Urteil des OLG Stuttgart vom 17.09.2015
einkünfte, persönliche anhörung, trennung, unterhalt
OLG Stuttgart Beschluß vom 17.9.2015, 11 UF 100/15
Trennungsunterhalt: Berechnung des Unterhaltsanspruchs bei hohen
bereinigten Gesamteinkünften der Eheleute; Obliegenheit zum Immobilienerwerb
bei Vorhandensein erheblicher Barmittel
Leitsätze
1. Bei bereinigten Gesamteinkünften der Eheleute von 8.839,00 EUR monatlich
errechnet sich der Unterhaltsanspruch nach dem Halbteilungsbedarf. Eine konkrete
Bedarfsermittlung ist nicht erforderlich.
2. Das Vorhandensein erheblicher Barmittel begründet auch in Zeiten geringer
Kapitalerträge keine Obliegenheit zum Immobilienerwerb zum Zwecke der Steigerung
der Rendite.
Tenor
1. Der Antragsgegner wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, seine
Beschwerde ohne weitere mündliche Verhandlung zurückzuweisen, § 68 Abs. 3
FamFG.
2. Der Antragsgegner erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12.10.2015.
Gründe
I.
1 Die am … geborene Antragstellerin und der am … geborene Antragsgegner haben
am … geheiratet. Aus der Ehe sind die Kinder … geboren am …, und …, geboren
am …, hervorgegangen, die seit der Trennung der Beteiligten im … im Haushalt
des Antragsgegners leben.
2 In Vorbereitung der Trennung haben die Beteiligten am … und am …
ehevertragliche Scheidungsfolgenvereinbarungen getroffen. Auf den
Versorgungsausgleich wurde verzichtet, der Zugewinnausgleich sollte nur
hinsichtlich von Vermögensgegenständen durchgeführt werden, die den
Vertragsteilen gemeinschaftlich gehören, wozu, unter Berücksichtigung des
Nachtrags vom 09.03.2010 lediglich der Hausrat und etwaige gemeinsame
Bankkonten zählen sollten. Nach dem Vortrag des Antragsgegners im
vorliegenden Verfahren existierten jedoch gemeinsame Guthabenkonten nicht.
Hinsichtlich des Ehegattenunterhalts beließen es die Beteiligten ausdrücklich bei
der gesetzlichen Regelung.
3 Durch Anwaltsschreiben vom 26.09.2012 forderte die Antragstellerin den
selbstständig tätigen Antragsgegner zur Auskunft über seine Einkünfte in den
letzten fünf Jahren zum Zwecke der „Überprüfung und gegebenenfalls
Geltendmachung“ von Trennungsunterhaltsansprüchen auf. Da sie mit den
erteilten Auskünften nicht zufrieden war, nahm sie den Antragsgegner durch
Schriftsatz vom 27.09.2013, beim Familiengericht eingegangen am 01.10.2013, im
Wege des Stufenantrags auf Trennungsunterhalt in Anspruch.
4 Die Antragstellerin war während der Ehe mit einem Deputat von 20 Stunden
teilschichtig als tätig und übte zusätzlich eine Nebentätigkeit beim … von
wöchentlich 4 - 5 Stunden aus. Sie hat sich in erster Instanz darauf berufen,
krankheitsbedingt nicht in der Lage zu sein, mehr als teilschichtig zu arbeiten, was
durch ein eingeholtes medizinisches Sachverständigengutachten nicht bestätigt
wurde. Der Sachverständige Doktor … kam zu dem Ergebnis, dass
gesundheitsbedingte Beeinträchtigungen einer Vollzeitbeschäftigung mit 28
Wochenstunden nicht entgegenstehen.
5 Der Antragsgegner ist … und selbstständig tätig. Er ist Inhaber der … in …, deren
Gewinne er jeweils persönlich versteuert hat. Im Jahr 2009 … EUR im Jahr 2010
… EUR und im Jahr 2011 …. EUR.
6 Die Antragstellerin hatte in erster Instanz beantragt,
7
den Antragsgegner zu rückständigen Unterhaltszahlungen für September 2012
bis August 2013 in Höhe von 40.284 EUR sowie laufendem Unterhalt von 3.357
EUR monatlich ab September 2013 zu verpflichten.
