Urteil des OLG Stuttgart vom 26.07.2016

treuhänder, kaufpreis, treuhandvertrag, wirtschaftlich berechtigter

OLG Stuttgart Urteil vom 26.7.2016, 1 U 165/15
Prätendentenstreit hinsichtlich einer vom Treuhänder hinterlegten Kaufpreiszahlung
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen eines Rückzahlungsanspruchs gegen den Treuhänder, wenn sowohl ein
Treuhandverhältnis mit dem Käufer als auch mit dem Verkäufer bestand.
Rechtsmittelfrist läuft derzeit noch (Stand: 11.8.2016),
letzte Zustellung war am 1.8.2016.
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 26.11.2015, Az. 12 O
480/14 wird das Urteil dahin abgeändert, dass die im Tenor des Landgerichts unter Ziff. 2 zuerkannten
vorgerichtlichen Anwaltskosten nur 2.743,43 EUR betragen.
Im Übrigen wird die Berufung
zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Stuttgart ist ohne
Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in
Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert: 141.393,03 EUR.
Gründe
A.
I.
1
Der Kläger verlangt vom Beklagten als Insolvenzverwalter der M... GmbH die Bewilligung der Freigabe
eines hinterlegten Betrages von 141.393,09 EUR.
2
Die spätere Insolvenzschuldnerin verkaufte von ihr zu errichtende Photovoltaikanlagen. Auf ihren Wunsch
eröffnete Rechtsanwalt M... für eine geplante Anlage in St... am 30.07.2014 ein Treuhandkonto für
Kaufpreiszahlungen zukünftiger Käufer (Anlagen B2, B11).
3
Der Kläger kaufte am 11.11.2013 die Photovoltaikanlagen Nr. 5, 6 und 10 des Projekts St... für 155.380,68
EUR (Anlage K1) in der Hoffnung auf Rendite und Steuervorteile. Nach § 2 Abs. 2 des Kaufvertrages war
der Kaufpreis binnen 14 Tagen an den „Treuhänder, Rechtsanwalt Matthias M..., ... auf folgendes
Rechtsanwaltsanderkonto ... zu bezahlen: Kontoinhaber: Matthias M..., AK MES/PV-Anlage St..., Kto Nr. …,
BLZ … ...“.
4
Der Kläger schloss am 12.11.2013 mit dem Treuhänder einen „Treuhandvertrag Käufer Rückstellung“ ab
(Anlagen K2 und K2/1). Als Treugut genannt wird der Kaufpreis, den der Treuhänder u.a. Zug um Zug
gegen Aushändigung der Eigentumsübertragungserklärung und in Raten (30% bei Auftrag und
Kaufvertrag, 60% nach Baubeginn, 5% nach Fertigstellung, 5% nach endgültiger Abnahme) an die
Insolvenzschuldnerin auszahlen sollte.
5
Diese schloss am 18.11.2013 mit dem Treuhänder ebenfalls einen „Treuhandvertrag Verkäufer
Rückstellung“ ab (Anlage B3). Als Treugut genannt wird die Eigentumsübertragungserklärung, die der
Treuhänder u.a. Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises an den Kläger herausgeben sollte.
6
Am 30.01.2014 bezahlte der Kläger den vollen Kaufpreis auf das vorgesehene Konto des Treuhänders.
7
Am 02.02.2014 stellte die Insolvenzschuldnerin Insolvenzantrag, am 01.04.2014 wurde das
Insolvenzverfahren eröffnet.
8
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter und verlangte vom Treuhänder die Auszahlung des Kaufpreises an
die Insolvenzmasse. Dazuhin lehnte der Beklagte am 30.06.2014 die Erfüllung des streitgegenständlichen
Kaufvertrages ab (Anlage K7).
9
Der Treuhänder hinterlegte den Kaufpreis abzüglich bereits ausgekehrter Beträge von 16.337,88 EUR für
Vertrieb, Rücklagen und sich selbst (Anlage B4) am 30.07.2014 beim Amtsgericht (Anlage K12), nachdem
der Kläger einer Auszahlung an den Beklagten nicht zugestimmt hatte. Im vorliegenden Rechtsstreit
verlangt der Kläger die Zustimmung zur Auszahlung an sich.
10 Rechtsanwalt M... wurde vom Kläger der Streit verkündet (Bl. 131), ein Beitritt erfolgte nicht.
II.
