auf erste Sicht ein gewisses Indiz
dafür abgeben, dass die zweite Genehmigungsrunde, welche mit einer höheren
Prüfungsdichte verbunden gewesen war, aufgedeckt haben könnte, dass für die
etwas oberflächlich geprüfte kostenbasierte Genehmigung für das hier
streitbetroffene Jahr 2007 von zu hohen Kostenpositionen ausgegangen worden
sei. Diesem Umstand vermochte aber auch der Sachverständige C... „Zur
Indizwirkung“ nichts abzugewinnen. „Es liegt in der Natur der Sache eines
schwankenden Verbrauchs, dass es durchaus denkbar ist, dass allein aufgrund
der Verbrauchsschwankungen eine Veränderung der Entgelte angezeigt ist. In
welcher Größenordnung diese dann anfällt, das muss man im Einzelfall sehen“
(Bl. 484).
d)
44 Auch ist zutreffend, dass die Klägerin sich in der Klage und auch danach bis zum
Bekanntwerden der BGH-Entscheidung vom 15.05.2012 -
Stromnetznutzungsentgelt V weitgehend in Spekulationen, Mutmaßungen und
substanzlosen Behauptungen ergangen hat, wie beispielhaft dahin, „dass eine
kalkulatorische Eigenkapitalquote von 40 % für den Netzbetrieb hier nicht
notwendig ist, haben schon die Ausführungen in der Klageschrift (S. 78 ff.)
gezeigt“ (Bl. 194 [Doppelblattierung]). Dort findet sich denn aber auch nur Vortrag
dieser Art: „Vorliegend geht der Vorwurf der Klägerin dahin, dass die Beklagte mit
einer Eigenkapitalquote kalkuliert hat, die in dieser Höhe im Wettbewerb nicht
notwendig ist und erst recht nicht im risikoarmen Netzbetrieb“ (Bl. 79). Dieser
Gehalt des Vortrages pflanzte sich fort und wurde in anderem Zusammenhang
behauptend instrumentalisiert etwa dahin: „Die Klägerin hat bereits ausführlich
dazu vorgetragen, dass die regulierten Entgelte aufgrund der zu hoch
angesetzten Eigenkapitalquote und -verzinsung nicht zugleich kartellrechtlich
angemessen sind und in dem überhöhten Kostenansatz ein
Ausbeutungsmissbrauch zu sehen ist“ (Bl. 244). Das Selbstzeugnis einer
ausführlichen Begründung gründete darauf, dass etwa in Bezug auf die
kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung die Klägerin auf griechische
Staatsanleihen verwiesen hatte und daran die Schlussfolgerung knüpfte: „Dieser
einfache Vergleich zeigt insoweit, dass vorliegend die Eigenkapitalverzinsung
gemessen an den Erwartungen des Kapitalmarktes deutlich überhöht ist“ (Bl. 85;
vgl. auch Bl. 183 [Doppelblattierung]: „... und zudem eine überhöhte
Eigenkapitalquote sowie eine überhöhte Eigenkapitalverzinsung zugrunde gelegt
wurden“, Bl. 249).
3.
a)
45 Nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 23.07.2012 (Bl. 277) das Urteil des
Bundesgerichtshofs vom 15.05.2012 - Stromnetznutzungsentgelt V vorgelegt
hatte, mit welchem nicht nur die Parallelität der regulierungsrechtlichen wie
privatrechtlichen (§ 315 BGB) Entgeltkontrolle bekräftigt, sondern der
regulierungsrechtlichen Entgeltgenehmigung auch die bezeichnete Indizwirkung
zugeschrieben worden ist, war das Vorbringen der Klägerin gebotenermaßen um
einen höheren Substantiierungsgrad bemüht. Dabei bleibt zu beachten, dass sich
die Klägerin - wie auch sonst bei ähnlichen Konstellationen der Überprüfung von
Entgelten oder (dort) Prämienanpassungen - gegebenenfalls, um der eigenen
Substantiierungslast Genüge zu tun, der Hilfe eines Sachverständigen bedienen
kann und muss (BGH U. v. 09.12.2015 - IV ZR 272/15 [Tz. 24]).
b)
46 Eigenkapitalquote
47 Unter diesem prozessrechtlichen Regime vermochte die Klägerin
Durchgreifendes insoweit nicht aufzuzeigen, was schon für sich selbst die vom
Genehmigungsbescheid vom 31.08.2006 ausgehende Indizwirkung zu
erschüttern oder jedenfalls einen wesentlichen Beitrag im Gesamtverbund mit
anderen Gegenindizien zur Erschütterung der Indizwirkung zu leisten vermocht
hätte.
aa)
48 So hat der Justiziar der Klägerin, Herr M... A..., vor dem Landgericht selbst
ausgeführt, „dass es durchaus schon vorgekommen sei, unter 40 % Eigenkapital
zu haben, nämlich bei einer R...-Regionalgesellschaft“ (Bl. 369), was im
Umkehrschluss heißt, dass es nahezu keinen Netzbetreiber gibt, der eine
Eigenkapitalquote von unter 40 % hält. Damit wird allerdings nur eine
(möglicherweise missbräuchliche) Marktübung auch von Herrn A... bestätigt.
Insoweit fügt sich die Bewertung des Sachverständigen C... ein: „Dass
Stromnetzbetreiber meiner Erfahrung nach generell kalkulatorische
Eigenkapitalquoten haben, die deutlich über 40 % liegen, muss sich nicht
notwendigerweise aus der Betriebsnotwendigkeit ableiten, sondern kann auch
Folge des Umstands sein, dass eine höhere Eigenkapitalquote eine höhere
Eigenkapitalverzinsung zur Folge hat und mithin einen höheren Gewinn für die
Eigentümer der Gesellschaft“ (Bl. 373). Da allerdings die Klägerin die
Obliegenheit zur Erschütterung der Indizwirkung trifft, kann aus dieser offenen,
spekulativen Erwägung nichts zu ihren Gunsten gewonnen werden.
bb)
49 Im Ansatz hat auch Beachtung zu finden, dass der Verordnungsgeber im
Austausch mit den Verbänden, aber auch sachkundig beraten von
Wirtschaftswissenschaftlern wie Experten der Betriebswirtschaftslehre in seinem
zur Verordnung gewordenen Kalkulationsmodell eine Wertung im Sinne dieses
Kalkulationselementes getroffen hat. Insoweit hat auch der Bundesgerichtshof
festgestellt: Die Festlegung der Eigenkapitalverzinsung folgt einem
eigenständigen System, das in seinen Grundsätzen durch § 21 EnWG
vorgegeben und in der Gasnetzentgeltverordnung näher bestimmt wird. Die §§ 6
und 7 GasNEV bilden hierbei ein abgeschlossenes Regelungswerk (BGH B. v.
