Urteil des OLG Stuttgart vom 03.06.2014

ausschluss der öffentlichkeit, bebauungsplan, grundsatz der öffentlichkeit, grundstück

OLG Stuttgart Urteil vom 3.6.2014, 102 U 2/13
Leitsätze
Ein Umlegungsbeschluss ist rechtswidrig und deshalb aufzuheben, wenn der
Anordnungsbeschluss die wesentlichen förmlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (hier:
Öffentlichkeit der Verhandlung des Gemeinderats).
Tenor
1. Auf die Berufung der Beteiligten zu 1-4 wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart
vom 19. Juli 2013, Az. 50 O 10/12 Baul., abgeändert und der Umlegungsbeschluss
der Beteiligten 5 vom 30.04.2012 „Ma. “ aufgehoben.
2. Die Beteiligten zu 5 und 6 tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits
in beiden Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten zu 5 und 6 können die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden
Betrags abwenden, wenn nicht die Beteiligten zu 1 bis 4 vor der Vollstreckung
Sicherheit in dieser Höhe leisten.
4. Die Revision wird zugelassen.
Berufungsstreitwert: 140.116,-- EUR
Gründe
I.
1 Die Beteiligten zu 1 bis 4 wenden sich als Antragsteller gegen den
Umlegungsbeschluss vom 30.4.2012 im Rahmen der Umlegung „Ma. “ und
begehren hilfsweise die Aufhebung des Umlegungsbeschlusses bezüglich ihrer
Grundstücke. Die als Antragsgegnerin bezeichnete Beteiligte zu 5 ist die
Gemeinde, auf deren Gebiet die Umlegung erfolgen soll, und die Beteiligte zu 6 die
Umlegungsstelle.
2 Bezüglich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des
Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 19.07.2013, AZ. 50 O 10/12 Baul.
verwiesen.
3 Mit diesem Urteil hat das Landgericht die Anträge zurückgewiesen. Die Anträge
seien zulässig. Ein eventueller Einwendungsverzicht des Rechtsvorgängers des
Antragstellers 4 betreffe nicht die Zulässigkeit des Antrags, sondern nur dessen
Begründetheit. Der Umlegungsbeschluss sei rechtmäßig. Formelle Mängel seien
nicht ersichtlich. Die Umlegung sei gemäß § 46 Abs. 1 BauGB erforderlich. Ziel der
Umlegung sei die Herstellung der erschließungs- und grundstücksmäßigen
Bebaubarkeit der Grundstücke des Umlegungsgebietes. Die Gemeinde habe im
Rahmen der Anordnung der Umlegung einen erheblichen Beurteilungsspielraum.
Alle Flurstücke der Antragsteller lägen im Bereich eines gültigen Bebauungsplans
aus dem Jahr 1983. Das Änderungsverfahren im beschleunigten Verfahren des §
13a BauGB tangiere den anzupassenden Bebauungsplan 1983 nicht. Das
beschleunigte Verfahren sei zulässig. In diesem sei eine neue Umweltprüfung
nicht erforderlich. Die freiwillige Bodenumlegung in den 1960er Jahren habe den
späteren Bebauungsplan 1983 zumindest nicht vollständig umgesetzt. Daher
stehe fest, dass die im Bebauungsplan 1983 vorgesehene Erschließung dieses
Gebiets nicht vollständig realisiert worden sei. Mit der im Umlegungsverfahren zu
erfolgenden Änderung der Grundstückszuschnitte habe die Gemeinde bei der
Einbeziehung dieser Flurstücke/Grundstücke der Antragsteller den Zweck und den
Anwendungsbereich der Umlegung im Sinn des § 45 BauGB erfüllt. Die
Anpassung des Bebauungsplans 1983 durch das Änderungsverfahren gemäß §
13a BauGB und der Umlegungsbeschluss selbst zeigten ausreichend verlässlich
festgelegte planerische Vorstellungen der Gemeinde. Die Antragsgegnerin habe in
das Umlegungsgebiet alle Grundstücke der Antragsteller zu Recht einbezogen,
weil die Grundstücke von der D. Straße als auch von der Da.-Straße und der B-
Straße umgrenzt seien und somit die Insel-Lage des Gebietes bildeten. Die
Grundstücke Flurstücke Nr. 2525 bis 2444/1 seien zu Recht aus dem
Umlegungsgebiet herausgenommen worden, weil dieser Bereich der Insel-Lage
des Gebiets nicht nur entsprechend dem Bebauungsplan bebaut, sondern durch
die B-Straße in vollem Umfang (beidseits) erschlossen sei. Dies gelte für die
Grundstücke der Antragsteller entlang der D. Straße und der Da.-Straße nicht. Die
Grundstücke könnten nicht gemäß § 52 Abs. 2 BauGB aus dem Umlegungsgebiet
herausgenommen werden, weil die Grundstücke in der Umlegung eine erstmalige
bebauungsplanmäßige Erschließung erhalten würden.
4 Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils verwiesen.
5 Nach Einwendungen der Antragsteller sind vom Änderungsbebauungsplangebiet
sämtliche Grundstücke der Antragsteller mit Ausnahme des Grundstücks Flurstück
Nr. 2491 ausgenommen worden. Der Änderungsbebauungsplan „Ma. - 3.