11 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
12 Der Kläger habe gegen den Treuhänder einen Anspruch auf (Rück-) Zahlung des ihm überlassenen
Kaufpreises aus § 667 BGB. Der Treuhänder könne das Geld nicht mehr auftragsgemäß verwenden und
ratenweise an die Insolvenzschuldnerin auszahlen, weil diese die Anlage nicht mehr errichten werde. Das
ihm überlassene Geld gehöre nicht zur Insolvenzmasse.
III.
13 Gegen das ihm am 02.12.2015 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Beklagte am 23.12.2015
Berufung eingelegt und diese innerhalb bis 02.03.2016 verlängerter Frist begründet.
14 Der Kläger habe keinen Anspruch gegen den Treuhänder aus § 667 BGB, weil dieser als Rechtsanwalt keine
Doppeltreuhand für beide Parteien hätten wahrnehmen dürfen, der Treuhandvertrag nichtig sei, und dem
Kläger deshalb auch kein Anspruch aus § 667 BGB aus diesem Vertrag zustehe.
15 Selbst wenn der Vertrag wirksam zustande gekommen wäre, habe der Kläger keinen Anspruch auf
Rückzahlung des Treuguts, jedenfalls keinen gegenüber dem Beklagten vorrangigen. Das Treuhandkonto,
auf dem sich das Treugut befinde, sei dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin zuzuordnen. Der Kläger
habe eigentlich kein Treugut an einen Treuhänder übergeben, sondern auf ein Konto der
Insolvenzschuldnerin gezahlt. Jedenfalls sei das Konto vom Insolvenzbeschlag erfasst und gehöre zur
Insolvenzmasse.
16 Das Treugut sei auf dem Konto, auf dem auch andere Beträge eingegangen seien, auch nicht
aussonderungsfähig separiert worden. Es sei vielmehr mit anderen Beträgen vermischt worden, sodass
eine Herausgabe unmöglich sei.
17 Auch ausweislich des Treuhandvertrages habe der Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung, weil vielmehr
die dort genannten Voraussetzungen vorlägen, nach denen der Treuhänder das Geld an die
Insolvenzschuldnerin weiterleiten müsse.
18 Der Anspruch des Klägers sei auch nach § 812 BGB nicht gerechtfertigt.
19 Vorgerichtliche Anwaltskosten seien ihm nicht zu erstatten, weil der Beklagte vor Mandatierung des
Klägervertreters nicht im Verzug gewesen sei.
20 Der Beklagte beantragt:
21
Das Urteil des Landgerichts wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
22 Der Kläger beantragt die
23
Zurückweisung der Berufung.
24 Er verteidigt das Urteil des Landgerichts.
25 Der Senat nimmt Bezug auf die in der Berufung gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll des
Senatstermins vom 28.06.2016.
B.
26 Die zulässige Berufung des Beklagten hat im Wesentlichen keinen Erfolg.
27 Das Landgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Zustimmung des Beklagten zur Auszahlung des vom
Treuhänder hinterlegten Betrages an den Kläger zu Recht bejaht.
28 I. Streiten zwei Parteien über das Recht zum Empfang eines nach § 372 BGB hinterlegten Gegenstandes
(Prätendentenstreit), so kann der wahre Gläubiger gegen den anderen einen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S.
1 Alt. 2 BGB geltend machen.
29 I. Das erlangte „Etwas” des anderen ist seine hinterlegungsrechtliche Beteiligtenstellung nach § 13 Abs. 2
Nr. 2 HinterlO bzw. nach der landesrechtlichen Nachfolgeregelung des § 22 Abs. 3 Nr. 2 HintG BW
(„Blockierstellung“), wonach für eine Auszahlung des hinterlegten Geldes die Einwilligung des anderen
erforderlich ist. Diese vermögenswerte Rechtsposition hat er kraft Gesetzes und damit in sonstiger Weise
unmittelbar auf Kosten des wahren Gläubigers erlangt (BGH V ZR 141/98, juris Rn. 24).
30 I. Ob das mit oder ohne Rechtsgrund geschah, hängt davon ab, wer Inhaber des durch die Hinterlegung
gemäß § 378 BGB untergegangenen Anspruchs gegen den Drittschuldner (Hinterleger) war (vgl.