10.11.2015 - EnVR 42/10 [Tz. 10] - Energieversorgung Marienberg GmbH ferner
Beschluss vom 14. August 2008 - KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rn. 36 f. -
Vattenfall Beschluss vom 07. April 2009 - EnVR 6/08, RdE 2010, 25 Rn. 18 -
Verteilnetzbetreiber Rhein-Main-Neckar). Zwar stellt diese Kalkulationsgröße
nach § 6 Abs. 3 S. 4 StromNEV als auf höchstens 40 % begrenzt nur einen
Höchstwert dar; gleichwohl kommt dieser Marge im in sich geschlossenen
Kalkulationskontrollsystem der StromNEV eine Richtwertfunktion zu.
cc)
50 Auch der Einwand, „tatsächlich liegt die bilanzielle Eigenkapitalquote bei den
meisten Netzbetreiber, insbesondere der vier großen Unternehmen N..., R..., V...
und E... deutlich unter 40 %. So lag die durchschnittliche bilanzielle
Eigenkapitalquote dieser vier Stromkonzerne im streitgegenständlichen Jahr bei
etwa 28 %“ (Bl. 80, 246 oder 348), gar „die bilanzielle Eigenkapitalquote von E...
lag im Zeitraum 2005-2009 zwischen ca. 13 % und 21 %“ (Bl. 81, 194
[Doppelblattierung]), verkennt die unterschiedlichen Regelungsbereiche der
einerseits kalkulatorischen Funktion im Rahmen der
energieverwaltungsgerichtlichen Kontrolle und der Bedeutung der
handelsrechtlichen Bilanz. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 GasNEV ist die kalkulatorische
Rechnung zur Bestimmung der Netzkosten, zu der die kalkulatorische
Verzinsung des Eigenkapitals gehört, ausgehend von den Gewinn- und
Verlustrechnungen zu erstellen. Darin und in anderen Bestimmungen, die auf die
Handelsbilanz Bezug nehmen, liegt nach der Rechtsprechung des BGH kein
Verweis auf Rechtsnormen des Handelsrechts. Die Handelsbilanz und sonstige
nach handelsrechtlichen Vorschriften erstellte Rechenwerke dienen vielmehr als
Datenquelle für die Regulierungsentscheidung (so BGH B. v. 10.11.2015 - EnVR
42/10 [Tz. 10] - Energieversorgung Marienberg GmbH) diese höchstrichterlichen
Ausführungen können unschwer auf die wortgleiche Vorschrift in der StromNEV
übertragen werden. Dies findet nur ergänzend seine Entsprechung in den
Ausführungen des Sachverständigen C... zu den unterschiedlichen Regimen der
bilanziellen und kalkulatorischen Eigenkapitalquote (Bl. 371). Deshalb war und ist
dem Beweisantrag der Klägerin nicht nachzugehen: „Dies zeigt der Vergleich mit
der Eigenkapitalquote des E...-Konzerns: Ausweislich des Jahresabschlusses für
2006 betrug die bilanzielle Eigenkapitalquote 15,7 %. Diese Quote spiegelt alle
Betriebssparten im Konzern wider, vor allem auch die Unternehmensbereiche, die
im Wettbewerb stehen. Die Eigenkapitalquote im Netzbereich der Beklagten kann
daher nicht höher sein, als die konzernweite Eigenkapitalquote.
Beweis:
Sachverständigengutachten“ (Bl. 295) - ungeachtet des Umstandes, dass die
Klägerin dabei auf andere Rechtspersonen mit möglicherweise gänzlich anders
gelagerten Funktionen und einer gänzlich anderen Art des Kapitalbedarfs abstellt.
An ihr ist es aber, die Übertragbarkeit dieser Daten auf die Beklagte angesichts
deren konkreter betrieblicher Ausrichtung und Betriebsnotwendigkeit im
Einzelnen näher nachvollziehbar zu machen. Daran fehlt es im Vortrag der
Klägerin insoweit.
dd)
51 Zwar wird auch dem Argument der Klägerin beizutreten sein, dass es sich beim
Netzbetrieb um einen relativ risikoarmen Wirtschaftszweig handeln wird (so auch
Bundesnetzagentur BB 1 = Bl. 737 f., dort Bl. 742). Allerdings wird dies dem
Verordnungsgeber nicht verborgen geblieben sein; gleichwohl hat er sich
hinsichtlich der Regulierung des Netznutzungsentgeltes innerhalb dieses in sich
abgeschlossenen Kalkulationsmodells, das in sich wechselbezügliche
Abhängigkeiten schafft, weshalb nicht beliebig nur die dem Entgeltsverpflichteten
ungünstigen Modellelemente infrage gestellt und herausgebrochen werden
können, beim Kalkulationselement der Eigenkapitalquote zu der bezeichneten
Kenngröße verstanden. Die Klägerin muss danach mehr aufbieten als nur dem
verordnungsgeberischen Kalkulationsmodell ein angeblich in Teilen besseres,
nämlich für sie günstigeres entgegenzustellen. Dies leistet die Klägerin nicht,
indem sie, ohne den Gesamtblick auf die Ausgewogenheit dieses
Regelungswerkes zu nehmen, nur modelltheoretische Einzelkritik übt, ohne
aufzuzeigen, dass die Beklagte in ihrer konkreten Handhabung sich soweit von
diesem Regelungsmodell entfernt hat, dass dessen Anwendung auf sie nicht
mehr der Billigkeit entspricht.
ee)
52 Nichts anderes gilt insoweit, als sie auf eine Folie eines Herrn Dr. H... von der
Bundesnetzagentur in irgendeinem Vortrag verweist (Bl. 45), der ausweist, dass
bei einer tatsächlich niedrigen Eigenkapitalquote (z.B. 20 %) Zusatzzinsen
anfallen und damit der von der Klägerin beanstandete „windfall profit“ (Bl. 45; vgl.
auch Bl. 545). Dieser theoretischen Betrachtung kann zugestimmt werden; überall
dort, wo es einem Netzbetreiber gelingt, vom verordnungsgeberischen
Kalkulationsmodell zu eigenen Gunsten abzuweichen, hat sie einen
Zusatzvorteil. Ob ihr dies allerdings tatsächlich gelungen ist, bedarf der
Substantiierung durch die Klägerin; insoweit hält sie sich nur im Spekulativen auf.
c)
53 Kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung
aa)
54 Auch hier hat das Vorbringen der Klägerin von: „Im Übrigen ist auch die
Eigenkapitalverzinsung mit 6,5 % zu hoch angesetzt“ (Bl. 195), „Die Klägerin geht
im Rahmen ihrer Schätzung des Streitwertes davon aus, dass sich bei der
Billigkeit der streitgegenständlichen Entgelte ... im Rahmen der kalkulatorischen
Kostenposition 'Eigenkapitalverzinsung' herausstellen kann, dass diese um ca.
