Urteil des OLG Stuttgart vom 20.11.2014

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OLG Stuttgart Urteil vom 20.11.2014, 2 U 11/14
Unlauterer Wettbewerb der öffentlichen Hand: Freistellung von der
Notifizierungspflicht bei Übernahme von Jahresfehlbeträgen und Bürgschaften
durch den Landkreis zugunsten von Kreiskliniken
Leitsätze
Ausgleichszahlungen für Defizite, Investitionszuschüsse und die Gewährung von
Bürgschaften, die ein Landkreis für seine in den Krankenhausplan nach § 4 des
Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg aufgenommenen Kreiskliniken
erbringt, sind gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der Freistellungsentscheidung der
Kommission (2005/842/EG) von der Notifizierungspflicht freigestellt.
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts
Tübingen vom 23. Dezember 2013, Az.: 5 O 72/13, wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Auch das angefochtene Urteil des Landgerichts
ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung
gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120% des aufgrund der Urteile vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v.
120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf bis zu 4.002.000,00
Euro.
Gründe
A.
I.
1
Der Kläger macht gegen den Beklagten einen wettbewerbsrechtlichen
Unterlassungsanspruch geltend. Er sieht im Ausgleich der handelsrechtlichen
Verluste (Jahresfehlbeträge) der Kreiskliniken C. gGmbH (im Folgenden:
Kreiskliniken) aus den Jahren 2012 sowie 2013 bis 2016 durch den Beklagten,
sowie in der Übernahme von Bürgschaften und in der Gewährung von
Investitionszuschüssen zugunsten der Kreiskliniken eine Verletzung des
europäischen Beihilferechts.
2
Beim Kläger handelt es sich um einen eingetragenen Verein nach deutschem
Recht. Mitglieder des Klägers sind insgesamt zwölf Landesverbände, in denen
zusammen die privaten Träger von mehr als 1.000 Krankenhäusern und Reha-
Kliniken mitgliedschaftlich organisiert sind. Der überwiegende Teil der Mitglieder
des Klägers betreibt Plankrankenhäuser i.S.d. § 108 SGB V. Ausweislich § 2 Abs.
1 a) seiner Satzung (Anlage K 1) zählen zu den Aufgaben des Klägers u.a. die
allgemeine ideelle Wahrnehmung der beruflichen und wirtschaftlichen Interessen
von Kliniken und Einrichtungen der Akutversorgung, Prävention, Rehabilitation
und Pflege sowie von angegliederten Versorgungseinrichtungen im stationären,
teilstationären und ambulanten Bereich. Der Kläger verfügt über einen
zwölfköpfigen Vorstand und Mitarbeiter sowie über eigene Geschäftsräume in
seiner Bundesgeschäftsstelle mit eingerichteten Büros und entsprechende
Materialien. Mitgliedskliniken des Klägers sind u.a. die Klinikum P. GmbH, die S.
Klinikum K.-L. GmbH und die Klinik für Herzchirurgie K. GmbH.
3
Der Beklagte ist Mitgesellschafter der Kreiskliniken C. gGmbH, die die beiden
Kreiskrankenhäuser in C. und N. i.V.m. der Klinikverbund S. GmbH betreibt. Nach
einem bestehenden Konsortialvertrag hat er die Defizite dieser beiden
Krankenhäuser abzudecken und die erforderlichen Investitionen sicherzustellen.
4
Am 21. April 2008 betraute der Beklagte im Rahmen der Kreistagssitzung die
Kreiskliniken mit Aufgaben, aus deren Erfüllung ausgleichsfähige Kosten
erwachsen (Betrauungsakt). Dieser Betrauungsakt wurde am 22. April 2008 vom
Landrat des Beklagten unterzeichnet und ausgefertigt. Unter Bezugnahme auf
die Freistellungentscheidung der Kommission wird danach den Kreiskliniken ein
öffentlicher Auftrag erteilt (Anlagen K 20a, K 20b und B 17). Bei dem
Betrauungsakt orientierte sich der Beklagte an einem Muster des Landkreistages
Baden-Württemberg. Außerdem sind die beiden Krankenhäuser der Kreiskliniken
im aktuellen Krankenhausplan 2010 des Landes Baden-Württemberg (Anlage K
3) mit 426 Planbetten für insgesamt sieben Abteilungen aufgeführt. Überwiegend
werden dort Patienten aus dem räumlichen Gebiet des Beklagten behandelt,
daneben aber auch Patienten aus benachbarten und anderen Land- und
Stadtkreisen.
5
In den vergangenen Jahren seit 2010 wiesen die Jahresabschlüsse der
Kreiskliniken jeweils Fehlbeträge aus. Im Einzelnen betrugen diese Fehlbeträge
im Jahr 2010: 562.869,00 Euro (Anlage K 16), im Jahr 2011: 3.347.154,00 Euro
(Anlagen K 5, K 7 und K 17) und im Jahr 2012: ca. 6,2 Mio. Euro (Anlagen K 8, K
9 und K 10). Für das Jahr 2013 wird das Defizit voraussichtlich 4,6 Mio. Euro
betragen (vgl. Berufungserwiderung vom 28. Juli 2014, dort Seite 36). Auch in
Zukunft sind Jahresfehlbeträge in erheblicher Höhe zu erwarten.
6
Am 17. Dezember 2012 fasste der Kreistag des Beklagten den Beschluss,
sowohl den handelsrechtlichen Verlust (Jahresfehlbetrag) für das Jahr 2012 als
auch die zu erwartenden künftigen Verluste ab dem Geschäftsjahr 2013 bis
zunächst 2016 auszugleichen (Anlage K 12).
7
Zusätzlich hat der Beklagte am 26. Juli 2010 für die Kreiskliniken
Ausfallbürgschaften i.H.v. 3.225.000,00 Euro und i.H.v. 3.587.000,00 Euro für
Investitionen in den Jahren 2009/2010 übernommen (Anlage K 13). Weitere
Ausfallbürgschaften gewährte der Beklagte den Kreiskliniken am 18. Juli 2011 bis
zu einer Obergrenze von 18.261.000,00 Euro (Anlage K 14) und am 16. Juli 2012
bis zur einer Obergrenze von 14.896.000,00 Euro (Anlage K 15). Insofern
bezahlten die Kreiskliniken an den Beklagten keine Avalprovision.
8
Im Jahr 2011 gewährte der Beklagte den Kreisklinken weitere
Investitionszuschüsse i.H.v. 72.400,00 Euro (Anlage K 18); im Jahr 2012 beliefen
sich diese Investitionszuschüsse auf einen Betrag i.H.v. 66.500,00 Euro (Anlage
K 18). Diese Zuschüsse waren für die Bezahlung der Zinsen für Kredite der
Kreiskliniken bestimmt.
9
Der Kläger hat vorgetragen,
er sei für die Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche
im Wege einer Verbandsklage in eigenem Namen prozessführungsbefugt.
Insbesondere gehörten ihm Mitgliedsunternehmen an, die Waren oder
Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die
Kreiskliniken vertreiben. Auch sei er zur Wahrnehmung seiner satzungsmäßigen
Aufgaben nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung in der
Lage.
10 In der Sache stellten sowohl die Defizitfinanzierung des Beklagten als auch die
Stellung von Ausfallbürgschaften und die Investitionszuschüsse geschäftliche
Handlungen des Beklagten im Sinne des UWG dar, die als unlauterer
Rechtsbruch i.S.d. des § 4 Nr. 11 UWG zu qualifizieren seien. Die Leistungen des
Beklagten stellten nämlich Beihilfen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, die mangels
Notifizierung bei der Europäischen Kommission und Vereinbarkeit mit dem
gemeinsamen Markt formell und materiell rechtswidrig seien, weshalb der
Beklagte gegen das Durchführungsgebot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV
verstoße.
11 Die Kreiskliniken seien als Unternehmen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen.
Durch die Kapitaleinlagen, die Ausfallbürgschaften und die Investitionszuschüsse
des Beklagten würden sie begünstigt, weil ein privater Investor unter den gleichen
Umständen nicht hätte veranlasst werden können, ihnen entsprechende Mittel zu
gewähren. Die Leistungen des Beklagten seien aus staatlichen Mitteln erbracht
und es profitierten ausschließlich die Kreiskliniken von dieser Finanzierung.
Krankenhäusern in privater oder kirchlicher Trägerschaft stünden keine
vergleichbaren Begünstigungen zur Verfügung (Kriterium der Selektivität).
Schließlich drohten die gewährten Begünstigungen den Wettbewerb zu
verfälschen und den innergemeinschaftlichen Handel zu beeinträchtigen, weil sie
die Wettbewerbssituation der Kreiskliniken auf dem Markt für
Krankenhausleistungen verbesserten.
12 Eine rechtzeitige Unterrichtung der Kommission von den Beihilfen (Notifizierung)
gemäß Art. 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV wäre zwar erforderlich gewesen, sei aber
nicht erfolgt.
13 Die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Notifizierungspflicht lägen nicht
vor. Insbesondere scheide eine Befreiung gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) bzw. dem
Freistellungsbeschluss der Kommission (2012/21/EU) aus. Es fehle bereits an
einer ordnungsgemäßen Betrauung der Kreiskliniken mit Aufgaben, aus deren
Erfüllung ausgleichsfähige Kosten erwachsen. Unabhängig von der formellen
Rechtmäßigkeit des Betrauungsaktes vom 21. April 2008 sei dieser jedenfalls
materiell fehlerhaft und könne folglich keine Befreiung vom Durchführungsverbot
begründen. Zum Ausgleich dafür, dass ein Unternehmen Dienstleistungen von
allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (im Folgenden: DawI) erbringt, dürften
nämlich nur Zahlungen geleistet werden, die für die Erbringung der DawI
erforderlich seien. Die Kreiskliniken würden jedoch im Vergleich mit allen anderen
Plankrankenhäusern in Deutschland keine besonderen DawI erbringen, deren
Ausgleich erforderlich sei.
14 Auch der Sicherstellungsauftrag gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW rechtfertige die
Zurverfügungstellung zusätzlicher kommunaler Mittel zur
Krankenhausfinanzierung nicht. Erforderlich könnten Ausgleichszahlungen
allenfalls für einzelne besondere Krankenhausleistungen sein, die als DawI in
Form von Krankenhaussonderaufgaben ausnahmsweise nicht von dem
vorgenannten System einschließlich des Sicherstellungszuschlages erfasst
seien. Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des Europäischen Gerichts
vom 7. November 2012 (Az.: T-137/10) bestätigt. Diesem Urteil komme auch im
hiesigen Verfahren Bedeutung zu, da die Systeme der Krankenhausfinanzierung
in Deutschland und in Belgien vergleichbar seien. Jeweils sei eine ergänzende
Finanzierung durch den Krankenhausträger nicht vorgesehen und verzerre
deshalb die Wettbewerbsbedingungen zwischen den verschiedenen
Krankenhausträgern.
15 Im Zusammenhang mit der ausgebrachten Abmahnung vom 22. April 2013
(Anlage K 19) seien dem Kläger außergerichtliche Kosten i.H.v. 24.381,91 Euro
entstanden.
16 Der Kläger hat beantragt:
17
1. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
18
a) zugunsten der Kreiskliniken C. gGmbH die handelsrechtlichen Verluste
(Jahresfehlbeträge) der Kreiskliniken C. gGmbH aus den Jahren 2012 sowie
2013 bis 2016 auszugleichen;
19
b) zugunsten der Kreiskliniken C. gGmbH Bürgschaften zu übernehmen, die
mehr als 80% der damit besicherten Darlehensverbindlichkeiten abdecken
und/oder nicht bzw. nicht marktüblich verzinst werden (Avalzins) und
20
c) der Kreiskliniken C. gGmbH Investitionszuschüsse zu gewähren,
21
ohne dass
22
- diese Leistungen zuvor bei der Europäischen Kommission angemeldet
wurden (Notifizierung) und
- die Europäische Kommission diese genehmigt hat,
23
es sei denn,
24
- die Europäische Kommission hat zwei Monate nach vollständiger Anmeldung
(Notifizierung) noch keinen abschließenden Beschluss im Vorprüfverfahren
erlassen und
- der Beklagte hat daraufhin der Europäischen Kommission die Durchführung
der beabsichtigten Leistungen angezeigt und
- die Europäische Kommission hat innerhalb von weiteren 15 Arbeitstagen nach
Erhalt dieser Anzeige noch immer keine Entscheidung getroffen.
25
2. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro gegen ihn festgesetzt wird.
26
3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.381,91 Euro nebst Zinsen i.H.v.
fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
27
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
28
5. Das Urteil ist – notfalls gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstreckbar.
29 Der Beklagte hat beantragt,
30
die Klage abzuweisen.
