Urteil des OLG Stuttgart vom 18.02.2016

fahrzeug, geschiedener mann, gemeinschaftliches eigentum, trennung

OLG Stuttgart Beschluß vom 18.2.2016, 16 UF 195/15
Leitsätze
1. Die Eigentumsvermutung des § 1586b Abs. 2 BGB ist lex specialis zu § 1006 BGB.
2. Die Eigentumsvermutung des § 1586b Abs. 2 BGB wird in einer sonstigen
Familiensache wegen Schadensersatzes nach unberechtigter Veräußerung von
Hausrat entsprechend angewandt.
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird in Abänderung des Beschlusses
des Amtsgerichts Bad Saulgau vom 16.07.2015 die Beschwerdegegnerin verpflichtet,
an den Beschwerdeführer 6.571,44 EUR zu zahlen und 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz aus 6.000 EUR seit dem 20.04.2013 und aus weiteren 571,44 EUR seit
15.05.2014.
2. Von den Kosten beider Instanzen trägt die Beschwerdegegnerin 43 %, der
Beschwerdeführer trägt 57 %.
3. Beschwerdewert: 14.000 EUR
Gründe
I.
1 Die Beschwerde des Antragstellers richtet sich gegen den Beschluss des
Familiengerichts Bad Saulgau vom 16.7.2015, durch den sein Antrag
zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller begehrt Schadensersatz von der
Antragsgegnerin, mit der er bis zur Ehescheidung am 25.03.2013 fast 20 Jahre
lang verheiratet war. Er wirft ihr vor, sein Fahrzeug rechtswidrig verkauft zu haben.
2 Am 08.06.2010 kaufte der Beschwerdeführer für 19.300 EUR ein neuwertiges
Cabrio der Marke Mazda MX5 mit Sonderlackierung, 126 PS, Schaltgetriebe und
einer Fahrleistung von 4.000 km. In den Fahrzeugpapieren war er als Halter
genannt. Auch die Versicherung des Fahrzeugs lief auf seinen Namen. Zur
Finanzierung nahmen die Beteiligten gemeinsam bei der Santander Consumer
Bank einen Kredit über 4.700 EUR auf. Der Rest wurde durch Inzahlungnahme
eines Gebrauchtwagens der Marke Opel Meriva und durch 10.000 EUR Bargeld
finanziert.
3 Im September 2011 zog die Antragsgegnerin aus der im Miteigentum der Eheleute
stehenden Eigentumswohnung aus, in der der Antragsteller und der 1994
geborene Sohn M. verblieben. Nach der Trennung benutzten die Antragsgegnerin
das Cabrio und der Antragsteller einen geleasten PKW der Marke VW Caddy. Der
Antragsteller führte nämlich nach der Trennung die Pizzeria weiter, in der er als
Koch arbeitete. Die Antragsgegnerin war Konzessionsinhaberin und bis zur
Trennung im Service tätig.
4 Im Januar 2013 besuchte die Antragsgegnerin den Sohn M. in der ehemaligen
Ehewohnung und entnahm bei dieser Gelegenheit die restlichen Fahrzeugpapiere
aus dem Safe. Am 27.02.3013 verkaufte sie das Auto für 12.000 EUR. Der
Antragsteller erfuhr vom Verkauf über die Versicherung, die ihm nicht verbrauchte
Beiträge für die Zeit ab 01.03.2013 zurückerstattete. Er forderte seine Frau mit
Rechtsanwaltsschreiben vom 03.04.2013 zur Zahlung von Schadensersatz in
Höhe von 14.000 EUR, 20 EUR Mahnkosten und vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 EUR auf.
5 Durch den angegriffenen Beschluss hat das Familiengericht, das Herrn B., den
derzeitigen Partner der Antragsgegnerin, und M. N., den Sohn der Beteiligten, als
Zeugen gehört hat, den Antrag des Antragstellers zurückgewiesen. Der
Antragsteller habe nicht bewiesen, dass die Antragsgegnerin durch den Verkauf
des PKWs sein Eigentum verletzt habe. Nach § 1006 BGB werde vermutet, dass
die Antragsgegnerin beim Verkauf Alleineigentümerin gewesen sei. Dass der
Antragsteller als Halter des Fahrzeuges eingetragen war und bis zur Wegnahme
auch den Kraftfahrzeugbrief besessen habe, reiche nicht auch, die
Eigentumsvermutung zu widerlegen. Die Eigentumslage sei im Zeitpunkt der
Veräußerung ungeklärt gewesen.