20 % überhöht ist“ (Bl. 5), dass „in dem überhöhten Kostenansatz ein
Ausbeutungsmissbrauch zu sehen ist“ (Bl. 244), unter dem Eindruck der
Rechtsprechungsänderung durch BGH - Stromnetznutzungsentgelt V einen zwar
folgerichtigen Substantiierungswandel aber nicht durchgreifend vollzogen. Selbst
noch in der Berufungserwiderung liest sich (nur): „Unabhängig von der Frage, ob
in Zeiten ständig weiter sinkender und historisch niedriger Zinsen die per
Verordnung zugebilligte Eigenkapitalverzinsung noch angemessen ist, liegt auf
der Hand, dass die Eigenkapitalverzinsung spätestens dann unangemessen ist,
wenn sie wie vorstehend dargelegt auf eine überhöhte und verfälschte
Bemessungsgrundlage bezogen wird“ (Bl. 732/733). Der gegenwärtige Zinsverfall
ist schon für den hier im Streit stehenden Zeitraum des Jahres 2007 ohne
jeglichen Belang. Durch einen Selbstbezug auf wiederum unsubstantiierten
Vortrag kann die eigene Substantiierungstiefe nicht erhöht werden. Das
bezeichnete Vorbringen macht auch deutlich, dass es der Klägerin mehr um
angeblich unberechtigte Grundlagen für diese Position als um den Zinssatz selbst
geht. Soweit sie in I. Instanz noch mit der bloßen Behauptung, dass bei richtigem
Ansatz die kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung „somit jeweils deutlich unter
6,5 % liegt.
Beweis:
Sachverständigengutachten“ (Bl. 196), operierte, geschah
dies im Zusammenhang mit dem Verweis auf die Arbeitsgrundlage der
Bundesnetzagentur insoweit, das Capital Asset Price Model (CAPM). Ersichtlich
hat die Klägerin auch in anderen Verfahren inhaltsgleich vorgetragen. So kann
der Senat Bezug nehmen auf KG NJOZ 2015, 1158 [Tz. 22], wonach auch es
dem hier gehaltenen Vorbringen an der gebotenen Substantiierung,
insbesondere der Darstellung in seiner konkreten Umsetzung mangelt. Auch
insoweit gilt im Übrigen, worauf auch die Berufung zutreffend verweist (Bl. 677),
dass dieser Zinssatz einer Vorgabe in der Verordnung (§ 7 Abs. 6 S. 3
StromNEV) entspricht und dies nicht einmal im Sinne einer
Höchstbetragsvorgabe (vgl. auch OLG Naumburg BeckRS 2015, 10347 [Tz. 32]).
Nichts anderes findet sich hierzu in der vor dem Landgericht statt gehabten
Beweisaufnahme durch Anhörung des Sachverständigen C..., welcher „Zum
Eigenkapitalzins
... im Rahmen meiner Prüfung im vorliegenden Verfahren
keinen Anlass anzunehmen [sah], dass sich daraus die Indizwirkung erschüttern
ließe“ (Bl. 376).
bb)
55 Soweit in diesem Zusammenhang die Behauptung aufgestellt wurde, der
Mutterkonzern der Beklagten habe sein Fremdkapital zu 4,2 % zu finanzieren
vermocht (Bl. 297), hat der Sachverständige darin ein Problem des
Liquiditätsmanagements im Konzern gesehen, nicht aber zu klären vermocht, ob
die Bundesnetzagentur diesen Umstand geprüft hat (Bl. 373). Aus der von der
Klägerin zu den aufwandsgleichen Kosten in Bezug genommenen
Pressemitteilung der Bundesnetzagentur (K 42) ergibt sich aber gerade, dass
deren Prüfungsschwerpunkte bei der ersten Genehmigungsrunde die
kalkulatorischen Kosten gewesen sind. Auch insoweit bleibt, da ersichtlich
gleiches Vorbringen gehalten worden ist, die Anlehnung an die Ausführungen
des KG NJOZ 2015, 1158 [Tz. 20], dass die Ausführungen der Klägerin zu einem
sog. Cash-Pooling, also einem Liquidationsmanagement innerhalb des Konzerns
mit der Möglichkeit einer verdeckten Quersubvention, ohne hinreichende weitere
Darlegung geblieben sind, insbesondere auch ohne die gebotene Darstellung der
tatsächlichen Auswirkungen dieser besonderen Kapitalbeschaffungsmöglichkeit
(so auch KG a.a.O. [Tz. 20]). Jedenfalls hat aber, worauf die Klägerin insoweit
selbst verweist (Bl. 396, 575), die Regulierungsbehörde in ihrem Bescheid vom
31.08.2006 (B 5 a, dort S. 34 = K 40) diese Zusammenhänge gesehen,
berücksichtigt und im Hinblick darauf einen vermittelnden Wert festgesetzt. Damit
geht auch der Angriff, dieser Gesichtspunkt sei gar nicht gesehen worden, ins
Leere.
d)
56 Aufwandsgleiche Kosten
aa)
57 Der Umstand, dass die Bundesnetzagentur diese Kostenpositionen in der sog.
ersten Genehmigungsrunde gar nicht überprüft habe (so Klägerin Bl. 288), ergibt
sich nicht aus der von ihr insoweit in Bezug genommenen Anlage K 42. In jener
Pressemitteilung verhält sich die Regulierungsbehörde zu ihrer Genehmigung
zum 01. Januar 2008 (zweite Genehmigungsrunde). Wenn sich dort liest: „Neben
den Prüfungsschwerpunkten aus der ersten Genehmigungsrunde, die die
kalkulatorischen Kosten betreffen, hat die Bundesnetzagentur die
aufwandsgleichen Kosten (z.B. Kosten der Energiebeschaffung für den
Netzbetrieb), die Kostenfolge einer gezielten Bilanzpolitik sowie die Netzhistorie
einer vertieften Prüfung unterzogen“, so ist daraus mitnichten zu folgern, dass in
der ersten Genehmigungsrunde die aufwandsgleichen Kosten überhaupt keiner
Prüfung unterzogen worden seien. Vielmehr ergibt sich daraus, dass sie überprüft
worden sind, dass die Regulierungsbehörde anderen Kostenpositionen damals
aber eine (noch) höhere Prüfungspriorität zugemessen hat.