31 Er hat vorgetragen,
die Klage sei unzulässig, da es an einer Prozessführungsbefugnis des Klägers
fehle. Dieser betätige sich nämlich nicht ausreichend auf dem Gebiet der
Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Zudem fehle es an der
Mitbewerbereigenschaft im Verhältnis zu den Kreiskliniken. Die
Mitgliedskrankenhäuser des Klägers seien weder auf demselben sachlich noch
räumlich relevanten Markt wie die Kreiskliniken tätig.
32 Zudem sei die Klage unbegründet. Die Leistungen des Beklagten in Form des
Defizitausgleichs, der Bürgschaftsübernahmen und der Investitionszuschüsse
stellten keine Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar. Bereits aus diesem Grund
habe keine Verpflichtung zur Notifizierung und Genehmigung durch die
Europäische Kommission bestanden. Der Annahme einer Beihilfe stehe das
Fehlen einer Begünstigung entgegen: Wendete man nämlich den vom Kläger
geforderten Maßstab des Handelns eines marktwirtschaftlich handelnden,
langfristig agierenden, privaten Kapitalgebers auf das Verhalten des Beklagten
an, so werde deutlich, dass dieser sämtliche aus dem Vergleichsmaßstab
resultierenden Anforderungen erfüllt habe und künftig weiterhin erfüllen werde.
Die Leistungen des Beklagten würden also dem Verhalten eines
marktwirtschaftlich handelnden, langfristig agierenden, privaten Kapitalgebers
Rechnung tragen.
33 Selbst wenn man vom Vorliegen einer Beihilfe ausginge, griffe das
Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV nicht ein, weil die
Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der Freistellungsentscheidung
der Kommission (2005/842/EG) vorlägen und damit gerechtfertigt seien. Eine
Freistellung folge bereits aus dem Umstand, dass § 3 Abs. 1 LKHG BW eine
Betreibensverpflichtung für im Krankenhausplan aufgeführte Krankenhäuser
normiere, die ausschließlich die Stadt- und Landkreise treffe. Den gewährten
Zuwendungen läge ein den rechtlichen Anforderungen genügender
Betrauungsakt zu Grunde. Der Betrauungsakt vom 21. April 2008 (Anlagen K
20a, K 20b, B 17) entspreche dem vom Landkreistag ausgearbeiteten und
bundesweit empfohlenen Muster; er genüge den Anforderungen der
Freistellungsentscheidung.
34 Entgegen der Auffassung des Klägers dürften Defizite im Zusammenhang mit der
Erbringung von DawI nicht nur dann ausgeglichen werden, wenn dieser
Ausgleich für die Erbringung der Leistungen erforderlich sei. Die Kriterien der
Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit als Voraussetzungen für die
ausnahmsweise Zulässigkeit von Ausgleichszahlungen im Bereich der
Daseinsvorsorge und die Anforderungen an den Gemeinwohlbezug solcher
Leistungen seien nämlich insgesamt und insbesondere für den
Krankenhausbereich durch die Freistellungsentscheidung der Europäischen
Kommission konkretisiert worden (2005/842/EG). Auf einen allgemeinen
Grundsatz der Erforderlichkeit könne mithin nicht rekurriert werden. Vielmehr
würden allgemeine Grundsätze durch diese Freistellungsentscheidung überlagert
und von ihr verdrängt.
35 Außerdem ergebe sich aus dem Sicherstellungsauftrag gemäß § 3 Abs. 1 LKHG
BW eine beihilferechtliche Rechtfertigung der Ausgleichszahlungen des
Beklagten an die Kreiskliniken. Die gesetzliche Verpflichtung gemäß § 3 Abs. 1
LKHG BW zum Betrieb der Kreiskliniken stelle eine DawI dar, die den Beklagten
auch dann treffe, wenn diese Krankenhäuser keinen wirtschaftlichen Erfolg
hätten. Dem Beklagten sei das Recht zum Marktaustritt genommen, das den
Mitgliedskrankenhäusern des Klägers zustehe. Das System der dualen
Krankenhausfinanzierung gem. § 4 KHG und der grundsätzlich bestehenden
Möglichkeit des Erhalts von Sicherstellungszuschlägen lasse keinen
Rückschluss dahin zu, dass diese Finanzierungsmöglichkeiten abschließend
seien. Eine zusätzliche Co-Finanzierung des Trägers sei daneben möglich.
36 Kein anderes Ergebnis folge aus der Entscheidung des Europäischen Gerichts
vom 7. November 2012 (Az.: T-137/10), weil diese auf das deutsche
Krankenhauswesen nicht übertragbar sei.
37 Wegen des weiteren Vortags der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf
den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils verwiesen.
II.
38 Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
39 Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar eine Klagebefugnis des Klägers
aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu bejahen sei. Die Klage sei aber unbegründet. Ein
Verstoß gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV sei zu
verneinen. Die vom Beklagten an die Kreiskliniken erbrachten
streitgegenständlichen Leistungen fielen nicht unter die unionsrechtlichen
Wettbewerbsbestimmungen. Durch die Freistellungsentscheidung (2005/842/EG)
habe die Kommission die Vorschrift des Art. 106 Abs. 2 AEUV konkretisiert und
insbesondere staatliche Beihilfen für Krankenhäuser als mit dem gemeinsamen
Markt vereinbar erklärt und deshalb von der Notifizierungspflicht freigestellt.
Angesichts der Regelungen der §§ 1 Abs. 1 Satz 3, 3 Abs. 1 LKHG BW greife
diese Freistellung vorliegend zugunsten des Beklagten ein. Auf die formelle und
materielle Rechtmäßigkeit des Betrauungsaktes des Beklagten vom 21. April
2008 komme es nicht an. Selbst wenn man eine Rechtswidrigkeit unterstellte,
fehlte es jedenfalls an einer Nichtigkeit dieser Betrauung gemäß § 44 LVwVfG.
Unabhängig davon seien allerdings bereits die gesetzlichen Vorschriften des
LKHG BW nämlich in Zusammenschau mit der Aufnahme der Kreiskliniken in den
Krankenhausplan 2010 des Landes Baden-Württemberg (Anlage K 3) als
Betrauungsakt anzusehen.
40 Auf die Frage, ob und in welchem Umfang eine bedarfsgerechte Versorgung der
Bevölkerung des Landkreises C. auch durch andere Krankenhäuser
sichergestellt werden könne, komme es nicht an, weil diese Frage ausschließlich
die nach § 4 Abs. 3 LKHG BW zuständige Landesregierung bei Aufstellung und
Fortschreibung des Krankenhausplanes zu entscheiden habe. Dieser
Krankenhausplan bilde mit seinen darin enthaltenen Festlegungen Grundlage
und Grenze des zulässigen Handelns des Beklagten.
41 Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Auferlegung der Betreibenspflicht eine nur
die Stadt- und Landkreise treffende DawI darstelle. Die Mitgliedskrankenhäuser
des Klägers treffe demgegenüber keine vergleichbare Pflicht zum Fortbetrieb.
42 Der Beklagte könne nicht mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts in eine
Pflichtenkollision und in einen Streit mit der zuständigen Landesbehörde
getrieben werden, was der Fall wäre, wenn man in den gewährten Leistungen
notifizierungspflichtige Beihilfen sähe, weil unabhängig davon die gesetzliche
Betreibenspflicht gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW fortbestünde.
43 Außerdem habe ausschließlich die Kommission darüber zu entscheiden, ob eine
staatliche Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt vereinbar sei.
44 Schließlich ergebe sich aus den Urteilen des Europäischen Gerichts vom 7.
November 2012 (Az.: T-137/10) und des Bundesgerichtshofes vom 10. Februar
2011 (Az.: I ZR 136/09 = GRUR 2011, 444 ff.) kein anderes Ergebnis.
45 Das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 23. Dezember
2013 wurde dem Kläger am 7. Januar 2014 zugestellt. Die Berufung ist am 30.
Januar 2014 beim OLG Stuttgart eingegangen. Nachdem auf entsprechenden
Antrag des Klägers die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung mit
Verfügung vom 4. März 2014 bis zum 7. April 2014 verlängert worden war, ging
am 4. April 2014 die Berufungsbegründung ein.
III.
46 Mit der Berufung begehrt der Kläger die Abänderung des Urteils des Landgerichts
Tübingen und die Verurteilung des Beklagten gemäß den bereits in erster Instanz
gestellten Anträgen.
47 Er ist der Auffassung,
eine ordnungsgemäße beihilferechtliche Betrauung der subventionierten
Kreiskliniken durch den Beklagten und infolgedessen eine Befreiung von der
Notifizierungspflicht könne nicht angenommen werden. Die Betrauung der
Kreiskliniken sei formell rechtswidrig, weil § 3 Abs. 1 LKHG BW nicht die
Voraussetzungen eines Betrauungsaktes i.S.d. Freistellungsentscheidung der
Kommission (2005/842/EG) erfülle. Gleiches gelte für den Betrauungsakt des
Beklagten vom 21. April 2008.
48 Auch in materieller Hinsicht sei die Betrauung rechtswidrig. Eine Betreibenspflicht
des Beklagten nach § 3 Abs. 1 LKHG BW bestehe nicht. Insofern bedürfe es über
die bloße Aufnahme der Kreiskliniken in den Krankenhausplan 2010 Baden-
Württemberg hinaus einer Versorgungslücke, die hier nicht angenommen werden
könne, weil es andere, nicht-öffentliche Träger gebe, die bereit seien, die
bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung im Landkreis C. mit
Krankenhausleistungen sicherzustellen.
49 Eine über die duale Krankenhausfinanzierung gemäß § 4 KHG hinausgehende
staatliche Finanzierung von Krankenhäusern in Trägerschaft der öffentlichen
Hand könne zudem nur dann als erforderlich und damit als freistellungsfähig i.S.d.
Art. 106 Abs. 2 AEUV angesehen werden, wenn diese Krankenhäuser im
Vergleich zu allen anderen Marktteilnehmern auch zusätzliche Leistungen, sog.
Krankenhaussonderaufgaben, erbrächten, was im Falle der Kreiskliniken des
Beklagten nicht der Fall sei. Die Pflichtträgerschaft für sich allein könne nicht als
besondere Aufgabe angesehen werden. Damit gelte das duale
Finanzierungssystem auch für den Beklagten als Pflichtträger und eine
kommunale Zusatzfinanzierung könne nicht gewährt werden. Etwaige
Mehrbelastungen seien nach den gesetzlichen Regelungen ausschließlich über
den Sicherstellungszuschlag gemäß § 5 Abs. 2 KHEntG oder ggf. über
gesonderte Zuschüsse des Landes als Aufgabenträger auszugleichen.
50 Der Kläger beantragt:
51
1. Das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 23. Dezember 2013, Az.: 5 O
72/13, wird aufgehoben.
52
2. Der Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen,
53
a) zugunsten der Kreiskliniken C. gGmbH die handelsrechtlichen Verluste
(Jahresfehlbeträge) der Kreiskliniken C. gGmbH aus den Jahren 2012 sowie
2013 bis 2016 auszugleichen;
54
b) zugunsten der Kreiskliniken C. gGmbH Bürgschaften zu übernehmen, die
mehr als 80% der damit besicherten Darlehensverbindlichkeiten abdecken
und/oder nicht bzw. nicht marktüblich verzinst werden (Avalzins) und
55
c) der Kreiskliniken C. gGmbH Investitionszuschüsse zu gewähren,
56
ohne dass
57
- diese Leistungen zuvor bei der Europäischen Kommission angemeldet
wurden (Notifizierung) und
- die Europäische Kommission diese genehmigt hat,
58
es sei denn,
59
- die Europäische Kommission hat zwei Monate nach vollständiger Anmeldung
(Notifizierung) noch keinen abschließenden Beschluss im Vorprüfverfahren
erlassen und
- der Beklagte hat daraufhin der Europäischen Kommission die Durchführung
der beabsichtigten Leistungen angezeigt und
- die Europäische Kommission hat innerhalb von weiteren 15 Arbeitstagen nach
Erhalt dieser Anzeige noch immer keine Entscheidung getroffen.
60
3. Dem Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein
Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro gegen ihn festgesetzt wird.
61
4. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 24.381,91 Euro nebst Zinsen i.H.v.
fünf Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit
zu zahlen.
62
5. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
63
6. Das Urteil ist – notfalls gegen Sicherheitsleistung – vorläufig vollstreckbar.
64 Der Beklagte beantragt,
65
die Berufung zurückzuweisen.
66 Er verteidigt unter Vertiefung und Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrages
das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, dass die Klage bereits unzulässig
sei, weil es an einer Prozessführungsbefugnis des Klägers fehle. Lediglich ein
einziges Mitgliedsunternehmen des Klägers sei im selben Markt wie die
Kreiskliniken tätig.