8 Der Antragsgegner hatte Zurückweisung des Antrags beantragt.
9 Das Familiengericht hat die Antragstellerin mit einem vollschichtigen Einkommen
als fingiert, das Einkommen des Antragsgegners hat es grundsätzlich auf der
Grundlage der zu versteuernden Gewinne aus seiner selbstständigen Tätigkeit
berechnet. Von diesen Gewinnen in Höhe von monatsdurchschnittlich 21.030,75
EUR hat es einen Abzug von 24 % unter dem Gesichtspunkt der Altersvorsorge
akzeptiert, nachdem der Antragsgegner vorgetragen hat, dass er monatlich
lediglich 2.656,07 EUR zum Lebensunterhalt aus der Firma entnommen und den
restlichen Gewinn als Rücklage in der Firma belassen hat (thesauriert). Nach
Abzug von Steuer, Krankenversicherung, Kindesunterhalt und
Erwerbstätigenbonus ist es zu einem bereinigten Nettoeinkommen von 5.021,38
EUR gelangt. Bei beiden Beteiligten wurde einkommenserhöhend ein Wohnvorteil
berücksichtigt, der in der Höhe unstreitig ist.
10 Der Antragsgegner wurde verpflichtet, an die Antragstellerin rückständigen
Trennungsunterhalt für die Monate September 2012 bis August 2013 in Höhe von
18.024 EUR sowie laufenden Unterhalt in Höhe von 1.502 Euro monatlich ab
September 2013 zu bezahlen.
11 Mit der Beschwerde wendet sich der Antragsgegner gegen die Inanspruchnahme
auf Trennungsunterhalt.
12 Er ist der Auffassung, die Antragstellerin könne ihren Bedarf nach den ehelichen
Lebensverhältnissen durch eigenes Einkommen und den Ertrag aus ihrem
Vermögen selbst decken. Der Bedarf richte sich nach den tatsächlichen
Entnahmen aus den Firmengewinnen während der Ehezeit, nicht aus den erzielten
Gewinnen. Sollte aber auf die Gewinne der Firma abgestellt werden, sei der Bedarf
durch die Antragstellerin konkret darzulegen. Das Aufforderungsschreiben der
Antragstellerin vom 26.09.2012 begründe noch keine Verpflichtung zur Bezahlung
von Trennungsunterhalt, dieser sei vielmehr erst mit gerichtlicher Geltendmachung
geschuldet.
II.
13 Die zulässige Beschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, weshalb
der Senat beabsichtigt, sie ohne weitere mündliche Verhandlung zurückzuweisen,
da eine erneute persönliche Anhörung der Beteiligten keine neuen
entscheidungserheblichen Erkenntnisse erwarten lässt, § 68 Abs. 3 FamFG.
14 Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf Bezahlung
von Trennungsunterhalt gemäß § 1361 BGB, da sie mit ihren Einkünften aus einer
vollschichtigen Tätigkeit als … und den Zinserträgen aus ihrem Vermögen nicht in
der Lage ist, den nach den Lebensverhältnissen und den Erwerbs- und
Vermögensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt selbst zu
bestreiten.
15 Die ehelichen Lebensverhältnisse waren auf Seiten der Antragstellerin geprägt
durch ein teilschichtiges Einkommen als … (Deputat von 20 Stunden,
entsprechend 71,4 % einer vollschichtigen Tätigkeit) und einer Nebentätigkeit beim
… im Umfang von 4-5 Stunden pro Woche, wobei der Antragsteller in seinem
Beschwerdevorbringen die Gesamteinkünfte auf 1.503,23 EUR beziffert.
16 Soweit das Familiengericht die Antragstellerin nunmehr ihrer Obliegenheit gemäß
mit einem Einkommen aus vollschichtiger Tätigkeit fingiert (3.225,09 EUR ./.
Krankenversicherung 333,24 EUR) erweist sich diese - fiktive - Ausweitung der
Erwerbstätigkeit entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht lediglich als
bedarfsdeckend, sondern unter dem Gesichtspunkt des Surrogats für frühere
Familienarbeit als eheprägend und damit in die Bedarfsbemessung
einzubeziehend (ständige und nicht mehr bestrittene Rechtsprechung des BGH
und aller Obergerichte seit BGH FamRZ 2001, 986).
