Urteil des OLG Stuttgart vom 31.10.2014

lebensversicherung, teilung, allgemeine versicherungsbedingungen, allgemeine geschäftsbedingungen

OLG Stuttgart Beschluß vom 31.10.2014, 15 UF 113/14
Versorgungsausgleich: Nichtigkeit einer Teilungsordnung des
Versorgungsträgers für ein Anrecht aus einer privaten Rentenversicherung bei
Verstoß gegen den Halbteilungsgrundsatz
Leitsätze
1. Eine in der Teilungsordnung eines Versorgungsträgers enthaltene Regelung,
wonach für das im Rahmen der internen Teilung zugunsten des
Ausgleichsberechtigten zu begründende Versorgungsanrecht die aktuellen
Rechnungsgrundlagen, also insbesondere der aktuelle Rechnungszins zur
Anwendung kommen, wird den Anforderungen des § 11 Abs. 1 VersAusglG nicht
gerecht, sondern widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz und ist daher gemäß § 134
BGB als nichtig anzusehen (Anschluss an OLG Schleswig FamRZ 2014, 1113).
2. Im Umfang der Unwirksamkeit der Teilungsordnung gelten gemäß § 11 Abs. 2
VersAusglG für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die Regelungen über
das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person entsprechend. Insbesondere kommt auf
das zu begründende Anrecht der Rechnungszins zur Anwendung, der dem
auszugleichenden Versorgungsanrecht zugrunde liegt.
Tenor
1. Auf die Beschwerden des Antragstellers und der Antragsgegnerin wird der
Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Heilbronn vom 6.5.2014 in Ziff. 2 Abs.
5 der Beschlussformel abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Im Wege der externen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der
Antragsgegnerin bei der AXA Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...)
zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 2.845,02 EUR auf das
vorhandene Konto des Antragstellers bei der Deutschen
Rentenversicherung Baden-Württemberg (Vers. Nr. ...), bezogen auf den
31.12.2012, übertragen. Die AXA Lebensversicherung AG wird verpflichtet,
diesen Betrag nebst Zinsen von 3,5 % p.a. vom 1.1.2013 bis zur Rechtskraft
dieser Entscheidung an die Deutsche Rentenversicherung Baden-
Württemberg zu bezahlen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des
Antragstellers bei der AXA Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) zugunsten
der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 5.336,44 EUR, bezogen auf
den 31.12.2012, begründet. Die Begründung des Anrechts erfolgt gemäß der
Teilungsordnung der AXA Lebensversicherung AG vom 1.9.2011, jedoch mit
der Maßgabe, dass entgegen Ziff. 5 Spiegelstrich 3 der Teilungsordnung für
das zu begründende Anrecht der Antragsgegnerin nicht der aktuelle
Rechnungszins zur Anwendung kommt, sondern der Rechnungszins von 4
%, der dem auszugleichenden Anrecht des Antragstellers zugrunde liegt.
2. Die weitergehende Beschwerde des Antragstellers wird zurückgewiesen.
3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen der Antragsteller und die
Antragsgegnerin je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Wert: 1.380 EUR
Gründe
I
1
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 4.8.2001 die Ehe
geschlossen. Der Scheidungsantrag wurde am 17.1.2013 zugestellt.
2
In der gesetzlichen Ehezeit (1.8.2001 bis 31.12.2012) haben beide Eheleute
Versorgungsanrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erzielt. Der
Antragsteller hat außerdem bei der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes
AG ein Versorgungsanrecht erlangt. Das Anrecht ist noch nicht unverfallbar.
3
Zudem hat der Antragsteller zwei Versorgungsanrechte bei der AXA
Lebensversicherung AG mit den Versicherungsnummern ... und ... erlangt.