67 Unabhängig davon sei die Klage aber auch unbegründet: Die angegriffenen
Maßnahmen des Beklagten zugunsten der Kreiskliniken in Form des
Verlustausgleichs, der Bürgschaftsübernahmen und der Leistung von
Investitionskostenzuschüssen erfüllten nicht sämtliche Tatbestandsmerkmale
einer staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV. Eine Verpflichtung zur
Notifizierung und vorherigen Genehmigung durch die Europäische Kommission
habe mithin nicht bestanden. Der Beklagte habe nämlich wie ein
marktwirtschaftlich denkender, langfristig agierender Kapitalgeber gehandelt, so
dass es an einer Begünstigung der Kreiskliniken fehle.
68 Überdies sei er von der Notifizierungspflicht freigestellt. Jedenfalls seien die sich
aus Art. 106 Abs. 2 AEUV ergebenden Anforderungen an eine Freistellung erfüllt,
so dass es auf die Erfüllung sämtlicher Voraussetzungen der
Freistellungsentscheidung der Kommission 2005/842/EG nicht ankomme. Anders
als im Wettbewerb stehende Krankenhäuser anderer Träger treffe die
Kreiskliniken nämlich eine Betreibenspflicht gemäß § 3 Abs.1 LKHG BW. Die
Betrauungsakte des Beklagten vom 22. April 2008 und vom 19. Dezember 2013
seien formell und materiell rechtmäßig. Sie beruhten auf dem Muster-
Betrauungsakt des Landkreistages Baden-Württemberg, den die Europäische
Kommission bereits im Rahmen des A.-Verfahrens untersucht und nicht
beanstandet habe. Die materielle Rechtmäßigkeit der Betrauung der Kreiskliniken
folge allerdings unabhängig davon bereits aus § 1 Abs. 1 Satz 3 LKHG, weil nach
dieser Vorschrift das Erbringen von Krankenhausleistungen durch ein
Krankenhaus, das in den Landeskrankenhausplan aufgenommen worden sei,
das Vorliegen einer DawI impliziere. Außerdem folge die materielle
Rechtmäßigkeit der Betrauung aus § 3 Abs. 1 LKHG BW. Gegenstand dieses
Sicherstellungsauftrages seien nicht nur Krankenhaussonderaufgaben, sondern
die umfängliche Verpflichtung des Beklagten zum Betrieb der nach dem
Krankenhausplan als bedarfsnotwendig festgestellten Krankenhäuser.
69 Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Februar 2011 (Az.: I ZR 136/09) sei
auf den hiesigen Fall nicht übertragbar, weil weder die dortigen Parteien noch die
verschiedenen, dort mit der Sache befassten Gerichte den Betrieb eines
Verkehrsflughafens als DawI eingeordnet hätten. Außerdem sei zwischen der
Reichweite der Freistellung des Betriebs eines Verkehrsflughafens und eines
Krankenhauses vom Beihilfenverbot auf der Grundlage der
Freistellungsentscheidung 2005/842/EG zu differenzieren.
70 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die
von ihnen vorgelegten Schriftsätze mit Anlagen und auf das Sitzungsprotokoll
vom 06. November 2014 verwiesen.
B.
71 Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.
72 Zwar ist der Kläger gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugt (dazu I.). Es besteht
aber kein Unterlassungsanspruch des Klägers gegen den Beklagten. Ein solcher
ergibt sich insbesondere nicht aus § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4
Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV (dazu II.). Ob überhaupt eine vom
Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorausgesetzte staatliche
Beihilfe vorliegt, kann nicht abschließend beurteilt werden. Insofern wäre eine
Beweisaufnahme durchzuführen (dazu II. 3.). Einer solchen bedarf es jedoch
nicht, weil der Beklagte selbst bei unterstellter Annahme einer staatlichen Beihilfe
von der Notifizierungspflicht gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) freigestellt ist (dazu II.
4.).
I.
73 Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt.
1.
74 Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG stehen die Ansprüche gemäß § 8 Abs. 1 UWG neben
Mitbewerbern auch rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder
selbstständiger beruflicher Interessen zu, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von
Unternehmen angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder
verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach
ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung im Stande sind, ihre
satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbstständiger
beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die
Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt.
75 Diese Voraussetzungen sind hier für den Kläger zu bejahen:
a)
76 Zunächst muss es sich bei der klagenden Institution um einen Verband handeln,
was bedeutet, dass eine körperschaftliche Struktur vorliegen muss (vgl. Seichter,
in: jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 8 Rz. 160). Klagebefugt sind allein juristische
Personen des privaten oder öffentlichen Rechts, nicht aber
Personengesellschaften wie die KG, OHG oder GbR (vgl. Köhler, in:
Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 8 Rz. 3.31 ff.). Hier handelt es sich
beim Kläger um einen eingetragenen Verein.
b)
77 Der Verband muss die Förderung gewerblicher und selbstständiger Interessen
bezwecken. Ob dies der Fall ist, ist anhand seiner Satzung zu überprüfen (vgl.
BGH, Urteil vom 19. Februar 1965, Az.: Ib ZR 45/63 = MDR 1965, 550). Der
Satzungszweck muss tatsächlich verfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. April
2000, Az.: I ZR 287/97 = NJW-RR 2001, 36 ff.), wofür eine tatsächliche
Vermutung spricht (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1994, Az.: I ZR 85/92 = NJW
1994, 2548 f.).
78 Die Verfolgung von Wettbewerbsinteressen darf also nicht lediglich Vorwand sein,
um dem Verband, seinen Mitgliedern oder den beteiligten Rechtsanwälten
systematisch zu Einnahmen zu verhelfen. Für einen Missbrauch kann die
Geltendmachung überhöhter Abmahnpauschalen, das systematische Verlangen
nach dem Verzicht auf die Einrede des Fortsetzungszusammenhangs oder der
häufige Versuch sprechen, gerichtliche Titel durch strafbewehrte
Unterlassungserklärungen zu ersetzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1993, Az.: I
ZR 75/91 = NJW-RR 1993, 1063 ff.).
79 Hier nennt die Satzung des Klägers (Anlage K 1) zwar nicht ausdrücklich die
Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen als Aufgabe; eine solche ausdrückliche
Erwähnung ist jedoch – wie der Kläger zu Recht hervorhebt – nicht erforderlich
(vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl. 2014, § 8 Rz. 3.34). Es ist nicht
zu verkennen, dass der Kläger seit Jahren die Interessen seiner Mitglieder
verfolgt und auf diese Weise seine satzungsmäßigen Aufgaben tatsächlich
wahrnimmt. Insbesondere hat er sich bereits im Jahr 2007 (GA 342) an einem
Beihilfebeschwerdeverfahren bei der Europäischen Kommission beteiligt (vgl. in
diesem Zusammenhang die Entscheidung der EU-Kommission, Generaldirektion
Wettbewerb, vom 25. August 2010, Az.: CP 6/2003).
c)
80 Dem Verband muss weiter eine erhebliche Zahl von Unternehmen angehören,
die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben
Markt vertreiben; die Anzahl seiner sonstigen Mitglieder auf anderen Märkten ist
dagegen unerheblich (vgl. BGH, Urteil vom 24. November 1999, Az.: I ZR 189/97
= NJW 2000, 1792 ff.).
aa)
81 Im Hinblick auf den sachlichen Markt ist der Begriff der Waren gleicher oder
verwandter Art weit auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007, Az.: I ZR
51/04 = NJW-RR 2007, 1338 ff.): Die beiderseitigen Waren müssen sich ihrer Art
nach nur so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz des einen durch
irgendein wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann.
Es reicht aus, dass eine nicht gänzlich unbedeutende potentielle
Beeinträchtigung mit einer gewissen, wenn auch nur geringen Wahrscheinlichkeit
in Betracht gezogen werden kann (vgl. Seichter, in: jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, §
8 Rz. 164). Dabei wird ein entsprechendes Wettbewerbsverhältnis wesentlich
durch die gemeinsame Zugehörigkeit zur selben Branche oder zu zumindest
angrenzenden Branchen begründet (vgl. BGH, Urteil vom 16. November 2006,
Az.: I ZR 218/03 = MDR 2007, 1031 f., BGH, Urteil vom 16. März 2006, Az.: I ZR
103/03 = MDR 2006, 1421).
bb)
82 Der maßgebliche räumliche Markt richtet sich nach der Reichweite der
Geschäftstätigkeit des in Anspruch Genommenen. Soweit der vermeintliche
Verletzer bundesweit tätig ist, gehören sämtliche branchenzugehörige
Unternehmen in Deutschland zum räumlich relevanten Markt (vgl. BGH, Urteil
vom 1. März 2007, Az.: I ZR 51/04 = NJW-RR 2007, 1338 ff.). Im Fall einer
räumlich beschränkten Tätigkeit ist nur dieses Gebiet maßgeblich. Die
Grenzziehung ist häufig schwierig. Es ist darauf abzustellen, in welchem Umkreis
Kunden angesprochen werden. Dies richtet sich vor allem nach der Attraktivität
des Angebots und der Art des Vertriebs.
cc)
83 Schließlich ist die Zahl der Mitglieder eines Verbands auf dem einschlägigen
Markt dann erheblich, wenn diese Mitglieder als Unternehmer, bezogen auf den
maßgeblichen Markt, in der Weise repräsentativ sind, dass ein missbräuchliches
Verhalten des Verbands ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 1.
März 2007, Az.: I ZR 51/04 = NJW-RR 2007, 1338 ff.; ferner Seichter, in: jurisPK-
UWG, 3. Aufl. 2013, § 8 Rz. 167). Darauf, ob diese Verbandsmitglieder nach ihrer
Zahl und ihrem wirtschaftlichen Gewicht im Verhältnis zu allen anderen auf dem
Markt tätigen Unternehmen repräsentativ sind, kommt es nicht an. Daher kann
eine erhebliche Zahl auch schon bei wenigen auf dem betreffenden Markt tätigen
Mitgliedern anzunehmen sein (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2007, Az.: I ZR 51/04
= NJW-RR 2007, 1338 ff.).
dd)
84 Gemessen an diesen Voraussetzungen gehört hier dem Kläger eine erhebliche
Zahl von Unternehmen an, die Produkte auf demselben räumlich und sachlich
relevanten Markt vertreiben.
85 Mit Recht hat das Landgericht insofern auf die grundsätzliche Wahlfreiheit des
Patienten abgestellt und hervorgehoben, dass nicht nur Patienten aus dem
Landkreis C., sondern insbesondere auch aus den angrenzenden Landkreisen
B., T. und F.. Dienstleistungen der Kreiskliniken des Beklagten in Anspruch
nehmen. Insbesondere sind daher die Mitgliedskliniken des Klägers Klinikum P.
GmbH, S. Klinikum K.-L. GmbH und Klinik für Herzchirurgie K. GmbH als
Unternehmen anzusehen, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder
verwandter Art auf demselben sachlichen Markt vertreiben. Auch kann im
Einzelnen dahingestellt bleiben, ob und inwieweit Überschneidungen zwischen
den Tätigkeitsbereichen dieser Kliniken und der Kreiskliniken und
Wanderbewegungen von Patienten zu unterschiedlichen Krankenhäusern
bestehen. Es genügt, dass es sich um zumindest angrenzende Branchen
handelt. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nämlich für das erforderliche
abstrakte Wettbewerbsverhältnis nicht ausschließlich auf einen bestimmten
Bereich der Heilbehandlung abzustellen. Vielmehr ist als potentieller
Wettbewerber jeder Anbieter von Waren/Dienstleistungen in den Blick zu
nehmen, der aus Sicht eines Patienten möglicherweise als Alternative zu den von
den Kreiskliniken des Beklagten angebotenen Behandlungen in Betracht kommt
(so auch OLG Braunschweig, Urteil vom 7. März 2012, Az.: 2 U 90/11 = GRUR-
RR 2012, 431 ff.; OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Dezember 2012, Az.: 6 U
103/12 = GuP 2013, 197 f.; OLG Frankfurt, Urteil vom 27. Mai 2010, Az.: 6 U
254/07 = GRUR-Prax 2011, 225; LG Frankfurt, Urteil vom 18. August 2010, Az.:
2/6 O 103/10).