17 Zu Recht hat das Familiengericht vom Einkommen der Antragstellerin einen Betrag
in Höhe von 4 % des Bruttoeinkommens, insgesamt also 175,83 EUR monatlich
als zusätzliche Altersvorsorge in Abzug gebracht. Die Antragstellerin hat dargelegt
und nachgewiesen, dass sie 132 EUR monatlich auf einen Bausparvertrag und
400 EUR monatlich auf ein Sparbuch einbezahlt. Sowohl das Ansparen eines
Bausparvertrages (BGH FamRZ 2009, 1207) als auch der Aufbau von
Sparvermögen und ähnlichen Kapitaleinlagen (BGH FamRZ 2006, 1511; 2015,
1172) stellen berücksichtigungsfähige Aufwendungen für eine zusätzliche
Altersversorgung dar.
18 Den Kindesunterhalt hat das Familiengericht bei der Antragstellerin zu Recht mit
216 EUR monatlich, und nicht, wie vom Antragsgegner gerügt, lediglich mit 215
EUR monatlich eingestellt, da die Antragstellerin unstreitig monatlich 400 EUR
Kindesunterhalt bezahlt und hiervon lediglich das staatliche Kindergeld nicht aus
ihrem Einkommen aufzubringen ist. Dieses ist jedenfalls bis Ende 2015 gemäß Art.
8 Abs. 3 des Gesetzes zur Erhöhung des Grundfreibetrages, des
Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags unterhaltsrechtlich
weiterhin mit dem bis Ende 2014 gültigen Betrags von 184 EUR zu
berücksichtigen.
19 Die Zinserträge stellt der Senat in Übereinstimmung mit dem Familiengericht in der
Höhe ein, wie Kapitalerträge nach den vorgelegten Bescheinigungen tatsächlich
angefallen sind. Ein Nettoertrag von 4 %, wie vom Beschwerdeführer in Erwägung
gezogen, ist aktuell nicht zu erzielen. Insbesondere begründet das Vorhandensein
von liquiden Geldmitteln keine Obliegenheit, zur Steigerung der Rendite daraus
Immobilien zu erwerben, da angesichts des derzeit äußerst hohen Preisniveaus
auf dem Immobilienmarkt sich dies alsbald als Fehlentscheidung erweisen könnte
und sich eine solche Vermögensumschichtung daher als spekulativ darstellt.
20 Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Familiengericht auch auf Seiten
des Antragsgegners diejenigen Einkünfte als eheprägend angesehen, welche er
aus den von ihm versteuerten Gewinnen der von ihm betriebenen Firmen erzielt
hat.
21 Der Antragsgegner ist selbstständig tätig, weshalb bei ihm zum Zwecke der
Feststellung der unterhaltsrechtlich relevanten Einkünfte der aus der
geschäftlichen Tätigkeit erzielte Gewinn im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG zu
ermitteln ist. Dieser lässt sich aus letzten vorliegenden Jahresabschlüssen bzw.
Steuerbescheiden ersehen, welche die Antragstellerin vom Antragsgegner
erhalten und in das Unterhaltsverfahren eingeführt hat. Sie betreffen die
Geschäftsjahre 2009 - 2011 und weisen einen stetig ansteigenden steuerlichen
Gewinn aus, nämlich im Jahr 2009 165.867 EUR, im Jahr 2010 205.372 EUR und
im Jahr 2011 336.516 EUR, wozu im letzten Jahr das Familiengericht eine
Rückstellung in Höhe von 49.352 EUR gewinnerhöhend hinzugerechnet hat, was
vom Antragsgegner unsubstantiiert beanstandet wird.
