Urteil des OLG Stuttgart vom 09.02.2016

wichtiger grund, abschlagszahlung, vertragsverletzung, leistungsfähigkeit

OLG Stuttgart Beschluß vom 9.2.2016, 10 U 143/15
Leitsätze
1. Auch wenn bei einem VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 oder 3
VOB/B nicht vorliegen, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen wichtigen
Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen.
2. Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene
Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen, die den Vertragszweck so
gefährdet, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den Vertrag
fortzusetzen. Unerheblich ist dabei, ob es sich um die Verletzung einer Haupt- oder
Nebenpflicht handelt.
3. Ein wichtiger Grund zur Kündigung fehlt, wenn der Auftraggeber in Kenntnis des
Kündigungsgrundes dem Auftragnehmer eine Frist zur Fortführung der Arbeiten
gesetzt hat, er also das Vertrauensverhältnis nicht schon als so zerstört angesehen
hat, dass ihm eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten war.
4. In Fällen einer schwerwiegenden Vertragsverletzung kann eine vorherige
Fristsetzung und Kündigungsandrohung entbehrlich sein (Anschluss an BGH, Urteil
vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95).
5. Kündigt der Auftragnehmer die Arbeitseinstellung an, wenn der Auftraggeber eine
geforderte (weitere) Abschlagszahlung nicht erbringt, obwohl diese ihm erkennbar
nicht zusteht, kann dies zur fristlosen Kündigung berechtigen.
Rechtskräftig durch Berufungsrücknahme
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen
vom 30.10.2015, Az. 3 O 130/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er
einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf
Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und
weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die
Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme
bis zum 02.03.2016.
Gründe
I.
1 Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil, durch das seine
Klage auf Werklohn für nicht erbrachte Leistungen gemäß §§ 8 Abs. 1 Nr. 2
VOB/B, 649 S. 2 BGB abgewiesen wurde.
2 Die Beklagte beauftragte im März 2013 nach vorangegangener öffentlicher
Ausschreibung unter Einbeziehung der VOB/B den Kläger mit der Ausführung der
Schlosserarbeiten (Herstellen von Fluchtwegen) bei dem Bauvorhaben
Gymnasium H. - Energetische Sanierung des Nebengebäudes. Die Beklagte
kündigte das Vertragsverhältnis am 18. März 2014 gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B und
nochmals am 9. April 2014 aus wichtigem Grund.
3 Zur Begründung der Klagabweisung hat das Landgericht ausgeführt, dass die
Beklagte zur Kündigung sowohl gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1, 5 Abs. 4 VOB/B als auch
aus wichtigem Grund berechtigt gewesen sei. Der Kläger habe seine Pflicht zur
angemessenen Förderung des Bauvorhabens verletzt und sei dieser auch nach
Fristsetzung nicht nachgekommen. Zudem habe er seine Arbeit
unberechtigterweise eingestellt.
4 Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des
angegriffenen Urteils verwiesen.
5 Hiergegen wendet sich der Kläger, der mit seiner Berufung Zahlungsansprüche in
Höhe von 108.643,28 EUR nebst Zinsen sowie 996,95 EUR vorgerichtliche
Anwaltskosten geltend macht. Er ist der Ansicht, dass weder eine wirksame
Kündigung nach §§ 8 Abs. 3 i.V.m. 5 Abs. 4 VOB/B noch eine wirksame
Kündigung aus wichtigem Grund vorliege.
6 Die Kündigung vom 18. März 2014 sei unwirksam. Es liege keiner der Gründe vor,
die gemäß § 8 Abs. 3 VOB/B zur Kündigung berechtigten. Es fehle bereits an
einem bindenden Montagebeginn. Die Mitarbeiterin der Beklagten habe nicht
einfach bindend einen Montagebeginn an einem bestimmten Tag anordnen
können. Das Landgericht habe nicht berücksichtigt, dass der Kläger unstreitig
Material zur Herstellung der Fluchttreppe bestellt habe. Zum Zeitpunkt der
Kündigung seien die Arbeiten nicht mehr eingestellt gewesen. Das Landgericht
habe den Inhalt des Telefax des Klägers vom 28. Februar 2014 nicht
berücksichtigt.