bb)
58 Verlustenergie
59 Die Klägerin führt selbst aus, dass diese Kostenpositionen eine Prüfung durch die
Bundesnetzagentur erfahren hat („Gleichwohl sind in der ersten
Genehmigungsrunde lediglich einige, wenige Unterpunkte wie etwa die
Verlustenergie geprüft worden“ [Bl. 326], allerdings angeblich „nicht hinsichtlich
der effizienten Kosten und Mengen“ (Bl. 327]). Dem Bescheid vom 31.08.2006 (K
40 S. 3) ist zu entnehmen, dass die Beschlusskammer wegen der Vielzahl der in
der ersten Genehmigungsrunde zu prüfenden Unternehmen
Prüfungsschwerpunkte gebildet werden mussten. Gerade die Aufwendungen für
die Beschaffung von Verlustenergie zählten aber zu den Prüfungsschwerpunkten
(dort S. 6). Wie unstreitig ist (Bl. 524 und 538), sind die Beschaffungskosten
gekürzt worden. Dabei ist, wie der Bescheid selbst ausweist, eine Kürzung der im
Antrag angesetzten Kosten geschehen und zwar gemessen „gegenüber einem
effizienten Netzbetreiber, der in der gleichen strukturellen Situation wie die
Antragstellerin ist“ (K 40 S. 25). Insofern wird die Klägerin widerlegt, soweit sie
eine Effizienzkontrolle leugnet. Dass die im Mai 2008 eingeführte freiwillige
Selbstverpflichtung zur Beschaffung von Verlustenergie vom BGH nicht als
umfassende Regulierung dieses Bereiches angesehen worden ist (RdE 2102,
333: „Die freiwillige Selbstverpflichtung der Antragstellerin stellt keine umfassende
Regulierung des Bereichs für die Beschaffung von Verlustenergie dar. Diese
regelt - wie auch die inhaltlich weitergehende Festlegung der Bundesnetzagentur
vom 21. Oktober 2008 (BK6-08-006), die ebenfalls keine umfassende
Regulierung ist - zwar nähere Einzelheiten des Ausschreibungsverfahrens. ...
Diese Regelungslücken lassen der Antragstellerin nicht nur geringfügige
Möglichkeiten einer eigenständigen Kostenbeeinflussung“ [Tz. 21 und 22]),
bedeutet entgegen der Wertung der Klägerin (Bl. 539) nicht zugleich, dass in
Bezug auf die Entgeltgenehmigung für das Jahr 2007 eine beachtlich
unangemessene Festsetzung getroffen worden wäre.
cc)
60 Betriebsverbrauch
61 Dass im Bescheid vom 29.02.2008 (K 41, S. 36) ein 30 %iger Abschlag
vorgenommen worden ist, der „reflektiert bestehende Unsicherheiten und
Dokumentationslücken bei der für den Betriebsverbrauch anzusetzenden
Menge“, besagt zwingend nichts über die Verhältnisse im Jahre 2007, welche
keine Beanstandungen seitens der Bundesnetzagentur erfahren haben, obgleich
- wie auch deren Vorgehen im Jahre 2008 dokumentiert - eine Kontrolle
stattgefunden hat. Auch insoweit erlangen die Ausführungen des
Sachverständigen C... im Zusammenhang mit dem Umstand, dass es im
Bescheid der Regulierungsbehörde vom 01.01.2008 gegenüber dem der ersten
Genehmigungsrunde eine Absenkung von 10,5 % gegeben hat Bedeutung, dass
dies „in der Natur der Sache eines schwankenden Verbrauches liege“ und „es
durchaus denkbar ist, dass allein aufgrund der Verbrauchsschwankungen eine
Veränderung der Entgelte angezeigt ist“ (Bl. 484).
dd)
62 Vergütung für dezentrale Einspeiser
63 Der Bescheid hat nur festgestellt, dass der beantragte Wert von der Plangröße
abweicht. Die Bundesnetzagentur hat sich zwar eine weitere Prüfung
vorbehalten, aber im Mittelwert der Ist-Ansätze der Jahr 2004 und 2005 einen
zulässigen Kostenansatz gesehen (K 40 S. 24). Insoweit stehen der Klägerin
weitere Vergleichszeiten zu Gebote, welche ihr einen vertiefteren Vortrag eröffnet
hätten. Daran fehlt es. Hat die Behörde dann - etwa aufgrund ihrer Erkenntnisse
mit größerer Kontrolltiefe im Zuge der späteren Prüfung - von ihrem Vorbehalt und
der damit eröffneten Widerrufsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht, so beseitigt
dies zugleich die von der Klägerin an den Vorbehalt geknüpften Zweifel an der
Aussagekraft des Erstbescheides insoweit (vgl. auch OLG Naumburg a.a.O. [Tz.
33]).
ee)
64 Aufwendungen Lastprofilabweichungen
65 Wie bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, stellt der Umstand, dass es
im Bescheid 2008 zu einer Kürzung gekommen ist (K 41 S. 36), kein
durchschlagendes Indiz dafür dar, dass es (auch) bezogen auf das Jahr 2007 zu
einem nennenswert überhöhten Kostenansatz gekommen wäre. Dass im Jahr
2006 keine Prüfung dieser Position gegeben habe (Bl. 290), bleibt eine
bestrittene (Bl. 308) Behauptung der Klägerin, für welche es - z.B. im Bescheid -
auch keinen unmittelbaren Wertungsansatz selbst gibt.
ff)
66 Aufwendungen vorgelagerte Netzbetreiber
67 Immerhin hat insoweit eine (gewisse) Prüfung durch die Bundesnetzagentur
stattgefunden, wenn die Klägerin selbst ausführt, „eine tiefergehende Prüfung und
damit ein sachnäherer Ansatz der vorgelagerten Netzkosten erfolgte erst für die
Genehmigung für 2008“ (Bl. 290). Ohnehin gilt, dass die Kosten vorgelagerter
Netzbetreiber nicht der Überprüfung im Rahmen der Entgeltgenehmigung
unterliegen, sondern den Netzkunden ungeprüft in Rechnung gestellt werden
dürfen (BGH B. v. 31.01.2012 - EnVR 31/10 [Tz. 46] - Stadtwerke Freudenstadt I
OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 00608 [Tz. 37]).
gg)
68 Sonstige Materialkosten
69 Insoweit bleibt die Behauptung, die Regulierungsbehörde hätte diese
angemeldeten Kosten keinerlei Prüfung unterzogen, bloße Behauptung der
Klägerin, für welche sich - etwa im Bescheid - auch kein sonstiger Anhalt findet.
hh)
70 Gemeinkosten
71 Der Bescheid (K 40 S. 26) lässt selbst erkennen, dass die Bundesnetzagentur
hinsichtlich der angemeldeten Kosten trotz Stellungnahme der Antragstellerin am
31.05.2006 auf die Bedenkenanzeige der Behörde hin eine Kürzung
vorgenommen hat. Dass dieser Kostenansatz keine Kontrolle erfahren hätte,
entbehrt danach der tatsächlichen Grundlage. Dass in der
genehmigungsgleichen Erhebung des Netznutzungsentgeltes eine unbillige
Bestimmung der Beklagten zum Ausdruck käme, kann nach dem Sachstand
danach nur als Mutmaßung gewertet werden.