Palandt/Grünberg, BGB, 75. Aufl., § 378 Rn. 1). Das Innenverhältnis der Forderungsprätendenten ist dafür
grundsätzlich ohne Relevanz.
31 I. Nach rechtskräftiger Titulierung wird die Freigabeerklärung des anderen fingiert, § 894 Abs. 1 ZPO. Die
Beweislast für seine Anspruchsinhaberschaft trägt der Kläger (vgl. mwN Palandt/Sprau aaO, § 812 Rn. 93;
BeckOK BGB/Dennhardt, Ed. 39, § 372 Rn. 7; Stoffregen JuS 2009, 421 ff.; Peters NJW 1996, 1246 ff.).
32 II. Nach diesen Grundsätzen muss daher der Kläger darlegen und nachweisen, dass er gegen den
Hinterleger, d.h. den Treuhänder Rechtsanwalt M..., einen Anspruch auf (Rück-) Zahlung des auf das Konto
des Treuhänders überwiesenen Kaufpreises für die Photovoltaikanlage hatte. Ein solcher Anspruch des
Klägers ergibt sich im Streitfall aus § 667 BGB.
33 II. Die Vorschrift ist anwendbar.
34 a) Für einen Treuhandvertrag gilt Auftragsrecht (§ 662 ff. BGB, bei Entgeltlichkeit über § 675 Abs. 1 BGB).
35 b) Der zwischen dem Kläger und Rechtsanwalt M... am 12.11.2013 geschlossene Vertrag
(„Treuhandvertrag Käufer Rückstellung“, Anlagen K2 und K2/1) ist in rechtlicher Hinsicht ein
Treuhandvertrag .
36 1) Bei einem solchen verpflichtet sich der Treuhänder zur treuhänderischen Verwaltung des empfangenen
Geldes.
37 Anders kann es zwar liegen, wenn ein Rechtsanwalt Geld nicht für den Einzahler verwalten, sondern es
alsbald entsprechend der ihm von seinem Mandanten erteilten Weisung weiterleiten soll, z.B. wenn er als
Strafverteidiger Geld erhält, das er alsbald an die Hinterlegungsstelle als Kaution für einen Inhaftierten
weiterzuleiten hat (BGH IX ZR 132/03, juris Rn. 10). Dann ist der Rechtsanwalt nicht Treuhänder, sondern
bloße „Zahlstelle“.
38 Entgegen der Berufung (vgl. Bl. 76, 117, 221) fungierte Rechtsanwalt M... für den Kläger aber nicht nur als
bloße Zahlstelle. Rechtsanwalt M... hatte nicht die Aufgabe, den Kaufpreis schlicht an die
Insolvenzschuldnerin weiterzuleiten. Dann hätte es seiner Einschaltung auch kaum bedurft. Der
Treuhandvertrag - schon der Wortlaut ist eindeutig - ist nicht nur als solcher überschrieben, sondern sieht
in § 2 ausdrücklich eine „Verwaltung“ des Treuguts (nicht dessen bloße Weiterleitung) vor. In § 3 sind
mehrere Aufgaben des Treuhänders geregelt, die erkennbar über „bloßes Inkasso“ (vgl. Bl. 211)
hinausgehen, und die nicht nur der „bloßen Entlastung“ (vgl. BGH III ZR 368/03, juris Rn. 22) der
Insolvenzschuldnerin dienten.
39 2) Zwar betont die Berufung, auch die Insolvenzschuldnerin habe am 18.11.2013 einen Treuhandvertrag
mit dem Treuhänder geschlossen (Anlage B3; zuvor habe der Treuhänder bereits auf ihren Auftrag hin das
Treuhandkonto für das Projekt St... eröffnet, vgl. Anlagen B2, B11; ebenso habe er Treuhandkonten für
andere Projekte der Insolvenzschuldnerin eröffnet, vgl. Anlagen B5, B8-B11; dazuhin habe er die
Insolvenzschuldnerin insoweit auch rechtlich beraten - vgl. Anlagen B 12-B14, B16-30 - und dabei z.B. das
Muster für den Kauf- und Treuhandvertrag entworfen und dafür Geld erhalten, vgl. Anlage B6).
40 Jedoch ändert das nichts daran, dass eben auch der Kläger einen Treuhandvertrag mit dem Treuhänder
abgeschlossen hat (sodass entgegen der Berufung nicht nur ein „vermeintlicher Treuhandvertrag“ vorliegt,
vgl. Bl. 328, 3. Absatz).