4
Der Versorgungsträger hat den Ehezeitanteil des Versorgungsanrechts mit der
Versicherungsnummer ... mit 11.002,95 EUR und den Ausgleichswert mit 5.336,44
EUR mitgeteilt. Das Anrecht stammt aus einer privaten Rentenversicherung nach
dem Tarif CR 2 MR-94. Ausweislich der vom Versorgungsträger mitgeteilten
Vertragsdaten war Versicherungsbeginn am 1.6.1995. Der Zahlbeitrag beträgt
monatlich 90,26 EUR. Frühestens ab Juni 2035 ist für eine Mindestlaufzeit von 5
Jahren eine monatliche Altersrente von 325,14 EUR vorgesehen, die versicherte
Berufsunfähigkeitsrente beträgt monatlich 578,60 EUR. Der Berechnung des
Kapitalwerts des Anrechts liegt ein Rechnungszins von 4 % zugrunde.
Ausweislich Ziff. 5 der Teilungsordnung vom 1.9.2011 entspricht der Charakter der
mit dem Ausgleichswert zugunsten der ausgleichsberechtigten Person
einzurichtenden Versorgung hinsichtlich der Garantien und der Produktkategorie
der ursprünglichen Altersversorgung. Jedoch kommen die aktuellen
Rechnungsgrundlagen zur Anwendung. Dies hat insbesondere zur Folge, dass
dem im Wege der internen Teilung zugunsten der Antragsgegnerin zu
begründenden Anrecht nicht der dem ursprünglichen Vertrag zugrunde liegende
Rechnungszins von 4 %, sondern der aktuelle Rechnungszins von (derzeit) 1, 75
% zugrunde zu legen ist.
5
Den Ehezeitanteil des Versorgungsanrechts mit der Versicherungsnummer ... hat
der Versorgungsträger mit 832,48 EUR und den Ausgleichswert mit 416,24 EUR
mitgeteilt. Das Anrecht stammt aus einer privaten Rentenversicherung nach dem
Tarif CR 2 MR-94. Ausweislich der vom Versorgungsträger mitgeteilten
Vertragsdaten war Versicherungsbeginn am 1.6.2006. Der Zahlbeitrag beträgt
monatlich 30,70 EUR. Frühestens ab Juni 2035 ist für eine Mindestlaufzeit von 5
Jahren eine monatliche Altersrente von 59,36 EUR vorgesehen, die versicherte
Berufsunfähigkeitsrente beträgt monatlich 105,62 EUR. Im Übrigen findet auch auf
dieses Anrecht die Teilungsordnung vom 1.9.2011 Anwendung.
6
Die Antragsgegnerin hat ebenfalls ein Anrecht bei der AXA Lebensversicherung
AG erlangt. Der Versorgungsträger hat den Ehezeitanteil dieses Anrechts mit der
Versicherungsnummer ... mit 5.690,04 EUR und den Ausgleichswert mit 2.845,02
EUR mitgeteilt sowie in Ansehung dieses Anrechts die externe Teilung beantragt.
Das Anrecht stammt aus einer privaten Riester-Rentenversicherung nach dem
Tarif VR 2 F-1. Ausweislich der vom Versorgungsträger mitgeteilten Vertragsdaten
war Versicherungsbeginn am 1.3.2002. Der Zahlbeitrag beträgt monatlich 37,67
EUR. Frühestens ab März 2042 ist für eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren eine
monatliche Altersrente von 52,82 EUR vorgesehen. Eine Berufsunfähigkeitsrente
ist nicht vorgesehen. Der Berechnung des Kapitalwerts des Anrechts liegt ein
Rechnungszins von 3,5 % zugrunde.
7
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 6.5.2014 hat das Amtsgericht -
Familiengericht die Ehe der Ehegatten geschieden und die beiderseitigen
Anrechte bei der Deutschen Rentenversicherung intern geteilt. Das Anrecht des
Antragstellers bei der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes hat das
Amtsgericht mangels Ausgleichsreife nicht geteilt, sondern insofern den
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Weiter hat das Amtsgericht
bestimmt, dass ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der AXA
Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) und des Anrechts der Antragsgegnerin bei
der AXA Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) nicht stattfinde.