ii)
72 Fremdkapitalzinsen
73 Dass eine Prüfung erst 2008 stattgefunden habe (K 41 S. 38), wie die Klägerin
behauptet (Bl. 291), findet keine Entsprechung im Bescheid 2006 (B 5 a S. 36).
jj)
74 Mieten, Pachten, Leasing, Gebühren, Beiträge
75 Insoweit muss die Klägerin einräumen, dass „eine Prüfung dieser Position ... für
2006 zwar stattgefunden [hat]“ (Bl. 291). Der Bescheid hat „in Anbetracht der
Tatsache, dass eine genaue Ermittlung der tatsächlich betriebsnotwendigen
Flächen für die Beschlusskammer nicht möglich ist ...“ (K 40 S. 38), eine
pauschale Kürzung vorgenommen. Da sich auch darin eine zusätzliche
Plausibilitätskontrolle verbirgt und eine Kürzung nach der so gearteten Prüfung
der angemeldeten Kosten geschehen ist, bleibt der substanzlose Angriff der
Klägerin, der letztlich bedeutet, der Raumbedarf der Beklagten habe nicht
bestanden, ungeeignet, die vom Bescheid auch insoweit ausgehende
Indizwirkung zu berühren.
e)
76 Sach- und Anlagevermögen
aa)
77 Nach § 6 Abs. 1 S. 1 StromNEV ist die Wertminderung der betriebsnotwendigen
Anlagegüter als Kostenposition bei der Ermittlung der Netzkosten in Ansatz zu
bringen (kalkulatorische Abschreibungen). Nachdem der Bescheid vom
31.08.2006 ausführt: „Den Antragsunterlagen lässt sich nicht entnehmen, ob es
sich bei ausgewiesenen Anschaffungs- und Herstellungskosten tatsächlich um
die historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 6 Abs. 2 S. 2 Nr. 2
StromNEV handelt. Zu Gunsten der Antragstellerin sind die von der
Antragstellerin angegebenen Anschaffungs- und Herstellungskosten der
Entscheidung zugrunde gelegt worden“ (dort S. 27), hat eine Kontrolle der
Ausgangswertgrößen schon nicht stattgefunden, welche als Netzkosten in das
Regulierungssystem eingestellt worden sind. „Die Ermittlung der Input-Größen“
hat danach ersichtlich, auch nicht stichprobenartig, stattgefunden (so
Sachverständiger C... Bl. 380 und 381). Dabei handelt „es sich hierbei um einen
sehr maßgeblichen Sachverhalt“ (Sachverständiger Bl. 381). Zudem hat keinen
hinreichenden Widerspruch erfahren, dass angesichts dieser Prüfungstiefe der
Bundesnetzagentur auch keine Kontrolle der Betriebsnotwendigkeit dieser so in
die Kostenrechnung eingestellten Wirtschaftsgüter stattgefunden hat. Diese sind
der Übersicht nach ausgewiesen schon im Bescheid 2006 (S. 28), jedoch hier (S.
30 - 33) wie auch im Bescheid der zweiten Genehmigungsrunde (K 1 S. 43 bis
46) den Bestandseinzelheiten nach nur geschwärzt zugänglich gemacht. Die
Bundesnetzagentur hat sich jedoch Modifizierungen dieser Ansätze vorbehalten,
sofern weitere Ermittlungen in folgendem Genehmigungsverfahren zu
abweichenden Erkenntnissen führen sollten (Bescheid S. 27). Im Zweitbescheid
(2008) hat ersichtlich diese (auch rückwirkend plausibilisierende) Kontrolle
stattgefunden, wenn dort ausgeführt ist: „Für eine Plausibilisierung der von der
Antragstellerin ihrem Netzentgeltantrag zugrunde gelegten kalkulatorischen
Restwerte hat die Beschlusskammer eine eigene Ermittlungen (Prüfrechnung) ...
durchgeführt“. „Die Beschlusskammer hat keine Anhaltspunkte, dass es sich bei
den ... mitgeteilten Anschaffungs- und Herstellungskosten nicht um die
historischen Anschaffungs- und Herstellungskosten nach § 6 Abs. 2 Nr. 2
StromNEV handelt“ (Bescheid 2008 S. 40). Dies ist ersichtlich auch die
Grundlage dafür, dass die Beschlusskammer von der vorbehaltenen
Widerrufsmöglichkeit in Bezug auf das Jahr 2006 keinen Gebrauch gemacht hat.
Deshalb schließt dieser Bescheid insoweit auch damit: „Die in Ansatz gebrachten
kalkulatorischen Restwerte zu Anschaffungs- und Herstellungskosten sind nicht
zu kürzen“ (S. 44).
bb)
78 Eine Kürzung hat jedoch hinsichtlich der in Ansatz gebrachten kalkulatorischen
Restwerte zu Tagesneuwerten stattgefunden (Bescheid 2008 S. 44), was auch
die Klägerin nicht verkennt (Bl. 293). Zwar bemängelt sie, dass die
Regulierungsbehörde von den Untergrenzen der betriebsgewöhnliche
Nutzungsdauer ausgegangen sei (Bl. 329), was den Netzbetreiber begünstige.
Die Gegenargumentation der Beklagten (Bl. 340/341) hat keine Entgegnung der
Klägerin erfahren.
cc)
79 Index Tagesneuwerte
80 Die Bundesnetzagentur hat sich dabei von den WIBERA-Indexreihen leiten
lassen (K 40 S. 30). Auch daraus vermochte der Sachverständige keinen
durchgreifenden Anhalt für eine nachhaltige Begünstigung der Beklagten
abzuleiten (Bl. 382). Auch die vom Sachverständigen C... beschriebene weitere
tatsächliche Entwicklung einer Festlegung durch die Bundesnetzagentur, deren
vom BGH bestätigte Aufhebung durch das OLG Düsseldorf und die daraufhin
erfolgte verordnungsgeberische Vorgabe hat den Sachverständigen mangels
Kenntnis der Anlagenstruktur nur dazu geleitet: „Das Ergebnis ist enttäuschend,
und zwar enttäuschend im Hinblick auf den gewonnenen Erkenntniswert“ (Bl.
