Urteil des OLG Stuttgart vom 14.11.2014

wertausgleich, kapitalwert, tod, teilung

OLG Stuttgart Beschluß vom 14.11.2014, 15 UF 243/14
Versorgungsausgleich nach dem Tod des ausgleichspflichtigen Ehegatten:
Berücksichtigung der unterschiedlichen Dynamik regel- und
angleichungsdynamischer Anrechte bei der Gesamtsaldierung; Einbeziehung
geringfügiger Anrechte in den Gesamtsaldo
Leitsätze
1. Bei der nach § 31 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG gebotenen Gesamtsaldierung ist der
unterschiedlichen Dynamik regel- und angleichungsdynamischer Anrechte dadurch
Rechnung zu tragen, dass die angleichungsdynamischen Anrechte unter
Heranziehung des in § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG a.F. vorgesehenen Rechenwegs an die
seit dem Ende der Ehezeit tatsächlich erfolgte Wertentwicklung angepasst werden
(Anschluss an OLG Celle FamRZ 2013, 382; OLG Hamm Beschluss vom 11.9.2013 -
8 UF 113/13; OLG Jena Beschluss vom 8.6.2012 - 1 UF 152/12; entgegen OLG
Dresden FamRZ 2014, 1639).
2. Im Rahmen des § 31 VersAusglG ist für die Anwendung des § 18 VersAusglG
unerheblich, ob die Differenz der Summen aller Versorgungsanrechte den Grenzwert
des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreitet. Jedoch sind geringfügige Anrechte im
Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG sowie gleichartige Anrechte mit geringfügiger
Wertdifferenz im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG dann nicht in die gemäß § 31
VersAusglG erforderliche Ausgleichsbilanz einzustellen, wenn sie im Falle der
(fiktiven) Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den §§ 9 ff. VersAusglG
ohne den Tod eines Ehegatten ebenfalls nicht ausgeglichen worden wären
(Anschluss an OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046; entgegen OLG Schleswig FamRZ
2014, 1782; OLG Celle FamRZ 2013, 382; OLG Hamm Beschluss vom 11.9.2013 - 8
UF 113/13; OLG Koblenz FamRZ 2012, 1807).
Tenor
1. Auf die Beschwerden der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland und
der Deutschen Rentenversicherung Bund wird der Beschluss des Amtsgerichts -
Familiengericht - Heilbronn vom 15.9.2014 in Ziff. 1 der Beschlussformel abgeändert
und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des verstorbenen
vormaligen Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung
Mitteldeutschland (Vers. Nr. ...) zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht
in Höhe von 0,2471 Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der
Deutschen Rentenversicherung Bund, bezogen auf den 30.6.1992
übertragen.
2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 1.000 EUR
Gründe
I.
1 Der verstorbene vormalige Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am
31.12.1986 die Ehe geschlossen. Auf den am 27.7.1992 zugestellten
Scheidungsantrag wurde die Ehe durch Scheidungsurteil des Amtsgerichts
Heilbronn vom 24.6.1993 geschieden. Die Folgesache Versorgungsausgleich
wurde mit Beschluss vom 24.6.1993 vom Verbund abgetrennt. Das
Scheidungsurteil wurde am 24.6.1993 rechtskräftig. Mit Beschluss vom 7.12.1994
wurde das Verfahren nach § 2 VAÜG aF ausgesetzt. Am 22.7.1999 ist der
vormalige Antragsteller verstorben.
2 In der gesetzlichen Ehezeit (1.12.1986 bis 30.6.1992) hat der vormalige
Antragsteller bei der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland ein
regeldynamisches Versorgungsanrecht mit einem Ehezeitanteil von 2,0377
Entgeltpunkten erlangt. Der Ausgleichswert beträgt 1,0189 Entgeltpunkte und der
korrespondierende Kapitalwert 8.275,87 DM = 4.231,39 EUR. Außerdem hat der
vormalige Antragsteller ein angleichungsdynamisches Versorgungsanrecht mit
einem Ehezeitanteil von 4,2876 Entgeltpunkten (Ost) und einem Ausgleichswert
von 2,1438 Entgeltpunkten (Ost) erlangt. Der korrespondierende Kapitalwert
dieses Anrechts beträgt 11.884,18 DM = 6.076,28 EUR.
3 Die Antragsgegnerin hat bei der Deutschen Rentenversicherung Bund ein
regeldynamisches Versorgungsanrecht mit einem Ehezeitanteil von 0,7839
Entgeltpunkten erlangt. Der Ausgleichswert beträgt 0,3920 Entgeltpunkte, der
korrespondierende Kapitalwert 3.183,96 DM = 1.627,93 EUR. Außerdem hat die
Antragsgegnerin ein angleichungsdynamisches Versorgungsanrecht mit einem
Ehezeitanteil von 4,9738 Entgeltpunkten (Ost) und einem Ausgleichswert von
2,4869 Entgeltpunkten (Ost) erlangt. Der korrespondierende Kapitalwert dieses
Anrechts beträgt 13.786,16 DM = 7.048,75 EUR.
4 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.9.2014 hat das Amtsgericht -
Familiengericht im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des
vormaligen Antragstellers bei der Deutschen Rentenversicherung
Mitteldeutschland zugunsten der Antragsgegnerin ein Recht in Höhe von 0,2462
Entgeltpunkten übertragen. Zur Begründung hat das Amtsgericht insbesondere
ausgeführt, dass § 31 Abs. 2 VersAusglG zu beachten sei, da der Antragsteller
bereits verstorben und zu seinen Gunsten ein Versorgungsausgleich nicht mehr
möglich sei. Nach § 31 Abs. 2 VersAusglG dürfe der überlebende Ehegatte durch
den Versorgungsausgleich nicht besser gestellt werden, als wenn der
Versorgungsausgleich durchgeführt worden sei. Die Vergleichbarkeit der Anrechte
werde durch den korrespondierenden Kapitalwert ermöglicht. Der Antragsteller
habe über Anrechte mit korrespondierenden Kapitalwerten von 4.231,39 EUR und
6.076,28 EUR verfügt, die Antragsgegnerin verfüge über Anrechte mit
korrespondierenden Kapitalwerten von 99,67 EUR und 6.963,72 EUR. Die Hälfte
der Wertdifferenz der auszugleichenden Anrechte betrage (10.307,67 EUR -
7.063,39 EUR) / 2 = 1.622,14 EUR. Dies entspreche angesichts des aktuellen
Umrechnungsfaktors von 0,0001517918 einem Anrecht in der gesetzlichen
Rentenversicherung von 0,2462 Entgeltpunkten.