86 Auch in räumlicher Hinsicht liegt eine ausreichende Überschneidung der Märkte
vor, auf denen die Mitglieder des Klägers und der Beklagte tätig sind. Dabei
kommt dem Umstand Bedeutung zu, dass der Markt für stationäre
Krankenhausleistungen zwar naturgemäß gewisse räumliche Beschränkungen
aufweisen mag, dass aber angesprochene Verbraucher aufgrund der
vermeintlichen Attraktivität eines Angebots bereit sind, auch mittelgroße und
größere Entfernungen zu überwinden, um entsprechende Leistungen in
Anspruch nehmen zu können. Gerade im medizinischen Bereich ist eine große
Zahl von Verbrauchern angesichts der hohen Bedeutung des Rechtsguts
Gesundheit bereit, auch weite Anreisewege in Kauf zu nehmen, wenn sie die
Leistungen eines bestimmten Anbieters in Anspruch nehmen wollen.
d)
87 Schließlich muss der Verband personell, sachlich und finanziell in der Lage sein,
die satzungsmäßigen Aufgaben der Interessenverfolgung tatsächlich
wahrzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 17. August 2011, Az.: I ZR 148/10 = MDR
2012, 483 f.). Der Satzungszweck darf nicht nur auf dem Papier stehen. Vielmehr
müssen eigene Mitarbeiter vorhanden sein, die in der Lage sind, einfache
Abmahnschreiben auch ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts zu fertigen (vgl.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 1989, Az.: I ZR 56/89 = NJW-RR 1990, 102 ff.).
88 An die personelle Ausstattung sind indes keine überzogenen Anforderungen zu
stellen. Zur sachlichen Ausstattung gehört grundsätzlich eine eigene
Geschäftsstelle mit den entsprechenden sachlichen Mitteln (eigene Büroräume,
Telefon, Fax). Zudem muss der Verband finanziell in der Lage sein, die Kosten
der satzungsmäßigen Tätigkeit aus eigener Kraft aufzubringen (vgl. Seichter, in:
jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 8 Rz. 170 ff.).
89 Dass der Kläger hier über die entsprechenden Voraussetzungen verfügt, hat der
Beklagte nicht substantiiert bestritten. Unter Zugrundelegung des klägerischen
Vortrags (GA 30 f.) ist daher von einer entsprechenden Fähigkeit zur
Wahrnehmung der satzungsmäßigen Aufgaben auszugehen.
90 Die Klagebefugnis des Klägers ist mithin zu bejahen.
II.
91 Ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten ergibt sich nicht aus § 8 Abs. 1
Satz 1 UWG i.V.m. §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV.
92 Zwar liegt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG vor (dazu 1.)
und Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV stellt eine Marktverhaltensregel i.S.d. UWG dar
(dazu 2.). Ob die streitgegenständliche Defizitfinanzierung des Beklagten, die
Gewährung der Bürgschaften und die Leistung der Investitionszuschüsse als
staatliche Beihilfen in diesem Sinne anzusehen sind, kann offenbleiben (dazu 3.).
Jedenfalls ist der Beklagte gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) von der
Notifizierungspflicht freigestellt (dazu 4.). Einer Beweisaufnahme, insbesondere
der Einholung eines Sachverständigengutachtens, bedarf es daher nicht.
1.
93 Die Fallgruppe der unlauteren Wettbewerbshandlung durch Rechtsbruch setzt
zunächst eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG voraus.
94 Nach dieser Legaldefinition erfasst der Begriff der geschäftlichen Handlung jedes
Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden
Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung
des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem
Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder
Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.
95 Hier greift der Kläger den seitens des Beklagten gewährten Ausgleich des
handelsrechtlichen Verlustes (Jahresfehlbetrag) der Kreiskliniken für das Jahr
2012 und den Ausgleich der zu erwartenden künftigen Verluste ab dem
Geschäftsjahr 2013 bis zunächst 2016 an, sowie die Gewährung von
Ausfallbürgschaften und Investitionszuschüssen des Beklagten zugunsten der
Kreiskliniken C. gGmbH.
96 Bei diesen handelt es sich um in privater Rechtsform betriebene, auf eine
gewisse Dauer angelegte Einrichtungen, die sich selbstständig wirtschaftlich
betätigen und darauf gerichtet sind, Waren oder Dienstleistungen gegen Entgelt
zu vertreiben (vgl. BGH, Urteil vom 4. Dezember 2008, Az.: I ZR 3/06 = MDR
2009, 993 f.), mithin um Unternehmen i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG [vgl. dazu auch
sogleich unter 3. a ) aa)]. Nicht verneinen lassen sich geschäftliche Handlungen
mit dem Argument des Beklagten (vgl. zuletzt Berufungserwiderung vom 28. Juli
2014, dort Seite 45), dem Betrieb der Kreiskliniken liege keine freiwillige Grund-
entscheidung, sondern eine gesetzliche Verpflichtung gem. § 3 Abs.1 LKJHG BW
zu Grunde. Obwohl dies der Fall ist, liegt hier kein rein hoheitliches Handeln vor,
weil sich der Beklagte – zumindest auch – erwerbswirtschaftlich betätigt (vgl.
BGH, Urteil vom 26. Januar 2006, Az.: I ZR 83/03 = NJW 2006, 1804 ff.).
Schließlich weisen die angegriffenen Handlungen des Beklagten Außenwirkung
und damit einen Marktbezug auf. Sie sind nicht auf rein unternehmensinterne
Vorgänge beschränkt. Vielmehr wird dadurch auf andere Marktteilnehmer
eingewirkt und auf diese Weise das Marktgeschehen beeinflusst (vgl. BGH, Urteil
vom 25. September 1970, Az.: I ZR 49/69 = NJW 1971, 378).
97 Eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist damit anzunehmen.
2.
98 Zudem setzt der Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG den Verstoß eines
Mitbewerbers gegen eine Marktverhaltensregelung voraus. Erfasst sind insofern
ausschließlich Rechtsnormen außerhalb des Wettbewerbsrechts, aus deren
Verstoß ein wettbewerbswidriges, nunmehr unlauteres Verhalten abgeleitet
werden soll (vgl. Link, in: jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Nr. 11 Rz. 2). Eine
Legaldefinition dieses Begriffs enthält das UWG nicht. Aus dem Schutzzweck des
Gesetzes kann jedoch gefolgert werden, dass nur solche Normverstöße erfasst
werden, die sich auf den Wettbewerb und somit den Markt beziehen, also den
Schutz des Leistungswettbewerbs und einen unverfälschten Wettbewerb
gefährden (vgl. Link, in: jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 4 Nr. 11 Rz. 70 ff.).
99 Orientiert an diesen Vorgaben sehen Rechtsprechung und Literatur im
beihilferechtlichen Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV eine
Marktverhaltensregelung i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli
2011, Az.: I ZR 209/09 = GRUR-RR 2012, 157 ff.; BGH, Urteil vom 10. Februar
2011, Az.: I ZR 136/09 = GRUR 2011, 444 ff.; Köhler, in: Köhler/Bornkamm, UWG,
32. Aufl. 2014, § 4 UWG, Rz. 11.180a; Link, in: jurisPK-UWG, 3. Aufl. 2013, § 4
Nr. 11 Rz. 227). Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV hat nämlich jedenfalls auch die
Funktion, gleiche Voraussetzungen für die auf einem Markt tätigen Wettbewerber
zu schaffen. Dem Durchführungsverbot ist ferner eine auf die Lauterkeit des
Wettbewerbs bezogene Schutzfunktion eigen, weil es die im Binnenmarkt tätigen
Unternehmen gerade vor Wettbewerbsverfälschungen schützen soll (vgl. BGH,
Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: I ZR 136/09 = GRUR 2011, 444 ff.).
3.
100 Ob ein Verstoß des Beklagten gegen das Durchführungsverbot des Art. 108 Abs.
3 Satz 3 AEUV vorliegt, kann ohne Durchführung einer Beweisaufnahme nicht
abschließend beurteilt werden, da zwischen den Partien streitig ist, ob die
streitgegenständlichen Handlungen des Beklagten zu einer Begünstigung der
Kreiskliniken im beihilferechtlichen Sinne geführt haben. Für die Entscheidung
dieses Rechtsstreits kann diese Frage allerdings offen bleiben.
a)
101 Nach Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV darf eine von einem Staat oder aus staatlichen
Mitteln gewährte Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV nicht gewährt werden, wenn
diese mangels Notifizierung bei der Europäischen Kommission und aufgrund
fehlender Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt rechtswidrig ist. Art. 108 Abs. 3 Satz
3 AEUV setzt also zunächst das Vorliegen einer Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1
AEUV voraus.
102 Nach allgemeinem Verständnis sind Beihilfen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dem
Staat zurechenbare Maßnahmen, die durch den Transfer staatlicher Mittel
bestimmten Unternehmen wirtschaftliche Vorteile verschaffen, die den
Wettbewerb in spürbarer Weise verändern und zugleich zumindest potentielle
Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedsstaaten entfalten (vgl. von
Carnap-Bornheim, in: JuS 2013, 215 ff.; Bungenberg, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 11).
Hieraus lassen sich als Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen entnehmen
das Vorliegen einer Maßnahme zugunsten eines Unternehmens oder
Produktionszweigs [dazu aa)], ein dem Staat zurechenbarer Transfer staatlicher
Mittel [dazu bb)]; das Vorliegen einer Begünstigung [dazu cc)], die Selektivität
dieser Begünstigung [dazu dd)] und schließlich deren Spürbarkeit im Sinne einer
Wettbewerbsbeeinträchtigung [dazu ee)].
aa)
103 Zunächst werden von Art. 107 Abs. 1 AEUV nur solche Begünstigungen erfasst,
die bestimmten Unternehmen oder Produktionszweigen gewährt werden.
104 Der beihilferechtliche Unternehmensbegriff ist ein vom Recht der Mitgliedsstaaten
unabhängiger, autonomer Begriff des Unionsrechts, der dem kartellrechtlichen
Unternehmensbegriff entspricht (vgl. Bungenberg, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1, Rz. 24 ff.).
Zur Vermeidung unerwünschter Schutzlücken ist dieser Unternehmensbegriff wie
in § 19 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB weit auszulegen, d.h. ein Unternehmen ist stets
anzunehmen, sobald eine aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben durch
Betätigung in der Erzeugung oder im Geschäftsverkehr vorliegt. Nur die
hoheitliche Tätigkeit und das Handeln privater Verbraucher zur Deckung
persönlicher Bedürfnisse sind ausgenommen (vgl. Zimmer, in:
Immenga/Mestmäcker, GWB, 4. Aufl. 2007, § 1 Rz. 27 ff.; Bechtold, in: Bechtold,
GWB, 7. Aufl. 2013, § 1 Rz. 7).
105 Hier lassen sich weder der seitens des Beklagten beschlossene Defizitausgleich
noch die Gewährung der Ausfallbürgschaften oder Leistung der
Investitionszuschüssen als hoheitliche Tätigkeit ansehen, da diese Handlungen
trotz der vorgelagerten Entscheidungen im Kreistag des Beklagten zivilrechtlicher
Natur sind.
106 Für die Qualifikation einer Tätigkeit als wirtschaftlich kommt es zudem weder auf
die Rechtsform noch auf die Art der Finanzierung oder die Absicht einer
Gewinnerzielung an (vgl. EuGH, Urteil vom 23. April 1991, Az.: C-41/90 = NJW
1991, 2891 ff.). Ausnahmen können allenfalls bestehen, soweit sich eine Tätigkeit
als eine rein soziale Tätigkeit erweist. Da allerdings in Deutschland private und
gesetzliche Krankenversicherungen für die medizinische Versorgung ihrer
Versicherungsnehmer Entgelte an die behandelnden Krankenhäuser entrichten,
ist eine solche, rein soziale Tätigkeit zu verneinen und eine wirtschaftliche
Tätigkeit anzunehmen (so auch Koenig/Paul, in: EuZW, 2008, 359 ff.). In aller
Regel stehen Krankenhäuser nämlich in einem Wettbewerb um Patienten und
deren von Krankenversicherungen bezahlten medizinischen Leistungen, mit
denen sich erhebliche Umsätze erzielen lassen. Die Qualität der Leistungen soll
Patienten anziehen, um mit einer möglichst hohen Auslastung die Betriebskosten
des Krankenhauses durch die Zahlungen der privaten und gesetzlichen
Krankenversicherungen der Patienten zu refinanzieren. Dass es sich in diesem
Bereich um einen z.B. hinsichtlich der Preise weitgehend regulierten Markt
handelt, steht der Annahme von Wettbewerb und einer wirtschaftlichen Tätigkeit
nicht entgegen. Im Ergebnis besteht also kein Zweifel, dass Krankenhäuser und
also auch die Kreiskliniken Unternehmen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV sind (so
auch die Entscheidung der EU-Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, vom
25. August 2010, Az.: CP 6/2003; Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich,
Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 744 f.).