7 Unerheblich sei, ob die Rechnung vom 9. September 2013 den Anforderungen
des § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B genügt habe. Mit der Rüge der fehlenden Prüfbarkeit
sei die Beklagte ausgeschlossen, da sie diese erstmals am 9. April 2014, also
nach mehr als zwei Monaten, vorgebracht habe. Der für die Konstruktion
notwendige Stahl sei ein in sich abgeschlossener Teil der Leistung, der zur
Stellung einer Abschlagsrechnung im Sinne des § 632a BGB berechtige.
8 Auch durch das Schreiben vom 30. Dezember 2013 habe die Beklagte den Kläger
nicht mit dem Beginn der Montage der Stahlkonstruktion in Verzug gesetzt. Darin
habe sie ihn lediglich aufgefordert, „mit der Arbeit zu beginnen“. Tatsächlich sei mit
den Arbeiten am Gesamtauftrag längst begonnen worden. Die Zeugin X. habe eine
ziemlich schlechte Figur abgegeben. Ihre Aussage sei teilweise widersprüchlich
gewesen. Das Landgericht habe verkannt, dass eine Kündigung aus wichtigem
Grund eine vorherige Abmahnung voraussetze.
9 Die Kündigung vom 9. April 2014 sei ebenfalls unwirksam. Die Arbeiten seien zu
diesem Zeitpunkt nicht eingestellt gewesen. Die fristlose Kündigung bedürfe einer
Abwägung der beiderseitigen Interessen. Diese Abwägung habe das Landgericht
nicht vorgenommen. Insbesondere habe es nicht berücksichtigt, dass der Kläger in
Ausführungsschwierigkeiten gekommen sei, weil die Beklagte die Ausführung nicht
zu den vorgesehenen Zeiten vorgesehen habe, und dem Kläger dem Grunde
nach eine Abschlagszahlung zugestanden hätte. Das Urteil des Landgerichts sei
daher wenigstens aufzuheben und der Rechtsstreit zurückzuverweisen.
10 Eine Rechtsverletzung liege auch darin, dass das Landgericht dem Kläger keine
Möglichkeit zur Stellungnahme zu dem nachgelassenen Schriftsatz der Beklagten
vom 18. September 2015 eingeräumt habe.
11 Der Bauzeitenplan vom 5. Februar 2013 sei nicht Bestandteil des
Leistungsverzeichnisses gewesen. Vereinbarte Fristen im Bauvertrag seien
hinfällig gewesen, da sich die Bauausführung aus vom Auftragnehmer nicht zu
vertretenden Gründen um mehrere Monate verzögert habe.
12 Bei Zugang des Schreibens vom 30. Dezember 2013 habe sich der Kläger nicht in
Verzug befunden.
13 Das Landgericht habe übersehen, dass der Kläger am 28. Februar 2014 der
Beklagten mitgeteilt habe, dass er sich nach Fastnacht mit ganzem Einsatz auf
das Projekt konzentrieren und mit der Produktion fortfahren werde. Es hätte daher
zunächst eine Abmahnung mit Kündigungsandrohung ausgesprochen werden
müssen. Da die Kündigung vom 18. März 2014 in eine Kündigung gemäß § 8 Abs.
1 VOB/B umzudeuten sei, sei bei der Kündigung vom 9. April 2014 zu
berücksichtigen, dass aufgrund der Erstkündigung nicht mehr weitergearbeitet
werden musste.
14 Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 28. Januar 2016
verwiesen.
II.
15 Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen
vom 30. Oktober 2015, Az. 3 O 130/14, hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg,
die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine
Entscheidung des Berufungsgerichts nicht. Eine mündliche Verhandlung ist nicht
geboten, weil dadurch dem Kläger weitere Kosten entstünden, ohne dass durch
eine mündliche Verhandlung weitere, für den Kläger günstige
entscheidungserhebliche Erkenntnisse zu erwarten wären (§ 522 Abs. 2 ZPO).
16 Dem Kläger steht kein Werklohnanspruch für die nicht erbrachten Leistungen zu,
da die Beklagte zur Kündigung des Vertragsverhältnisses aus wichtigem Grund
berechtigt war.
1.