5 Mit ihrer Beschwerde macht die Deutsche Rentenversicherung Bund geltend, dass
dem angefochtenen Beschluss eine Auskunft zugrunde liege, die die
Neuregelungen des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes zu
Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt habe.
6 Die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland verweist zur Begründung
ihrer Beschwerde darauf, dass im angefochtenen Beschluss für die Umrechnung
der Differenz der Kapitalwerte in Entgeltpunkte der Umrechnungsfaktor für das
Jahr 2014 verwendet worden sei, während richtigerweise eine Multiplikation mit
dem bei Ende der Ehezeit gültigen Faktor hätte erfolgen müssen. Außerdem sei
nicht ersichtlich, warum im angefochtenen Beschluss nach der Verrechnung der
korrespondierenden Kapitalwerte nochmals eine Halbteilung des sich ergebenden
Betrags erfolgt sei. Im Übrigen werde angeraten, den Wertausgleich durch die
Übertragung von Entgeltpunkten (Ost) vorzunehmen, da von beiden Ehegatten in
der Ehezeit mehrheitlich Anrechte aus Entgeltpunkten (Ost) erworben worden
seien. Für die Umrechnung sei die Währung DM maßgebend. Im Ergebnis sei im
Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des vormaligen Antragstellers
ein Anrecht von 1,1446 Entgeltpunkten (Ost) zu übertragen.
II.
7 Die zulässige Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Bund hat auch in
der Sache Erfolg.
8 Zu Recht macht die Deutsche Rentenversicherung Bund geltend, dass in
Ansehung der Anrechte der Antragsgegnerin bei der Deutschen
Rentenversicherung Bund die Neuregelungen des RV-
Leistungsverbesserungsgesetzes zu berücksichtigen seien. Die im Rahmen des §
31 VersAusglG erforderliche Saldierung hat demgemäß auf der Grundlage der im
Beschwerdeverfahren erteilten neuen Auskunft der Deutschen
Rentenversicherung Bund vom 1.10.2014 zu erfolgen.
9 Aber auch die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland
hat teilweise Erfolg. Zu Recht verweist die Deutsche Rentenversicherung
Mitteldeutschland darauf, dass die Differenz der Kapitalwerte nicht nochmals zu
teilen ist, weil den Kapitalwerten ohnehin die Ausgleichswerte, also die hälftigen
Ehezeitanteile zugrunde liegen. Zutreffend ist auch der Einwand, dass für die
Umrechnung der Differenz der Kapitalwerte in Entgeltpunkte der zum Ende der
Ehezeit gültige Umrechnungsfaktor zu verwenden sei. Entgegen der Auffassung
der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland ist indes nicht ein Anrecht
von 1,1446 Entgeltpunkten (Ost) zu übertragen, sondern ein solches von 0,2471
Entgeltpunkten.
10 1. Stirbt ein Ehegatte nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der
Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG, so ist
nach § 31 Abs. 1 VersAusglG das Recht des überlebenden Ehegatten auf
Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen, während die Erben kein Recht
auf Wertausgleich haben. Gemäß § 31 Abs. 2 VersAusglG darf der überlebende
Ehegatte durch den Wertausgleich nicht bessergestellt werden, als wenn der
Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre. Sind mehrere Anrechte
auszugleichen, ist nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum
Ausgleich herangezogen werden.
11 Ein Ausgleich kommt nach § 31 Abs. 1 S. 2 VersAusglG nur in Betracht, wenn der
ausgleichspflichtige Ehegatte verstorben ist. Daher und als Folge der
Beschränkung des § 31 Abs. 2 VersAusglG scheidet ein Ausgleich aus, wenn die
Summe der vom überlebenden Ehegatten erworbenen Ausgleichswerte höher ist
als die des verstorbenen Ehepartners. Sind hingegen bei Saldierung und
Gegenüberstellung aller auszugleichenden Anrechte die Ausgleichswerte des
Überlebenden insgesamt geringer als die des Verstorbenen, erfolgt grundsätzlich
ein Ausgleich in Höhe der Wertdifferenz (BT-Drucks. 16/10144 S. 71; jurisPK-
BGB/Breuers Stand Oktober 2014 § 31 VersAusglG Rn. 15).
12 2. Der vormalige Antragsteller ist nach der Rechtskraft der Ehescheidung, aber vor
der Durchführung des Versorgungsausgleichs verstorben. Auch im Übrigen sind
die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 VersAusglG erfüllt, so dass ein
Wertausgleich zu erfolgen hat. Die Summe der Ausgleichswerte der Anrechte des
vormaligen Antragstellers übersteigt die Summe der Ausgleichswerte der Anrechte
der Antragsgegnerin um 2.007,39 DM, so dass in dieser Höhe ein Wertausgleich
zugunsten der Antragsgegnerin zu erfolgen hat.
13 a) Die Saldierung der beiderseitigen Anrechte hat nicht lediglich anhand der
korrespondierenden Kapitalwerte dieser Anrechte zu erfolgen. Vielmehr ist es
geboten, die Kapitalwerte der angleichungsdynamischen Anrechte zunächst nach
den Grundsätzen des § 3 Abs. 2 Nr. 1a S. 3 VAÜG aF mit den Kapitalwerten der
regeldynamischen Anrechte vergleichbar zu machen.