484). Er hat jedoch bestätigt, dass es sich bei den Wibera-Indices „um eine weit
verbreitete Praxis“ gehandelt hat und damals als „eben die pragmatischste
Lösung“ gelten konnte (Sachverständiger C... Bl. 485).
dd)
81 Durchgreifend anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung BGH RdE
2011, 308 - EnBW Regional AG, einem eben die Beklagte betreffenden
höchstrichterlichen Beschluss. Dort ging es um die Frage, ob bei der Bestimmung
des Ausgangsniveaus gemäß § 6 Abs. 2 ARegV, welche die Festsetzung der
einzelnen Obergrenzen für die Jahre 2009 - 2013 betraf (BGH a.a.O. [Tz. 2] -
EnBW Regional AG), und bei der das Ausgangsniveau nach den Kosten des
Geschäftsjahres 2006 zu bestimmen war, dieses noch einmal abgesenkt werden
durfte um die von der Bundesnetzagentur bei der Genehmigung der Netzentgelte
für die kalkulatorischen Abschreibungen für das Jahr 2006 vorgenommenen
Kürzungen. Der Bundesgerichtshof hat dies verneint, da mit dieser einmaligen
Kürzung dem Anliegen, überhöhte Abschreibungen, die in der Vergangenheit
vorgenommen worden waren, nicht ein zweites Mal in die Berechnung einfließen
zu lassen, vollständig Rechnung getragen worden sei, weshalb dieser
Kürzungsaufwand eine Besonderheit des Geschäftsjahres 2006 dargestellt habe,
die nicht Eingang finden könne in das Ausgangsniveau für die
Regulierungsperiode 2009 - 2013. Damit verhält sich die BGH-Entscheidung zur
Frage einer Doppelverwertung, wiederholt aber selbst nur das, was im Bescheid
im Zusammenhang mit der das Geschäftsjahr 2006 betreffenden Kostenprüfung
vorgenommen worden ist, nämlich eine Kürzung der geltend gemachten
Abschreibungen im Hinblick auf die verwendete Indexreihe (BGH a.a.O. [Tz. 2] -
EnBW Regional AG). Dies weist der Bescheid selbst aus (K 40 S. 31). Damit
überführt der Beschluss des BGH die Beklagte nicht erstmals einer
ungerechtfertigt überhöhten Kostenanmeldung, sondern gibt nur die
dokumentierte Regulierungsgeschichte wieder, welche eine Kürzung durch die
Bundesnetzagentur für das maßgebliche Ausgangsjahr belegt. Damit ist
jedenfalls ein überteuert angesetzter Entgeltgenehmigungsantrag in jenem
Bescheid bereits zurückgeführt worden, der die Grundlage der Entgelterhebung
gegenüber der Klägerin im Jahre 2007 darstellt. Damit ist nur dokumentiert, dass
die Beklagte eine Überteuerung durchgesetzt wissen wollte, dass dies ihr aber
nicht gelungen ist. Im Umkehrschluss kann daraus ohne gebotene nähere
Darlegung aber nicht gefolgert werden, dass auch das auf der Kürzung
beruhende genehmigte Entgelt gleichwohl insoweit weiterhin (maßgeblich)
überhöht gehalten gewesen ist. Diese gebotene Anfangsdarlegung leistet das
Klägervorbringen jedoch nicht.
f)
82 Messung und Abrechnung
83 Soweit die Klägerin sehr knapp gehalten beanstandet, dass insoweit eine
Überprüfung nicht stattgefunden und lediglich eine Benchmark-Prüfung
stattgehabt hätte (Bl. 298, 347, 755), erscheint ein solcher Kontrollansatz, der
stark auf Effizienzerwägungen setzt (vgl. dazu etwa Säcker/Engelsing in Säcker,
Berliner Kommentar zum Energierecht, Bd. 2, 2. Aufl. [2010], § 19 GWB, 162;
Schmidt-Preuß ebenda Einl. C EnWG, 236), nicht grundsätzlich ungeeignet, und
der Verweis darauf danach ebenso wenig geeignet, das Bestimmungsergebnis
nach dieser Sachbehandlung als ermessensfehlerhaft erscheinen zu lassen.
Zudem ist die Bundesnetzagentur gar nicht in der Weise vorgegangen, auf
welche die Klägerin den Bescheid 2008 insoweit verkürzt wissen will (vgl. K 41 S.
33). Ferner gilt auch nicht, dass diese Prüfung 2008 ohne Aussagekraft für 2007
sei. Zum einen ergäbe sich daraus sehr wohl eine auch rückwirkende
Plausibilisierung. Zum anderen stellte die dortige Prüfung gerade auf
Vergleichswerte „zum Stand 31.12.2006“ ab.
g)
aa)
84 Danach kann, auch wenn der Senat der Indizwirkung nicht die gleiche
Schrankenhöhe beimisst, wie sie in obergerichtlicher Rechtsprechung ihren
Ausdruck gefunden hat, weshalb er in eine Einzelbetrachtung gerade auch mit
den Verlautbarungen der Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der
beklagtenbezogenen Genehmigungspraxis eingetreten ist, nicht mit dem
Landgericht, das nur ein einziges Mal auf obergerichtliche Rechtsprechung
neueren Datums eingeht, ansonsten sich von landgerichtlichen Entscheidungen
leiten lässt und nahezu durchgängig auf Fundstellen verweist, welche nur bis
zum Jahre 2010 datieren, davon ausgegangen werden, die Klägerin habe durch
Prozessvortrag schon so viel an Indizien vorgebracht, dass diese für sich und vor
allem in ihrem Wertungsverbund geeignet wären, die vom
Genehmigungsbescheid und mittelbar auch vom Folgebescheid ausgehende
Indizwirkung zu erschüttern.
bb)
85 Die gilt auch im Lichte des weiteren Vorbringens in der ergänzenden
Berufungserwiderung (Bl. 754 - 817). Dass die Bundesnetzagentur jedenfalls in
ihrer ersten Genehmigungsrunde ihre Kontrolle nicht durchgängig spezifisch
heruntergebrochen hat auf jeden einzelnen angemeldeten Kostenposten, ist
Sachstand. Neben den obigen Erwägungen und Bewertungen dazu ergibt sich
jedoch keine durchgreifende Erschütterung jenes konkreten
Genehmigungsergebnisses im Sinne eines Entwertungsansatzes dadurch, dass
ganz allgemein und ohne den Anhalt für eine solche Handhabung auch im
vorliegenden Fall aus Aufsätzen auf blinde Verlängerungsgenehmigungen
geschlossen oder nach eigenem Vortrag ohnehin nur vereinzeltes
Abstimmungsverhalten der Behörde verallgemeinert wird. Dem Artikel im
Handelsblatt (BB 3 = Bl. 768 - 769) ist nur zu entnehmen, dass R... und E... „ihre
Beschwerden gegen die 2006 angeordneten Senkungen zurückgezogen
[hätten]“, was per se nicht für eine abgestimmte, oberflächliche Kontrolle, sondern
vielmehr für substantielle und ersichtlich schmerzliche Regulierungseingriffe der
Bundesnetzagentur steht. Dass in Bezug auf Abschreibungen bezüglich des
nächsten Entscheides mit der Bundesnetzagentur „eine Einigung erzielt worden“
sei, „erklärte R...“ (Bl. 768). Zum einen versucht die Klägerin damit, diese
Verlautbarung eines Konkurrenten auf die Beklagte zu erstrecken, was dem
klaren Pressetext zuwiderläuft; zum anderen ist weder gesagt, dass die
Eigendarstellung der R... zugetroffen hat, noch - selbst wenn - dass jene Einigung
einen Inhalt gehabt habe, der geltendes Recht verletzt hat.