17 Auch wenn bei einem VOB/B-Vertrag die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 oder 3
VOB/B nicht vorliegen, ist der Auftraggeber bei Vorliegen eines sonstigen
wichtigen Grundes berechtigt, den Vertrag fristlos zu kündigen. Voraussetzung ist,
dass durch ein schuldhaftes Verhalten des Auftragnehmers der Vertragszweck so
gefährdet ist, dass es dem vertragstreuen Vertragspartner nicht zumutbar ist, den
Vertrag fortzusetzen. Auch wenn die rechtliche Herleitung dieses
Kündigungsrechts nicht einheitlich beurteilt wird, steht die Existenz dieses
außerordentlichen Kündigungsrechts außer Frage.
18 Zur fristlosen Kündigung des Vertrags kann vor allem eine schuldhaft begangene
Vertragsverletzung des Vertragspartners berechtigen. Unerheblich ist dabei, ob es
sich um die Verletzung einer Haupt- oder Nebenpflicht handelt. Auch
Nebenpflichten können für den vereinbarten Vertragszweck von erheblicher
Bedeutung sein, soweit das Verhalten des Auftragnehmers hinreichenden Anlass
für die Annahme bietet, dass er sich auch in Zukunft nicht vertragstreu verhalten
wird (BGH, Urteil vom 23. Mai 1996 - VII ZR 140/95, juris Rn. 26; Joussen/Vygen in
Ingenstau/Korbion, VOB-Kommentar, 19. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 18). In Fällen
einer schwerwiegenden Vertragsverletzung ist eine vorherige Fristsetzung und
Kündigungsandrohung grundsätzlich nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 23. Mai
1996 - VII ZR 140/95, juris Rn. 24). Ob ein wichtiger Grund zur Kündigung gegeben
ist, ist nach Lage des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei sind für die konkrete
vertragliche Situation das Interesse des einen Vertragspartners an der Lösung
vom Vertrag und das des anderen an dessen Weiterbestand umfassend
gegeneinander abzuwägen (BGH, Urteil vom 2. September 1999 - VII ZR 225/98,
juris Rn. 9). Allerdings dürfen die Schutzmechanismen der §§ 5 Abs. 4, 4 Abs. 7
und 4 Abs. 8 Nr. 1 VOB/B nicht durch eine außerordentliche Kündigung umgangen
werden. Stützt sich der Vertrauensverlust des Auftraggebers auf mangelhafte oder
zögerliche Arbeiten des Auftragnehmers, hat der Kündigung deshalb grundsätzlich
eine Fristsetzung mit Kündigungsandrohung vorauszugehen. Entbehrlich ist sie
nach allgemeinen Grundsätzen nur, wenn sie eine reine Förmelei wäre
(Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Aufl., 7. Teil Rn. 44).
2.
19 Ausgehend von diesen Grundsätzen war die Beklagte vorliegend zur Kündigung
des Vertragsverhältnisses mit dem Kläger aus wichtigem Grund berechtigt. Es
kann deshalb offen bleiben, ob die Kündigung auch gemäß §§ 8 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m.
5 Abs. 4 VOB/B oder gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 1. Var. VOB/B berechtigt war. Die
Beklagte hatte ihre Kündigung vom 18. März 2014 zwar nur auf § 8 Abs. 3 VOB/B
gestützt. Am 9. April 2014 hat sie aber zusätzlich die Kündigung des Bauvertrags
aus wichtigem Grund erklärt und dies damit begründet, dass der Kläger seine
Arbeiten unter Verweis auf eine unberechtigte Forderung eingestellt bzw.
überhaupt nicht begonnen habe und an dieser Haltung bis zuletzt festgehalten
habe. Dieses Nachschieben von Kündigungsgründen war möglich, da die
Kündigungsgründe bereits am 18. März 2014 vorlagen (vgl. Senat, Urteil vom 3.
März 2015 - 10 U 62/14, BauR 2015, 1500, juris Rn. 128).
20
a)
Allerdings war die Beklagte im März 2014 nicht mehr berechtigt, die Kündigung
auf die unberechtigte Geltendmachung der AZ-Rechnung vom 9. September 2013
zu stützen.