14 b) In Rechtsprechung und Literatur ist streitig, ob die nach § 31 Abs. 1, Abs. 2
VersAusglG gebotene Gesamtsaldierung allein auf der Grundlage der
korrespondierenden Kapitalwerte der beiderseitigen Anrechte erfolgen kann.
15 aa) Nach einer Auffassung ist die Saldierung der in den Ausgleich
einzubeziehenden Anrechte ausschließlich anhand der korrespondierenden
Kapitalwerte vorzunehmen. Demgegenüber sei grundsätzlich nicht geboten, vor
der Saldierung eine etwa unterschiedliche Dynamik der Anrechte anzugleichen
(OLG Dresden FamRZ 2014, 1639 juris Rn. 13; OLG Koblenz FamRZ 2012, 1807
juris Rn. 3; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376; OLG Brandenburg FamRZ 2011,
1299 juris Rn. 5; vgl. auch OLG Schleswig Beschluss vom 23.5.2014 - 15 UF
102/13 - juris Rn. 15; Götsche in: Rehbein/Breuers/Götsche
Versorgungsausgleichsrecht 2012 § 31 Rn. 24). Zur Begründung wird ausgeführt,
der Gesetzgeber habe sich mit der Reform des Versorgungsausgleichs vom
früheren Einmalausgleich gezielt abgewendet, um die aus der fehlenden
Kompatibilität der Anrechte herrührenden Probleme zu lösen. Das Erfordernis einer
Angleichung insbesondere einer unterschiedlichen Dynamik der in die Saldierung
nach § 31 VersAusglG einzubeziehenden Anrechte habe zur Folge, dass diese
Probleme sämtlich erneut auftreten. Wer eine wertmäßige Angleichung der
Anrechte verlange, könne nicht dabei stehen bleiben, die unterschiedliche
Dynamik der Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfassen.
Vielmehr seien auch andere Versorgungsanrechte anzugleichen. Hierfür fehle es
aber an Kriterien, die die Gerichte ohne versicherungsmathematische
Feststellungen heranziehen könnten. Denn ein Rückgriff auf die BarwertVO
scheide aus, weil deren verfassungsmäßige Tragfähigkeit zu bezweifeln und in der
höchstrichterlichen Rechtsprechung zuletzt nur für die Übergangszeit bis zum
Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes noch bejaht worden sei. Unter
diesen Umständen sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die
Bewertungsunschärfen, die im Rahmen des § 31 VersAusglG bei einer Saldierung
anhand der korrespondierenden Kapitalwerte entstünden, bewusst in Kauf
genommen habe. Dem entsprechend verweise § 47 Abs. 6 VersAusglG auch nicht
auf § 31 VersAusglG (OLG Dresden FamRZ 2014, 1639 Rn. 14 ff.).
16 bb) Nach einer anderen Auffassung ist die Heranziehung des korrespondierenden
Kapitalwerts bei der Saldierung von regel- und angleichungsdynamischen
Anrechten in der gesetzlichen Rentenversicherung ungeeignet. Vielmehr seien vor
der Saldierung die Anrechte unterschiedlicher Dynamik - bezogen auf den
Zeitpunkt der Ausgleichsentscheidung - anzugleichen. Eine sachgerechte
Vergleichbarkeit könne durch die Heranziehung des sog. Angleichungsfaktors
i.S.d. § 3 Abs. 2 Nr. 1a S. 3 VAÜG als Hilfsgröße erreicht werden (OLG Hamm
Beschluss vom 11.9.2013 - 8 UF 113/13 - juris Rn. 5 f.; OLG Jena Beschluss vom
8.6.2012 - 1 UF 152/12 - juris Rn. 22 - FamRZ 2013, 382 (LS); OLG Celle FamRZ
2013, 382 juris Rn. 20 ff.; jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 17;
Rehbein, jurisPR-FamR 3/2013 Anm. 3; Wick Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn.
546). Zur Begründung verweisen die Vertreter dieser Auffassung darauf, dass der
korrespondierende Kapitalwert nur eine Hilfsgröße darstelle. Daher seien gemäß §
47 Abs. 6 VersAusglG bei dem Vergleich der beiderseitigen Rentenanwartschaften
nicht nur die korrespondierenden Kapitalwerte, sondern auch die weiteren
Faktoren der Anrechte zu berücksichtigen, die sich auf die Versorgung auswirkten
(OLG Hamm aaO Rn. 5; OLG Celle aaO Rn. 21; Wick aaO Rn. 546). Bei
angleichungs- und regeldynamischen Anrechten handle es sich nicht um
gleichartige Anrechte. Kapitalisierte Stichtagswerte, die am Ende der Ehezeit
annähernd gleich hoch seien, könnten daher zu nicht mehr vergleichbaren
Versorgungsleistungen führen. Eine Gesamtsaldierung allein unter Heranziehung
der korrespondierenden Kapitalwerte werde der unterschiedlichen Dynamik der
Anrechte und damit der nicht unerheblichen Werteveränderung nicht gerecht und
widerspreche daher dem Halbteilungsgrundsatz (OLG Jena aaO Rn. 15 ff.;
jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 17; vgl. auch Bergner NZFam
2014, 539, 540 f.). Zutreffend sei vielmehr eine Bewertung, die an den zum
Ehezeitende tatsächlich vorhandenen Wert aller Anrechte anknüpfe, andererseits
aber die seit Ehezeitende tatsächlich erfolgten Wertanpassungen berücksichtige.
Den zur Erfassung der unterschiedlichen Dynamik von West- und Ostanrechten
erforderlichen Berechnungsvorgang habe der Gesetzgeber in der Vorschrift des
vormals gültigen § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG vorgegeben (OLG Celle FamRZ 2013,
382 juris Rn. 23).