41 3) Zwar liegt deshalb möglicherweise eine sog. Doppeltreuhand vor. Das kann aber dahinstehen.
42 (1) Ein Tätigwerden des Treuhänders für mehrere Auftraggeber ist grundsätzlich möglich und rechtlich
zulässig (vgl. Kähler/Neumann NJW 2016, 1121). Gehen deren Interessen auseinander, kann aber die
Vertretung widerstreitender Interessen drohen. Daher stellt § 3 Abs. 1 BORA inzwischen klar, dass eine
doppelseitige Anwaltstreuhand in einem laufenden Mandat mit einem der Auftraggeber ausgeschlossen ist.
Auch sonst kann die Übernahme einer Doppeltreuhand gegen § 43 a Abs. 4 BRAO verstoßen und der
Anwalt sogar nach § 356 StGB belangt werden (vgl. Zugehör u.a., Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl.,
Rn. 1829).
43 (1) Im Streitfall kann aber dahinstehen, ob vorliegend - was nahe liegt - eine Doppeltreuhand vorliegt
(wovon der Treuhänder selbst ausgeht, sodass auch der Einwand der Berufung im Schriftsatz vom
21.06.2014, S. 8 oben unrichtig ist, dem Treuhänder habe erkennbar der Wille gefehlt, den Kaufpreis für
den Kläger zu verwalten, vgl. vielmehr Anlagen K5 = B 20 [„treuhänderisch auch gegenüber den Käufern
verpflichtet“] und B14 [“von zwei Seiten als Treuhänder eingesetzt“]; ebenso OLG Stuttgart 12 U 168/15,
S. 22 [unter 3.]; ohne Begründung anders LGU 9).
44 Weiter kann dahinstehen, ob diese unter den Umständen des Streitfalles zulässig war oder - wie der
Beklagte meint (zuletzt im Schriftsatz vom 21.06.2016, S. 6 [unter III.]) - nicht.
45 Offen bleiben kann auch, ob bei einem etwaigen Verstoß gegen die genannten Vorschriften die
Treuhandverträge nichtig nach § 134 BGB sind (so OLG München 7 U 4279/13, juris Rn. 66; offen lassend
BGH IX ZR 212/11, juris Rn. 3). Denn wenn man dies - mit der Berufung - unterstellen würde, hätte der
Treuhänder bei der Entgegennahme des Kaufpreises des Klägers als Geschäftsführer ohne Auftrag
gehandelt. Auch dann bliebe er aber dem Kläger nach § 667 BGB zur Herausgabe des Erlangten
verpflichtet, was sich aus § 681 BGB ergäbe (vgl. BGH III ZR 205/95, juris Rn. 17; ebenso OLG Stuttgart 12
U 169/15, S. 22 [unter 4.]).
46 II. Der Anspruch aus § 667 BGB ist fällig. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten tritt ein mit
Erreichen oder endgültiger Verfehlung des Auftragszwecks. Letzteres ist der Fall.
47 a) Der Zweck des Treuhandvertrages ist in § 2 ausdrücklich festgehalten. Der Treuhänder sollte den
Kaufpreis an die Insolvenzschuldnerin auszahlen Zug um Zug gegen Aushändigung der
„Übertragungserklärung“, also Zug um Zug gegen Übertragung von Eigentum an der von der
Insolvenzschuldnerin zu erstellenden Photovoltaikanlage.
48 b) Der Beklagte hat aber für die Insolvenzschuldnerin die Erstellung der Anlage am 30.06.2014 abgelehnt
(Anlage K7). Eigentum daran kann somit nicht mehr übertragen werden. Der Auftragszweck des
Treuhandvertrages kann nicht mehr erreicht werden.
49 II. Der Anspruch aus § 667 BGB richtet sich auf Herausgabe des zur Durchführung des Auftrags Erhaltenen
und Erlangten. Zum „Erhaltenen“ gehört nicht nur das, was dem Auftraggeber von vornherein nur
vorübergehend zur Durchführung des Auftrags überlassen wurde, sondern auch diejenigen (Geld-) Mittel,
die eigentlich dafür bestimmt waren, in Ausführung des Auftrags verbraucht zu werden. Hat der
Auftragnehmer die erlangten Mittel bereits zu dem vorgesehenen Zweck verwendet, wird er zwar von
seiner Verpflichtung zur Herausgabe frei (BGH III ZR 344/02, juris Rn. 15). Sind sie aber noch bei ihm
vorhanden oder hat er sie nicht zu dem vorgesehenen Zweck - sondern anderweitig - verwendet, trifft ihn
eine Herausgabepflicht (BGH III ZR 290/00, juris Rn. 7; BGH III ZR 336/89, juris Rn. 5).