cc)
86 Danach vermag der Senat bei seinem klägergünstigeren Wertungsansatz weder
in den im Einzelnen abgehandelten noch dem übrigen Vorbringen der Klägerin
weder für sich noch in der gebotenen Gesamtschau einen hinreichenden Ansatz
für habhafte Zweifel zu erkennen, dass die Beklagte jenseits der Genehmigung
und deren Umsetzung in der Entgeltbestimmung und -erhebung die klägerischen
Interessen in einem solchen Maße hintangestellt hätte, dass sie den ihr
eingeräumten Ermessensspielraum verlassen und ihre Interessenwahrnehmung
von sachfremden oder willkürlichen Motiven hätte leiten lassen.
g)
87 Dieses klägerische Defizit im aktiven Vorbringen ist nicht durch eine verstärkte
prozessuale Mitwirkungspflicht der Beklagten auszugleichen.
aa)
88 Eine sekundäre Darlegungslast besteht nicht vorab, sondern erst, wenn die
Klägerin das Ihrige zur Erschütterung der Indizwirkung dargetan hat. Die Klägerin
scheitert - wie ausgeführt - aber bereits auf dieser ersten Stufe.
bb)
89 Die Klägerin ist weiteren Vortrags auch nicht im Hinblick auf § 142 ZPO enthoben.
(1)
90 Zwar deutet BGH NJW 2012, 3092 = RdE 2012, 382 [Tz. 36] -
Stromnetznutzungsentgelt V an, dass die Anordnung zur Vorlage der
Genehmigungsunterlagen in Betracht kommen könne - nichts anderes kann in
Bezug auf die Vorlage eines ungeschwärzten Genehmigungsbescheides gelten -
, ohne allerdings dort veranlasst gewesen zu sein, die Voraussetzungen hierfür
näher zu bestimmen (vgl. auch BGH NJW 2014, 3089 = RdE 2014, 449 [Tz. 19] -
Stromnetznutzungsentgelt VI). Die dort jeweils in Bezug genommene
Entscheidung BGHZ 173, 23 [Tz. 20] gibt allerdings vor, dass die Vorschrift des §
142 ZPO nicht der Ausforschung des Prozessgegners dient. Die Vorschrift befreit
die Partei, die sich auf eine Urkunde beruft, nicht von ihrer Darlegungs- und
Substantiierungslast. Dem entsprechend darf das Gericht die Urkundenvorlegung
nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen
eines schlüssigen, auf konkreten Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei
anordnen (ebenso OLG Düsseldorf BeckRS 2014, 19052 [Tz. 24]; 2015, 00608
[Tz. 25]; KG NJOZ 2015, 1158 [Tz. 28]; allg. OLG Naumburg BeckRS 2015,
10347 [Tz. 45]; von Selle in BeckOK-ZPO, § 142 [Stand: 01.09.2015], 15 und
15.1; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. [2015], § 142, 7).
(2)
91 Da diese Einstiegsvoraussetzung für eine gerichtliche Ermessensentscheidung
(BGHZ a.a.O. [Tz. 20]; von Selle a.a.O. 15) im Sinne einer Vorlageanordnung
nicht gegeben ist, ist auch dem Einwand der Beklagten nicht nachzugehen, ob
und in welcher Weise ihrem behaupteten Geheimhaltungsinteresse, das auch
Kalkulationsgrundlagen als Betriebsgeheimnisse erfassen kann (vgl. BGH U. v.
09.12.2015 - IV ZR 272/15 [Tz. 14] - BeckRS 2015, 20932), verfahrensrechtlich
zu entsprechen wäre (dazu insgesamt BGH a.a.O.).
(3)
92 Allerdings wäre, würde man die Erschütterung mit dem Landgericht für gelungen
halten, die Beklagte wiederum mit dem Landgericht zu verurteilen. Denn die
Beklagte hat sich trotz der Vorlageanordnung des Landgerichts (Bl. 522)
geweigert, den Bescheid ungeschwärzt samt Anlagen und Antragsunterlagen
vorzulegen. Eine abweichende Haltung zeigte sie auch im Rahmen der
Schriftsätze der von ihr geführten Berufung nicht an. Ihr erstinstanzliches Angebot
- ohne weiteres als Bestandteil des instanzenübergreifenden Sachstand in die
Berufungsinstanz gelangt (etwa BGH NJW 2013, 386 [Tz. 14]) - stellt jedoch
verfahrensrechtliche und inhaltliche Bedingungen auf (Bl. 528/529), welche
insbesondere nach der bezeichneten Rechtsprechung unter (2) nicht verfangen.
93 Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an.
4.
94 Das OLG München U. v. 11.12.2014 - U 1928/14 Kart hat zum auch hier auf
Kartellrecht gestützten (etwa Bl. 3, 19, 23, 764) Anspruch der Klägerin ausgeführt:
95 Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch gemäß § 33 Abs. 2 S. 1 i.V.m. §
19 Abs. 1 GWB a.F. zu. Es fehlt an der substantiierten Darlegung eines
missbräuchlichen Verhaltens der Beklagten, für das die Klägerin darlegungs- und
beweispflichtig ist. Die Beklagte kann sich auch im Rahmen des
Schadensersatzanspruchs auf die Indizwirkung der behördlichen
Entgeltgenehmigung berufen (vgl. auch KG NJOZ 2015, 1158 [Tz. 29 bis 30];
OLG Düsseldorf BeckRS 2015, 00608 [Tz. 48]; 2014, 19052 [Tz. 25 bis 28];
ferner BGH NJW 2012, 3092 [Tz. 41] - Stromnetznutzungsentgelt V, je auch mit
entsprechenden Ausführungen zum europäischen Kartellrecht; vgl. auch BGH
NJW 2014, 3089 [Tz. 52 bis 54] - Stromnetznutzungsentgelt VI).