6 Der Beschwerdeführer beantragt,
7
die Beschwerdegegnerin zu verpflichten,
8
1. an den Beschwerdeführer 14.000 EUR zu zahlen zuzüglich 5 % Zinsen über
dem Basiszinssatz daraus seit dem 20.04.2013 sowie 20 EUR vorgerichtlicher
Mahnkosten,
9
2. an den Beschwerdeführer 899,40 EUR vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten
zuzüglich 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz daraus seit Rechtshängigkeit zu
zahlen.
10 Er führt zur Begründung seiner Beschwerde aus:
11 - Der Antragsteller sei Alleineigentümer des Fahrzeuges gewesen. Es obliege der
Antragsgegnerin im Rahmen der sekundären Behauptungslast, die Umstände
ihres Eigentumserwerbes darzulegen. Die Ausführungen der Antragsgegnerin,
das Fahrzeug sei nur aus steuerlichen Gründen auf den Beschwerdeführer
zugelassen worden und sie habe es während der Ehe alleine genutzt, seien nicht
ausreichend. Die Antragsgegnerin selbst habe im Termin angegeben, der
Antragsteller habe immer die Autos gekauft und sich um diese gekümmert. Sie
habe nicht gesagt, er habe den Mazda für sie gekauft oder sei nur zum Schein als
Erwerber aufgetreten.
12 - Die Wegnahme der Fahrzeugpapiere sei eigenmächtig und daher widerrechtlich
erfolgt. Der Antragsgegner habe sich zu diesem Zeitpunkt in der Klinik befunden.
13 - Der Sohn M. N. habe als Zeuge das Vorbringen seines Vaters zum Kauf und der
Benutzung des Cabrios sowie zu den Umständen der Wegnahme des
Fahrzeugbriefes und der Fahrzeugschlüssel voll bestätigt.
14 - Die Bestimmung des § 1006 BGB könne sich dann nicht zu Gunsten des
Besitzers einer Sache auswirken, wenn dieser seinen Eigentumserwerb nicht aus
dem Besitz ableite, sondern aus anderen Gründen, hier aus einem Kaufgeschäft.
15 Persönlich angehört hatte der Antragsteller gegenüber dem Familiengericht am
20.11.2014 angegeben, der Mazda sei ebenso wie der Opel Meriva sein Auto
gewesen. Seine Frau habe den Mazda manchmal benutzt. Sie habe nach der
Trennung den Fahrzeugbrief aus der Wohnung einfach mitgenommen. Er habe
keine Anzeige erstattet, da er das nicht gewollt habe. Die Baranzahlung in Höhe
von 10.000 EUR sei von seinem Geld erfolgt, das er sich angespart habe. Die
Darlehensraten seien vom gemeinsamen Konto abgebucht worden. Mit Schriftsatz
vom 03.03.2015 wurde eine Bestätigung der in XY wohnenden Schwester des
Antragstellers vorgelegt, nach der diese ihrem Bruder im Mai 2010 10.000 EUR
und im April 2013 2000 EUR im bar gegeben habe.
16 Die Antragsgegnerin verteidigt die Entscheidung des Familiengerichts und trägt
vor:
17 - Sie sei von Anfang an Eigentümerin des Cabrios gewesen. Der Antragsteller sei
lediglich aus steuerlichen Gründen im Fahrzeugbrief eingetragen und das
Fahrzeug auf seinen Namen versichert worden. Eigentümerin sollte die
Antragsgegnerin sein, was sich bereits aus dem Umstand ergebe, dass sie im
Besitz des Fahrzeugbriefes gewesen sei.
18 - Das Fahrzeug sei nicht vom Antragsteller finanziert worden. Die Bareinzahlung in
Höhe von 10.000 EUR und die Zahlung der Darlehensraten seien aus dem
Gewerbebetrieb der Antragsgegnerin erbracht worden.
19 - Die Antragsgegnerin habe das Fahrzeug ausschließlich zum privaten Gebrauch
benutzt. Der zweisitzige offene Roadster sei weder vom Antragsteller noch als
Familienfahrzeug benutzt worden.
