Urteil des OLG Stuttgart vom 16.03.2016

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OLG Stuttgart Beschluß vom 16.3.2016, 11 WF 44/16
Leitsätze
Der Ausschluss der isolierten Anfechtbarkeit der Bestellung eines
Verfahrensbeistandes gemäß § 158 Abs. 3 S.4 FamFG gilt auch dann, wenn die
Bestellung durch einen Rechtspfleger erfolgt. Auch die Rechtspflegererinnerung
gemäß § 11 Abs. 2 RPflG ist in diesem Fall nicht statthaft.
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Ulm vom 24.02.2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1 Der Antragsteller hat gegen die Antragsgegnerin einen Antrag auf
Auskunftserteilung über die persönlichen Verhältnisse des gemeinsamen Kindes
gemäß § 1686 BGB gestellt. Durch Beschluss vom 21.1.2016 bestellte die
zuständige Rechtspflegerin für das betroffene Kind eine Rechtsanwältin zum
Verfahrensbeistand, stellte fest, dass der Verfahrensbeistand die
Verfahrensbeistandschaft berufsmäßig ausübt und übertrug ihr die weitere
Aufgabe, Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes zu
führen sowie an einer einvernehmlichen Regelung über den
Verfahrensgegenstand mitzuwirken.
2 Dieser Beschluss wurde am 26.01.2016 formlos an den Antragsteller übersandt.
Der Antragsteller legte am 15.02.2016 Beschwerde mit der Begründung ein, der
Beschluss verletze ihn in seinen verfassungsrechtlichen Grundrechten,
prozessualen Grundrechten und in seinen einfachen Rechten. Zudem lehnt er in
der Beschwerde sowohl die bestellte Verfahrensbeiständin als auch das
zuständige Jugendamt sowie die dortige Sachbearbeiterin wegen Befangenheit
ab.
3 Durch Verfügung vom 22.02.2016 legte die Rechtspflegerin die Akten dem
zuständigen Richter als Erinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG mit dem Zusatz vor,
dass sie der Erinnerung nicht abhelfe. Durch den nunmehr angefochtenen
Beschluss vom 24.2.2016 wies der zuständige Amtsrichter die Erinnerung gegen
den Beschluss der Rechtspflegerin vom 21.1.2016 mit der Begründung zurück,
dass diese Entscheidung gemäß § 158 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht selbstständig
anfechtbar sei.
4 Gegen diese Entscheidung, die dem Antragsteller am 27.2.2016 förmlich zugestellt
wurde, legte er am 29.2.2016 sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, dass
§ 158 Abs. 3 S. 2 FamFG nicht gelte, wenn eine solche Entscheidung durch den
Rechtspfleger getroffen worden sei und beruft sich auf eine Entscheidung des
BayObLG (FamRZ 2003,189).
5 Die sofortige Beschwerde ist gemäß §§ 11 Abs. 2 RPflG, 567 ff. ZPO statthaft und
zulässig, sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.
6 In der Sache hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg.
7 Zunächst ist klarzustellen, dass diese Beschwerdeentscheidung nur zur Frage der
Anfechtung der Bestellung zum Verfahrensbeistand ergeht. Soweit der
Antragsteller in seiner Beschwerde vom 15.2.2016 Verfahrensbeteiligte als
befangen abgelehnt, ist bislang eine Entscheidung noch nicht ergangen, so dass
hierauf in dieser Entscheidung nicht einzugehen ist.
8 Zu Recht ist das Familiengericht davon ausgegangen, dass die Regelung unter §
158 Abs. 3 S. 4 FamFG, wonach die Bestellung eines Verfahrensbeistandes nicht
selbständig anfechtbar ist, auch dann gilt, wenn nicht ein Richter, sondern ein
Rechtspfleger über die Bestellung entschieden hat. Zutreffend weist der
Antragsteller darauf hin, dass das BayObLG in einer Entscheidung (FamRZ 2003,
189) in einem Fall, in dem im Rahmen eines Betreuungsverfahrens, als es letztlich
um die Festsetzung der Vergütung des Betreuers ging, vom Rechtspfleger ein
Verfahrenspfleger bestellt wurde, entschieden hat, dass trotz des damals gültigen
Grundsatzes, dass die Bestellung eines Verfahrenspflegers unanfechtbar ist, eine
Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG statthaft ist, weil
Entscheidungen des Rechtspflegers, soweit sie in Rechte des Bürgers
eingegriffen, einer richterlichen Prüfung zu unterstellen seien.
9 Die einschlägigen Kommentare zum FamFG gehen auf die Frage dieser
Einschränkung der Unanfechtbarkeit der Bestellung des Verfahrensbeistandes
nicht ein (Keidel/Engelhardt, FamFG, 18. Aufl., § 158 Rn 43;
Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 3. Aufl., § 158, Rn 55; Zöller/Lorenz, ZPO, 31.