21 Kündigt der Auftragnehmer die Arbeitseinstellung an, wenn der Auftraggeber eine
geforderte (weitere) Abschlagszahlung nicht erbringt, obwohl diese ihm tatsächlich
nicht zusteht, kann dies zur fristlosen Kündigung berechtigen (vgl. OLG
Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2014 - I-22 U 92/14, BauR 2015, 842, juris
Rn. 74 m.w.N.; OLG München, Urteil vom 22. Februar 2011 - 9 U 1731/10, BauR
2012, 1836, juris; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., Rn. 1757). Ein
wichtiger Grund zur Kündigung kann aber nicht angenommen werden, wenn der
Auftraggeber in Kenntnis des Kündigungsgrundes dem Auftragnehmer eine Frist
zur Fortführung der Arbeiten gesetzt hat, er also das Vertrauensverhältnis nicht
schon als so zerstört angesehen hat, dass ihm eine Fortsetzung des Vertrages
nicht mehr zuzumuten war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 1. August 1995 - 21 U
225/94, NJW-RR 1996, 1170). Da die Beklagte vorliegend dem Kläger unter
anderem mit Schreiben vom 30. Dezember 2013 und 4. Februar 2014 eine Frist
zum Beginn der Bauausführung und zur Erfüllung der Pflichten nach § 5 Abs. 3
VOB/B gesetzt hat, kann sie - ungeachtet des Bestreitens des Zugangs des
Schreibens vom 4. Februar 2014 durch den Kläger - nicht wegen des ihr bis zu
diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Verhaltens des Klägers das
Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund kündigen. Insbesondere konnte sie die
Kündigung aus wichtigem Grund nicht auf die Stellung der Abschlagsrechnung
vom 9. September 2013 oder die Ankündigung in dem Schreiben vom 20.
November 2013 stützen, die weitere Tätigkeit an dem Bauvorhaben vorerst
einzustellen. Indem die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Dezember
2013 und 4. Februar 2014 Fristen zum Beginn der Bauausführung setzte, brachte
sie zum Ausdruck, dass sie das Vertrauensverhältnis zum Kläger noch nicht als
derart beschädigt ansah, dass eine Fortsetzung des Vertrags unzumutbar
gewesen wäre.
22
b)
Auch von einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des
Auftragnehmers, die den Auftraggeber ebenfalls zur Kündigung aus wichtigem
Grund berechtigen kann (vgl. Joussen/Vygen in Ingenstau/Korbion, VOB-
Kommentar, 19. Aufl., § 8 Abs. 3 VOB/B Rn. 19; Kniffka/Koeble, Kompendium des
Baurechts, 4. Aufl., 7. Teil Rn. 29), kann nicht ausgegangen werden. Dabei kann
offen bleiben, ob die Erklärung des Klägers in dem Schreiben vom 20. November
2013, die weitere Tätigkeit an dem Bauvorhaben vorerst einzustellen, eine
ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung dargestellt hat. Die Beklagte
konnte darauf im März oder April 2014 keine Befugnis zur Kündigung aus
wichtigem Grund stützen, da sie diese Erklärung nicht zum Anlass genommen
hatte, zeitnah die Kündigung aus wichtigem Grund zu erklären, sondern den
Kläger in der Folgezeit mehrfach zum Beginn der Bauausführung aufgefordert
hatte.
23 In seinem Schreiben vom 28. Februar 2014 hatte der Kläger ausdrücklich erklärt,
dass er sich „nun nach der Fastnacht mit ganzem Einsatz … auf das Projekt Gym.
H. konzentrieren und mit der Produktion fortfahren“ werde. Dies war gerade keine
ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung. Auch in dem Schreiben des
Klägers vom 10. März 2014 kann keine ernsthafte und endgültige
Erfüllungsverweigerung gesehen werden. Zwar teilte der Kläger darin der
Beklagten mit, dass die Firma W. „heute noch“ eine Antwort erwarte, ansonsten
werde das Material wieder abgeholt. Dabei nahm der Kläger Bezug auf sein
Schreiben vom 28. Februar 2014. In diesem hatte er mitgeteilt, er habe sich mit der
Firma W. darauf geeinigt, dass diese ein gerichtliches Mahnverfahren zurückhalte,
wenn die Beklagte ihm eine Forderungsabtretung in Höhe der noch offenen
Rechnungen aus der Stahllieferung vom Oktober bescheinige. Falls dies nicht
machbar sei, lasse die Lieferantin die Stahllieferung komplett wieder abholen. Der
Kläger wies damit „lediglich“ auf drohende Risiken hin, verweigerte selber aber die
Erfüllung nicht ernsthaft und endgültig.