22 Rückstellungen können gemäß § 249 Abs. 1 HGB gebildet werden für ungewisse
Verbindlichkeiten, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, unterlassene
Aufwendungen für Instandhaltung, die im folgenden Geschäftsjahr innerhalb von
drei Monaten oder für Abraumbeseitigung, die im folgenden Geschäftsjahr
nachgeholt werden, sowie für Gewährleistungen, die ohne rechtliche Verpflichtung
erbracht werden. Dies bedeutet, dass Rückstellungen nicht für Schadensausgleich
oder gar allgemeines Unternehmerwagnis oder für künftige Ausgaben gebildet
werden dürfen (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Kuckenberg/Perleberg-
Kölbel, 10. Aufl. 2015, Kap. 13 Rn. 79). In dieser Weise sind die Rückstellungen im
Jahresabschluss vom 30.06.2011 auch gekennzeichnet nämlich dass sie
beinhalten Garantien, restlicher noch nicht abgegoltener Urlaubsanspruch von
Mitarbeitern und Kosten der Aufbewahrung. Die Rechtfertigung der Rückstellung,
welche im Jahr 2011 angefallene Posten betrifft, hätten zum Zwecke der
unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung konkret nachgewiesenen müssen und
auch können, nachdem der Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz
mehr als drei Jahre nach dem betroffenen Veranlagungsjahr liegt. Da der
Antragsgegner keine entsprechenden Aufwendungen dargestellt hat, ist
unterhaltsrechtlich davon auszugehen, dass solche auch in nennenswerter Höhe
nicht entstanden sind, soweit sie aus dem Jahr 2011 resultieren, so dass die
Rückstellung gewinnerhöhend zu berücksichtigen ist (Wendl/Spieker, Das
Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 1 Rn. 388 ff.). Dies
gilt umso mehr, als das Familiengericht dem Antragsgegner im Veranlagungsjahr
2011 zugestanden hat, einen Gewinnanteil von 85.448,70 EUR als Zuführung zum
Firmenvermögen von der Unterhaltsberechnung auszunehmen.
23 Mit der Darstellung des vom Antragsgegner erzielten Einkommens ist die
Antragstellerin im Bereich des Quotenunterhalts (dazu unten) ihrer
Darlegungspflicht hinsichtlich des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens des
Antragsgegners nachgekommen.
24 Der Antragsgegner konnte nicht darlegen, dass dieses Einkommen wegen
anerkennenswerter anderweitiger Bestimmung dem Lebensunterhalt nicht zur
Verfügung stehen sollte und soll.
25 Nachdem der Antragsgegner für seine Tätigkeiten für die … und die … während
der Zeit des Zusammenlebens kein Gehalt bezog, die Jahresabschlüsse auch
keine gesonderten Positionen für Privatentnahmen erhalten, der Antragsgegner
vielmehr den gesamten erzielten Gewinn privat versteuert, ist ihm dieser
grundsätzlich auch in voller Höhe als Einkommen zuzurechnen.
26 Soweit er, ohne dass dies aus irgendwelchen Unterlagen konkret ersichtlich
gemacht wurde, behauptet, dass er die Gewinne bis auf einen geringen Anteil nicht
zum Lebensunterhalt verbraucht, sondern in der Firma gelassen habe, handelt es
sich unterhaltsrechtlich um Vermögensbildung, welche die Antragstellerin nach
Trennung der Beteiligten grundsätzlich nicht gegen sich gelten lassen muss. Im
Falle der Thesaurierung von Einkünften - wie vorliegend - gilt dies lediglich dann
ausnahmsweise nicht, wenn das dadurch gebildete Vermögen einem Ausgleich im
Zugewinnausgleich unterliegen würde, da dies einen Verstoß gegen das
Doppelverwertungsverbot darstellen würde (BGH FamRZ 2007, 1532). Da die
Beteiligten durch ehevertragliche Regelung sowohl den Wert der Firma als auch
das Kapitalvermögen auf Konten, welche allein auf den Antragsgegner lauten, dem
Zugewinnausgleich entzogen haben, ist eine doppelte Berücksichtigung der
angesparten Vermögenswerte ausgeschlossen, so dass eine Einbeziehung in den
Trennungsunterhalt regelgerecht zu erfolgen hat.
27 Da der Unterhalt der Vermögensbildung vorgeht, muss sich der
Unterhaltsberechtigte nach Trennung über einen reduzierten Unterhalt nicht mehr
an der Vermögensbildung des Unterhaltspflichtigen beteiligen, wobei es noch nicht
einmal darauf ankommt, ob die durch die Erzielung des Einkommens vorhandenen
Mittel während der Ehe zur Lebensführung zur Verfügung gestanden haben oder
nicht (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Gerhardt, 10 . Aufl. 2015, Kap. 6
Rn. 227). Auch wenn der Antragsgegner zutreffend darauf hinweist, dass die
Unterhaltsberechnung getrennt lebender Eheleute grundsätzlich die tatsächlich in
der Ehe gelebten Verhältnisse abbilden und kein neuer status quo geschaffen
werden soll, so ist anhand der vorhandenen Einkünfte mangels anderweitiger
Darlegung gleichwohl ein objektivierter Maßstab für die gerichtliche Feststellung
des ehelichen Lebensbedarfs iSd § 1361 BGB anzulegen (Palandt/Brudermüller,
BGB, 74. Aufl. 2015, § 1361 Rn. 11 mit Verweis auf § 1578 Rn 36).