Änderung“ ist am 26.07.2013 im Mitteilungsblatt der Gemeinde G. bekannt
gemacht worden und in Kraft getreten. Gegen diesen Änderungsbebauungsplan
ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg ein Normenkontrollverfahren
der Antragsteller anhängig (AZ: 8 S 1597/13).
6 Die Antragsgegnerin hat in der Berufungsinstanz auszugsweise das Protokoll der
Sitzung des Gemeinderats vom 13.03.2012 vorgelegt, laut dem für einen Zeitraum
von 5 Minuten die Nichtöffentlichkeit hergestellt worden ist. Zu den Einzelheiten
des Sitzungsprotokolls wird auf Bl. 279 d.A. verwiesen.
7 Gegen das Urteil des Landgerichts wenden sich die Antragsteller mit ihrer
Berufung. Das Landgericht habe verkannt, dass der Bebauungsplan aus dem Jahr
1983 keine Erforderlichkeit im Sinn von § 46 Abs. 1 BauGB begründen könne. Die
Antragsgegnerin habe das Bebauungsplanänderungsverfahren eingeleitet, weil
der Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 nicht mehr den heutigen Anforderungen
entspreche und aus heutiger Sicht andere Grundstückszuschnitte erforderlich
seien. Die Antragsgegnerin wolle daher an den städtebaulichen Festsetzungen
und Zielsetzungen des Bebauungsplans 1983 nicht mehr festhalten. Bezüglich der
Grundstücke der Antragsteller strebe die Gemeinde keine
Bebauungsplanänderung mehr an, was durch die Reduzierung des
Änderungsbebauungsplangebiets dokumentiert sei.
8 Die Auffassung des Landgerichts, das Verfahren nach § 13a BauGB sei zulässig,
sei unzutreffend. Eine Maßnahme der Innenentwicklung sei nicht bereits deshalb
gegeben, weil ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 existiere. Der
Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 sei nicht vollzogen worden. Maßgeblich sei
allein die tatsächliche Bebauungssituation. Mit Ausnahme einer Bebauung entlang
der B-Straße, der D. Straße und einer denkmalgeschützten Bebauung an der Da.-
Straße sei der vollständige übrige Bereich durch Streuobstwiesen bestandgeprägt.
Damit fehlten die Voraussetzungen nach § 13a BauGB.
9 Im Rahmen einer freiwilligen Bodenordnung in den 1960er Jahren seien die
Grundstücke Flurstück Nr. 2481/1, 2481/2, 2481/3 und 2481 gebildet worden. Die
Grundstücke seien teilweise bebaut und das damals gebildete Grundstück
Flurstück Nr. 2481 an die Gemeinde übertragen worden. Der Bebauungsplan 1983
habe diese Grundstückszuschnitte berücksichtigt und übernommen. Das
Landgericht gehe daher rechtsirrig davon aus, dass die freiwillige Bodenumlegung
den späteren Bebauungsplan 1983 zumindest nicht vollständig umgesetzt habe.
Für die bebauungsplangemäße Herstellung der D. Straße entlang der genannten
Grundstücke bedürfe es keiner Inanspruchnahme der Grundstücke der
Antragsteller. Davon gehe offenbar auch das Landgericht aus. Es vertrete aber die
Auffassung, dass der Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 in den
Einmündungsbereichen noch nicht vollständig umgesetzt sei. Dies sei
unzutreffend. Von dem angesprochenen Einmündungsbereich D. Straße / Da.-
Straße sei allenfalls das im Eigentum der Gemeinde stehende Grundstück
Flurstück Nr. 2481 betroffen. Tatsächlich liege der Einmündungsbereich bereits
ausschließlich auf öffentlicher Fläche. Im Bereich des Grundstücks Flurstück Nr.
2481/1 verbleibe ein schmaler Grundstücksstreifen von wenigen Quadratmetern im
Eigentum der Gemeinde. Dies rechtfertige keine Einbeziehung des Grundstücks
Flurstück Nr. 2481/1. Der dortige Eigentümer wäre auch bereit, diesen
Grundstücksstreifen für sein Grundstück hinzuzuerwerben. Ein Verzicht der
Gemeinde auf die bebauungsplanmäßige Realisierung des Gehwegs auf der D.
Straße auf der Seite der Flurstücke der Antragsteller sei zu keinem Zeitpunkt
erklärt worden und begründe im Übrigen eine Erforderlichkeit einer Umlegung in
diesem Bereich nicht.
10 Im Rahmen des Umlegungsverfahrens entstünden bezüglich der Grundstücke der
Antragsteller nicht zweckmäßig gestaltete Grundstücke im Sinn von § 45 BauGB,
weil die Gemeinde den Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 für nicht mehr
zeitgemäß und überholt erachte. Das Änderungsbebauungsplanverfahren nach §
13a BauGB erfasse die Grundstücke der Antragsteller mit Ausnahme eines
Grundstücks gerade nicht. Eine Aufsiedlung und Bebauung des gesamten Gebiets
sei kaum zu erwarten, allenfalls in den nächsten 15 bis 20 Jahren. Die
Antragsgegnerin habe nicht dargelegt, von welchem Zeithorizont sie in diesem
Zusammenhang ausgehe. Für eine Bebauung, die in zeitlicher Hinsicht nicht
absehbar sei, fehle die Erforderlichkeit für eine Umlegung. Die Antragsgegnerin
strebe eine abschnittsweise Erschließung ohne zeitliche Vorstellungen oder
plausible Vorgaben an.