107 Der Beklagte unterstützt also eine wirtschaftliche Tätigkeit der Krankenhäuser als
Unternehmen (vgl. insofern auch oben unter II. 1.), weshalb die hier
streitgegenständliche staatliche Finanzierung der stationären Krankenversorgung
beihilferechtliche Relevanz erlangt. Auch die EU-Kommission und die
europäischen Gerichte sehen in der Erbringung medizinischer Dienstleistungen
einschließlich der stationären Krankenversorgung eine wirtschaftliche Tätigkeit
und wenden folglich das Beihilferecht auf die Erbringer dieser medizinischen
Dienstleistungen an (vgl. EuG, Urteil vom 11. Juli 2007, Az.: T-167/04 = EuZW
2007, 505 ff.; ferner Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches
Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 741 ff.).
bb)
108 Die neben dem System der dualen Krankenhausfinanzierung gem. § 4 KHG (vgl.
dazu Quaas, in: Haftung des Fachanwaltes Medizinrecht, 3. Aufl. 2013, Kap 14
Rz. 44 ff.; Koenig/Paul, in: EuZW 2008, 359 ff.; Koenig/Paul, in: EuZW 2009, 844
ff.) praktizierte Defizitfinanzierung, die Gewährung von Bürgschaften und die
Investitionszuschüsse des Beklagten zugunsten der Kreiskliniken stellen
Leistungen aus staatlichen Mittel i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV dar, da hierunter
auch Mittel öffentlicher Gebietskörperschaften eines EU-Mitgliedsstaates zu
fassen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Oktober 1987, Az.: C-248/84 = NJW 1989,
1430; Pache/Pieper, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches
Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 66; Lübbig/Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, 2. Aufl.
2009, Rz. 197).
cc)
109 Ohne Durchführung einer Beweisaufnahme, namentlich ohne Einholung eines
Sachverständigengutachtens, kann nicht abschließend beurteilt werden, ob die
seitens des Klägers angegriffenen Handlungen des Beklagten zu einer
Begünstigung der Kreiskliniken im beihilferechtlichen Sinne geführt haben.
110 Eine Begünstigung i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ist gegeben, wenn ein
Unternehmen eine aus staatlichen Mitteln bewirkte Leistung erlangt, ohne hierfür
eine angemessene marktübliche Gegenleistung erbracht zu haben. In ständiger
Rechtsprechung setzt der EuGH eine wirkungsorientierte Sichtweise, also eine
wirtschaftliche Prüfung dieses Tatbestandsmerkmals voraus (vgl. EuGH, Urteil
vom 12. Dezember 2002, Az.: C-5/01; ferner EuG, Urteil vom 15. Dezember 2009,
Az.: T-156/04; Koenig/Kühling/Ritter, EG-Beihilfenrecht, 2. Aufl. 2005, Rz. 71;
Kleine/Sühnel, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht,
Kap. 1 Rz. 89 ff.). Abzustellen ist auf eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung von
staatlicher Leistung und Gegenleistung unter normalen Marktbedingungen. Dabei
ist die objektive Wirkung einer staatlichen Maßnahme entscheidend. Die Form,
die Gründe, die intendierten Ziele oder die Motivation des staatlichen Handelns
sind hingegen für das Vorliegen einer Begünstigung i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV
irrelevant.
(1)
111 In der Praxis werden die privatwirtschaftliche Betätigung des Staates und die
eines hypothetischen privaten Investors mit Hilfe des sog. Private Investor Test
verglichen. Im Rahmen dieses Testes lässt sich ermitteln, ob ein
marktwirtschaftlich handelnder Marktteilnehmer ebenso wie die staatliche Stelle
gehandelt hätte. Ist dies der Fall, ist der Private Investor Test erfüllt und es liegt
keine Begünstigung i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV vor (vgl. EuGH, Urteil vom 28.
Januar 2003, Az.: C-334/99; EuGH, Urteil vom 21. März 1991, Az.: C-303/88).
Dahinter steckt die Überlegung, dass ein marktübliches Verhalten niemanden
begünstigt (vgl. von Carnap-Bornheim, in: JuS 2013, 215 ff.). Gerade das
Kriterium des Verhaltens eines privaten Investors stellt zudem eine Ausprägung
des Grundsatzes der Gleichbehandlung öffentlicher und privater Unternehmen
dar, weshalb der Private Investor Test auch für die finanziellen Beziehungen des
Staates zu seinen direkten öffentlichen Beteiligungsunternehmen einschlägig
bzw. gleichermaßen auf alle öffentlichen und privaten Unternehmen anwendbar
ist, also insbesondere auch hier auf die Kreiskliniken als staatlich beherrschte
Unternehmen (vgl. EuGH, Urteil vom 1. Juli 2008, Az.: C-341/06 und C-342/06;
EuGH, Urteil vom 21. März 1991, Az.: C-303/88).
(2)
112 Hier hat der Kläger behauptet, der seitens des Beklagten gewährte
Defizitausgleich, die Bürgschaften und die Investitionszuschüsse erfüllten die
Anforderungen des Private Investor Tests nicht, weil aus der Sicht eines
marktwirtschaftlich handelnden, langfristig agierenden, privaten Kapitalgebers
zum Zeitpunkt der jeweiligen Investitionsentscheidungen nicht mit einer
angemessenen Kapitalrendite zu rechnen gewesen sei (GA 38 ff.).
113 Diesen Vortrag hat der Beklagte substantiiert bestritten (GA 374 ff.): Er hat
vorgebracht, dass er sich angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage und
der negativen Jahresergebnisse der Kreiskliniken in den vergangenen Jahren
gerade nicht auf einen reinen Verlustausgleich beschränkt, sondern wie ein
marktwirtschaftlich handelnder, langfristig agierender Kapitalgeber agiert und
einen umfassenden Prozess der Neuausrichtung und Umstrukturierung
eingeleitet habe. Kernbestandteile dieses Umstrukturierungsprozesses seien
insbesondere die Einholung einer Betriebswirtschafts- und Organisationsanalyse
durch das Beratungsunternehmen G. C. GmbH (GA 375), die Erarbeitung eines
20-Punkte-Planes zur Sanierung der Kreiskliniken (GA 375), die Einleitung eines
umfassenden Prozesses der Bürgerbeteiligung zur Zukunft der Kreiskliniken
(Anlagen B 10 bis B 14), die Beauftragung der Firma K. C. AG mit der Erstellung
eines Gutachtens zur Zukunft der Krankenhäuser C. und N. (Anlage B 15), die
Beauftragung des auf den Krankenhausbereich spezialisierten Unternehmens T.
mit einer Ist-Analyse, die Professionalisierung der Kreiskliniken durch Besetzung
des Managements mit einer Geschäftsführerin, die über Vorerfahrungen bei
privaten Krankenhausbetreibern verfügt, die Beantragung eines
Sicherheitszuschlages nach § 5 Abs. 2 KHEntG (Anlagen B 25, BB 3, BB 4, BB 5,
BB 6) sowie Vorbereitungen zur Umsetzung des im Gutachten der Firma K. C. AG
vom 8. Oktober 2013 sog. „Szenario 3 plus“ (Anlage BB 9). Der solchermaßen
bereits vielseitig angestoßene Umstrukturierungsprozess der Kreiskliniken lasse
sich nicht schneller umsetzen. In einer solchen Umbruchphase würde auch ein
marktwirtschaftlich handelnder, langfristig agierender privater Kapitalgeber nicht
kurzfristig eine von ihm getragene Krankenhausgesellschaft liquidieren oder
zumindest einzelne Fachbereiche schließen, um möglicherweise in zeitnaher
Zukunft wieder gezwungen zu sein, die Krankenversorgung insgesamt oder
zumindest einzelne Fachbereiche neu aufzubauen. Insofern hat sich der
Beklagte zum Beweis auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens
bezogen (GA 381).
114 Hinge der Ausgang des Rechtsstreits von der Frage ab, ob die angegriffenen
Handlungen des Beklagten als staatliche Beihilfen gem. Art 107 Abs. 1 AEUV
anzusehen sind, so wäre diesem Beweisangebot nachzugehen und es wäre also
ein Sachverständigengutachten einzuholen. Aufgrund des wechselseitigen
Vortrags der Parteien kann nämlich ohne Durchführung einer Beweisaufnahme
nicht abschließend entschieden werden, ob die angegriffenen Handlungen des
Beklagten bei Durchführung eines Private Investor Tests als Begünstigung i.S.d.
Art. 107 Abs. 1 AEUV anzusehen wären.
(3)
115 Ohne Durchführung einer Beweisaufnahme kann das Vorliegen einer
Begünstigung i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV auch nicht unter Heranziehung der
„Altmark-Trans-Kriterien“ des EuGH bejaht oder verneint werden. Im Jahr 2003,
also vor dem Inkrafttreten der Freistellungsentscheidung der Kommission
(2005/842/EG), hat der EuGH in dem Rechtsfragen des ÖPNV betreffenden Urteil
„Altmark-Trans“ Voraussetzungen festgelegt, unter denen die mitgliedsstaatliche
Finanzierung einer Dienstleistung mangels Begünstigung keine Beihilfe i.S.d. Art.
107 Abs. 1 AEUV darstellt (vgl. im Einzelnen EuGH, Urteil vom 24. Juli 2003, Az.:
C-280/00 = NJW 2003, 2515 ff.): Danach muss der Empfänger der staatlichen
Mittel mit der Erbringung einer klar definierten Dienstleistung von allgemeinem
wirtschaftlichen Interesse betraut worden sei (Betrauungsakt), die Parameter der
staatlichen Mittelfinanzierung müssen vorab transparent und objektiv festgelegt
worden sein (Transparenzkriterium), ferner muss der Ausgleich auf die zur
Erbringung der Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse
erforderlichen Kosten beschränkt werden (Erforderlichkeit) und schließlich darf
nur ein Ausgleich von Kosten erfolgen, der nicht über die Kosten hinausgeht, die
einem durchschnittlich effizienten Unternehmen bei der Leistungserbringung
entstehen würden, falls keine Ausschreibung der Leistungserbringung
erforderlich ist (Effizienzkriterium).
116 Unabhängig von den weiteren Voraussetzungen kann ohne Einholung eines
Sachverständigengutachtens insbesondere nicht abschließend beurteilt werden,
ob hier dieses Effizienzkriterium erfüllt oder zu verneinen ist. Zwar kommt generell
dem Ausschluss einer Begünstigung von Krankenhäusern nach den „Altmark-
Trans-Grundsätzen“ in der Praxis nur eine geringe Bedeutung zu (so auch
Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1
Rz. 753), weil einer Übernahme aller Kosten eines öffentlichen Krankenhauses
durch den Staat häufig entgegensteht, dass einzelne bestimmte Leistungen auch
durch ein effizientes privates oder ein anderes öffentliches Krankenhaus erbracht
werden können. Ob das aber auch hier im Fall der Kreiskliniken so ist, ist
zwischen den Parteien streitig und ohne Einholung eines
Sachverständigengutachten nicht zu entscheiden.
dd)
117 Unterstellte man eine Begünstigung der Kreiskliniken im beihilferechtlichen Sinne
durch die angegriffenen Handlungen des Beklagten, so wäre diese Begünstigung
als selektiv einzuordnen.
118 Mit dem Kriterium der Selektivität werden Beihilfen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV
von allgemeinen wirtschafts- und sozialpolitischen Maßnahmen der
Mitgliedsstaaten abgegrenzt, die alle Unternehmen eines Mitgliedsstaats
gleichermaßen begünstigen oder unterschiedslos der gesamten Wirtschaft
zukommen, wie etwa allgemeine Infrastruktur- oder Fördermaßnahmen (vgl.
Pache/Pieper, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht,
Kap. 1 Rz. 205). Derartige Maßnahmen verändern zwar die Rahmenbedingungen
für Unternehmen im Systemwettbewerb der Mitgliedsstaaten, begünstigen aber
nicht bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige und bewirken insoweit
keine Wettbewerbsverfälschung oder Beeinträchtigung des innerunionalen
Handels (vgl. Lübbig/Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, 2. Aufl. 2009, Rz. 232).
119 Hier wäre – bei Unterstellung des Vorliegens einer Begünstigung – von der
Selektivität der seitens des Beklagten gewährten Maßnahmen auszugehen, weil
es auf dem relevanten Markt auch Unternehmen gibt, die ohne die
entsprechenden staatlichen Unterstützungen die gleichen oder vergleichbare
Leistungen erbringen. Der Beklagte gewährt nämlich den Defizitausgleich, die
Bürgschaften und die Investitionszuschüsse nur den Kreiskliniken als
Krankenhäuser in öffentlicher Trägerschaft, nicht aber anderen Krankenhäusern,
insbesondere nicht den Mitgliedskrankenhäusern des Klägers.
ee)
120 Schließlich kann nur dann von einer mitgliedsstaatlichen Beihilfe zugunsten von
Unternehmen i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV ausgegangen werden, wenn die
Leistung geeignet ist, den Wettbewerb zu verfälschen und den
zwischenstaatlichen Handel im Binnenmarkt zu beeinträchtigen.
121 Die Frage nach der Relevanz mitgliedsstaatlicher Krankenhausfinanzierung für
eine Wettbewerbsverfälschung und für eine Beeinträchtigung des
zwischenstaatlichen Handels weist einen Bezug zu den Grundfreiheiten,
insbesondere der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit, auf (vgl. Heinrich,
in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 755).