28 Die Angaben des Antragsgegners, wonach während der Ehe Einnahmen aus
selbständiger Tätigkeit jeweils nur 2.656 EUR monatlich zur Deckung des
Lebensbedarfs zur Verfügung standen, werden durch die vorliegenden Unterlagen
nicht bestätigt. Der Antragsgegner trägt vor, er sei Geschäftsführer der
Komplementär-GmbH und beziehe ein monatliches Nettogehalt von 2.656,07
EUR. Zum Nachweis legt er Überweisungsgutschriften vom Geschäftskonto auf
sein Privatkonto für die Zeit ab Januar 2012, somit ab einem Jahr nach der
Trennung der Beteiligten, vor. Dies belegt lediglich, dass er nach der Trennung
eine abhängige Tätigkeit aufgenommen hat und seitdem Einkünfte als
Geschäftsführer einer GmbH bezieht.
29 Die vorliegenden Steuerbescheide für die Jahre 2009 - 2011 belegen dagegen,
dass dies während der Ehe der Beteiligten nicht der Fall war. Sämtliche
Steuerbescheide weisen keine Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit aus,
vielmehr versteuerte der Antragsgegner ausschließlich seine Einkünfte aus
Gewerbebetrieb sowie die Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit, welche die
Antragstellerin als Lehrerin erzielte. Nachdem der Antragsgegner, aus welchen
Gründen auch immer, seinen Bezug von Einkünften aus seinen Firmen gegenüber
dem während der Ehe gefahrenen Geschäftsmodell abgeändert hat, lassen sich
aus der jetzigen Handhabung keine Rückschlüsse auf die frühere Gestaltung
ziehen, weshalb insoweit auch die zum Beweis angebotene Vernehmung des
Steuerberaters nicht zielführend ist, da sich diese auf das seit 2012 angewandte
Verfahren bezieht.
30 Soweit der Antragsgegner darauf hinweist, dass der 16. Senat des OLG Stuttgart
(OLG Stuttgart FamRZ 2013, 1988) entschieden habe, dass bei
überdurchschnittlichen Einkünften in der Regel nicht das gesamte Einkommen für
den Lebensunterhalt verbraucht, sondern zu einem bestimmten Anteil für die
Vermögensbildung verwendet wird, hat das Familiengericht diesem Umstand
bereits dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass es einen Anteil in Höhe
von 24 % des zu versteuernden Einkommens (was in etwa 42 % des
Nettoeinkommens ausmacht) als Zuführung zum Vermögen anerkannt hat. Zwar
hat das Familiengericht diesen Anteil als zulässige Altersvorsorge bezeichnet,
woran gewisse Zweifel bestehen, nachdem der Antragsgegner selbst vorgetragen
hat, dass die von ihm betriebenen Firmen keinen Marktwert aufweisen, da sie stark
inhaberbezogen ausgerichtet seien.
31 Somit verbleibt es bei dem vom Familiengericht als unterhaltsrechtlich relevant
ermittelten Durchschnittseinkommen des Antragsgegners in Höhe von monatlich
6.468,19 EUR.
32 Zu Recht weist der Antragsgegner darauf hin, dass infolge Änderung der
Düsseldorfer Tabelle zum 01.08.2015 Kindesunterhalt von ihm geschuldet ist in
Höhe von monatlich 867 EUR anstelle der bisherigen Zahlung von 800 EUR,
welche das Familiengericht in seine Rechnung einkommensmindernd eingestellt
hat. Dies führt jedoch nicht zu einer Reduzierung des unterhaltsrechtlich
relevanten Einkommens, da das Familiengericht in der angefochtenen
Entscheidung regelwidrig den Erwerbstätigenbonus von 10 % vor Abzug des
Kindesunterhalts berechnet hat. Der Bonusabzug erfolgte deshalb in Höhe von
646,81 EUR, obwohl vom Nettoeinkommen des Antragsgegners zunächst noch
der Kindesunterhalt von 800 EUR in Abzug zu bringen gewesen wäre und sich der
Bonus sodann nur noch in Höhe von 566,81 EUR einkommensmindernd
ausgewirkt hätte. Dies sind 80 EUR weniger, als es nach der Berechnung des
Familiengerichts der Fall ist. Nachdem der Kindesunterhalt lediglich um 67 EUR
angestiegen ist, muss er auch nach Erhöhung des Kindesunterhalts noch aus
einem geringeren Einkommen Ehegattenunterhalt leisten, als dies bei zutreffender
Berechnung des Bonus der Fall gewesen wäre.