20 - Es werde vorsorglich bestritten, dass das Fahrzeug für mindestens 14.000 EUR
hätte verkauft werden können.
21 Bei ihrer persönlichen Anhörung durch das Familiengericht hat die
Antragsgegnerin am 08.01.2015 ausgesagt, ihr geschiedener Mann habe das
Auto für sie und von ihrem Geld gekauft. Sie habe den Mazda dann verkaufen
müssen, um Schulden zurückzahlen zu können. Sie habe den Fahrzeugbrief aus
der im Miteigentum stehenden Wohnung geholt, als sich ihr Mann in der
Psychiatrie befunden habe. Sie habe ihm auch gesagt, dass sie den Fahrzeugbrief
genommen habe. In der Beschwerdeinstanz hat die Antragsgegnerin mitteilen
lassen, sie sei mittellos und werde eine eventuelle Forderung des Antragstellers
nicht bezahlen können.
22 Der vom Familiengericht als Zeuge vernommene neue Partner der
Antragsgegnerin hat angegeben, diese habe seit Anfang Oktober 2011 immer den
Mazda gehabt. In den Zeiten, in denen sich das Paar in Italien aufgehalten hätte,
wäre das Fahrzeug abgemeldet worden. Bei der Veräußerung des Mazdas habe
es keine Probleme gegeben, obwohl der Antragsteller als Eigentümer im
Fahrzeugbrief eingetragen gewesen sei. Der Veräußerungserlös habe nicht zur
Deckung der Schulden ausgereicht, die bis Juli 2014 von ihm und der
Antragsgegnerin gemeinsam zurückgeführt worden seien.
23 Der Sohn M. N. bezeugte, sein Vater habe das Fahrzeug häufig in seiner Freizeit
benutzt. Es sei dessen Privatfahrzeug gewesen, obwohl auch die Mutter den
Mazda gefahren habe. Sie habe aber den Caddy, das Geschäftsfahrzeug, benutzt.
Wenn sein Vater für das Restaurant eingekauft habe, sei er mit dem Caddy
gefahren. Die Eltern hätten Schlüssel für beide Fahrzeuge besessen. Der Opel
Meriva, der beim Kauf des Mazdas in Zahlung gegeben wurde, habe ebenfalls
seinem Vater gehört. Nach der Trennung habe der Vater wegen der Einkäufe den
Caddy und die Mutter den Mazda benutzt. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen
B., die Mutter habe ab Oktober 2011 den Mazda ständig benutzt, gab M. N. an,
dies könne nicht sein. Sie habe das Fahrzeug gelegentlich genutzt, wenn sein
Vater den Caddy gefahren habe.
24 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
25 Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
26 Das Fahrzeug hat sich im Miteigentum der Beteiligten befunden. Deshalb hat die
Beschwerdegegnerin durch den vom Beschwerdeführer nicht genehmigten
Verkauf dessen Eigentumsrechte verletzt und schuldet ihm Schadensersatz
gemäß § 823 Abs. 1 BGB.
27 1. Ausschlaggebend ist die Eigentumsvermutung nach § 1568b Abs. 2 BGB, die
als die speziellere Norm den § 1006 BGB verdrängt. Für die
Besitzschutzvorschriften ist die hM der Auffassung, dass sie neben §§ 1568b,
1361a BGB nicht anwendbar sind, weil letztere die Besitzschutzvorschriften
entweder überlagern oder verdrängen (vgl. Johannsen/Henrich/ Götz, Eherecht,
6.0 , § 1361a, Rdnr 43 ff.; Palandt/Brudermüller, BGB; 75.0 , Rdnr. 5 zu § 1568b).
Diese Vorschrift sei speziell auf die Situation im Zusammenhang mit der Trennung
von Ehegatten ausgerichtet. Das gilt auch für die Miteigentumsvermutung des §
1568b BGB im Verhältnis zur Vermutung nach § 1006 BGB.
28 § 1568b BGB betrifft zwar nur die Verteilung von Hausrat nach der Ehescheidung.
Hausrat, der während der Ehe für den gemeinsamen Haushalt angeschafft wurde,
gilt danach als gemeinsames Eigentum der Ehegatten, es sei denn, das
Alleineigentum eines Ehegatten steht fest. Der Ehegatte, der sich auf sein
Alleineigentum beruft, muss die Umstände für den Erwerb von Alleineigentum
substantiiert vortragen und bestrittenen Vortrag unter Beweis stellen. Während der
Ehe angeschaffte Haushaltsgegenstände sind auch nach dem Willen der Eheleute
im Zweifel ihr gemeinsames Eigentum (OLG Köln FamRZ 2002, 322).