So werden die grenzüberschreitende Erbringung und Inanspruchnahme von
ambulanten und stationären Gesundheitsleistungen durch die Grundfreiheiten
geschützt (vgl. Kingreen, in: NJW 2001, 3382 f.), auch wenn bis heute aus einer
Mehrzahl von Gründen noch kein erhebliches Maß an grenzüberschreitenden
Inanspruchnahmen medizinischer Leistungen feststellbar sein mag (vgl. hierzu
Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1
Rz. 755). Obgleich das Erfordernis einer notwendigen medizinischen Behandlung
in einem anderen Mitgliedstaat nicht allzu häufig vorkommen dürfte und aus
Patientensicht zumeist eine qualitativ hochwertige, möglichst wohnortnahe
Behandlung vorzugswürdig erscheint, spricht viel dafür, dass sich insbesondere
Krankenhäuser in grenznahen Regionen in einem grenzüberschreitenden
Wettbewerb mit Krankenhäusern aus anderen Mitgliedsstaaten befinden (vgl.
Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1
Rz. 756). Zugleich ist davon auszugehen, dass eine Beeinträchtigung des
zwischenstaatlichen Handels möglich ist, wenn die mitgliedsstaatlichen Märkte
durch europäisches oder nationales Recht im Wettbewerb geöffnet wurden (vgl.
Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1
Rz. 757).
122 Unterstellte man also im hiesigen Fall das Vorliegen einer Begünstigung [vgl.
dazu eben unter cc)], so spräche manches dafür, auch eine Eignung zur
Wettbewerbsverfälschung und Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen
Handels im Binnenmarkt zu bejahen.
4.
123 Einer Beweisaufnahme bedarf es jedoch nicht: Unabhängig vom Vorliegen einer
staatlichen Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV liegt jedenfalls kein Verstoß des
Beklagten i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG gegen die Marktverhaltensregel des Art. 108
Abs. 3 Satz 3 AEUV vor, weil der Beklagte gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) von der
Notifizierungspflicht freigestellt ist.
a)
124 Art. 106 Abs. 2 AEUV soll das Interesse der Mitgliedsstaaten am Einsatz
bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als
Instrumente der Wirtschafts- oder Sozialpolitik einerseits mit dem Interesse der
Union an der Erhaltung der Wettbewerbsregeln und an der Wahrung der Einheit
des Binnenmarkts andererseits in Einklang bringen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.
Oktober 1997, Az.: C-159/94). Deshalb stellt die Vorschrift Unternehmen, die mit
Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse (DawI) betraut sind,
von den Wettbewerbsregeln unter bestimmten Voraussetzungen frei.
125 Konkretisierend hat die Europäische Kommission am 20. Dezember 2011
gestützt auf Art. 106 Abs. 3, 288 AEUV als Teil des sog. Alumnia-Pakets einen
Freistellungsbeschluss erlassen über die Anwendung des Art. 106 Abs. 2 AEUV
auf staatliche Beihilfen in Form von Ausgleichsleistungen zugunsten bestimmter
Unternehmen, die mit der Erbringung von DawI betraut sind (2012/21/EU, Anlage
B 5). Dieser hat die frühere Freistellungsentscheidung der Kommission
(2005/842/EG, Anlage B 4), ein Teil des sog. Monti-Pakets (vgl. Heinrich, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 758),
abgelöst.
126 Nach der Übergangsregelung des Art. 10 a) des Freistellungsbeschlusses
2012/21/EU sind allerdings Beihilferegelungen, die vor dem Inkrafttreten dieses
Beschlusses wirksam wurden, mit dem Binnenmarkt vereinbar und von der
Anmeldungspflicht nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG befreit
waren, für einen weiteren Zeitraum von zwei Jahren von der Anmeldepflicht
befreit. Da die neue Regelung zum 31. Januar 2012 in Kraft getreten ist, endete
dieser Zeitraum am 31. Januar 2014 (vgl. Heinrich, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 768).
127 Aus diesem Grund kommt im hiesigen Fall der früheren
Freistellungsentscheidung 2005/842/EG weiter Bedeutung zu. Die
streitgegenständlichen Handlungen des Beklagten wurden vor dem 31. Januar
2014 vorgenommen.
b)
128 Bereits der Erwägungsgrund (16) der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG
weist darauf hin, dass Krankenhäuser, die mit Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichem Interesse betraut sind, Besonderheiten aufweisen, die es zu
berücksichtigen gilt, weshalb Krankenhäuser, die medizinische
Versorgungsleistungen, Notfalldienste und unmittelbar mit den Haupttätigkeiten
verbundene Nebendienstleistungen – vor allem auf dem Gebiet der Forschung –
erbringen, von der Notifizierungspflicht freigestellt werden, selbst wenn die Höhe
des Ausgleichs, den sie erhalten, die in der Freistellungsentscheidung genannten
Obergrenzen überschreitet, vorausgesetzt, die erbrachten Leistungen werden
von dem betreffenden Mitgliedstaat als Dienstleistungen von allgemeinem
wirtschaftlichem Interesse eingestuft.
129 Art. 2 b) der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG erstreckt deren
Geltungsbereich ausdrücklich auf Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, die
Tätigkeiten ausführen, die von dem jeweiligen Mitgliedstaat als Dienstleistungen
von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse eingestuft wurden.
130 Gem. Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. Art. 1 und 3 der Freistellungsentscheidung sind
staatliche Beihilfen, die in Form von Ausgleichszahlungen für die Erbringung von
DawI gewährt werden und gleichzeitig die Voraussetzungen der Art. 4 und Art. 5
der Freistellungsentscheidung erfüllen, mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar
und von der Notifizierungspflicht freigestellt, sofern in den sektorspezifischen
gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf die
Gemeinwohlverpflichtungen nichts anderes bestimmt ist.
131 Um im Einzelfall in den Genuss der Freistellung zu gelangen, muss ein
Krankenhaus zunächst mit der Erbringung einer DawI [dazu aa)] explizit betraut
worden sein [dazu bb)], d.h. es muss eine tatsächliche Verpflichtung des
Krankenhauses zur Erbringung der ihm übertragenen DawI begründet werden.
Weiter muss die Ausgleichszahlung strikt auf den Betrag begrenzt sein, der für
die Erbringung der DawI unter Berücksichtigung der durch sie erzielten
Einnahmen und einer angemessenen Rendite erforderlich ist [dazu cc)].
Außerdem dürfen nur die Kosten herangezogen werden, die der DawI
zugerechnet werden können [dazu dd)]. Schließlich darf das Krankenhaus die
Ausgleichszahlung ausschließlich für die DawI-Finanzierung einsetzen [dazu
ee)].
132 Diese Voraussetzungen des Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) liegen hier vor:
aa)
133 Zunächst handelt es sich bei der Krankenhausversorgung durch die Kreiskliniken
des Beklagten um eine DawI.
(1)
134 Obwohl Einigkeit besteht, dass dieser Begriff der DawI nicht umfänglich
deckungsgleich mit dem der kommunalen Daseinsvorsorge und unionsrechtlich
auszulegen ist, hält das Unionsrecht keine klare gesetzliche Definition bereit (vgl.
Richtschnur zur Umsetzung der Freistellungsentscheidung vom 28. November
2005, 2005/842/EG des Bundesgesundheitsministeriums = Anlage 1 zum
Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. Mai 2009; ferner
Storr, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz.
2392), was angesichts der Art. 106 Abs. 2 AEUV immanenten Spannungslage
zwischen den Befugnissen von Mitgliedstaaten einerseits und Union andererseits
in besonderer Weise brisant erscheint.
135 Angesichts der Tatsache, dass auch die Freistellungsentscheidung 2005/842/EG
keine engen Vorgaben, sondern nur eine allgemeine Beschreibung enthält, was
unter einer DawI durch Krankenhäuser zu verstehen ist und so den
Mitgliedsstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum einräumt, obliegt diesen die
eigentliche Definition der Krankenhaus-DawI. Zwangsläufig liegt damit auch die
Kompetenz zur Organisation von DawI in den Händen der Mitgliedstaaten (vgl.
Storr, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz.
2392; Heise, in: EuZW 2013, 769 ff.). Auch die Bundesregierung betont in diesem
Bereich „ganz deutlich“ die Definitions- und Gestaltungshoheit der Mitgliedstaaten
im Zusammenhang mit staatlichen Ausgleichzahlungen und verweist insofern auf
eine lediglich beschränkte Prüfungskompetenz der Gemeinschaftsorgane (vgl.
Seite 11 des Berichts der Bundesrepublik Deutschland zum „Altmark-Paket“ der
Europäischen Kommission, Anlage B 29).
(2)
136 Insofern folgt die Pflicht zur Bereitstellung einer leistungsfähigen
Krankenversorgung aus dem in Art. 2 Abs. 2 GG verbürgten Recht auf Leben und
körperliche Unversehrtheit i.V.m. dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten
Sozialstaatsprinzip (vgl. Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches
Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 777). Hieraus leitet sich der Sicherstellungsauftrag für
eine bedarfsgerechte und leistungsfähige Krankenhausversorgung ab (vgl. § 1
KHG). Dabei hat der Bund von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG
zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiet der
wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser nur einschränkend Gebrauch
gemacht und die Regelung der Krankenhausfinanzierung zur Sicherstellung einer
bedarfsgerechten Versorgung weitgehend den Ländern überlassen.
137 Entsprechend umschreibt § 1 Abs. 1 Satz 1 LKHG BW den Zweck des
Landesgesetzes mit der Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung der
Bevölkerung mit leistungsfähigen, wirtschaftlich gesicherten und
eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern sowie einer medizinisch
zweckmäßigen und ausreichenden Versorgung des Patienten im Krankenhaus.
Ausdrücklich schreibt § 1 Abs. 1 Satz 3 LKHG BW fest, dass es sich bei der
bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen um
eine DawI handelt (vgl. zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der
Vorschrift Bold, in: Bold/Sieper, LKHG BW, 1. Aufl. 2012, § 1 Rz. 20). Auch der
Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum „Altmark-Paket“ der Europäischen
Kommission (Anlage B 29, dort Seite 11) hebt ausdrücklich hervor, dass die
Sicherung der flächendeckenden, qualitativ hochwertigen stationären Versorgung
für die damit betrauten Krankenhäuser eine DawI darstellt. Außerdem zählt die
Versorgung mit Krankenhausleistungen zu den Aufgaben der kommunalen
sozialen Daseinsvorsorge (vgl. Art. 28 Abs. 2 GG). Gemeinden, Städte und
Landkreise haben also die Befugnis, sich innerhalb des geltenden Rechts der
Sicherstellung einer ausreichenden Krankenhausversorgung der Bevölkerung
anzunehmen.
138 Zudem enthält § 3 Abs. 1 LKHG BW die Verpflichtung der Land- und Stadtkreise,
die nach dem Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser und
Krankenhauseinrichtungen zu betreiben, wenn die bedarfsgerechte Versorgung
der Bevölkerung mit leistungsfähigen Krankenhäusern nicht durch andere Träger
sichergestellt wird.
139 Zwar ist nicht zu verkennen, dass der Grundsatz des § 1 LKHG BW in gleicher
Weise für die Kreiskliniken und für die Mitgliedskrankenhäuser des Klägers gilt.
Auch erklärt § 1 Abs. 1 Satz 3 LKHG BW die bedarfsgerechte Versorgung der
Bevölkerung mit Leistungen von Krankenhäusern sowohl des Klägers als auch
des Beklagten zur DawI. Die Verpflichtung zum Betrieb der nach dem
Krankenhausplan notwendigen Krankenhäuser und Krankenhauseinrichtungen
gem. § 3 Abs. 1 LKHG BW trifft indes nur den Beklagten für seine Kreiskliniken.
Hierin liegt der entscheidende Unterschied zwischen den
Mitgliedskrankenhäusern des Klägers und den Kreiskliniken des Beklagten.
140 Hinzu kommt, dass dem Beklagten die Überprüfung der Notwendigkeit eines oder
mehrerer Krankenhäuser i.S.d. § 3 Abs. 1 LKHG BW entzogen ist. Aus diesem
Grund kann die Richtigkeit der im Berufungsverfahren vertieften Behauptung des
Klägers dahingestellt bleiben, dass für eine bedarfsgerechte Versorgung der
Einwohner des Landkreises C. die Krankenhäuser der Kreiskliniken verzichtbar
seien, weil es andere Träger gäbe, die zur Erbringung der bedarfsgerechten
Krankenhausleistungen im Landkreis C. bereit seien. Auch kann nicht – wie der
Kläger meint – von einer Darlegungs- und Beweislast des Beklagten für das
Bestehen einer solchen Versorgunglücke ausgegangen werden. Ebenso wenig
kann schließlich im Sinne des Klägers (GA 866) die Zusatzfinanzierung eines
Krankenhauses in Trägerschaft der öffentlichen Hand nur dann als erforderlich
und damit als i.S.d. Art. 106 Abs. 2 AEUV freigestellt angesehen werden, wenn
dieses Krankenhaus im Vergleich zu anderen Marktteilnehmern zusätzliche
Leistungen, sog. Krankenhaussonderaufgaben, erbringt:
141 Zwar will § 3 LKHG BW sicherstellen, dass die zur bedarfsgerechten Versorgung
der Bevölkerung erforderlichen Krankenhäuser bereit stehen und eine
entsprechende Betreibensverpflichtung der Stadt- und Landkreise entsteht erst,
wenn die Versorgung nicht durch andere Träger sichergestellt ist. Ob aber im
Einzelfall eine solche Versorgungslücke besteht, muss und kann sich nur aus
dem Krankenhausplan ergeben (vgl. Krauskopf, in: Dietz,
Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg, Stand Januar 2012, § 3 Ziff.
