Urteil des OLG Stuttgart vom 20.11.2014

vorläufige einstellung, zwangsvollstreckung, unterhalt, rückforderung

OLG Stuttgart Beschluß vom 20.11.2014, 18 UF 239/14
Zwangsvollstreckung in Unterhaltssachen: Darlegungslast bei Antrag auf
vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung
Tenor
Der Antrag des Antragsgegners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung
aus dem Beschluss des Amtsgerichts Balingen - Familiengericht - vom 08.07.2014,
Az.: 3 F 2/14, wird
zurückgewiesen.
Gründe
I.
1 Der Antragsgegner und Beschwerdeführer ist der Auffassung, er schulde der
Antragstellerin keinen Unterhalt. Er beantragt deshalb die vorläufige Einstellung der
Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsbeschluss vom 08.07.2014.
2 Wegen der Begründung der Abweisung des Unterhaltsantrags wird auf seinen
Beschwerdeschriftsatz vom 05.11.2014 verwiesen. Er ist der Meinung, die
Vollstreckung sei einzustellen, weil ein Unterhaltsanspruch nicht bestehe.
3 Die Antragstellerin führt aus, der Unterhaltsbeschluss sei zu Recht ergangen. Für
die Beschwerde bestünde keine Erfolgsaussicht.
II.
4 Der Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem erstinstanzlichen
Beschluss ist gemäß § 120 Abs. 2 Satz 2, 3 FamFG i.V.m. §§ 707, 719 ZPO
zulässig, jedoch nicht begründet.
5 Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung kommt nur in Frage, wenn
der Verpflichtete glaubhaft macht, dass die Vollstreckung ihm einen nicht zu
ersetzenden Nachteil bringen würde, § 120 Abs. 2 Satz 2 FamFG.
6 Der Bundesgerichtshof hat für die Vollstreckung außerhalb des Unterhaltsrechts
entschieden, dass diese grundsätzlich zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil führt,
wenn im Fall der Abänderung des Vollstreckungstitels der Gläubiger voraussichtlich
nicht in der Lage sein wird, den zu Unrecht gezahlten Geldbetrag zurückzuzahlen
(vgl. BGH NJW-RR 2007, 1238).
7 Demgegenüber vertreten das OLG Hamm (FamRZ 2012, 263) und das OLG
Hamburg (FamRZ 2012, 279) in Unterhaltssachen eine restriktive Ansicht. Danach
steht die Wahrscheinlichkeit, dass der vom Gläubiger beigetriebene Unterhalt
angesichts der Vermögenslage später von diesem nicht zurückverlangt werden
kann, den Regelfall dar, da Unterhalt nur bei Bedürftigkeit geschuldet ist. Durch §
116 Abs. 3 Satz 3 FamFG habe der Gesetzgeber die sofortige Wirksamkeit von
Unterhaltstiteln wegen der besonderen Bedeutung der Sicherung des
Lebensunterhalts zum Regelfall erklärt. Die Nichtrealisierbarkeit zu viel bezahlten
Unterhalts ist nach dieser Ansicht eine normale Folge der Zwangsvollstreckung und
müsste vom Schuldner hingenommen werden (anderer Auffassung OLG Rostock,
FamFR 2011, 306).
8 Mit der zitierten OLG Rechtsprechung vertritt aber auch BGH (NJW-RR 2007, 1138)
den Standpunkt, dass nach dem klaren Wortlaut des § 719 Abs. 2 ZPO der
dauerhafte Verlust einer geschuldeten Geldsumme ein unersetzlicher Nachteil sei.
Dabei wird es allerdings nicht als ausreichend angesehen, dass die Rückforderung
längere Zeit in Anspruch nehmen und mit nicht unerheblichen Mühen verbunden
sein könnte. Vielmehr sei erforderlich, dass mit einer Rückzahlung auf absehbare
Zeit nicht gerechnet werden könne (vgl. Prütting/Helms, FamFG, § 120 Rn. m.w.N.).
9 Einen solchen Nachteil hat der Antragsgegner hier nicht substantiiert dargetan. Er
macht lediglich geltend, dass der erstinstanzliche Beschluss rechtswidrig sei. Dass
eine Erfolgsaussicht für das Beschwerdeverfahren besteht, ist eine
Grundvoraussetzung für den Einstellungsantrag. Hinzu kommen muss jedoch noch
die Darlegung, dass durch die Vollstreckung ein nicht zu ersetzender Nachteil
entsteht. Ein solcher ist hier nicht ersichtlich, weshalb der Antrag auf vorläufige
Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückzuweisen war.