17 cc) Nach einer weiteren Auffassung ist den sich bei der Gesamtsaldierung
ergebenden Schwierigkeiten dadurch zu begegnen, dass anstelle des in § 31
VersAusglG grundsätzlich vorgesehenen Einmalausgleichs ausnahmsweise ein
Hin-und-Her-Ausgleich vorgenommen werde, sofern nur Anrechte der gesetzlichen
Rentenversicherung auszugleichen seien (Bergner NZFam 2014, 539, 541 f.;
Erman/Norpoth BGB 14. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 6; vgl. auch AG Erfurt FamRZ
2012, 876, 877 f. mit zustimmender Anmerkung Borth FamRZ 2012, 878). Zur
Begründung wird ausgeführt, dass im Gesetzgebungsverfahren bei § 31
VersAusglG die Besonderheiten der auf unterschiedlichen Entgeltpunkten
beruhenden Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung übersehen worden
seien. Die dadurch entstandene verdeckte Gesetzeslücke sei durch eine
teleologische Reduktion dahingehend zu schließen, dass anstelle der Regelung
des § 31 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG die allgemeinen Regeln der §§ 9 ff.
VersAusglG anzuwenden seien. Der Sinn und Zweck des in § 31 VersAusglG
angeordneten Einmalausgleichs bestehe in der Vermeidung von erheblichem
Verwaltungs- und Kapitalaufwand zu Lasten von Versorgungsträgern. Seien nur
gesetzliche Rentenanrechte auszugleichen, so seien die im Falle eines Hin-und-
Her-Ausgleichs erforderlichen Umbuchungen der Entgeltpunkte indes nicht als
unverhältnismäßige Belastungen zu werten (Bergner NZFam 2014, 539, 542).
18 c) Der Senat schließt sich der unter bb) aufgeführten Meinung an.
19 aa) Gemäß § 47 Abs. 6 VersAusglG sind bei einem Wertvergleich in den Fällen der
§§ 6 bis 8, 18 Abs. 1 und 27 VersAusglG nicht nur die Kapitalwerte und
korrespondierenden Kapitalwerte zu berücksichtigen, sondern auch die weiteren
Faktoren der Anrechte, die sich auf die Versorgung auswirken. Als derartige
weitere Faktoren kommen nach der Gesetzesbegründung insbesondere das
Leistungsspektrum, die allgemeinen Anpassungen, die Finanzierungsverfahren
sowie andere wertbildende Faktoren wie z.B. der Insolvenzschutz in Betracht (BT-
Drucks. 16/11903 S. 56).
20 bb) Obwohl § 31 VersAusglG in § 47 Abs. 6 VersAusglG nicht aufgeführt wird, sind
die genannten weiteren Faktoren dennoch auch im Rahmen der nach § 31
VersAusglG erforderlichen Gesamtsaldierung zu berücksichtigen.
21 Der korrespondierende Kapitalwert stellt nach § 47 Abs. 1 VersAusglG nur eine
Hilfsgröße für Anrechte dar, deren Ausgleichswert nach § 5 Abs. 3 VersAusglG
nicht bereits als Kapitalwert bestimmt ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung
soll die Bezeichnung als „Hilfsgröße“- ebenso wie die Überschrift des Kapitels 3 -
den Rechtsanwender darauf hinweisen, dass es sich bei dem korrespondierenden
Kapitalwert um einen Hilfswert handelt, der mit Bedacht anzuwenden ist (BT-
Drucks. 16/11903 S. 56; vgl. auch BT-Drucks. 16/10144 S. 84). Diesem Umstand,
dass dem korrespondierenden Kapitalwert nur eine eingeschränkte Aussagekraft
zukommt, trägt § 47 Abs. 6 VersAusglG Rechnung. Soweit ein Wertvergleich
stattzufinden hat, kann nicht allein auf die Höhe des korrespondierenden
Kapitalwerts abgestellt werden, sondern sind auch weitere Faktoren
einzubeziehen, die sich auf die zu erwartende oder die tatsächlich gezahlte
Versorgung auswirken (vgl. BT-Drucks. 16/11903 S. 56).
22 Vor diesem Hintergrund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Gesetzgeber § 31 VersAusglG in § 47 Abs. 6 VersAusglG bewusst nicht genannt
hat. Vielmehr handelt es sich insoweit um ein gesetzgeberisches Versehen
(Bergner NZFam 2014, 539, 540). Denn auch die Anwendung des § 31
VersAusglG macht einen Wertvergleich erforderlich, der unter bloßer Verwendung
der Hilfsgröße des korrespondierenden Kapitalwerts nur unzureichend stattfinden
könnte. Entgegen der Auffassung des OLG Dresden (FamRZ 2014, 1639 juris Rn.
15) nennt § 47 Abs. 6 VersAusglG auch nicht nur Vergleichskonstellationen, in
denen - anders als bei § 31 VersAusglG - im Ergebnis eine Billigkeitsabwägung
anzustellen ist. Vielmehr erfordert § 18 Abs. 1 VersAusglG in einem ersten Schritt
die genaue Errechnung der Wertdifferenz vergleichbarer Anrechte (Bergner
NZFam 2014, 539, 540 f.).
23 cc) Im Übrigen gebietet der Halbteilungsgrundsatz eine Berücksichtigung auch
anderer Faktoren bei der Gesamtsaldierung nach § 31 VersAusglG (Bergner NZF
am 2014, 539, 540). Dies wird insbesondere in Fällen deutlich, in denen die
Eheleute sowohl regel- als auch angleichungsdynamische Anrechte erworben
haben. Denn letztere Anrechte weisen eine höhere Dynamik auf als
regeldynamische Anrechte, weshalb es sich gemäß § 120 f Abs. 2 Nr. 1 SGB VI
nicht um Anrechte gleicher Art handelt und weshalb sie auch nicht als gleichartig
im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG gewertet werden können (BGH FamRZ
2013, 612 Rn. 24 mwN; jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 17).