1.2). Nur dieser Plan stellt nach § 5 Abs. 1 Satz 1 LKHG BW die für eine
leistungsfähige und wirtschaftliche Versorgung in Baden-Württemberg
erforderlichen Krankenhäuser dar und nur aus ihm bzw. aus einer
bedarfsplanerischen Einzelfallentscheidung nach § 7 Abs. 4 LKHG BW lassen
sich ein gedeckter und ein nicht gedeckter Bedarf ableiten. Folglich setzt auch
eine Anordnung i.S.d. § 40 LKHG BW voraus, dass ein Krankenhaus zwingend
zu betreiben ist, wenn es im Krankenhausplan aufgeführt und damit notwendig
ist, ohne dass diese Bedarfsnotwendigkeit neuerlich zu prüfen wäre (vgl.
Krauskopf, in: Dietz, Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg, Stand
Januar 2012, § 3 Ziff. 1.2). Nur aus dem Krankenhausplan (oder der planerischen
Einzelentscheidung nach § 7 Abs. 4 LKHG BW) geht also ein bestimmter
konkreter Bedarf hervor, der sich nicht rein quantitativ auf eine bestimmte
Bettenzahl beschränkt, sondern diesen entsprechend § 6 Abs. 1 Satz 5 und 6
LKHG BW fachlich qualifiziert. Dieser planerisch festgelegte Bedarf bildet die
Grundlage der Betreibensverpflichtung gem. § 3 Abs. 1 LKHG BW (vgl.
Krauskopf, in: Dietz, Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg, Stand
Januar 2012, § 3 Ziff. 1.2) und gilt so lange als festgeschrieben, wie das jeweilige
Krankenhaus im Krankenhausplan aufgenommen ist, der gem. § 4 Abs. 1 Sätze
1 und 4 LKHG BW regelmäßig aktualisiert, laufend angepasst und bei Bedarf
auch insgesamt fortgeschrieben wird (vgl. dazu Bold, in: Bold/Sieper, LKHG BW,
1. Aufl. 2012, § 4 Rz. 4 ff.).
142 Insofern hat bereits das Landgericht mit Recht darauf hingewiesen, dass vor einer
Aufnahme eines Krankenhauses in den Krankenhausplan die nach
pflichtgemäßem Ermessen durchzuführende Abwägung zwischen mehreren
Krankenhäusern gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 LKHG BW steht, welches im Einzelnen
den Zwecken des § 1 LKHG BW sowie den Zielen und Grundsätzen der §§ 1 und
6 LKHG BW sowie des § 8 Abs. 2 KHG am besten gerecht wird. Dabei ist gemäß
§ 5 Abs. 3 Satz 3 LKHG BW auch zu berücksichtigen, dass öffentlich geförderte
Investitionen gemeinwohlverträglich und wirtschaftlich genutzt werden.
143 Nachdem vorliegend die Kreiskliniken des Beklagten auf dieser Grundlage in den
Krankenhausplan 2010 Baden-Württemberg (Anlage K 3) aufgenommen worden
sind, ist die von diesem nicht mehr überwindbare Verpflichtung des Beklagten
zum Betrieb dieser Krankenhäuser gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW entstanden, die
mangels Änderung des Krankenhausplanes bis heute fortbesteht.
144 Im Gegensatz dazu trifft die privaten Krankhäuser, namentlich die
Mitgliedskrankenhäuser des Klägers, keine vergleichbare Verpflichtung zum
Betrieb bzw. zum Fortbetrieb (vgl. Krauskopf, in: Dietz,
Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg, Stand Januar 2012, § 3 Ziff.
1.2). Diesen stehen vielmehr jederzeit die Möglichkeiten der (auch
grundlegenden) Umstrukturierung und Neuausrichtung auf andere
Tätigkeitsbereiche sowie des Marktaustritts zu. Während sich also die nicht der
Betreibenspflicht des § 3 Abs. 1 LKHG BW unterliegenden Krankenhäuser auf
lukrative Behandlungsformen konzentrieren und entsprechend spezialisieren
können, haben die Kreiskliniken des Beklagten als Krankhäuser in öffentlicher
Trägerschaft auf Grund ihres Sicherstellungsauftrages überall, also gerade auch
– wie hier – in ländlich geprägten Regionen, eine wohnortnahe Versorgung aller
Patienten, also der elektiven wie der Notfallpatienten, für alle medizinisch
erforderlichen Bereiche abzudecken (so auch Friedrich, in: Huster/Kaltenborn,
Krankenhausrecht, 1. Auflage 2010, § 16A Rz. 14). Entsprechend halten die
Kreiskliniken des Beklagten hier auch tatsächlich und unstreitig eine umfassende
Grund- und Regelversorgung einschließlich Notfallversorgung und damit auch
entsprechendes Personal für sämtliche medizinischen Abteilungen vor. So
verfügen die Kreiskliniken über die Fachgebiete Innere Medizin mit Schwerpunkt
Gastroenterologie, Innere Medizin mit Schwerpunkt Kardiologie sowie Herz- und
Kreislauferkrankungen, Neurologie, Chirurgie mit Schwerpunkt Allgemein- und
Viszeralchirurgie, Chirurgie mit Schwerpunkt Unfallchirurgie und Orthopädie,
Anästhesie und Intensivmedizin, Urologie, Radiologie und Nuklearmedizin sowie
Frauenheilkunde und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, was die Bedeutung der
Kreisklinken als Grundversorger mit Krankenhausleistung im Gebiet des
Landkreises C. unterstreicht. Nahezu zwangsläufig ist damit im Falle der
Kreiskliniken der Anteil der (unwirtschaftlicheren) Notfallpatienten im Vergleich zu
den elektiven Patienten mit 47% signifikant höher. Bei dieser Sachlage läge es für
ein Mitgliedskrankenhaus des Klägers nahe, ein Marktausscheiden und/oder eine
Umstrukturierung in Betracht zu ziehen, was den Kreisklinken vor dem
Hintergrund des § 3 Abs. 1 LKHG BW verwehrt ist.
145 Zu Recht hat der Beklagte ferner in diesem Zusammenhang hervorgehoben,
dass die Handlungsmöglichkeiten der privaten Krankenhäuser mit den Mitteln der
Landeskrankenhausplanung nicht beschränkt werden können, weil der
Krankenhausplan gem. § 4 LKHG BW nach § 6 Abs. 1 Sätze 1 und 2 LKHG BW
lediglich ein Rahmenplan ist, der allgemeine Zielsetzungen sowie Kriterien zur
Investitionsförderung enthält und die bedarfsgerechten Krankenhäuser mit ihren
Betriebsstätten nach gegenwärtiger und zukünftiger Aufgabenstellung ausweist,
also keine verbindlichen Regeln z.B. zur Bildung von Fachabteilungen enthält
oder Vorgaben, welcher medizinische Fall in welcher Abteilung eines
Krankenhauses zu behandeln ist. Damit lassen sich den
Mitgliedskrankenhäusern des Klägers (wie allen privaten oder frei-
gemeinnützigen Krankenhäusern) krankenhausplanrechtlich die dargestellten
Möglichkeiten zum Marktaustritt und/oder zur Umstrukturierung nicht entziehen.
146 Schließlich sind Gegenstand des Sicherstellungsauftrages gem. § 3 Abs. 1 LKHG
BW i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 3 LKHG BW nicht nur eine oder mehrere sog.
Krankenhaussonderaufgaben i.S.d. der Entscheidung des EuG vom 7.
November 2012 (Az.: T-137/10, dazu Heise, in: EuZW 2013, 769 ff.), sondern die
einschränkungslose Verpflichtung des Beklagten, die nach dem
Krankenhausplan 2010 Baden-Württemberg (Anlage K 3) als bedarfsnotwendig
festgestellten Krankenhäuser zu betreiben. Bereits aus diesem Grund kann die
genannte Entscheidung des EuG auf den hiesigen Fall nicht übertragen werden.
Kein anderes Ergebnis folgt ferner aus der Entscheidungen des
Bundesgerichtshofes vom 10. Februar 2011 (Az.: I ZR 136/09 = GRUR 2011, 444
ff.). Insofern kann auf die Ausführungen des Beklagten in der
Berufungserwiderung und auf das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts
verwiesen werden.
147 Beihilferechtlich kann es nach alledem nicht beanstandet werden, wenn die
öffentliche Hand ihre Krankenhäuser nicht nur mit Teilleistungen, wie etwa der
stationären Notfallversorgung, sondern umfassend mit der stationären
Krankenversorgung betraut und die hierfür erforderlichen Kosten übernimmt (so
auch Heinrich, in: Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht,
Kap. 1 Rz. 77; Struß, in: Medizinrecht 2014, 406 f.). Hierfür streiten nicht zuletzt
auch übergeordnete Gründe des Gesundheits- und Sozialwesens, die die
Sicherstellung des Fortbestandes und der Lebensfähigkeit des deutschen
Krankenhaussystems erfordern (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Heise, in: EuZW
2013, 769 ff.).
bb)
148 Aus dem Betrauungsakt müssen nach Art. 4 der Freistellungsentscheidung
2005/842/EG das betraute Krankenhaus, die Art und Dauer der DawI, der
geografische Geltungsbereich, die Berechnungsgrundlagen für die
Ausgleichszahlung und die gegen eine Überkompensation getroffenen
Vorkehrungen ersichtlich sein (vgl. näher hierzu die Richtschnur zur Umsetzung
der Freistellungsentscheidung vom 28. November 2005, 2005/842/EG des
Bundesgesundheitsministeriums = Anlage 1 zum Rundschreiben des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. Mai 2009). Nicht notwendig ist
hingegen, dass im Betrauungsakt einzelne DawI-Tätigkeiten ausgewiesen
werden. Insoweit bietet sich eine Orientierung an der allgemeinen Beschreibung
medizinischer Dienstleistungen an, wie sie in der Freistellungsentscheidung
vorgenommen wurde [vgl. Erwägungsgrund (16) der Freistellungsentscheidung].
Zur Klarstellung und Abgrenzung können zudem Bereiche aufgeführt werden, die
keine DawI darstellen, wie etwa gewerbliche Dienstleistungen (z.B. Wäscherei,
Catering, Cafeteria) oder Krankenhausleistungen außerhalb der beauftragten
DawI, wie z.B. Schönheitsoperationen, die nicht im Leistungskatalog der
Krankenkassen enthalten sind (vgl. Richtschnur zur Umsetzung der
Freistellungsentscheidung vom 28. November 2005, 2005/842/EG des
Bundesgesundheitsministeriums = Anlage 1 zum Rundschreiben des
Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. Mai 2009).
149 Eine bestimmte Rechtsform ist für den Betrauungsakt nicht vorgeschrieben (vgl.
nunmehr Art. 4 Satz 1 a.E. des Freistellungsbeschlusses 2012/21/EU; ferner vgl.
Richtschnur zur Umsetzung der Freistellungsentscheidung vom 28. November
2005, 2005/842/EG des Bundesgesundheitsministeriums = Anlage 1 zum
Rundschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit vom 28. Mai 2009);
dieser kann jedenfalls durch Gesetz, Verordnung, Verwaltungsakt oder durch
einen öffentlich-rechtlichen Vertrag erfolgen (vgl. Storr, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 2416 ff.).