50 a) Im Streitfall war der Kaufpreis, den der Treuhänder vom Kläger erhalten hatte, noch vorhanden und
konnte vom Treuhänder hinterlegt werden.
51 b) Zwar versucht die Berufung das dadurch zu überspielen, dass sie die Auffassung vertritt, der Kaufpreis
sei vom Treuhänder bereits „bestimmungsgemäß verwendet“ worden und deshalb „in rechtlicher Hinsicht“
nicht mehr vorhanden (vgl. Bl. 325, letzter Absatz). Sie meint, der Kaufpreis sei „im Grunde“ schon
vollständig - wie es die §§ 2, 3 des Treuhandvertrages des Klägers letztlich vorsähen - an die
Insolvenzschuldnerin ausgezahlt worden. Denn er sei vom Kläger auf das Treuhandkonto überwiesen
worden; „wirtschaftlich Berechtigte“ des Treuhandkontos sei die Insolvenzschuldnerin gewesen.
52 Letzteres ist aber zweifelhaft (unten aa) und rechtfertigt dazuhin nicht die Annahme, der Kaufpreis sei
vom Treuhänder bereits „bestimmungsgemäß verwendet“ worden (unten bb).
53 1) Zwar hat Rechtsanwalt M... das Treuhandkonto als Anderkonto am 30.07.2013 im Auftrag der
Insolvenzschuldnerin für das zukünftige Projekt St... eröffnet (Anlagen B2, B11). Die kontoführende Bank
hat deshalb bei Kontoeröffnung (zunächst nur) die Insolvenzschuldnerin als wirtschaftlich Berechtigte
vermerkt (und nicht damals noch unbekannte Käufer) und als Postadresse des Kontoinhabers
„Rechtsanwalt M..., AXY St..., ...“ (wobei „AK“ Anderkonto, „AXY“ [= Firma der Insolvenzschuldnerin]
bedeutet und „PV St...“ die zu errichtende und zu verkaufende Photovoltaikanlage für das Projekt St...
meint).
54 Jedoch sagt das nichts darüber aus, ob der Kläger später nicht auch wirtschaftlich Berechtigter des Kontos
wurde. Ein Anderkonto wie das streitgegenständliche ist eine spezielle Form des Treuhandkontos. Ein
Treuhandkonto ist ein in eigenem Namen, aber für fremde Rechnung unterhaltenes Konto. Die Bank hat bei
Treuhandkonten den wirtschaftlich Berechtigten zu erfragen und zu speichern. Wirtschaftlich Berechtigter
ist derjenige, für dessen Rechnung das Konto geführt wird. Etwa bei der Zahlung eines Kaufpreises für
Immobilien über ein Notaranderkonto können sowohl Käufer als auch Verkäufer als wirtschaftlich
Berechtigte angesehen werden. Dass beide wirtschaftlich Berechtigte sind, ist ausweislich Seite 35 der
Anwendungsempfehlung der Bundesnotarkammer zum Geldwäschegesetz (GwG) vom April 2012 der
Regelfall (vgl. http://www.bnotk.de/_downloads/Rundschreiben/2012/16_RS_2012_Anlage.pdf).
55 2) Zum anderen überzeugt es nicht, wenn die Berufung meint, mit Eingang des Geldes auf dem
Treuhandkonto habe der Treuhänder dieses schon „bestimmungsgemäß verwendet“.
56 Diese Frage beurteilt sich nach dem Treuhandvertrag. Das gilt auch dann, wenn er nichtig wäre (vgl. BGH
III ZR 205/95, juris Rn. 17). Somit kann auch im vorliegenden Zusammenhang die oben unter 1. b) cc)
diskutierte Frage der Nichtigkeit des Treuhandvertrages offen bleiben.
57 Seine sich aus §§ 2, 3 des Treuhandvertrages ergebenden Aufgaben hatte der Treuhänder bei Eingang des
Geldes auf dem Treuhandkonto ganz ersichtlich noch nicht erfüllt. Denn seine Aufgabe war, das Geld bei
Vorliegen bestimmter Voraussetzungen noch an die Insolvenzschuldnerin auszuzahlen.