8
Die Antragsgegnerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, dass sowohl das
Anrecht des Antragstellers bei der AXA Lebensversicherung AG mit der
Versicherungsnummer ... und einem Ausgleichswert von 5.336,44 EUR als auch
das Anrecht der Antragsgegnerin bei der AXA Lebensversicherung AG mit der
Versicherungsnummer ... und einem Ausgleichswert von 2.845,02 EUR intern zu
teilen seien. Sie verweist darauf, dass § 18 Abs. 1 VersAusglG vorliegend wegen
grober Unbilligkeit nicht anzuwenden sei. Der Antragsteller habe seine erhöhten
Versicherungsbeiträge gegenüber der Antragsgegnerin unterhaltsmindernd
geltend gemacht. Würde der Ausgleich nunmehr unterlassen, wäre er doppelt
belohnt.
9
Die Antragsgegnerin beantragt, in Abänderung des Beschlusses vom 6.5.2014
wie folgt zu erkennen:
10 1. Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts des Antragstellers
bei der AXA Lebensversicherung AG zur dortigen Vers.-Nr. ... ein Anrecht
zugunsten der Antragsgegnerin mit einem Kapitalwert von 5.336,44 EUR auf
deren Versicherung bei der gleichen Lebensversicherung mit der
Versicherungsnummer ... übertragen.
11 2. Im Wege der internen Teilung wird zulasten des Anrechts der Antragsgegnerin
bei der AXA Lebensversicherung AG zur dortigen Vers.-Nr. ... ein Anrecht
zugunsten des Antragstellers mit einem Kapitalwert von 2.845,02 EUR auf
dessen Versicherung bei der gleichen Lebensversicherung mit der Vers.-Nr. ...
übertragen.
12 Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom
6.5.2014 in Ziff. 2 wie folgt zu ändern:
13 a) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts des Antragstellers
bei der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (Vers. Nr. ...)
zugunsten der Antragsgegnerin ein Anrecht in Höhe von 6,9056
Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen
Rentenversicherung Berlin-Brandenburg, bezogen auf den 31.12.2012,
übertragen.
14 b) Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der
Antragsgegnerin bei der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg
(Vers. Nr. ...) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 3,8625
Entgeltpunkten auf das vorhandene Konto ... bei der Deutschen
Rentenversicherung Baden-Württemberg, bezogen auf den 31.12.2012,
übertragen.
15 c) Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der
Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (Vers. Nr. ...) im Wertausgleich bei
der Scheidung findet nicht statt.
16 d) Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der AXA
Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
17 e) Ein Ausgleich des Anrechts des Antragstellers bei der AXA
Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
18 f) Ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der AXA
Lebensversicherung AG (Vers. Nr. ...) findet nicht statt.
19 g) Ausgleichsansprüche nach der Scheidung bleiben vorbehalten.
20 Der Antragsteller möchte mit seiner Beschwerde erreichen, dass im
Versorgungsausgleich auch eine Entscheidung über sein Anrecht bei der AXA
Lebensversicherung AG mit der Versicherungsnummer ... und einem
Ausgleichswert von 5.336,44 EUR getroffen wird. Dieses Anrecht habe das
Amtsgericht versehentlich nicht berücksichtigt. Die jeweiligen Anrechte der
Beteiligten bei der AXA Lebensversicherung AG seien gleichartig gemäß § 18
Abs. 1 VersAusglG. Da die Differenz ihrer Kapitalwerte die Grenze des § 18 Abs. 3
VersAusglG nicht überschreite, seien sämtliche Anrechte vom
Versorgungsausgleich auszuschließen.