150 Auf dieser Grundlage hat der Beklagte am 22. April 2008 (Anlagen K 20a, K 20b,
B 17) und am 19. Dezember 2013 für den Zeitraum ab dem Jahr 2014 (Anlage
BB 13; ferner Anlagen BB 12 und BB 14) zwei Betrauungsakte für die
Kreiskliniken erlassen, die auf dem vom Landkreistag Baden-Württemberg bzw.
dem Deutschen Landkreistag erstellten Musterbetrauungsakt beruhen und nach
dem die Kreiskliniken des Beklagten in Anlehnung an § 3 Abs. 1 LKHG BW mit
der Erbringung der DawI betraut werden (vgl. Anlagen K 20a, K 20b und B 17;
Anlage BB 13). Ob diese Betrauungsakte des Beklagten – wie der Kläger meint –
formell und/oder materiell rechtswidrig sind, kann letztlich offen bleiben,
wenngleich gewichtige Gesichtspunkte für die Rechtmäßigkeit dieser
Betrauungsakte sprechen (vgl. insofern auch Struß, in: Medizinrecht 2014, 406),
nachdem sie auf dem Muster-Betrauungsakt des Landkreistages Baden-
Württemberg (vgl. insofern auch die entsprechenden Erläuterungen zum Muster
eines öffentlichen Auftrages des Landkreistages Baden-Württemberg, Anlage B
18) beruhen, den die Europäische Kommission bereits zu einem früheren
Zeitpunkt im Rahmen des A.-Verfahrens untersucht (vgl. Anlage B 32) und dort
akzeptiert hat (vgl. in diesem Zusammenhang die Entscheidung der EU-
Kommission, Generaldirektion Wettbewerb, vom 25. August 2010, Az.: CP
6/2003). Unabhängig davon sind jedenfalls die Vorschrift des § 3 LKHG BW
i.V.m. der Aufnahme der Kreiskliniken in den Krankenhausplan 2010 Baden-
Württemberg (Anlage K 3) gemäß § 4 LKHG BW in ergänzender
Zusammenschau mit den Reglungen in §§ 2 Abs. 2 und 4 des Betrauungsaktes
des Beklagten vom 22. April 2008 (Anlagen K 20a, K 20b, B 17) und in § 1 Abs. 2
des Betrauungsaktes vom 19. Dezember 2013 (Anlage BB 13) als ein den
Anforderungen der Art. 4 und 5 der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG
genügender Betrauungsakt anzusehen.
151 Außerdem hat das Landgericht zu Recht hervorgehoben, dass selbst bei
unterstellter formeller und/oder materieller Rechtswidrigkeit des Betrauungsaktes
des Beklagten vom 22. April 2008 unabhängig von dessen rechtlicher
Qualifizierung der Kläger selbst keine Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieser
Betrauung nach § 44 LVwVfG BW vorgebracht hat und dass insofern jedenfalls
keine offenkundigen, also für jeden verständigen Betrachter klar erkennbaren
Gründe für eine Nichtigkeit dieses Verwaltungsaktes zu erkennen sind.
cc)
152 Art. 4 und 5 Abs. 1 der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG begrenzen die
Höhe der zulässigen Ausgleichszahlungen. Insoweit mag es empfehlenswert
erscheinen, vorab festzulegen, für welche DawI ein Kostenausgleich anhand
welcher Parameter erfolgen soll und die DawI-Leistungsbereiche möglichst
konkret zu benennen, in denen Defizite erwartet werden. Die Vorschrift steht aber
einer Erstattung auch der gesamten anfallenden DawI-Kosten nicht entgegen.
Eine Effizienzprüfung i.S.d. vierten Altmark-Trans-Kriteriums [vgl. dazu oben unter
a) cc) 3.] findet nicht statt (vgl. Entscheidung der EU-Kommission,
Generaldirektion Wettbewerb, vom 25. August 2010, Az.: CP 6/2003).
153 Welche Rechtsfolgen sich aus einem Verstoß gegen diese Vorschriften ergäben,
kann offen bleiben. Allerdings bleibt nach Auffassung der Kommission eine
gewährte Beihilfe auch dann zulässig, wenn im Einzelfall die entsprechende
Betrauung nicht allen Transparenzerfordernissen der Freistellungsentscheidung
2005/842/EG entspricht (vgl. Entscheidung der EU-Kommission, Generaldirektion
Wettbewerb, vom 25. August 2010, Az.: CP 6/2003 Rz. 98; ferner Struß, in:
Medizinrecht 2014, 406), was es nahelegt im Sinne des Beklagten (vgl. zuletzt
Seite 50 ff. der Berufungserwiderung vom 28. Juli 2014) die Betrauung eines
Unternehmens an Hand der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG allein auf
eine materielle Beihilfenrechtskonformität zu prüfen und eine etwaige Nicht-
Einhaltung formaler beihilfenrechtlicher Anforderung nicht mit dem
Durchführungsverbot des Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu sanktionieren.
Unabhängig davon und unabhängig von den klägerseits vorgebrachten
Wirksamkeitsbedenken genügt hier die Betrauung gem. § 3 Abs. 1 LKHG BW
i.V.m. dem Krankenhausplan 2010 Baden-Württemberg (Anlage K 3) jedenfalls in
ergänzender Zusammenschau mit den Reglungen in §§ 2 Abs. 2 und 4 des
Betrauungsaktes des Beklagten vom 22. April 2008 (Anlagen K 20a, K 20b, B 17)
und in § 1 Abs. 2 des Betrauungsaktes vom 19. Dezember 2013 (Anlage BB 13)
den genannten Anforderungen der Art 4 und 5 der Freistellungsentscheidung
2005/842/EG.
dd)
154 Aus Art. 4 und 5 Abs. 2 b) und Abs. 5 der Freistellungsentscheidung
2005/842/EG ergibt sich die Pflicht zur kostenmäßigen Trennung von DawI- und
Nicht-DawI-Bereichen, sofern die DawI nur einen Teil der Tätigkeiten eines
Unternehmens ausmachen. In diesem Fall sind eine getrennte Kostenrechnung
und ein konkreter Mechanismus erforderlich, nach dem Ausgaben und
Einnahmen den jeweiligen Bereichen zugeordnet werden können, z.B. anhand
des Flächeninhalts der genutzten Räume. Dieser Mechanismus zur
Kostenaufteilung sollte im Betreuungsakt abgebildet werden (vgl. Heinrich, in:
Birnstiel/Bungenberg/Heinrich, Europäisches Beihilfenrecht, Kap. 1 Rz. 762).
155 Auch insofern erfüllt die Betrauung gem. § 3 Abs. 1 LKHG BW i.V.m. dem
Krankenhausplan 2010 Baden-Württemberg (Anlage K 3) in ergänzender
Zusammenschau mit dem Betrauungsakt des Beklagten vom 22. April 2008
(Anlagen K 20a, K 20b, B 17) und mit dem die Zeit ab 2014 betreffenden
Betrauungsakt vom 19. Dezember 2013 (Anlage BB 13) die Voraussetzungen
der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG. Soweit es in diesem
Zusammenhang auf die Durchführung einer Trennungsrechnung ankommt, ist
auf den seitens des Beklagten vorgelegten Auszug aus der Gewinn- und
Verlustrechnung (Anlage B 28) zu verweisen.
ee)
156 Schließlich darf das Krankenhaus gem. Art. 5 Abs. 1 der
Freistellungsentscheidung 2005/842/EG die Ausgleichszahlung ausschließlich
für die DawI-Finanzierung einsetzen. Eine Quersubventionierung von Nicht-DawI-
Bereichen ist also zu vermeiden. Das Vorhandensein einer solchen im Falle der
Kreiskliniken hat jedoch der insoweit darlegungsbelastete Kläger bereits nicht
ausreichend substantiiert vorgetragen [vgl. insofern auch eben unter dd)].
157 Der Beklagte hat demgegenüber detailliert und nachvollziehbar ausgeführt (vgl.
zuletzt Berufungserwiderung vom 28. Juli 2014, dort Seite 31 ff.), dass die in der
Rechtform der gGmbH betriebenen Kreiskliniken spezielle Steuerbegünstigungen
genießen, weil sie gemeinnützige Zwecke i.S.d. §§ 51 ff. AO verfolgen (vgl.
generell zur gemeinnützigen GmbH: Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 7. Aufl.
2012, § 1 Rz. 11 ff.). Bereits aus dieser Gemeinnützigkeit folgt eine Verpflichtung
zur steuerlichen Trennung der Sphären Zweckbetriebe einerseits und
wirtschaftliche Geschäftsbetriebe und Vermögensbetriebe andererseits.
Entsprechend erfassen die Kreiskliniken die DawI im steuerlichen Zweckbetrieb
und sämtliche Tätigkeiten, die nicht als DawI qualifiziert werden können, im
Rahmen ihrer wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe und im Bereich der
Vermögensverwaltung (Vermietung und Verpachtung). Zu den wirtschaftlichen
Geschäftsbetrieben der Beklagten rechnen nach ihrer eigenen, unbestritten
gebliebenen Darstellung die Bereiche Parkplatzvermietung, Telefon/TV, Rezepte
(Apotheke, einschließlich Zyto-Apotheke), Radiologie, Blutentnahme, Sponsoring,
Betriebsarzt, Materialverkauf, Wahlleistung Begleitperson, Nutzungsentgelte
Ärzte, Recycling, Kurse, Energielieferungen, BHKW-Einspeisung und sonstige
Leistungen. Für jeden dieser wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe gibt es eine
zugehörige Einnahmen-Ausgaben-Rechnung, in der die Einnahmen
beispielsweise mit Personalkosten, Wirtschafts-/Verwaltungsbedarf,
Materialeinsatz, Instandhaltung, Energiekosten, Laborkosten, sonstige Kosten,
Abschreibungen etc. gegengerechnet werden. Dasselbe gilt für den Bereich der
Vermögensverwaltung (Vermietung und Verpachtung).
158 Auf diese Weise stellen der Beklagte und die Kreiskliniken die Einhaltung der
Anforderungen des Art. 5 der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG sicher.
5.
159 Bei dieser Sachlage kann kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch
des Klägers angenommen werden, der einen Rechtsbruch im Sinne eines
Verstoßes gegen eine Marktverhaltensregel gemäß § 4 Nr. 11 UWG voraussetzt,
wenn der Beklagte – wie hier – eine ihm durch Gesetz, hier durch § 3 Abs. 1
LKHG BW auferlegte Pflicht erfüllt. Die an Recht und Gesetz gebundene (vgl. Art.
20 Abs. 3 GG) und sich hieran haltende öffentliche Hand darf nicht in eine
Pflichtenkollision gedrängt werden, die zwingend aus der klägerischen
Auffassung folgte: Der Beklagte könnte nämlich nicht zugleich die gesetzlich
eindeutig festgeschriebene Betreibensverpflichtung gemäß § 3 Abs. 1 LKHG BW,
die § 40 LKHG BW zusätzlich absichert, erfüllen, ohne gegen das
Durchführungsverbot des Art 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV zu verstoßen.
160 Außerdem hat das Landgericht mit Recht hervorgehoben, dass es nach der
Rechtsprechung der europäischen Gerichte allein Aufgabe der Kommission ist,
gemäß Art. 108 Abs. 2 AEUV die Unvereinbarkeit einer staatlichen Beihilfe mit
dem Gemeinsamen Markt nach Art. 107 AEUV festzustellen (vgl. EuG, Urteil vom
11. Juli 2007, Az.: D-167/04; EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2003, Az.: C-261/01 =
EuZW 2004, 87; BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: I ZR 136/09 = GRUR
2011, 444 ff.). Den nationalen Gerichten obliegt lediglich im Rahmen der Prüfung
eines Verstoßes gegen das Durchführungsverbot, die Auslegung des Begriffs der
Beihilfe, solange die Kommission keine verfahrensabschließende Entscheidung
nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen hat (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Oktober 1992,
Az.: C-240/90 = NJW 1993, 49; BGH, Urteil vom 10. Februar 2011, Az.: I ZR
136/09 = GRUR 2011, 444 ff.; Struß, in: Medizinrecht 2014, 406). Auch dieser
Gesichtspunkt spricht dafür, vorliegend die Voraussetzung eines
wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruchs des Klägers gegen den
Beklagten als nicht gegeben anzusehen.
C.
161 Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO; diejenige über die vorläufige
Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
162 Wegen der Rechtsfragen, ob vorliegend eine vom Durchführungsverbot des Art.
108 Abs. 3 Satz 3 AEUV vorausgesetzte staatliche Beihilfe vorliegt und ob der
Beklagte bei unterstellter Annahme einer staatlichen Beihilfe von der
Notifizierungspflicht gemäß Art. 106 Abs. 2 AEUV i.V.m. der
Freistellungsentscheidung der Kommission (2005/842/EG) freigestellt ist, wird
gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Revision zugelassen. Insofern wirft die
hiesige Rechtssache klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfragen auf,
die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und die
überdies für die Betroffenen tatsächlich und wirtschaftlich ein erhebliches Gewicht
erreichen. Der Ausgang dieses Verfahrens entfaltet Rechtswirkungen für die
Allgemeinheit und weist daher Leitbildcharakter auf.
163 Der Streitwert für das Berufungsverfahren war wie in erster Instanz auf bis zu
4.002.000,00 Euro festzusetzen. Im Berufungsverfahren wurden gegen diesen
Streitwert keine Einwände mehr vorgebracht.