33 Damit verbleibt es auch zum Zwecke der Unterhaltsberechnung bei den
Gesamteinkünften beider Beteiligter in Höhe von 8.839,49 EUR, bzw. nach
Durchführung der Halbteilung bei einem jeweiligen Quotenbedarf von 4.419,75
EUR.
34 Angesichts dieser Einkommensverhältnisse geht der Senat davon aus, dass eine
konkrete Bedarfsbemessung nicht erforderlich ist.
35 Eine konkrete Bedarfsbemessung ist vorzunehmen, wenn bei besonders
günstigen Einkommensverhältnissen generell davon auszugehen ist, dass bereits
nach einem objektiven Maßstab ein Teil der zur Verfügung stehenden Mittel in die
Vermögensbildung fließt, weil er für die Lebensführung nicht benötigt wird (BGH
FamRZ 2010, 1637; 2012, 947). Wo allerdings bei sehr guten
Einkommensverhältnissen die Grenze für eine konkrete Bedarfsermittlung zu
ziehen ist, hängt stets vom Einzelfall ab.
36 Nach Auffassung des Senats bildet ein Bedarf (nicht Einkommen des Pflichtigen)
von ca. 5.000 EUR die Richtschnur (so auch OLG Zweibrücken FamRZ 2014, 216;
OLG Köln FamRZ 2012, 1731; OLG Brandenburg FamFR 2012, 320; FamRZ
2015, 1118; Wendl/Siebert, das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 9.
Aufl. 2015, § 4 Rn. 767; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Maier, 10. Aufl.
2015, Kap. 6 Rn. 706; Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Gerhardt aaO
Kap. 6 Rn. 268).
37 Angesichts der Tatsache, dass das Durchschnittseinkommen aller
versicherungspflichtig Beschäftigten sich im Jahr 2014 auf 34.857 EUR brutto
(entsprechend 1 Entgeltpunkt im Versorgungsausgleich) belief (netto bei
Steuerklasse I/0 1.829 EUR) erscheint es nicht gerechtfertigt, besonders günstige
Einkommensverhältnisse bereits bei 3/7 von 5.100 EUR (so die Leitlinien der
Oberlandesgerichte Hamm und Oldenburg) oder bei Festbeträgen von 2.500 EUR
(so die Leitlinien der Oberlandesgerichte Frankfurt und Jena) anzunehmen, da
diese Einkünfte das Durchschnittseinkommen nur moderat übersteigen und damit
noch nicht einmal der Tatsache der gehobenen Lebenshaltungskosten in
Ballungsgebieten Rechnung tragen. So hat in jüngster Zeit auch das OLG
Düsseldorf (FamRZ 2015, 1392) nach seinen Erfahrungswerten die Richtschnur
auf einen Bedarf oberhalb von 3.000 EUR angehoben, was im Rahmen der 3/7-
Methode Gesamteinkünften der Eheleuten vor Bonusabzug in Höhe von 7.000
EUR entspricht. Zwar hat der BGH in der Vergangenheit (BGH FamRZ 2010, 1637;
2012, 947) das Verlangen der Instanzgerichte nach Darlegung eines konkreten
Bedarfs gebilligt, sofern der pflichtige Ehegatte mehr als 5.100 EUR verdient,
jedoch stets auf das tatrichterliche Ermessen in diesen Fällen hingewiesen.
38 Der vom Familiengericht festgestellte Halbteilungsbedarf in Höhe von 4.419,75
EUR unterfällt somit noch der regelmäßigen Unterhaltsberechnung nach der
Halbteilung und macht noch keine Darstellung eines konkreten Bedarfs
erforderlich.
39 Der geforderte Trennungsunterhalt ist ab dem Zeitpunkt des Auskunftsverlangens
im September 2012 geschuldet, was sich zwanglos aus der gesetzlichen
Regelung der §§ 1361 Abs. 4 S.4, 1360a Abs. 3, 1613 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
ersehen lässt.