11 Die Abgrenzung des Umlegungsgebiets sei in nicht sachgerechter, sondern
willkürlicher Weise erfolgt.
12 Nach Auffassung des Landgerichts sei es gerechtfertigt, die Grundstücke entlang
der Bahnhofsstraße nicht in das Umlegungsverfahren einzubeziehen. Warum
bezüglich der Grundstücke der Antragsteller entlang der D. Straße und der Da.-
Straße etwas anderes gelten solle, habe das Landgericht nicht begründet.
Vielmehr gelte für diese Grundstücke entsprechendes wie für die Grundstücke
entlang der B-Straße. Obwohl das Grundstück im Bereich B-Straße / D. Straße mit
einer geringfügigen Fläche zur Herstellung der öffentlichen Wegeflächen
entsprechend dem jetzigen Änderungsbebauungsplan benötigt werde, sei es nicht
in die Umlegung einbezogen worden.
13 Die Grundstücke entlang der D. Straße würden im Rahmen der jetzigen Umlegung
eine erstmalige bauplanungsmäßige Erschließung erhalten unabhängig von der
Frage, ob und welche Flächen hierfür von den betroffenen Grundstücken
beansprucht werden. Für einen bebauungsplangemäßen Ausbau der D. Straße ab
dem Gebäude Nr. 25 entsprechend dem Bebauungsplan 1983 würden in jedem
Fall - anders als bei den Grundstücken der Antragsteller 1 und 2 -
Grundstücksflächen zur Herstellung der D. Straße benötigt werden. Diese
Grundstücke entlang der D. Straße seien sach- und gleichheitswidrig nicht in die
Umlegung mit einbezogen worden. Damit habe sich das Landgericht überhaupt
nicht auseinandergesetzt, obwohl diese Thematik intensiv unter Hinzuziehung von
vorgelegten Plänen und Karten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sei.
Das Flurstück Nr. 2447/1 sei im Bebauungsplan 1983 als öffentliche Grünanlage
ausgewiesen, aber nicht in das Umlegungsgebiet einbezogen worden.
14 Der Umlegungsbeschluss sei rechtswidrig, weil die Umlegungsanordnung vom
Gemeinderat nach einer teilweise nichtöffentlichen Beratung beschlossen worden
sei, wobei die Nichtöffentlichkeit entgegen dem Sitzungsprotokoll nicht nur 5
Minuten, sondern ca. 30 Minuten gedauert habe. Es habe kein ausreichender
Grund vorgelegen, die Nichtöffentlichkeit herzustellen.
15 Die Antragsteller beantragen:
16 Das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 50. Kammer für Baulandsachen - vom
19.07.2013 - 50 O 10/12 Baul. - wird geändert, und:
17 1. Der Umlegungsbeschluss vom 30.04.2012 bezüglich der Umlegung „Ma. “ wird
aufgehoben.
18 2. Hilfsweise: Der Umlegungsbeschluss vom 30.04.2012 bezüglich der Umlegung
„Ma. “ wird insoweit aufgehoben, als die Grundstücke Flurstück Nr. 2481/1,
Flurstück Nr. 2481/2, Flurstück Nr. 2481/3, Flurstück Nr. 2487, Flurstück Nr. 2490
und Flurstück Nr. 2491 in den Umlegungsbeschluss bzw. das Umlegungsgebiet
mit einbezogen sind.
19 Die Antragsgegnerin und der Umlegungsausschluss beantragen:
20 Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 50 O 10/12 Baul. vom
19.07.2013 - zurückzuweisen.
21 Der Rechtsvorgänger des Beteiligten 4 habe sich rechtsverbindlich auch für seine
Rechtsnachfolger verpflichtet, gegen ein späteres Bebauungsplan- und
Umlegungsverfahren keine Einwendungen zu erheben, weshalb eine Eintragung
im Baulastenverzeichnis erfolgt sei.
22 Der VGH Baden-Württemberg habe auf einen Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO mit
Beschluss vom 15.11.2013 entschieden, dass die Anträge abgelehnt würden und
festgestellt, dass eine Betroffenheit der dortigen Antragsteller nicht vorliege.
23 Das Umlegungsgebiet müsse zweckmäßig gestaltet sein; dabei bestehe ein weiter
Beurteilungsspielraum. Die Umlegung werde im Geltungsbereich des
Bebauungsplans 1983 in der Änderungsfassung gemäß Satzungsbeschluss vom
23.07.2013 durchgeführt. Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO
dürfe nicht erfolgen. Ein Umlegungsbeschluss könne selbst dann erfolgen, wenn
kein rechtswirksamer Bebauungsplan vorliege. Es liege ein Umlegungsbeschluss
nach § 47 Abs. 2 BauGB vor, der nicht von einem wirksamen Bebauungsplan
abhänge. Vorliegend bestehe aber ein in Kraft getretener und wirksamer
Bebauungsplan in der Änderungsfassung vom 23.07.2013. Der angefochtene
Umlegungsbeschluss betreffe allein die Einbeziehung der Grundstücke in das
Umlegungsgebiet, weshalb das Normenkontrollverfahren für das vorliegende
Verfahren keine Rolle spiele.