Daher können regel- und angleichungsdynamische Anrechte, die zum Ende der
Ehezeit annähernd gleich hohe korrespondierende Kapitalwerte aufgewiesen
haben, im Entscheidungszeitpunkt zu der Höhe nach erheblich divergierenden
Versorgungsleistungen führen (OLG Jena aaO Rn. 15). Dies gilt umso mehr, wenn
- wie vorliegend - zwischen dem Ende der Ehezeit und der Entscheidung über den
Versorgungsausgleich ein langer Zeitraum liegt (OLG Jena aaO Rn. 18; vgl. auch
OLG Dresden FamRZ 2014, 1639 juris Rn. 14). Würde in derartigen
Konstellationen allein auf den korrespondierenden Kapitalwert zum Ende der
Ehezeit abgestellt, wäre keine gleichwertige Teilhabe an den während der Ehe
erworbenen Anrechten mehr garantiert (Bergner NZF am 2014, 539, 540).
24 dd) Die praktischen Probleme, die mit der Berücksichtigung auch anderer Faktoren
bei der Gesamtsaldierung gemäß § 31 VersAusglG verbunden sind, rechtfertigen
es nicht, von einer Angleichung der einzubeziehenden Anrechte abzusehen. Denn
diese Probleme sind nicht unlösbar. Insbesondere in Konstellationen, in denen
regel- und angleichungsdynamische Anrechte vergleichbar zu machen sind,
stehen hierfür Instrumentarien zur Verfügung, wie noch aufzuzeigen sein wird.
Demgegenüber dürften die Fälle, in denen auch Anrechte der betrieblichen oder
privaten Altersvorsorge einzubeziehen sind, selten sein, zumal die praktische
Bedeutung des § 31 VersAusglG für den Wertausgleich bei der Scheidung
ohnehin gering ist (vgl. jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 8). Selbst
wenn in diesen verbleibenden Fällen versicherungsmathematische Gutachten
einzuholen sein sollten, wäre dieser Aufwand hinzunehmen.
25 ee) Der unterschiedlichen Dynamik von regel- und angleichungsdynamischen
Anrechten kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die
angleichungsdynamischen Anrechte unter Heranziehung des in § 3 Abs. 2 Nr. 1a
VAÜG aF vorgesehenen Rechenwegs an die seit dem Ende der Ehezeit
tatsächlich erfolgten Wertentwicklungen angepasst wird (OLG Celle FamRZ 2013,
382 juris Rn. 23). Eine derartige Anpassung wird dem Halbteilungsgrundsatz in
ausreichendem Umfang gerecht. Dem entsprechend sah § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG
aF nach der vor der Reform des Versorgungsausgleichs geltenden Rechtslage
vor, dass erforderlichenfalls der Wert angleichungsdynamischer Anrechte mit dem
sog. Ausgleichsfaktor zu multiplizieren war, der sich aus dem Verhältnis des
aktuellen Rentenwerts und des aktuellen Rentenwerts (Ost) in dem für die
Entscheidung maßgebenden Zeitpunkt zum aktuellen Rentenwert und zum
aktuellen Rentenwert (Ost) zum Ende der Ehezeit ergab. Auf diese Weise konnte
der Versorgungsausgleich in Konstellationen durchgeführt werden, in denen ein
Ehegatte bereits eine Rente bezog und daher gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VAÜG
aF ausnahmsweise der Versorgungsausgleich trotz des Vorhandenseins regel-
und angleichungsdynamischer Anrechte mit gegenläufiger Ausgleichsrichtung
durchzuführen war (OLG Celle FamRZ 2013, 382 juris Rn. 23; Wick
Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 546).
26 ff) Demgegenüber erscheint es nicht sachgerecht, den sich bei der
Gesamtsaldierung stellenden Schwierigkeiten durch die Vornahme eines Hin-und-
Her-Ausgleichs im Rahmen des § 31 VersAusglG Rechnung zu tragen. Denn ein
Hin-und-Her-Ausgleich hätte zur Folge, dass (auch) zugunsten des bereits
Verstorbenen im Wege der internen oder externen Teilung Versorgungsanrechte
begründet würden. Diese Möglichkeit ist dem Sozialversicherungsrecht jedoch
grundsätzlich fremd (BGH FamRZ 2013, 1287 Rn. 25 mwN; vgl. auch Holzwarth
FamFR 2012, 300). Im Übrigen würde ein Hin-und-Her-Ausgleich eine
Gesamtsaldierung nicht in vollem Umfang entbehrlich machen und die mit ihr
verbundenen Probleme nicht vollständig lösen. Vielmehr wäre auch im Fall des
Hin-und-Her-Ausgleichs eine Gesamtsaldierung erforderlich, um zu klären, ob die
Summe der vom überlebenden Ehegatten erworbenen Ausgleichswerte höher ist
als die Summe der Anrechte des verstorbenen Ehepartners, und ein Ausgleich
nach § 31 VersAusglG damit ausscheidet (vgl. OLG Jena aaO Rn. 26).
27 d) In Anwendung des in § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG aF vorgesehenen Rechenwegs
ist das angleichungsdynamische Anrecht des verstorbenen ehemaligen
Antragstellers mit 19.273,07 DM in die Ausgleichsbilanz nach § 31 VersAusglG
einzustellen und das Ostanrecht der Antragsgegnerin mit 22.357,59 DM.