21 Die AXA Lebensversicherung AG hat erklärt, dass die seitens der
Antragsgegnerin beantragte wechselseitige Einbringung der Ausgleichswerte in
die bestehenden Verträge nach der Teilungsordnung nicht möglich sei. Eine
interne Teilung sei nur im Wege der Teilung der bestehenden Verträge möglich,
zudem führe die Übertragung des Ausgleichswerts aus dem Riestervertrag der
Antragsgegnerin in die Privatversorgung des Antragstellers zu einer schädlichen
Verwendung. Ob und inwieweit es sich bei den Anrechten der Eheleute um
gleichartige Anrechte im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG handle, könne die
AXA Lebensversicherung AG nicht beurteilen. Bei den Verträgen Nr. ... und handle
es sich um vor dem 1.1.2005 abgeschlossene Rentenversicherungen mit
Kapitalwahlrecht und einer eingeschlossenen Berufsunfähigkeits-
Zusatzversicherung, während die Versicherung Nr. ... eine Riester-
Rentenversicherung beinhalte. Die steuerliche Behandlung der Versicherungen
sei unterschiedlich.
II
22 Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat auch in der Sache Erfolg,
während die Beschwerde des Antragstellers nur insofern Erfolg hat, als dieser eine
Regelung auch hinsichtlich seines Versorgungsanrechts bei der AXA
Lebensversicherung AG mit der Vers. Nr. ... begehrt. Soweit der Antragsteller
geltend macht, dass in Ansehung dieses Anrechts ein Versorgungsausgleich nicht
stattzufinden habe, vermag er mit seiner Beschwerde nicht durchzudringen.
23 1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers können seine
Versorgungsanrechte bei der AXA Lebensversicherung AG einerseits und das
Versorgungsanrecht der Antragsgegnerin bei der AXA Lebensversicherung AG
andererseits nicht als gleichartig im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG gewertet
werden.
24 a) Gemäß § 18 Abs. 1 VersAusglG soll das Familiengericht beiderseitige Anrechte
gleicher Art nicht ausgleichen, wenn die Differenz ihrer Ausgleichswerte gering ist.
Anrechte gleicher Art im Sinne dieser Norm sind Anrechte, die sich in ihrer Struktur
und Wertentwicklung entsprechen, so dass ein Saldenausgleich nach
Verrechnung im Wesentlichen zu demselben wirtschaftlichen Ergebnis führt wie
ein Hin- und Herausgleich. Eine Wertidentität ist nicht erforderlich, vielmehr ist eine
strukturelle Übereinstimmung in wesentlichen Fragen (z.B. Leistungsspektrum,
Finanzierungsart, Anpassung von Anwartschaften und laufenden Versorgungen,
Insolvenzschutz) ausreichend (BT-Drs. 16/11903 S. 54, 16/10144 S. 55).
25 Bei der danach anzustellenden Vergleichsbetrachtung sind nicht die im Rahmen
des Versorgungsausgleichs zu begründenden, sondern die tatsächlich von den
Ehegatten erworbenen Anrechte miteinander zu vergleichen, zu deren Lasten der
Wertausgleich - vorbehaltlich der Prüfung nach § 18 VersAusglG - durchzuführen
ist. Es sind also die Versorgungsanrechte vor einer eventuellen Teilung
miteinander zu vergleichen. Nur so kann verhindert werden, dass die
Billigkeitsentscheidung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG je nach Fallgestaltung von
der Wahl der Zielversorgung abhängig ist (BGH FamRZ 2014, 549 Rn. 10 f.).
26 b) In Anwendung dieser Grundsätze sind die Anrechte des Antragstellers bei der
AXA Lebensversicherung AG mit den Vers. Nrn. ... und ... einerseits und das
Anrecht der Antragsgegnerin bei der AXA Lebensversicherung AG mit der Vers.
Nr. ... andererseits nicht als vergleichbar im Sinne des § 18 Abs. 1 VersAusglG zu
werten. Denn sie unterscheiden sich im Leistungsspektrum, also in einem
wesentlichen Aspekt. Während beide Anrechte des Antragstellers neben einer
Altersversorgung auch eine Absicherung für den Fall der Berufsunfähigkeit
vorsehen, dient das Anrecht der Antragsgegnerin ausschließlich der
Altersvorsorge.