24 Der Bebauungsplan 1983 entspreche in dem heute noch unbebauten Bereich
städtebaulich nicht mehr den heutigen Anforderungen. Um dem bisherigen
Zustand des rechtskräftigen Bebauungsplans durch eine organischere Art der
Bebauung abzuhelfen, sei es städtebaulich sinnvoll, den Bebauungsplan 1983 in
seinem unbebauten Bereich zu ändern. Die Bebauungsplanung werde durch die
Änderung an die gegebenen städtebaulichen Vorstellungen der Gemeinde und
dem Bedarf an Bauplätzen angepasst. Das vorliegende Baugebiet sei das letzte
mögliche und mit größeren Flächen zusammenhängende Baugebiet, welches
nunmehr umgesetzt werden solle. Es habe eine rege Nachfrage nach Bauplätzen
eingesetzt. Vier Bauplätze seien bereits vergeben und weitere Interessenten
hätten sich bei der Gemeinde gemeldet.
25 Das Umlegungsgebiet sei ermessensfehlerfrei abgegrenzt worden, um eine
zweckmäßige Umlegung durchzuführen. Die Frage der Wirksamkeit des
Bebauungsplanes stelle sich hier gerade nicht. Im Rahmen des
Umlegungsbeschlusses nach § 47 Abs. 2 BauGB gehe es allein um die
Einbeziehung derjenigen Grundstücke, die einer Erneuerung zugeführt und/oder
erstmals endgültig erschlossen würden. Nur gravierende Ermessensfehler oder die
Undurchführbarkeit des Planungskonzepts könnten zur Aufhebung eines
Umlegungsbeschlusses führen. Auch der VGH habe in dem Eilverfahren nach §
47 Abs. 6 VwGO mit Beschluss vom 15.11.2013 (8 S 2368/13) bestätigt, dass
weder eine Betroffenheit der beteiligten Antragsteller festzustellen noch der
Bebauungsplan als nicht durchsetzbar anzusehen sei.
26 Verfahrensmängel des geänderten Bebauungsplans seien im vorliegenden
Verfahren unbehelflich.
27 Das seit mehreren Jahrzehnten feststehende Planungskonzept solle nunmehr in
die Tat umgesetzt werden unter Berücksichtigung der neuen städtebaulichen
Erkenntnisse und im Zusammenhang mit einer abschnittsweisen Erschließung.
Qualitativ und an der Art der baulichen Nutzung habe sich damit nichts geändert.
28 Zutreffend habe das Landgericht gebilligt, dass im Bereich der B-Straße bestimmte
Grundstücke aus dem Umlegungsgebiet ausgenommen worden seien, weil diese
nicht nur entsprechend dem Bebauungsplan bebaut, sondern durch die B-Straße
in vollem Umfang beidseits erschlossen seien. Dies gelte hinsichtlich der
Grundstücke der Antragsteller entlang der D. Straße und der Da.-Straße gerade
nicht. Vom vermessungstechnischen Sachverständigen sei für das
Umlegungsverfahren bestätigt worden, dass von den Grundstücken Flurstück Nr.
2490 und 2487 nach den Festsetzungen des Bebauungsplans 1983 Flächen für
öffentliche Zwecke sowohl im westlichen als auch im östlichen Bereich in Anspruch
genommen würden. Beim Flurstück Nr. 2481/1 würde sich die Fläche vergrößern
und bei den Flurstücken Nr. 2481/2 und 2481/3 erfolge eine Neuordnung der
Grundstücke.
29 Beim Flurstück Nr. 2447/1 sei keine Neuordnung erforderlich, weshalb es nicht in
die Umlegung mit einbezogen worden sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum
gerade dieses Grundstück, welches einer Bebauung entzogen und keiner
Neuordnung zugänglich sei, mit einbezogen werden solle. In den mündlichen
Verhandlungen vor der Baulandkammer sei ausführlichst klar gestellt und
verdeutlicht worden, dass im gesamten Bereich des Umlegungsgebietes die
Grundstücke neu zu ordnen seien, um die bebauungsplanmäßigen
Erschließungen und Anordnungen der Baufenster sinnvoll umsetzen zu können.
Es sei städtebaulich sinnvoll gewesen, den Abschnitt, den die Antragsteller
teilweise bebaut haben und der durch eine flächenschonende
Erschließungsanlage, nämlich der „Planstraße E“ auch im Inneren erschlossen
werden könne, nicht in den Geltungsbereich des Änderungsbebauungsplans mit
einzubeziehen. Die Umlegung selbst sei im Detail dem Umlegungsplan
vorbehalten und könne im Umlegungsbeschluss noch nicht festgelegt werden. Der
Vortrag des Antragstellervertreters zur Aufsiedlung und Bebauung allenfalls in den
nächsten 15 bis 20 Jahren sei durch den Beginn der Erschließungsmaßnahmen
im mittleren Bereich des Änderungsbebauungsplans überholt. Eine Bebauung sei
sehr wohl absehbar.