58 Das war auch nicht entbehrlich.
59 Die Insolvenzschuldnerin konnte zuvor über das Geld noch nicht verfügen. Es war entgegen der Berufung
nicht so, dass eine Auszahlung an sie einer bloßen „Umbuchung“ geglichen hätte und bloße Formalie war.
Denn bei einem Treuhandkonto ist wie dargestellt nur der Treuhänder alleiniger Forderungsberechtigter
gegenüber der kontoführenden Bank. Ein Treuhandkonto kann auch nur für die Gläubiger des Treuhänders
gepfändet werden (dem wirtschaftlich berechtigten Treugeber steht insoweit „nur“ die Möglichkeit einer
Drittwiderspruchsklage offen, vgl. BeckOK ZPO/Riedel, Ed. 20, § 829 Rn. 137).
60 Die Auszahlung war auch aus Klägersicht keine entbehrliche Formalie. Denn allein die Überweisung des
Kaufpreises auf das Anderkonto bewirkte noch keine Erfüllung, vgl. BGH V ZR 168/81, juris Rn. 14 ff.:
61 „Der erkennende Senat vertritt den Standpunkt, daß die vertragsgemäße “Hinterlegung” beim Notar dann
Erfüllungswirkung hat, wenn die Parteien dies ausnahmsweise vereinbaren ...
62 Im übrigen hat eine solche Leistung auch dann Erfüllungswirkung, wenn der Dritte vom Gläubiger
ermächtigt ist, die Leistung (mit befreiender Wirkung) in Empfang zu nehmen (§§ 362, 185 BGB) ... [aber]
das BerGer. hat eine solche Ermächtigung nicht festgestellt.
63 Das BerGer. brauchte eine solche Ermächtigung nicht von sich aus dem Vertrage zu entnehmen, denn im
Regelfall ist aufgrund der Interessenlage der Beteiligten nicht anzunehmen, daß bereits die vereinbarte
“Hinterlegung” des Kaufpreises beim Notar zum Erlöschen des Kaufpreisanspruches führen soll. In der Regel
ist eine „Hinterlegung“ allein zu Sicherungszwecken (wechselseitige Erfüllung der übernommenen
Verpflichtungen ... sinnvoll. Aufgrund der “Hinterlegung” wird beiden Vertragspartnern das Risiko einer
Vorleistung abgenommen. Würde der “Hinterlegung” beim Notar bereits Erfüllungswirkung beigelegt, so
liefe der Käufer (hier die Bekl.) überdies Gefahr, daß der Verkäufer, bevor er seinerseits erfüllt hätte, in
Konkurs fiele; der Konkursverwalter könnte dann gem. § 17 KO die Vertragserfüllung ablehnen und den
Käufer mit dessen Forderung auf Rückzahlung des Kaufpreises auf die Konkursquote beschränken ... Solche
Gefahren einer Insolvenz des Verkäufers sind [noch] erheblich größer als die [ebenfalls bestehende] Gefahr
einer Veruntreuung des beurkundenden Notars.
64 Deshalb wird im Normalfall eine Erfüllungsabrede im erörterten Sinne nicht anzunehmen sein.“
65 Fehl geht somit die Berufung, wenn sie aus der zitierten Entscheidung gerade das Gegenteil herauslesen
möchte (vgl. Bl. 333, 2. Absatz) und meint, die Überweisung auf das Treuhandkonto sei für den Kläger
„schuldbefreiend“ gewesen und die Kaufpreisforderung „letztendlich erloschen“ (vgl. Bl. 75).
66 Deshalb war es auch folgerichtig vom Beklagten, sich zu dem mithin von beiden Seiten noch nicht
vollständig erfüllten Vertrag zu erklären und am 30.06.2015 (Anlage K7) unter ausdrücklicher Berufung
auf § 103 InsO sein Wahlrecht auszuüben (vgl. Breitenbücher in: Graf-Schlicker, InsO, § 103 Rn. 6).
67 II. Zwar hat der Bundesgerichtshof in der eben zitierten Entscheidung offen gelassen, „ob nach der
Interessenlage die Erfüllungswirkung in der Regel jedenfalls ... von dem Zeitpunkt an anzunehmen ist, da
die Auszahlungsreife eintritt“ (BGH V ZR 168/81, juris Rn. 23).