27 2. Demzufolge ist das Anrecht des Antragstellers mit der Vers. Nr. ...
auszugleichen. Denn der Ausgleichswert dieses Anrechts von 5.336,44 EUR
übersteigt die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 2, 3 VersAusglG.
28 Da die AXA Lebensversicherung AG von dem Wahlrecht nach § 14 Abs. 2 Nr. 2
VersAusglG keinen Gebrauch gemacht hat, ist das Anrecht gemäß § 10
VersAusglG intern zu teilen.
29 Die interne Teilung hat im Ausgangspunkt gemäß der Teilungsordnung der AXA
Lebensversicherung AG vom 1.9.2011 zu erfolgen. Allerdings ist eine Modifikation
dahingehend veranlasst, dass entgegen Ziff. 5 Spiegelstrich 3 der
Teilungsordnung für das zu begründende Anrecht der Antragsgegnerin der
Rechnungszins zur Anwendung kommt, der dem auszugleichenden Anrecht des
Antragstellers zugrunde liegt.
30 a) Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 VersAusglG muss die interne Teilung die gleichwertige
Teilhabe der Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Anrechten
sicherstellen. Dies ist gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 VersAusglG nur gewährleistet, wenn
für die ausgleichsberechtigte Person ein eigenständiges und entsprechend
gesichertes Anrecht übertragen wird (Nr. 1), wenn ein Anrecht in Höhe des
Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung entsteht (Nr. 2) und wenn der
gleiche Risikoschutz gewährt oder - im Falle der Beschränkung des
Risikoschutzes auf eine Altersversorgung - für das nicht abgesicherte Risiko ein
zusätzlicher Ausgleich bei der Altersversorgung geschaffen wird (Nr. 3).
31 b) Diesen Anforderungen wird die Teilungsordnung der AXA Lebensversicherung
AG vom 1.9.2011 nicht in vollem Umfang gerecht. Vielmehr widerspricht Ziff. 5
Spiegelstrich 3 der Teilungsordnung dem Halbteilungsgrundsatz, weshalb diese
Klausel gemäß § 134 BGB insoweit als nichtig anzusehen ist.
32 aa) Nach Ziff. 5 Spiegelstrich 3 der Teilungsordnung kommen für die im Rahmen
der internen Teilung auf Seiten des Ausgleichsberechtigten einzurichtende
Versicherung die aktuellen Rechnungsgrundlagen zur Anwendung. Dies hat
vorliegend insbesondere zur Folge, dass auf das zugunsten der Antragsgegnerin
zu begründende Versorgungsanrecht nicht der dem zu teilenden
Versicherungsvertrag zugrunde liegende Rechnungszins von 4 %, sondern der
aktuelle Rechnungszins von derzeit 1,75 % Anwendung findet. Auf diese Weise
wird es der AXA Lebensversicherung AG ermöglicht, sich im Zuge des
Versorgungsausgleichs von für sie ungünstigen Altverträgen teilweise zu lösen.
33 bb) Eine derartige Anknüpfung an die aktuellen Rechnungsgrundlagen
widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz und verstößt somit gegen § 11
VersAusglG (OLG Schleswig FamRZ 2014, 1113, 1114; Erman/Norpoth BGB 14.
Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 4).Denn die Wertentwicklung eines Anrechts wird
insbesondere durch den dem Anrecht zugrunde liegenden Garantie- bzw.
Rechnungszins bestimmt (OLG Schleswig FamRZ 2014, 1113, 1114). Kommt auf
das zugunsten des Ausgleichsberechtigten zu begründende Anrecht lediglich der
bei Ehezeitende geltende niedrigere Rechnungszins zur Anwendung, so sind aus
dem zu begründenden Anrecht von vornherein geringere Versorgungsleistungen
zu erwarten, als der Ausgleichspflichtige aus dem ihm verbleibenden hälftigen
Ehezeitanteil des Anrechts unter Beibehaltung der ursprünglich zugesagten
günstigeren Verzinsung erzielen kann. Diese unterschiedliche Werthaltigkeit des
verbleibenden und des zu begründenden Anrechts setzt sich im Rahmen der
späteren Wertentwicklung beider Anrechte fort.