30 Bei der Beratung des Gemeinderats über die Anordnung der Umlegung habe die
Öffentlichkeit zeitweise ausgeschlossen werden dürfen, weil zwei Gemeinderäte
Fragen zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der Einbeziehung der
Bestandsgrundstücke in die Umlegung auf deren Eigentümer gehabt hätten. Dazu
hätten die Namen der Eigentümer und deren wirtschaftlichen Verhältnisse genannt
werden müssen.
II.
31 Die Berufung der Antragsteller ist zulässig und begründet. Weil der
Anordnungsbeschluss vom 13.03.2012 nach einer Beratung, bei der zeitweise
ohne ausreichenden Grund die Öffentlichkeit ausgeschlossen war, gefasst wurde,
war die Umlegungsanordnung rechtswidrig und damit auch der daraufhin
ergangene Umlegungsbeschluss.
1.
32 Der angegriffene Umlegungsbeschluss ist nur dann rechtmäßig, wenn die
Voraussetzungen des § 46 BauGB für eine Umlegung vorliegen, denn er ist der
erste Akt der Durchführung des Umlegungsverfahrens. Nach § 46 Abs. 1 BauGB
hat die Gemeinde die Umlegung vor deren Durchführung anzuordnen, wenn und
sobald sie zur Verwirklichung eines Bebauungsplans erforderlich ist. Die vom
Gemeinderat zu treffende Anordnung ist kein Verwaltungsakt, da sie keine
Regelung von Einzelfällen enthält, sondern diese nur vorbereitet. Die
Entscheidungen über die Zulässigkeit der Umlegung, die in der Anordnung der
Sache nach getroffen werden, können von den Beteiligten nur (zusammen) mit
dem Rechtsbehelf gegen den Umlegungsbeschluss, der das Verfahren einleitet,
zur Nachprüfung gestellt werden (BGHZ 100,148 juris RN 9; Reidt in
Battis/Krautzberger/Löhr BauGB 12. Aufl. § 46 RN 11; Dieterich, Baulandumlegung
5. Aufl. RN 429). Im Rahmen der Überprüfung des Umlegungsbeschlusses ist
inzident deshalb jedenfalls zu überprüfen, ob der Anordnungsbeschluss die
wesentlichen förmlichen Voraussetzungen erfüllt. Nur ein unter Beachtung der
wesentlichen Förmlichkeiten ergangener Anordnungsbeschluss kann eine
tragfähige Grundlage für eine Umlegung nach den §§ 46 ff. BauGB sein.
2.
33 Die Umlegungsanordnung wird vom Gemeinderat beschlossen.
34 Die Sitzungen des Gemeinderats sind grundsätzlich öffentlich (§ 35 Abs. 1 Satz 1
GemO). Die Öffentlichkeit der Sitzungen des Gemeinderats gehört zu den
wesentlichsten Grundsätzen der Gemeindeverwaltung. Sie hat die Funktion, dem
Gemeindebürger Einblick in die Tätigkeit der Vertretungskörperschaften und ihrer
einzelnen Mitglieder zu ermöglichen und dadurch eine auf eigener Kenntnis und
Beurteilung beruhende Grundlage für eine sachgerechte Kritik sowie die
Willensbildung zu schaffen, den Gemeinderat der allgemeinen Kontrolle der
Öffentlichkeit zu unterziehen und dazu beizutragen, der unzulässigen Einwirkung
persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung
des Gemeinderats vorzubeugen (Senat, Urteil vom 11.11.2013, Az. 102 U 1/13,
juris RN 28; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 18.06.1980, II 503/79, zitiert
nach juris Rn. 21 = Die Justiz 1981, 233). Der Grundsatz der Öffentlichkeit gilt auch
für Sitzungen des Gemeinderates, in denen über die Anordnung einer Umlegung
gemäß § 46 BauGB zu verhandeln und zu beschließen ist und in denen u.a. auch
die Frage zu prüfen ist, ob die Umlegung durch das Wohl der Allgemeinheit
gerechtfertigt ist.
35 Nichtöffentlich darf nämlich nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl
oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern; über Gegenstände, bei denen
diese Voraussetzungen vorliegen, muss nichtöffentlich verhandelt werden (§ 35
Abs. 1 Satz 2 GemO). Berechtigte Interessen Einzelner im Sinne des § 35 Abs. 1
S. 2 GemO können rechtlich geschützte oder sonstige schutzwürdige Interessen
sein. Sie erfordern den Ausschluss der Öffentlichkeit in der Gemeinderatssitzung,
wenn im Verlauf der Sitzung persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse zur
Sprache kommen können, an deren Kenntnisnahme schlechthin kein berechtigtes
Interesse der Allgemeinheit bestehen kann und deren Bekanntgabe dem
Einzelnen nachteilig sein könnte (Senat aaO juris RN 30; VGH Baden-
Württemberg aaO Rn. 21 bis 24; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom
08.08.1990, 3 S 132/90, zitiert nach juris Rn. 27 ff. = NVwZ 1991, 284). Da eine
generelle Regelung für den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Verhandlung und
Beschlussfassung über eine Umlegungsanordnung in Baden-Württemberg fehlt, ist
nach den Umständen des Einzelfalls festzustellen, ob die Voraussetzungen des §
35 Abs. 1 S. 2 GemO vorliegen und eine Verhandlung teilweise in nichtöffentlicher
Sitzung gerechtfertigt war (Senat aaO juris RN 31).
