Urteil des OLG Stuttgart vom 15.12.2014

mehrwert, wirtschaftliche identität, vergleich, kostenregelung

OLG Stuttgart Beschluß vom 15.12.2014, 10 U 158/13
Streitwertfestsetzung: Mehrwert eines Prozessvergleichs bei Mitregelung eines
nicht rechtshängigen Gesamtschuldnerausgleichsanspruchs
Leitsätze
Wird in einem Vergleich auch der nicht rechtshängige Gesamtschuldnerausgleich
zwischen einer Streitpartei und einem Streithelfer mitgeregelt, so begründet dies einen
Mehrwert des Vergleichs für diese Streitpartei und den Streithelfer.
Tenor
Auf die Gegenvorstellung der Klägerin wird der Beschluss des Oberlandesgerichts
Stuttgart vom 21. November 2014 unter II. dahin abgeändert, dass der Vergleich im
Verhältnis zwischen der Klägerin und der Streithelferin A. GbR einen Mehrwert von
64.065,26 EUR
hat.
Gründe
1 Der Gegenvorstellung der Klägerin führt zur Festsetzung eines Mehrwertes des
Prozessvergleichs.
I.
2 Die Parteien hatten vorliegend unter Einbeziehung der auf Beklagtenseite
beigetretenen Streithelferin den Rechtstreit vergleichsweise erledigt und im
Vergleich auch mögliche Gesamtschuldnerausgleichsansprüche zwischen der
Klägerin und der auf Seiten der Beklagten beigetretenen Streithelferin erledigt. Der
Senat hatte im Beschluss vom 21. November 2014 zunächst für den Vergleich
keinen Mehrwert festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer
Gegenvorstellung, mit der sie die Festsetzung eines Mehrwertes in Höhe von
64.065,26 EUR erstrebt.
II.
3 Die Regelung des Gesamtschuldnerausgleichs begründet vorliegend einen
Mehrwert des Vergleichs für die Klägerin und die Streithelferin GbR. Denn
hierdurch wird ein nicht streitgegenständlicher Anspruch erledigt (1.), der mit den
streitgegenständlichen Ansprüchen auch nicht wirtschaftlich identisch ist (2.).
1.
4 Ein Mehrwert des Vergleichs fällt grundsätzlich dann an, wenn die Parteien einen
nicht streitgegenständlichen Anspruch vergleichsweise miterledigen. Die
miterledigten Gesamtschuldnerausgleichsansprüche waren vorliegend nicht
streitgegenständlich. Allerdings bestehen diese nicht zwischen den Parteien des
Rechtstreits. Ob die vergleichsweise Erledigung von
Gesamtschuldnerausgleichsansprüchen zwischen einer Partei des Rechtstreits
und einem Streithelfer zu einem Mehrwert führt, ist umstritten.
a.
5 So wird vom OLG Koblenz (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 22.12.1997 - 14 W
771/97, JurBüro 1999, 196, juris Rz. 2) und vom OLG Köln (OLG Köln, Beschl. v.
29.11.1972 - 2 W 105/72, MDR 1973, 324) vertreten, dass dies zu einem
Vergleichsmehrwert für alle Parteien des Rechtstreits führt, wenn die Erledigung
der Gesamtschuldnerausgleichsansprüche Teil einer Gesamtbereinigung
gewesen sei, an der alle Parteien ein Interesse hatten. Dies würde auch auf die
vorliegende Konstellation zutreffen.
b.
6 Nach der Gegenansicht seien Vergleichsregelungen, die Dritte mit einer der
Parteien treffen, bei der Wertfestsetzung per se nicht zu berücksichtigen (vgl.
LArbG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30. 09.2014 - 17 Ta (Kost) 6057/14, juris
Rz.11; OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.03.2009 - 3 W 10/09, NJW-RR 2009, 1079,
juris Rz. 4; Kurpat in Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 13. Aufl. 2011, Rn.
5524), da es bei der Ermittlung des Mehrwertes allein auf das Verhältnis der
Prozessparteien ankomme (so LArbG Berlin-Brandenburg a. a. O.) und weil ein
hierdurch verursachter Mehrwert zu einer anteilig höheren Kostenbelastung des an
diesem Rechtsverhältnis nicht beteiligten Gegners führen kann (so OLG Frankfurt
a. a. O.).
c.
7 Während die vom OLG Koblenz und OLG Köln vertretene Ansicht zu einem
Mehrwert für alle Beteiligten des Rechtsstreits führt mit der Begründung, die
Gesamterledigung liege im Interesse aller Parteien, ist dem entgegen zu halten,
dass allein das Interesse an einer Gesamterledigung nicht ausreichend sein kann
für die Bestimmung des Streitwertes. Vielmehr ist auf die erledigten Ansprüche im
jeweiligen Verhältnis abzustellen.
8 Das Argument des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg, dass ein Mehrwert
begrifflich an den Rechtstreit und damit an das Verhältnis der Parteien geknüpft
sei, haftet zu sehr am Wortlaut und wird dem Sinn, dass mit dem Mehrwert der
zusätzliche Beratungsaufwand und auch die Haftung der Prozessbevollmächtigten
honoriert werden soll, die sich für den Vergleich eingesetzt und damit zur
Vermeidung eines weiteren Rechtstreits beigetragen haben, nicht gerecht.
9 Wenn wie vorliegend ein Mehrwert des Vergleichs lediglich für die beteiligten
Gesamtschuldner festgesetzt wird, steht das vom OLG Frankfurt erwogene
Argument der Kostengerechtigkeit der Festsetzung eines Mehrwertes nicht
entgegen. Hier wird die Beklagte aufgrund des Mehrwerts des Vergleichs nur
durch die dadurch ausgelöste zusätzliche 0,25-Gerichtsgebühr nach Nr. 1900 KV
GKG anteilig belastet. Darin ist kein wesentliches Gerechtigkeitsdefizit zu sehen,
das der Festsetzung eines Mehrwertes entgegen steht. Zudem steht die
Kostenregelung des Vergleichs grundsätzlich zur Disposition der Parteien, so dass
sie durch eigene Rechtsgestaltung vermeiden können, dass die am
Gesamtschuldnerausgleich nicht beteiligte Partei mit erhöhten Kosten belastet
wird.
2.
10 Zwischen dem Schadensersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin und
den im Vergleich miterledigten Ausgleichsansprüchen besteht auch keine
wirtschaftliche Identität. Dies folgt bereits daraus, dass die Ausgleichsansprüche
nicht zwischen den Parteien des Rechtsstreits bestehen, sondern zwischen der
Klägerin und der Streithelferin A. GbR.
11 Aus diesem Grund war daher für das Verhältnis zwischen der Klägerin und der
Streithelferin A. GbR ein Mehrwert von 64.065,26 EUR festzusetzen. Ob die
Hebebühnenproblematik und die Regenleitblechproblematik hier aus dem
geforderten Mehrwert herauszunehmen sind oder nicht, kommt es nicht
entscheidend an, da auch die Festsetzung eines geringeren
Vergleichsmehrwertes von 62.087,08 EUR weder an der Höhe der anwaltlichen
Einigungsgebühr noch an der Höhe der Gebühr aus KV Nr. 1900 GKG etwas
ändern würde.