28 Der aktuelle Rentenwert beträgt derzeit 28,61 EUR für regel- und 26,39 EUR für
angleichungsdynamische Anrechte. Am 30.6.1992, also zum Ende der Ehezeit,
hat der Rentenwert für regeldynamische Anrechte 41,44 DM betragen und
derjenige für angleichungsdynamische Anrechte 23,57 DM. Demzufolge sind die
Kapitalwerte der angleichungsdynamischen Anrechte der Eheleute mit einem
Faktor von (26,39 EUR/23,57 DM) x (41,44 DM/28,61 EUR) = 1,6217417 zu
multiplizieren. Danach ist das angleichungsdynamische Anrecht des verstorbenen
ehemaligen Antragstellers mit 11.884,18 DM x 1,6217417 = 19.273,07 DM
einzustellen und das angleichungsdynamische Anrecht der Antragsgegnerin mit
13.786,16 DM x 1,6217417 = 22.357,59 DM.
29 3. Unter Berücksichtigung der gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1a VAÜG aF angepassten
Werte der angleichungsdynamischen Anrechte übersteigt die Summe der
Anrechte des vormaligen Antragstellers die Summe der Anrechte der
Antragsgegnerin um 19.273,07 DM + 8.275,87 DM - 22.357,59 DM - 3.183,96 DM
= 2.007,39 DM, so dass in dieser Höhe ein Wertausgleich zugunsten der
Antragsgegnerin zu erfolgen hat.
30 4. Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht aus § 18 VersAusglG.
31 a) In Rechtsprechung und Literatur wird die Frage, ob und in welcher Form § 18
VersAusglG in Fällen des § 31 VersAusglG anwendbar ist, unterschiedlich
beurteilt.
32 aa) Nach einer Auffassung steht § 18 VersAusglG jedenfalls der Einbeziehung
geringfügiger Anrechte in den Gesamtsaldo nicht entgegen. Durch die
Einbeziehung auch geringfügiger Anrechte in den Gesamtsaldo entstehe dem
jeweiligen Versorgungsträger kein Aufwand, da das jeweilige Anrecht insoweit
lediglich eine Rechenposition darstelle (OLG Koblenz FamRZ 2012, 1807 juris Rn.
6; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376 juris Rn. 2; OLG Brandenburg FamRZ 2011,
1299 juris Rn. 10; OLG Dresden Beschluss vom 3.11.2010 - 23 UF 500/10 - juris
Rn. 19; Holzwarth FamFR 2012, 300; vgl. auch Soergel/Ahrens 13. Aufl. § 31
VersAusglG Rn. 9).
33 Teile der Vertreter dieser Auffassung sind außerdem der Meinung, dass § 18
VersAusglG dann einschlägig sei, wenn die Differenz der Summen aller
Ausgleichswerte die Geringfügigkeitsgrenze unterschreitet (OLG Schleswig
Beschluss vom 23.5.2014 - 15 UF 102/13 - juris Rn. 22; OLG Celle FamRZ 2013,
382 juris Rn. 34; OLG Hamm Beschluss vom 11.9.2013 - 8 UF 113/13 - juris Rn.
17; Erman/Norpoth aaO § 31 VersAusglG Rn. 4a; Wick Versorgungsausgleich 3.
Aufl. Rn. 547). Zur Begründung wird angeführt, dass nach Sinn und Zweck des §
18 VersAusglG maßgeblich darauf abzustellen sei, ob der Ausgleich mit einem
unangemessenen Verwaltungsaufwand verbunden sei. Diese Frage könne
angesichts der im Rahmen des § 31 VersAusglG gebotenen Gesamtsaldierung
nur an Ansehung des Gesamtsaldos von Relevanz sein (OLG Celle FamRZ 2013,
382 juris Rn. 34; Wick aaO Rn. 547). Zwar könne im Falle eines Abstellens auf den
Gesamtsaldo aller Ausgleichswerte der überlebende Ehegatte besser gestellt sein
als im Falle eines fiktiven Wertausgleichs ohne den Tod eines Ehegatten. Jedoch
verfolge § 31 Abs. 2 VersAusglG nicht den Zweck, eine derartige Besserstellung
zu vermeiden (Erman/Norpoth aaO § 31 VersAusglG Rn. 4a).
34 Teilweise wird allerdings darauf hingewiesen, dass im Rahmen des eingeräumten
Ermessens auch dann regelmäßig ein Ausgleich erfolgen solle, wenn der
Gesamtsaldo aller Anrechte geringfügig sei. Für den Rentenversicherungsträger
entstehe kein unverhältnismäßiger Verwaltungsaufwand, wenn der
Einmalausgleich - wie regelmäßig - durch Übertragung von Entgeltpunkten der
gesetzlichen Rentenversicherung erfolge. Im Rahmen des eingeräumten
Ermessens sei deshalb vom Nichtausgleich von Anrechten wegen Geringfügigkeit
nach § 18 VersAusglG abzusehen (Bergner NZF am 2014, 539, 545).
35 bb) Nach einer anderen Auffassung ist für die Anwendung des § 18 VersAusglG
unerheblich, ob die Differenz der Summen aller Anrechte den Grenzwert des § 18
Abs. 3 VersAusglG überschreitet. Jedoch seien in Anwendung des § 18
VersAusglG in die Ausgleichsbilanz lediglich diejenigen Anrechte einzustellen, die
auch im Falle einer fiktiven Durchführung des Versorgungsausgleichs ohne den
Tod des einen Ehegatten unter Berücksichtigung der gesetzlichen
Ausschlusstatbestände im Rahmen des Wertausgleichs bei der Scheidung
auszugleichen gewesen wären (OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046 Rn. 10; Borth
Versorgungsausgleich 6. Aufl. Rn. 767; jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31
VersAusglG Rn. 19, 20, 25; Götsche in: Rehbein/Breuers/Götsche
Versorgungsausgleichsrecht 2012 § 31 Rn. 20 f., 23; Götsche FamRB 2012, 56,
59; Holzwarth FamFR 2013, 13; vgl. auch MüKo/Gräper BGB 6. Aufl. § 31
VersAusglG Rn. 5). Zur Begründung führen die Vertreter dieser Auffassung aus,
dass der Anwendungsbereich des § 18 Abs. 1 VersAusglG in unzulässiger Weise
auf nicht gleichartige Anrechte ausgedehnt werde, wenn man für die
Geringfügigkeitsprüfung auf den Gesamtsaldo aller Anrechte abstelle. Der
Regelung des § 18 VersAusglG könne kein übergeordnetes Prinzip dahingehend
entnommen werden, in Bagatellfällen von einem Wertausgleich abzusehen
(jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 25). Demgegenüber erfordere
das Besserstellungsverbot des § 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG, den Ausgleich auf
den Betrag zu begrenzen, den der Berechtigte bei Anwendung der §§ 9 ff.