29 Vorliegend kann § 1568b BGB nicht unmittelbar angewandt werden, da wegen des
Verkaufs kein Haushaltsgegenstand mehr vorhanden ist, der verteilt werden
könnte. In derartigen Fällen ist kein Raum für das Haushaltssacheverfahren. Der
von einem Ehegatten zu vertretende Untergang des Haushaltsgegenstandes kann
aber nicht zum Fortfall der Eigentumsvermutung im nachfolgenden
Schadensersatzverfahren führen. Die Eigentumsvermutung des § 1568b Abs. 2
BGB wirkt fort und findet im Verfahren auf Schadensersatz entsprechende
Anwendung.
30 2. Bei dem umstrittenen PKW handelt es sich um Hausrat. Zum Hausrat gehören
alle beweglichen Gegenstände, die für die gesamte Lebensführung der Familie
bestimmt sind und daher nicht dem persönlichen Gebrauch nur eines Gatten
dienen. Ein Pkw gehört dann zum Hausrat, wenn er kraft gemeinsamer
Zweckbestimmung der Ehegatten ganz oder überwiegend dem ehelichen und
familiären Zusammenleben dient (BGH FamRZ 1991, 43, 49), Gibt es in einer
Familie nur einen Pkw, liegt die Zuordnung zum Haushalt nahe (Brudermüller
FamRZ 2006, 1157, 1161; Düsseldorf MDR 2007, 663). Allein der Umstand, dass
ein Ehegatte einen Haushaltsgegenstand gekauft hat, reicht für die Widerlegung
der Vermutung nicht aus. Bei bestehender Lebensgemeinschaft erwirbt er einen
Haushaltsgegenstand grundsätzlich mit der stillschweigenden Bestimmung,
gemeinschaftliches Eigentum zu begründen. Dementsprechend übereignet ein
Verkäufer an den, „den es angeht”, also an beide Eheleute (vgl. P. Blank in: Erman
BGB, Kommentar, 1568b BGB, Rn 13).
31 Im hier zu entscheidenden Fall haben die Beteiligten das Cabrio während ihres
Zusammenlebens gemeinsam benutzt. Es war das einzige Familienfahrzeug. Der
geleaste PKW der Marke Caddy diente geschäftlichen Zwecken, insbesondere
zum Transport von Materialien für die Pizzeria. Aus diesem Grund wurde er auch
nach der Trennung vom Beschwerdeführer benutzt, der die Pizzeria fortgeführt hat.
Der Kredit wurde unstreitig aus den gemeinsamen Mitteln zurückgeführt. Der Senat
ist auch überzeugt, dass die Finanzierung der Baranzahlung aus gemeinsamem
Vermögen erfolgt ist. Der Vortrag des Beschwerdeführers ist insoweit
widersprüchlich und nicht überzeugend.
32 3. Die Beschwerdegegnerin hat das Cabrio für 12.000 EUR verkauft. Der Senat
geht daher davon aus, dass sich der Verkaufspreis und der Wert des Fahrzeuges
decken. Es sind keine Anhaltspunkte vorhanden, dass das Fahrzeug
verschleudert wurde. Zudem entspricht der Verkaufspreis dem Mittelwert nach der
Schwacke-Liste (= 12.200 EUR aus 11.250 EUR und 13.350 EUR). Der Senat
schätzt daher den Schaden, der dem Beschwerdeführer durch den unberechtigten
Verkauf des Fahrzeuges entstanden ist, auf 6.000 EUR.
33 4. Die Anwaltskosten als Folge der vorgerichtlichen Geltendmachung sind
ebenfalls als Schaden nach § 823 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Bei einem Streitwert
von 6.000 EUR fallen an:
34
1,30 Geschäftsgebühr 460,20 EUR
Auslagenpauschale
20,00 EUR
19% Umsatzsteuer
91,24 EUR
insgesamt
571,44 EUR
35 Für den Ersatz eines pauschalen Aufwands des Beschwerdeführers im
Zusammenhang mit der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens gibt es im
vorliegenden Fall keine Grundlage.
III.
36 Es bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.