a)
36 Nach § 38 GemO ist über den wesentlichen Inhalt der Verhandlungen des
Gemeinderats eine Niederschrift zu fertigen. Aus der Niederschrift der Verhandlung
des Gemeinderats über die Anordnung der Umlegung „Ma. “ ist zu entnehmen,
dass der Bürgermeister die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung des Gemeinderats
von 20.45 Uhr bis 20.50 Uhr hergestellt hat, danach in öffentlicher Sitzung noch
Stellungnahmen des Gemeinderats S. und des Bürgermeisters H. erfolgt sind und
anschließend in öffentlicher Sitzung der Anordnungsbeschluss gefasst wurde. Der
Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit ist in der Niederschrift nicht
festgehalten, obwohl dies angesichts des § 35 Abs. 1 GemO zumindest angezeigt
gewesen wäre.
b)
37 Die Antragsgegnerin hat den Ausschluss der Öffentlichkeit in der
Gemeinderatssitzung damit begründet, dass die Namen der einzelnen Eigentümer
der Bestandsgrundstücke im geplanten Umlegungsgebiet genannt werden sollten.
Die Nennung der Namen der Eigentümer von Grundstücken innerhalb eines
beabsichtigten Umlegungsgebiets verletzt jedoch noch keine rechtlich geschützten
oder sonstigen schutzwürdigen Interessen dieser einzelnen Eigentümer. Es ist
auch nicht ersichtlich, inwieweit die Bekanntgabe dieser Namen dem Einzelnen
nachteilig sein könnte.
38 Gleiches gilt, wenn über die Folgen der Umlegung für die einzelnen
Bestandsgebäude bzw. -grundstücke diskutiert werden sollte. Dabei kommen noch
keine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse zur Sprache, an deren
Kenntnisnahme kein berechtigtes Interesse der Allgemeinheit bestehen kann. Die
Auswirkungen einer Umlegung sind grundstücksbezogen und nicht
personenbezogen.
c)
39 Zuletzt hat der Bürgermeister der Antragsgegnerin erklärt, Anlass für das
Herstellen der Nichtöffentlichkeit seien die Fragen zweier Gemeinderatsmitglieder
gewesen, ob die Umlegung den einen oder anderen Eigentümer von
Bestandsgrundstücken „kaputt mache“. Wenn über die persönlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Personen gesprochen werden soll,
rechtfertigt dies die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung nach § 35 Abs. 1 Satz 2
GemO, weil an den persönlichen wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner
Eigentümer kein berechtigtes Informationsinteresse der Allgemeinheit besteht.
40 Auf das substantiierte Bestreiten eines solchen Anlasses für das Herstellen der
Nichtöffentlichkeit kann jedoch nicht mit einer hinreichenden Sicherheit (§ 286
ZPO) festgestellt werden, dass der Gemeinderat über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer des künftigen
Umlegungsgebietes sprechen wollte. Der Sitzungsniederschrift ist lediglich eine
Diskussion des Gemeinderats über die Folgen der Umlegung für die
Bestandsgebäude bzw. Bestandsgrundstücke zu entnehmen. Der Wunsch des
Gemeinderats oder einzelner Gemeinderäte, über die persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse einzelner Eigentümer zu debattieren, ist aus der
Sitzungsniederschrift nicht ersichtlich.
41 Angesichts des beschränkten inhaltlichen Umfangs, den eine Sitzungsniederschrift
nach § 38 Abs. 1 GemO haben kann, kommt dieser keine negative Beweiskraft zu,
dass dort nicht aufgenommene Geschehnisse nicht stattgefunden hätten. Vielmehr
kann der Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit auch durch außerhalb
der Sitzungsniederschrift liegende Umstände und andere Beweismittel festgestellt
werden.
42 Die Antragsteller, die teilweise der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats am
13.03.2012 persönlich beigewohnt haben, haben erklärt, vor der Herstellung der
Nichtöffentlichkeit sei keine Frage zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner
Beteiligter gestellt worden. Die Sitzungsniederschrift gebe den Ablauf der
Verhandlungen zutreffend wieder. Es sei nur über die Folgen der Umlegung für die
Bestandsgebäude gemäß der Nachfrage des Gemeinderats Steck diskutiert
worden. Diese Schilderung der Antragsteller wird durch die Sitzungsniederschrift
gestützt. Darüber hinaus ist es kaum nachvollziehbar, dass in den 5 Minuten, in
denen die Nichtöffentlichkeit der Sitzung hergestellt war, über die wirtschaftlichen
Verhältnisse einzelner Eigentümer mit Bestandsgrundstücken gesprochen worden
wäre. Auf ein entsprechendes Gesprächsthema lassen die protokollierten
Erklärungen nach der Wiederherstellung der Öffentlichkeit der Verhandlung und
des Gemeinderats nicht ausreichend sicher rückschließen. Obwohl der Senat mit
Beschluss vom 28.04.2014 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass
Gegenstand der Verhandlung am 16.05.2014 die Frage eines Verstoßes gegen §
35 Abs. 1 Satz 1 GemO sein sollte, konnte die Antragsgegnerin bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung die Namen derjenigen Gemeinderatsmitglieder nicht
nennen, die Fragen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen einzelner
Grundstückseigentümer gestellt haben sollen. Es kann danach nicht festgestellt
werden, dass ein ausreichender Anlass für das Herstellen der Nichtöffentlichkeit
der Verhandlung und des Gemeinderats zur Anordnung der Umlegung „Ma. “
vorgelegen hätte. Dies geht zu Lasten der Antragsgegnerin, die darzulegen und
auch zu beweisen hat, dass ein Ausnahmefall vom Grundsatz der Öffentlichkeit
der Beratungen nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO vorliegt.