VersAusglG im Ergebnis als Überschuss bekommen hätte. Soweit in diesem Fall
Anrechte nach § 18 VersAusglG ausgenommen worden wären, könne der
Berechtigte auch im Rahmen der nach § 31 Abs. 2 S. 1 VersAusglG gebotenen
Gesamtsaldierung nicht an diesen Anrechten partizipieren. Auf die Frage, inwieweit
der Versorgungsträger bei einem Ausgleich nach § 31 VersAusglG belastet werde,
komme es daher nicht an (OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046 Rn. 10; Holzwarth
FamFR 2013, 13; vgl. auch Götsche in: Rehbein/Breuers/Götsche aaO § 31 Rn.
20 f.).
36 b) Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
37 aa) Ursprünglich sah der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Strukturreform
des Versorgungsausgleichs in § 18 Abs. 1 VersAusglG vor, dass das
Familiengericht vom Ausgleich absehen sollte, wenn die Differenz sämtlicher
beiderseitigen Ausgleichswerte auf Kapitalwertbasis gering war (BT-Drucks.
16/10144 S. 11). Erst aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses
wurde die in § 18 Abs. 1 VersAusglG vorgesehene Regelung zum Ausschluss des
Versorgungsausgleichs bei geringfügigem Wertunterschied der beiderseitigen
Ausgleichswerte dahingehend modifiziert, dass sie nur noch für Anrechte gleicher
Art galt (BT-Drucks. 16/11903 S. 13, 54). Auf diese Weise sollte ausweislich der
Begründung der Beschlussempfehlung einerseits der Anwendungsbereich der
Norm eingeschränkt und den Bedenken Rechnung getragen werden, die von
einigen Sachverständigen gegen den Vergleich sämtlicher Anrechte auf
Stichtagsbasis erhoben wurden. Zum anderen sollte der Anwendungsbereich des
§ 18 VersAusglG flexibilisiert werden (BT-Drucks. 16/11903 S. 54).
38 Demgemäß unterscheidet der Wortlaut des § 18 VersAusglG nunmehr zwischen
Anrechten gleicher Art (Absatz 1) und einzelnen Anrechten (Absatz 2), wobei
„einzeln“ als Abgrenzung zu „gleicher Art“ zu verstehen ist (BGH FamRZ 2012, 277
Rn. 25).
39 bb) Vor diesem Hintergrund widerspricht es der Systematik des § 18 VersAusglG,
in Fällen des § 31 VersAusglG bei der Anwendung des § 18 VersAusglG darauf
abzustellen, ob der Gesamtsaldo sämtlicher - also auch nicht gleichartiger -
Anrechte geringfügig ist. Denn auf diese Weise würde der Anwendungsbereich
des § 18 Abs. 1 VersAusglG auf nicht gleichartige Anrechte ausgedehnt (jurisPK-
BGB/Breuers aaO § 31 VersAusglG Rn. 25). Von einer derartigen
Gesamtsaldierung sämtlicher Anrechte wurde im Gesetzgebungsverfahren indes
bewusst abgesehen.
40 cc) Auf der anderen Seite sind geringfügige Anrechte im Sinne des § 18 Abs. 2
VersAusglG sowie gleichartige Anrechte mit geringfügiger Wertdifferenz im Sinne
des § 18 Abs. 1 VersAusglG dann nicht in die gemäß § 31 VersAusglG
erforderliche Ausgleichsbilanz einzustellen, wenn sie im Rahmen der (fiktiven)
Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den §§ 9 ff. VersAusglG ohne den
Tod eines Ehegatten ebenfalls nicht ausgeglichen worden wären.
41 Zwar trifft es zu, dass mit der Einbeziehung dieser Anrechte in die Ausgleichsbilanz
für die Versorgungsträger kein Verwaltungsaufwand verbunden ist. Da im Rahmen
des § 31 VersAusglG lediglich ein Ausgleich in Höhe der Wertdifferenz erfolgt,
stellen die einzelnen Anrechte lediglich Rechenposten dar (OLG Koblenz FamRZ
2012, 1807 juris Rn. 6; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376 juris Rn. 2; OLG
Brandenburg FamRZ 2011, 1299 juris Rn. 10; OLG Dresden Beschluss vom
3.11.2010 - 23 UF 500/10 - juris Rn. 19; Holzwarth FamFR 2012, 300;).
42 Jedoch ergibt sich das Erfordernis einer Anwendung des § 18 VersAusglG auf
einzelne in die Ausgleichsbilanz einzustellende Anrechte aus § 31 Abs. 2 S. 1
VersAusglG. Danach darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich
nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt
worden wäre. Eine derartige Besserstellung würde aber eintreten, wenn der
Berechtigte im Rahmen des § 31 VersAusglG auch von Anrechten profitieren
würde, die im Falle des Wertausgleichs nach der Scheidung ohne den Tod des
anderen Ehegatten nicht ausgeglichen worden wären (OLG Naumburg FamRZ
2013, 1046 Rn. 10; Holzwarth FamFR 2013, 13; vgl. auch Götsche in:
Rehbein/Breuers/Götsche aaO § 31 VersAusglG Rn. 20 f.).