96 Die vorliegende Fallgestaltung ist keine andere. Insoweit ist der Senat auch nicht
dazu aufgerufen, darüber zu entscheiden, ob dem unter diesen rechtlichen
Vorzeichen geltend gemachten Schadensersatzanspruch entgegensteht, dass
es der Klägerin gelungen sein wird, einen wegen des behaupteten Verstoßes
überhöhten Kaufpreises entstandenen Schaden auf ihre eigenen Abnehmer
abzuwälzen (BGH NJW 2014, 3089 [Tz. 49] - Stromnetznutzungsentgelt VI BGHZ
190, 145 [Tz. 57 f.] - ORWI).
II.
97 Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. §
3 ZPO.
98 Auf die Rüge der Beklagten, die erstinstanzliche Kostenentscheidung sei allemal
zu korrigieren, da der Streitwert bei 1,561 Mio. EUR, die Verurteilungssumme
aber bei 1.082.000,00 EUR gelegen habe, kommt es nach allem nicht an,
wenngleich jedenfalls zu beachten ist, dass schon den Gründen des
landgerichtlichen Urteils zu entnehmen war: „Es besteht ein
Rückzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte gemäß § 812 Absatz 1
Satz 1 BGB in Höhe von 1.082.316,45 EUR zuzüglich gesetzlicher Umsatzsteuer
in Höhe von 19 %, da ihre Entgeltzahlung 2007 in Teilen rechtsgrundlos erfolgte“
(US 19 = Bl. 625 [vorgeheftet Bd. I]), was der Berichtigungsbeschluss denn auch
klarstellend ausgewiesen hat.
99 Der Hilfsantrag, der nach dem Erfolg der Klägerin im Hauptantrag in I. Instanz im
Hinblick auf die abweichende Beurteilung des Senats ohne Weiteres zur Prüfung
des Berufungsgerichts mit anfällt (BGH GRUR 2012, 58 [Tz. 38] - Seilzirkus), und
über den damit zu befinden war, ist nur Folge einer anderen rechtlichen
Begründung des nämlichen Prozesszieles, verkörpert damit keinen
eigenständigen Streitgegenstand (BGHZ 194, 314 [Tz. 24] - Biomineralwasser
WM 2015, 786 [Tz. 8]), weshalb es durch dessen Bescheidung zu keiner
Streitwerterhöhung gekommen ist.
100 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat
folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Soweit es um die genaue
Reichweite der Indizwirkung eines Genehmigungsbescheides geht, setzt der
Senat nicht auf eine so strenge Sperrwirkung, wie sie in der jeweils bezeichneten
obergerichtlichen Rechtsprechung zum Ausdruck kommt; sein Ansatz ist
klägergünstiger. Da gleichwohl zu Lasten der Klägerin zu entscheiden war, sieht
der Senat aber keinen Anlass, auch seine - klägergünstige - Verständnisvariante
einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. Ob der Bundesgerichtshof im
Interesse einer einheitlichen Grenzziehung dies anders sieht, wird eine
gegebenenfalls von der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde
offenbaren.
101 Diese Rechtsmittelmöglichkeit macht die vorliegende Entscheidung auch nicht
zur letztinstanzlichen, weshalb auch schon aus diesem Grunde eine geforderte
(Bl. 764) Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union durch den Senat
nicht geboten war. Ungeachtet dessen vermag der Senat der Wertung der
Klägerin nicht zu beizutreten, dass die Rechtsprechung des BGH zur
Indizwirkung und deren nationalrechtliche Umsetzung im Verfahrensrecht in der
Ausprägung des Verständnisses durch den Senat zu einer beachtlichen
Schwächung des von der Klägerin in der Richtlinie 2009/72/EG angelegt
gesehenen Transparenzgebotes führe und die Richtlinie danach ein anderes
verfahrens- oder materiell-rechtliches System gebiete. Insoweit ist schon zu
beachten, dass die Richtlinie vom 13.07.2009 stammt und sie nach ihrem Art. 50
am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung in Kraft tritt. Da sie sich keine
Rückwirkung beigelegt hat und die Mitgliedstaaten sie spätestens am 3. März
2011 umzusetzen hatten (Art. 49 Abs. 1), kann schon nicht erkannt werden, dass
sie den Abrechnungszeitraum: Jahr 2007 zu bestimmen vermöchte. Zudem ist
der Richtlinie zwar ein zentrales Anliegen (neben der Entflechtung [siehe etwa
Erwägungsgründe 14, 15] oder dem eines grenzüberschreitenden Zugangs [Nr.
8]) die Kontrolle über ein Übertragungsnetz (Erwägungsgrund 11), um einen
nichtdiskriminierten Zugang zum Verteilernetz zu schaffen (Erwägungsgrund 26)
und die Tarife für den Netzzugang transparent und nichtdiskriminierend zu
machen (Erwägungsgrund 32). Gleichwohl sieht die Richtlinie als Instrument für
die Umsetzung dieser Ziele (nur) die Einrichtung von Regulierungsbehörden mit
spezifischen Zuständigkeiten (Erwägungsgrund 33 - 42, Kapitel IX Art. 35 ff.) und
ein Genehmigungsverfahren vor (Erwägungsgrund 43, Art. 37 Abs. 3 d, Abs. 5 e,
Abs. 6 a und Abs. 8). Dabei hat die Regulierungsbehörde die Vertragsfreiheit
grundsätzlich anzuerkennen (Art. 37 Abs. 1 l). Darin drückt sich zugleich die
Selbständigkeit und grundsätzliche Unantastbarkeit bestehender vertraglicher
Systeme für die staatliche Regulierung aus. Verwirklicht sich aber nach der
Richtlinie, deren zeitliche Anwendbarkeit einmal fingiert, deren Zweck im
staatlichen Regulierungsverfahren und bleibt davon und zwar für die
Regulierungsbehörde ein bestehendes Vertragsregime unberührt, so verfängt der
Ansatz der Klägerin nicht, diese Richtlinie auf einen von der Rechtsprechung
eröffneten eigenständigen nationalen bürgerlich-rechtlichen Parallelschutz
anzulegen und insoweit behauptete Umsetzungsdefizite bezüglich der Richtlinie
(mangelnde Beteiligung der Netznutzerwirtschaft, keine Beiladung oder
Nebenintervention) über dieses gänzlich andere Kontrollregime ausgleichen zu
wollen. Nichts substantiell Anderes vermag der Senat in Bezug auf die
Verwirklichung unionsrechtlichen Kartellrechts im Zusammenspiel mit den
Erfordernissen und Anforderungen im Regulierungsrecht zu erkennen. Eine
vorlagebedürftige Frage isoliert nur in Bezug auf den dem Hilfsanspruch
zugrundeliegenden reinen kartellrechtlichen Anspruch besteht nicht, da es nur
um die Anwendung schon bestehender Rechtsgrundsätze geht, wozu
beweisrechtliche Anforderungen und Differenzierungen unschwer zu zählen sind.
Ruf
Holzer
Dr. Röhm
Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht
Richter
am Oberlandesgericht