Aufl., § 158 FamFG, Rn. 10; Münchner Kommentar/Schumann, FamFG, 2. Aufl.,Rn
23 f.). Lediglich Zorn (Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, Kommentar, § 158 FamFG
Rdn. 34) bestätigt die Statthaftigkeit der Rechtspflegererinnerung unter Hinweis auf
die zitierte Entscheidung des BayObLG
10 Der Senat folgt der Entscheidung des BayObLG für die Frage der Bestellung eines
Verfahrensbeistandes nicht. Diese Entscheidung beruft sich in der Begründung auf
eine Entscheidung des BVerfG aus dem Jahr 2000 (NJW 2000, 1709). In dieser
Entscheidung war das BVerfG mit der Frage des verfassungsrechtlichen Gebotes
effektiven Rechtsschutzes bei nachlassgerichtlichen Genehmigungen gemäß §§
55, 62 FGG befasst. Dort führt das Gericht aus, dass Akte des Rechtspflegers zur
öffentlichen Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG gehörten und, soweit diese
Akte in Rechte des Bürgers eingegriffen, sie auch vollständig in rechtlicher und
tatsächlicher Sicht der richterlichen Prüfung unterstellt werden müssten. Die
Möglichkeit, gegen Entscheidungen des Rechtspflegers den Richter anzurufen, sei
regelmäßig durch § 11 RPflG eröffnet.
11 Eine besondere Prüfung ist daher dann geboten, wenn nach einer Norm eine
Anfechtbarkeit grundsätzlich nicht gegeben ist. Hierzu führt das BVerfG aus, dass
die Rechtsschutzgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG zwar keine
voraussetzungslose und zeitlich unbegrenzte Zugänglichkeit des Rechtswegs
erfordere und die Ausgestaltung der Voraussetzungen und Bedingungen des
Zugangs zum Gericht vielmehr den jeweiligen Prozessordnungen überlassen
bleibe. Der Gesetzgeber könne durchaus auch Regelungen treffen, die für ein
Rechtsschutzbegehren besondere formelle Voraussetzungen aufstellten und sich
dadurch für den Rechtsuchenden einschränkend auswirkten. Die Grenze sei
erreicht, wenn der Anspruch des Einzelnen auf eine tatsächlich wirksame
gerichtliche Kontrolle nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu
rechtfertigender Weise erschwert werde.
12 Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben des BVerfG ist im konkreten Fall der
Bestellung eines Verfahrensbeistandes gemäß § 158 FamFG die Zulassung einer
Rechtspflegererinnerung gemäß § 11 Abs. 2 RPflG trotz der gesetzlichen
Regelung unter § 158 Abs. 3 S. 4 FamFG zur Gewährleistung der
Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht erforderlich. Die Bestellung
eines Verfahrensbeistandes greift grundsätzlich nicht in Rechte der Eltern ein.
Insbesondere wird das bestehende Sorgerecht nicht tangiert. Eine
Beeinträchtigung der Eltern durch die Bestellung des Verfahrensbeistandes ergibt
sich lediglich daraus, dass durch diese Bestellung Kosten entstehen, die unter
Umständen in der das Verfahren abschließenden Entscheidung den Eltern ganz
oder teilweise auferlegt werden können.
13 Nachdem diese Kosten jedoch im Kindschaftsverfahren nicht etwa schon vor der
das Verfahren beendenden Entscheidung von den Beteiligten im Wege des
Vorschusses angefordert werden, wirkt sich die Kostenbelastung frühestens mit
der das Verfahren abschließenden Entscheidung aus. Nachdem einerseits die das
Verfahren abschließende Entscheidung des Rechtspflegers anfechtbar ist und in
jedem Fall eine Entscheidung eines Richters erreicht werden kann und
andererseits gemäß § 58 Abs. 2 FamFG der Beurteilung des Beschwerdegerichts
über die Endentscheidung auch die nicht selbstständig anfechtbaren
Entscheidungen, die ihr vorausgegangen sind, unterliegen, ist durch diese
Regelung sichergestellt, dass eine richterliche Kontrolle über die durch die
Bestellung des Verfahrensbeistandes entstehenden Kosten, deren Notwendigkeit
und deren Verteilung auf die Beteiligten stattfindet. Damit ist den Voraussetzungen,
die das BVerfG in der zitierten Entscheidung zur Gestaltung des effektiven
Rechtsschutzes bei Tätigwerden des Rechtspflegers aufgestellt hat, ausreichend
Genüge getan. Den Beteiligten, insbesondere den Eltern ist zumutbar, die aus ihrer
Sicht gegen die Bestellung sprechenden Gründe im Rahmen einer Beschwerde
gegen die Endentscheidung vorzubringen. Ein Grund dafür, bereits zu einem
früheren Zeitpunkt für die Zwischenentscheidung über die Bestellung eines
Verfahrensbeistandes eine richterliche Kontrolle zu ermöglichen, ist nicht
ersichtlich. Zudem würde damit der Zweck dieser Regelung des § 158 Abs. 3 S. 4
FamFG, nämlich die Verfahrensbeschleunigung gerade in Kindschaftssachen,
durch die Zulassung der Rechtspflegererinnerung an dieser Stelle erschwert.
14 Nachdem die hiesige Entscheidung von der zitierten Entscheidung des BayObLG
abweicht, wird hinsichtlich der Frage, ob bei einer Bestellung eines
Verfahrensbeistandes durch den Rechtspfleger die Rechtspflegererinnerung
gemäß § 11 Abs. 2 RPflG statthaft ist, die Rechtsbeschwerde zugelassen.
15 Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.