34 cc) Auch aus der Deckungsrückstellungsverordnung (DeckRV) ergibt sich nicht,
dass die Anknüpfung an die aktuellen Rechnungsgrundlagen zulässig ist. Zwar
sieht § 2 Abs. 2 S. 2 DeckRV lediglich vor, dass bei einem im Rahmen der
internen Teilung nach § 10 VersAusglG zugunsten der ausgleichsberechtigten
Person abzuschließenden Versicherungsvertrag auch der dem ursprünglichen
Versicherungsvertrag zugrunde liegende Rechnungszins verwendet werden kann.
Hieraus folgt indes nicht, dass es dem Versicherungsunternehmen freigestellt ist,
den dem Ursprungsvertrag zugrunde gelegten oder den aktuellen Rechnungszins
zu verwenden. Vielmehr gibt § 2 Abs. 2 S. 2 DeckRV den
Versicherungsunternehmen lediglich die Möglichkeit, ihrer aus § 11 Abs. 1
VersAusglG folgenden Verpflichtung nachzukommen, ohne gegen § 2 Abs. 1,
Abs. 2 S. 1 DeckRV zu verstoßen (OLG Schleswig FamRZ 2014, 1113, 1114; vgl.
auch Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rn. 566).
35 c) Als Konsequenz der Teilnichtigkeit der Teilungsordnung hat die interne Teilung
der Versicherung Nr. ... gemäß der Teilungsordnung der AXA Lebensversicherung
AG vom 1.9.2011 zu erfolgen, jedoch mit der Maßgabe, dass entgegen Ziff. 5
Spiegelstrich 3 der Teilungsordnung für das zu begründende Anrecht der
Antragsgegnerin nicht der aktuelle Rechnungszins zur Anwendung kommt,
sondern der Rechnungszins von 4 %, der dem auszugleichenden Anrecht des
Antragstellers zugrunde liegt.
36 aa) Bei den Regelungen der Teilungsordnung handelt es sich um Allgemeine
Versicherungsbedingungen.
37 Die AXA Lebensversicherung AG verfügt nicht über die Kompetenz,
untergesetzliche Normen einseitig zu setzen. Die Teilungsordnung kann folglich
nicht als Satzung gewertet werden. Vielmehr kann sie nur auf vertraglicher
Grundlage Bestandteil des Versicherungsvertrags werden (vgl. MüKoBGB/Gräper
6. Aufl. § 11 VersAusglG Rn. 3). Da die Teilungsordnung zudem Bedingungen
enthält, die seitens des Versorgungsträgers für eine Vielzahl von Verträgen
vorformuliert und dem Versicherungsnehmer einseitig gestellt wurden, sind die in
der Teilungsordnung enthaltenen Regelungen regelmäßig gemäß § 305 Abs. 1
BGB als allgemeine Versicherungsbedingungen zu werten.
38 bb) Demgemäß hat die Unwirksamkeit von Ziff. 5 Spiegelstrich 3 der
Teilungsordnung nicht die Unwirksamkeit der gesamten Teilungsordnung zur
Folge. Vielmehr ist insoweit § 306 Abs. 1 BGB anwendbar. Danach bleibt der
Vertrag im Übrigen wirksam, sofern allgemeine Geschäftsbedingungen ganz oder
teilweise unwirksam sind.
39 cc) Im Umfang der Unwirksamkeit der Teilungsordnung gelten gemäß § 11 Abs. 2
VersAusglG für das Anrecht der ausgleichsberechtigten Person die Regelungen
über das Anrecht der ausgleichspflichtigen Person entsprechend. Zur Anwendung
kommt demzufolge der Rechnungszins von 4 %, der dem auszugleichenden
Versorgungsanrecht des Antragstellers zugrunde liegt.