24
c)
Die Berechtigung der Beklagten zur Kündigung aus wichtigem Grund im März
2014 ergab sich aber daraus, dass der Kläger durch sein Verhalten im Februar
und März 2014 das zu diesem Zeitpunkt bereits beeinträchtigte
Vertrauensverhältnis derart beschädigt hat, dass der Beklagten eine Fortführung
der vertraglichen Beziehung nicht zuzumuten war.
25 Der Kläger hatte sich pflichtwidrig verhalten, indem er im September 2013 eine
Abschlagsrechnung über 80.000,01 EUR stellte. Die Voraussetzungen des § 16
Abs. 1 VOB/B für die Geltendmachung dieser Abschlagsrechnung lagen aus den
vom Landgericht dargelegten Gründen nicht vor. Der Umstand, dass die Beklagte
die fehlende Prüffähigkeit der Abschlagsrechnung nicht zeitnah gerügt hat, ändert
am Fehlen dieser Voraussetzungen nichts. Pflichtwidrig war deshalb auch die
Erklärung des Klägers am 20. November 2013, die weitere Tätigkeit an dem
Bauvorhaben vorerst einzustellen, nachdem die Beklagte die Abschlagsrechnung
vom 9. September 2013 nicht bezahlt hatte und auch nicht einen vom Kläger
vorgeschlagenen Sicherungsübereignungsvertrag abgeschlossen hatte. Aufgrund
dieses Verhaltens des Klägers bestanden erhebliche Zweifel an seiner
Leistungsfähigkeit und Leistungswilligkeit. Obwohl die Beklagte dem Kläger am 22.
November 2013 mitgeteilt hatte, dass sie aus Rechtsgründen nicht ohne
Sicherheiten in finanzielle Vorleistungen gehen könne, und in Aussicht gestellt
hatte, dass nach der Lieferung der Stahlkonstruktion auf die Baustelle eine
Abschlagsrechnung gestellt werden könne, erschien der Kläger am 29. November
2013 unangemeldet bei der Beklagten, um diese erneut zu einer
Abschlagszahlung zu veranlassen. Dies hat das Landgericht aufgrund der
Zeugenaussage der für die Beklagte tätigen Architektin X. festgestellt. Diese
Feststellungen des Landgerichts sind bindend. Der Kläger trägt in der
Berufungsbegründung keine Aspekte vor, die geeignet sind, Zweifel an der
Richtigkeit der Feststellungen zu wecken.
26 Aus der Aussage der Zeugin X. ergibt sich ferner, dass sie dem Kläger am 23.
Oktober 2013 die Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterließ, die Montage sei
erst ab dem 18. November 2013 möglich. Spätestens aufgrund der Aufforderung
der Beklagten vom 30. Dezember 2013 war der Kläger verpflichtet, mit der
Bauausführung zu beginnen - soweit dies noch nicht erfolgt war - und die für eine
zügige Baufortführung und fristgerechte Baufertigstellung erforderlichen
Arbeitskräfte und Arbeitsmittel einzusetzen (vgl. § 5 Abs. 1 u. 3 VOB/B). Diesen
Pflichten ist der Kläger nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen. Die Zeugin X.
gab an, dass der Kläger sie am 22. Januar 2014 angerufen habe. Er habe darauf
hingewiesen, dass er immer noch keine Antwort von seiner Bank bezüglich der
Bürgschaft habe. Zur Bemerkung der Zeugin, dass erst jetzt, wo man vor der
Kündigung des Vertrags stehe, eine Reaktion erfolge, habe der Kläger erklärt, es
sei ihm erst jetzt bewusst geworden, welchen „Bockmist“ er gemacht habe. Auf die
Frage der Zeugen, wie lange er benötige, um das Ganze vorzubereiten und die
Arbeiten fertig zu stellen, habe er einen Zeitraum von vier Wochen angegeben. Die
Frage, ob er dranbleibe und das in vier Wochen machen werde, habe er bejaht.