43 Der Senat sieht keine Veranlassung, gemäß § 221 Abs. 2 BauGB von Amts wegen
eine Beweisaufnahme durchzuführen.
44 § 221 Abs. 2 BauGB, der früher überwiegend als "Kann"-Vorschrift verstanden
wurde, die es dem Gericht nach seinem Ermessen freistelle, vom
Verhandlungsgrundsatz zum Untersuchungsgrundsatz überzugehen, begründet
nach dem heute vorherrschenden Verständnis eine gerichtliche "Befugnis" im
Sinne gegebenenfalls einer Verpflichtung des Gerichts zur Anwendung des
Untersuchungsgrundsatzes, wenn nämlich sonst eine Verletzung der
Wahrheitspflicht zu befürchten wäre und wenn wichtige öffentliche Interessen im
Spiel sind (BGHZ 161, 38, juris RN 24).
45 Die Sitzungsniederschrift wurde gewürdigt und die Beteiligten des Verfahrens
umfassend angehört. Danach besteht eine größere Wahrscheinlichkeit für die
Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung der Antragsteller. Dabei ist auch zu
berücksichtigen, dass der Bürgermeister der Antragsgegnerin erst auf mehrfache
Nachfrage einen Anlass genannt hat, der geeignet war, berechtigt nach § 35 Abs.
1 Satz 2 GemO die Öffentlichkeit auszuschließen. Die Einlassung des
Bürgermeisters der Antragsgegnerin beschränkte sich weitgehend auf die
Wiedergabe der im den Beteiligten übermittelten Urteil des Senats vom 11.11.2013
(AZ: 102 U 1/13) dargestellten Grundsätze für die Öffentlichkeit und
Nichtöffentlichkeit einer Gemeinderatsverhandlung.
46 Dem Senat sind die Namen der Gemeinderäte, die Fragen zu den persönlichen
Verhältnissen der Bestandseigentümer gehabt haben sollen, nicht bekannt. Die
anwaltlich vertretene Antragsgegnerin, der mit der Ladung zum Termin am
16.05.2014 ausdrücklich mitgeteilt worden war, dass über die Frage der (Nicht-
)Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung über die Umlegungsanordnung verhandelt
werden soll und die durch ausdrückliche Bezugnahme im Beschluss vom
28.04.2014 auf das Urteil des Senats vom 11.11.2013, Az. 102 U 1/13 über ihre
Beweislast informiert wurde, hat auf das Bestreiten der Antragsteller keinen Beweis
für die Einlassung ihres Bürgermeisters angeboten. Den Einlassungen des
Bürgermeisters der Antragsgegnerin sind keine konkreten Hinweise zu
entnehmen, welcher der Gemeinderäte - besser als er selbst - zu einer weiteren
Aufhellung des Sachverhalts beitragen könnte. Eine ganz bestimmte weitere
Sachverhaltsaufklärung hat sich dem Senat daher nicht aufgedrängt.
47 Wichtige öffentliche Interessen veranlassen hier eine Untersuchung von Amts
wegen nicht. Die Antragsgegnerin kann bei einem entsprechenden politischen
Willen des Gemeinderats ohne gravierende Nachteile durch einen damit
einhergehenden Zeitablauf einen verfahrensfehlerfreien Anordnungsbeschluss
neu herbeiführen. In der Folge müsste dann der Umlegungsausschuss einen
neuen Umlegungsbeschluss fassen. Darüber hinaus ist bislang im bisherigen
Verfahren nichts geschehen, was durch die Aufhebung des
Umlegungsbeschlusses beeinträchtigt wäre. Die Bebauung des Gebiets wird von
der Antragsgegnerin unabhängig vom Umlegungsverfahren betrieben.
48 Eine vom Gemeinderat gegebenenfalls neu zu beschließende
Umlegungsanordnung und ein neuer Umlegungsbeschluss des
Umlegungsausschusses geben der Antragsgegnerin im Übrigen die Möglichkeit,
den Bebauungsplan im Bereich der Einmündung B-Straße/D. Straße und den
Gehweg auf der dem Baugebiet „Ma. “ gegenüberliegenden Seite der D. Straße an
die in der mündlichen Verhandlung vom 24.2.2014 behaupteten heutigen
Vorstellungen anzupassen und damit ein künftiges Umlegungsgebiet von den
Bereichen anderer Bebauungspläne eindeutig abzugrenzen.
3.