40 d) Nicht zu beanstanden ist demgegenüber, dass sich die für die Antragsgegnerin
einzurichtende Versorgung im Gegensatz zum auszugleichenden Anrecht auf
eine Altersversorgung beschränkt. Gemäß Ziff. 5 Spiegelstrich 1 der
Teilungsordnung erfolgt insoweit ein zusätzlicher Ausgleich bei der
Altersversorgung, die sich entsprechend erhöht. Anhaltspunkte dafür, dass der
Ausgleich im Einzelnen unangemessen ist, sind nicht gegeben.
41 3. Auch das Anrecht der Antragsgegnerin bei der AXA Lebensversicherung AG
mit der Vers. Nr. ... ist im Versorgungsausgleich zu teilen. Zwar überschreitet der
Ausgleichswert dieses Anrechts von 2.845,02 EUR den Geringfügigkeitsgrenzwert
gemäß §§ 18 Abs. 2, Abs. 3 BGB nicht. Dennoch ist ausnahmsweise der
Versorgungsausgleich auch in Ansehung dieses Anrechts durchzuführen.
42 a) Liegen die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 VersAusglG vor, hat das
Familiengericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach
pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen, ob trotz des geringen Ausgleichswerts ein
Wertausgleich ausnahmsweise geboten ist. Hierbei sind insbesondere die
Belange des Versorgungsträgers an einer Verwaltungsvereinfachung gegen die
Interessen des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch
geringfügiger Anrechte gegeneinander abzuwägen. Zudem darf im Rahmen der
Abwägung der Halbteilungsgrundsatz nicht außer Betracht bleiben. Diesem
gebührt der Vorrang, wenn die mit der Regelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG
bezweckte Verwaltungsvereinfachung nicht in einem den Ausschluss des
Ausgleichs rechtfertigenden Maße erreicht werden kann. Ist mit der Durchführung
des Versorgungsausgleichs kein signifikanter Verwaltungsaufwand für den
Versorgungsträger verbunden, und entsteht im Falle der Durchführung des
Versorgungsausgleichs auch keine Splitterversorgung, so ist das Ermessen des
Gerichts grundsätzlich eingeschränkt und der Ausgleich zur Wahrung des
Halbteilungsgrundsatzes durchzuführen (BGH FamRZ 2012, 189 Rn. 19 f.;
FamRZ 2012, 192 Rn. 35, 40 ff.; Schwab/Holzwarth Handbuch des
Scheidungsrechts 7. Aufl. Rn. VI 366, 366a).
43 b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend dem Halbteilungsgrundsatz der
Vorrang einzuräumen und das Anrecht der Antragsgegnerin ausnahmsweise trotz
des geringfügigen Ausgleichswerts zu teilen. Da der Versorgungsträger in
Ansehung dieses Anrechts die externe Teilung vorgesehen hat, ist mit der
Durchführung des Versorgungsausgleichs kein signifikanter Verwaltungsaufwand
verbunden. Zudem hat der Antragsteller von seinem Wahlrecht hinsichtlich der
Zielversorgung keinen Gebrauch gemacht. Demzufolge ist im Wege der externen
Teilung gemäß § 15 Abs. 5 VersAusglG ein Anrecht in der gesetzlichen
Rentenversicherung zu begründen, was das Entstehen einer Splitterversorgung
ausschließt. Schließlich ist noch zu berücksichtigen, dass die ausgleichspflichtige
Antragsgegnerin selbst den Ausgleich (auch) dieses Anrechts beantragt hat, der
Ausgleich also ihrem Willen entspricht. Da im Rahmen der Abwägung gemäß § 18
Abs. 2 VersAusglG auch der Wille der Ehegatten zu berücksichtigen ist
(Schwab/Holzwarth aaO Rn. VI 366), spricht auch dieser Aspekt für einen
Ausgleich des Anrechts.
44 c) Der Ausgleich hat gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG im Wege der externen
Teilung zu erfolgen. Der Versorgungsträger hat die externe Teilung verlangt. Der
Ausgleichswert von 2.845,02 EUR überschreitet den Grenzwert von 240 % der
monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV nicht.