43 Zu Unrecht verweist die Gegenauffassung darauf, dass § 31 Abs. 2 VersAusglG
nicht den Zweck verfolge, eine sich aus der Anwendung des § 18 VersAusglG
ergebende Besserstellung zu vermeiden (Erman/Norpoth aaO § 31 VersAusglG
Rn. 4a). § 31 Abs. 2 VersAusglG differenziert von seinem Wortlaut her nicht
danach, worauf die zu vermeidende Besserstellung beruht. Vielmehr ist in der
Gesetzesbegründung ausdrücklich davon die Rede, dass es eines Vergleichs der
Höhe der dem überlebenden Ehegatten verbleibenden Anrechte mit der Höhe der
Anrechte bedürfe, die er nach durchgeführtem Wertausgleich bei der Scheidung
gehabt hätte (BT-Drucks. 16/10144 S. 71). Im Falle des durchgeführten
Wertausgleichs bei der Scheidung wäre indes auch § 18 VersAusglG zur
Anwendung gekommen.
44 c) In Anwendung der vorstehenden Grundsätze steht § 18 VersAusglG vorliegend
der Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht entgegen. Außerdem sind
vorliegend sämtliche Anrechte in die Ausgleichsbilanz einzubeziehen.
45 Zwar unterschreitet die Differenz der Ausgleichswerte der beiderseitigen
angleichungsdynamischen Anrechte von 1.901,98 DM die am 30.6.1992, also zum
Ende der Ehezeit geltende monatliche Bezugsgröße nach § 18 Abs. 3 VersAusglG
iVm § 18 Abs. 1 SGB IV von 4.200 DM.
46 Jedoch wären beide Anrechte im Falle des Wertausgleichs bei der Scheidung
nach §§ 9 ff. VersAusglG dennoch auszugleichen gewesen. Denn die Differenz
der Ausgleichswerte der beiderseitigen regeldynamischen Anrechte von 5.091,91
DM überschreitet die Geringfügigkeitsgrenze, so dass diese Anrechte im
Wertausgleich bei der Scheidung intern zu teilen gewesen wären. Mit einer
internen Teilung auch der angleichungsdynamischen Anrechte wäre daher für den
Versorgungsträger allenfalls ein geringer zusätzlicher Verwaltungsaufwand
verbunden gewesen. Zudem hätte eine interne Teilung der
ausgleichsdynamischen Anrechte keine Splitterversorgung zur Folge gehabt.
Daher hätte es pflichtgemäßem Ermessen entsprochen, einen
unverhältnismäßigen Eingriff in den Halbteilungsgrundsatz zu vermeiden und in
Ansehung der angleichungsdynamischen Anrechte von einer Anwendung des §
18 Abs. 1 VersAusglG abzusehen (vgl. BGH FamRZ 2012, 192 Rn. 42, 48). Dies
gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin über höhere angleichungsdynamische
Anrechte verfügt als der verstorbene Antragsteller. Vor diesem Hintergrund hätte
es einen besonders gravierenden Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz
beinhaltet, wenn man in Anwendung des § 18 Abs. 1 VersAusglG davon
abgesehen hätte, die Gesamtbelastung des Antragstellers zu dessen Gunsten zu
reduzieren.
47 5. Entgegen der Auffassung der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland
hat der Ausgleich vorliegend nicht durch Übertragung von Entgeltpunkten (Ost) zu
erfolgen. Vielmehr sind 0,2471 Entgeltpunkte vom Versorgungskonto des
vormaligen verstorbenen Antragstellers auf das Versorgungskonto der
Antragsgegnerin zu übertragen.
48 Sind mehrere Anrechte auszugleichen, so ist gemäß § 31 Abs. 2 S. 2 VersAusglG
nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich
herangezogen werden. Dabei sind insbesondere weitere wertbildende Faktoren zu
berücksichtigen, etwa die Dynamik, der Risikoschutz etc. (jurisPK-BGB/Breuers
aaO § 31 VersAusglG Rn. 26; Götsche in: Rehbein/Breuers/Götsche aaO § 31
VersAusglG Rn. 28). Jedenfalls aber darf ein Anrecht nicht über seinen
Ausgleichswert herangezogen werden (jurisPK-BGB/Breuers aaO § 31
VersAusglG Rn. 26; Götsche in: Rehbein/Breuers/Götsche aaO § 31 VersAusglG
Rn. 27; Wick aaO Rn. 548).
49 In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend die Heranziehung der
angleichungsdynamischen Anrechte des verstorbenen vormaligen Antragstellers
nicht geboten. Denn die Antragsgegnerin verfügt über höhere
angleichungsdynamische Anrechte als der verstorbene Antragsteller. Eine
Heranziehung der angleichungsdynamischen Anrechte des Antragstellers würde
folglich isoliert betrachtet die Ausgleichsrichtung umkehren (vgl. auch OLG Celle
FamRZ 2013, 382 juris Rn. 36).
50 Demzufolge entspricht es billigem Ermessen, die regeldynamischen Anrechte des
verstorbenen Antragstellers heranzuziehen. Angesichts des zum Ende der Ehezeit
maßgeblichen Umrechnungsfaktors von 0,0001231170 sind daher zum Ausgleich
des Saldos von 2.007,39 DM 0,2471 Entgeltpunkte zu übertragen.
51 6. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-RG iVm §§ 150
Abs. 5 S. 2, 81 Abs. 1 FamFG, die Festsetzung des Beschwerdewerts auf §§ 40,
50 Abs. 1 FamGKG.
52 7. Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Sowohl die Frage, ob die im Rahmen des § 31 Abs. 1, Abs. 2 VersAusglG
gebotene Saldierung regel- und angleichungsdynamischer Anrechte allein auf der
Grundlage der korrespondierenden Kapitalwerte der beiderseitigen Anrechte
erfolgen kann, als auch die Frage, ob und in welcher Form § 18 VersAusglG in
Fällen des § 31 VersAusglG anwendbar ist, sind bisher noch nicht höchstrichterlich
geklärt.