Die Angaben der Zeugin korrespondieren mit der Aktennotiz vom 23. Januar 2014,
die von der Beklagten … vorgelegt worden ist. In dem … Schreiben der Beklagten
vom 4. Februar 2014 wird auf die Aussage des Klägers bei seinem Anruf am 22.
Januar 2015 Bezug genommen, dass er ab der 5. KW mit der Bearbeitung der
Stahlteile beginnen werde und bis zur Lieferung auf die Baustelle vier Wochen Zeit
benötige. Zugleich wies die Beklagte in dem Schreiben darauf hin, dass wegen
des Fehlens eines funktionierenden Rettungswegs weitere Zeitverzögerungen
nicht hingenommen werden könnten.
27 Aufgrund der telefonischen Angaben des Klägers am 22. Januar 2014 musste die
Beklagte davon ausgehen, dass der Kläger bis zu diesem Zeitpunkt trotz der
Fristsetzung in dem Schreiben vom 30. Dezember 2013 bis auf die bereits Ende
Juli 2013 abgerechnete und zeitnah vergütete Anbringung von Befestigungen am
Gebäude noch keine oder jedenfalls nur völlig unzureichende Vorarbeiten
ausgeführt hatte. Das Vertrauen der Beklagten in die Leistungsfähigkeit des
Klägers wurde durch dessen Mitteilung am 28. Februar 2014, wonach er wegen
eines „heftigen Grippevirus“ nicht habe produktiv und bürotechnisch anwesend
sein können, weiter erschüttert. Daran vermochte auch die Ankündigung in dem
Schreiben nichts zu ändern, er werde sich „nun nach der Fastnacht mit ganzem
Einsatz … auf das Projekt Gym. H. konzentrieren und mit der Produktion
fortfahren“, da es sich dabei um eine bloße Ankündigung ohne konkrete Aussagen
handelte. Zudem hatte der Kläger die Beklagte zuvor nicht von der behaupteten
Erkrankung und der angeblich daraus resultierenden wochenlangen
Arbeitsunfähigkeit in Kenntnis gesetzt.
28 In dieser Situation bemängelte der Kläger gegenüber der Beklagten am 10. März
2014, dass sein Telefax vom 28. Februar hinsichtlich der Forderungsabtretung für
die Stahllieferung noch nicht beantwortet sei, und teilte mit, dass der
Materiallieferant „heute noch“ eine Antwort erwarte, ansonsten werde „das Material
nun abgeholt“. Mit dieser ultimativen Aufforderung versuchte der Kläger erneut, die
Beklagte zumindest zu einer Sicherheitenstellung für seinen Materiallieferant zu
veranlassen. Die Beklagte musste aufgrund der Mitteilung des Klägers davon
ausgehen, dass dieser auf absehbare Zeit die geschuldete Werkleistung nicht
werde erbringen können, weil das für die Leistungserbringung erforderliche und
bereits gelieferte Material wieder abgeholt wird und der Kläger aus finanziellen
Gründen nicht in der Lage war, das benötigte Material kurzfristig anderweitig zu
besorgen. Eine Fortführung des Vertragsverhältnisses war der Beklagten deshalb
nicht zuzumuten, da dies nicht nur mit unkalkulierbaren weiteren zeitlichen
Verzögerungen verbunden gewesen wäre, sondern aufgrund des Verhaltens des
Klägers bis zu diesem Zeitpunkt massive Zweifel an dessen Leistungsfähigkeit
und Leistungswilligkeit bestanden. Eine (nochmalige) Fristsetzung mit
Kündigungsandrohung vor Ausspruch der Kündigung war nicht erforderlich. Eine
Umgehung des Schutzmechanismus der §§ 8 Abs. 3 i.V.m. 5 Abs. 4 VOB/B liegt
nicht vor, da der zur Kündigung berechtigende wichtige Grund sich aus der
Zerstörung des vertraglichen Vertrauensverhältnisses durch das wiederholte
unberechtigte Verlangen nach einer Abschlagszahlung und dem Abschluss eines
Sicherungsübereignungsvertrags sowie durch das Unvermögen,
Materiallieferanten zu bezahlen, ergab.
III.
29 Nachdem die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, wird deren Rücknahme
angeregt.