49 Der Verstoß gegen das Gebot der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen
begründet regelmäßig auch dann, wenn die Öffentlichkeit - wie hier - nur zeitweise
ausgeschlossen wurde, eine schwerwiegende Verfahrensrechtsverletzung (vgl.
Senat aaO juris RN 33; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.2.2013, Az. 1
S 2155/12, VBlBW 2013, 269 juris Rn. 8). Die sich aus dem Verstoß gegen § 35
Abs. 1 S. 1 GemO ergebende Rechtswidrigkeit des Gemeinderatsbeschlusses
über die Anordnung der Umlegung führt auch zur Rechtswidrigkeit des
angegriffenen Umlegungsbeschlusses vom 30.04.2012. Dieser Beschluss stellt
nämlich die Durchführung des Anordnungsbeschlusses des Gemeinderats dar.
50 Zwar kann nach § 46 LVwVfG die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht
nach § 44 LVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er
unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche
Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der
Sache hätte getroffen werden können. Auch wenn § 46 VwVfG auf die
Umlegungsanordnung, die kein Verwaltungsakt ist, nur entsprechend angewendet
wird, sind diese Voraussetzungen hier offensichtlich nicht erfüllt, denn die
Entscheidung des Gemeinderats darüber, ob eine Umlegung angeordnet werden
soll, stellte eine Entscheidung mit Beurteilungsspielraum dar und hätte auch in
verneinendem Sinne ergehen können. Es ist daher nicht offensichtlich, dass die
Verletzung des Prinzips der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung die
Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat (§ 46 LVwVfG). Es verbleibt daher
dabei, dass der Umlegungsbeschluss auf der Grundlage einer rechtswidrigen
Umlegungsanordnung ergangen und daher selbst rechtswidrig ist.
4.
51 Der Antragsteller 4 ist an der Geltendmachung der Rechtswidrigkeit des
Anordnungsbeschlusses und ihm folgend des Umlegungsbeschlusses nicht durch
die im Baulastenverzeichnis eingetragene Erklärung seine Rechtsvorgängers vom
15.03.1966 gehindert, der sich und seine Rechtsnachfolger gegenüber der
Antragsgegnerin verpflichtet hatte, keine Einwendungen gegen ein eventuelles
späteres Bebauungsplan- und Umlegungsverfahren zu erheben.
52 Der Umfang dieser Verzichtserklärung ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist
vorrangig auf den Wortlaut abzustellen. Ein Verzicht muss eindeutig und
unmissverständlich erklärt werden (Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG 8. Aufl.
§ 53 RN 33 m.w.N.). Es ist eine anerkannte Auslegungsregel, dass an die
Auslegung einer Willenserklärung, die zum Verlust einer Rechtsposition führt, als
Verzicht auf diese Position strenge Anforderungen zu stellen sind und in der Regel
eine insoweit eindeutige Willenserklärung erforderlich ist, weil ein Rechtsverzicht
niemals zu vermuten ist (BGH, Urteil vom 30.09.2005, Az. V ZR 197/04, juris RN 18
m.w.N.).
53 Nach dem Wortlaut betrifft der Einwendungsverzicht hier nur die Einleitung eines
Bebauungsplan- oder Umlegungsverfahrens, nicht dessen Auswirkungen auf den
Grundstückseigentümer. Es ist nicht erkennbar, dass der Verzichtende sich seiner
Eigentumsrechte auch für damals nicht absehbare Eingriffe in sein Eigentum
begeben wollte. Bei einer anderen Auslegung läge im Übrigen eine Nichtigkeit der
Erklärung nach den §§ 134, 138 BGB nahe. Aus der Sicht eines vernünftigen
Empfängers wollte der Erklärende sich nicht dagegen wehren, wenn sein
Grundstück in ein Bebauungsplan- oder in ein Umlegungsverfahren einbezogen
wird. Es ist weder aus dem Wortlaut der Erklärung nach aus ihrem Zusammenhang
noch aus der der Antragsgegnerin als Erklärungsempfängerin erkennbaren
Interessenlage des Erklärenden ein weitergehender Wille zu entnehmen, auf
darüber hinausgehende Rechte und Rügen zu verzichten. Damit ist die Rüge der
Rechtswidrigkeit des Umlegungsbeschlusses und des Anordnungsbeschlusses
von dem Verzicht nicht umfasst, weil diese sich nicht gegen die Einbeziehung des
Grundstücks des Antragstellers, sondern gegen die Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsaktes aus anderen Gründen richtet. Über den Hilfsantrag des
Antragstellers 4, der sich gegen die Einbeziehung seines Grundstücks in die
Umlegung wendet, musste schon deshalb nicht entschieden werden, weil der
Hauptantrag erfolgreich war.
5.
54 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 228 Abs. 1 BauGB, 91 Abs. 1 ZPO. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 221 Abs. 1
BauGB, 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
55 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach den §§ 221 Abs. 1
BauGB, 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, weil das Verhältnis des
Anordnungsbeschlusses zum Umlegungsbeschluss, insbesondere die Reichweite
einer inzidenten Prüfung des Anordnungsbeschlusses, bislang nach Auffassung
des Senats nicht hinreichend geklärt ist und der Rechtsstreit daher grundsätzliche
Bedeutung hat.