45 d) Die externe Teilung hat gemäß § 15 Abs. 5 S. 1 VersAusglG durch die
Begründung eines Anrechts in der gesetzlichen Rentenversicherung zu erfolgen.
Denn der Antragsteller hat innerhalb der ihm gesetzten Frist keinen abweichenden
Zielversorgungsträger benannt.
46 e) Der seitens der AXA Lebensversicherung AG gemäß § 14 Abs. 4 VersAusglG
an die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg zu zahlende
Kapitalbetrag ist für den Zeitraum vom Ende der Ehezeit bis zur Rechtskraft der
Entscheidung über den Versorgungsausgleich mit dem Rechnungszins von 3,5 %
p.a. zu verzinsen, der dem auszugleichenden Anrecht zugrunde liegt (BGH
FamRZ 2013, 1019 Rn. 6 ff.; FamRZ 2013, 773 Rn. 21 ff.).
47 4. Eine Abänderung der Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht zum
Versorgungsanrecht des Antragstellers bei der AXA Lebensversicherung AG mit
der Vers. Nr. ... ist nicht veranlasst.
48 Die erstinstanzliche Entscheidung zu dem vorgenannten Anrecht haben weder
der Antragsteller noch die Antragsgegnerin angegriffen. Vielmehr beschränken
sich die Beschwerden in zulässiger Weise (BGH FamRZ 2013, 1795 Rn. 10;
FamRZ 2011, 547 Rn. 17) auf den Ausgleich der Anrechte mit den Vers. Nrn. ...
und ....
49 Der Senat ist auch nicht befugt, die nicht angegriffenen Teile der erstinstanzlichen
Entscheidung zum Versorgungsausgleich von Amts wegen abzuändern. Denn im
Falle einer Teilanfechtung fallen nur die von der Anfechtung betroffenen
Versorgungsanwartschaften in die Entscheidungskompetenz des
Beschwerdegerichts. Weil im reformierten Versorgungsausgleich die
Versorgungsanwartschaften einzeln ausgeglichen werden, berührt die
Entscheidung über eine Anwartschaft nicht zwingend auch die bei anderen
Versorgungsträgern bestehenden Anwartschaften. Die Beschwerde zwingt daher
nicht zu einer Gesamtrevision des Versorgungsausgleichs. Dies gilt im Übrigen
auch deshalb, weil ansonsten die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung
anerkannte Zulässigkeit der Teilanfechtung ohne Konsequenzen bliebe und
folglich letztlich überflüssig wäre (Senatsbeschluss vom 30.12.2013 - FamRZ
2014, 1047 - juris Rn. 29, 43 ff. mwN).
50 Anderes gilt zwar dann, wenn von einer Anfechtung umfasste Anrechte einerseits
und von der Anfechtung nicht umfasste Anrechte andererseits in einem
wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis stehen (Senatsbeschluss vom
30.12.2013 - FamRZ 2014, 1047 - juris Rn. 29 mwN). Ein derartiges
Abhängigkeitsverhältnis ist vorliegend jedoch nicht zu bejahen. Angesichts des
geringen Ausgleichswerts des Versorgungsanrechts bei der AXA
Lebensversicherung AG mit der Vers. Nr. ... von 416,24 EUR fällt dieses im
Rahmen der nach § 18 VersAusglG gebotenen Billigkeitsabwägung nicht ins
Gewicht.
51 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 150 Ab. 1 FamFG.
52 6. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 FamFG wegen
grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. In Rechtsprechung und Literatur ist
bislang nicht geklärt, ob eine in der Teilungsordnung eines Versorgungsträgers
enthaltene Regelung, wonach auf das im Wege der internen Teilung zugunsten
des Ausgleichsberechtigten zu begründende Anrecht die aktuellen
Rechnungsgrundlagen einschließlich des aktuellen Rechnungszinses anwendbar
sind, gegen den Halbteilungsgrundsatz und damit gegen § 11 VersAusglG
verstößt.