68 Eine vollständige oder jedenfalls teilweise „Auszahlungsreife“ lag aber im Streitfall nicht vor. Somit kann
der Anspruch des Klägers auch nicht mit der - parallelen - Erwägung verneint werden, im Zusammenhang
mit der Doppeltreuhand habe die Insolvenzschuldnerin - zumindest in Höhe von 90% des Kaufpreises von
insgesamt 155.380,68 EUR - einen eigenen, „besseren“ Herausgabeanspruch gegen den Treuhänder aus §
667 BGB gehabt (vgl. Bl. 114).
69 Das ergibt sich aus Folgendem:
70 a) Der Beklagte verweist zwar auf § 3 Abs. 5 des Treuhandvertrags der Insolvenzschuldnerin, nach dem
der Treuhänder an die Insolvenzschuldnerin 30% des Kaufpreises „bei Auftrag und Kaufvertrag“ (46.614,20
EUR) und 60% „nach Baubeginn“ (93.228,40 EUR) auszahlen musste. Das entsprach der Regelung in § 3
Abs. 5 des Treuhandvertrages des Klägers mit dem Treuhänder. Der Beklagte meint, der Treuhänder habe
diese Beträge aus der Treuhandtätigkeit für die Insolvenzschuldnerin erlangt (und zwar vom Kläger) und
müsse sie nunmehr, da die Voraussetzungen laut Treuhandvertrag vorlagen, als „Erlangtes“ nach § 667
BGB herausgeben.
71 Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines solchen Anspruchs sind aber nicht schlüssig dargetan.
72 1) Fraglich könnte schon sein, ob Rechtsanwalt M... bezüglich des Kaufpreises überhaupt Treuhänder (auch)
für die Insolvenzschuldnerin war. Denn in deren Treuhandvertrag heißt es in § 2 nur, dass Treugut die
Eigentumsübertragungserklärung sei.
73 2) Unterstellt man dagegen, dass Rechtsanwalt M... den Kaufpreis nicht nur für den Kläger, sondern auch
für die Insolvenzschuldnerin treuhänderisch verwalten sollte, so hat der Beklagte trotzdem nicht schlüssig
einen Anspruch gegen den Treuhänder auf Herausgabe von 90% des Kaufpreises dargelegt.
74 (1) Nach § 2 beider Treuhandverträge sollte der Treuhänder der Insolvenzschuldnerin den Kaufpreis nur
Zug um Zug gegen Aushändigung der Eigentumsübertragungserklärung auszahlen. Dazu ist es nicht
gekommen. Dazu kann es auch nicht mehr kommen. Damit fehlt eine Voraussetzung für einen eigenen,
fälligen Herausgabe- bzw. Zahlungsanspruch der Insolvenzschuldnerin gegen den Treuhänder.
75 (1) Dazuhin widerspricht die Regelung in § 2 derjenigen in § 3 Abs. 5. Ein Vorrang lässt sich auch nicht
durch Auslegung ermitteln (sog. Perplexität): Der Kaufpreis ist vom Treuhänder einerseits Zug um Zug
gegen Übertragung des Eigentums an der Anlage auszuzahlen, andererseits aber auch in Raten, davon
90% bereits zu Baubeginn. Beides zugleich geht nicht (ebenso OLG Stuttgart 12 U 169/15, S. 36 [unter b.,
dort vorletzter Absatz]). Eine perplexe Regelung ist regelmäßig nichtig (L. Böttcher in: Erman, BGB, 14.
Aufl., § 313 Rn. 34).
76 (1) Davon auch erfasst ist die Regelung in § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages, wonach das Eigentum an der
Anlage erst mit Fertigstellung übergehen soll. Auch das kollidiert den Regelungen im Treuhandvertrag.
Dabei sind Kauf- und Treuhandvertrag als Einheit zu sehen. Denn der Kauf der Anlage - auch nach dem
Vortrag des Beklagten - erfolgte über ein von der Insolvenzschuldnerin vorbereitetes „Vertragskonstrukt“,
zu dem „parallel“ der Kauf- und die Treuhandverträge gehörten (Bl. 70).
77 3) Dazuhin ist bezüglich der Rate von 60% auch nicht schlüssig dargetan, dass Auszahlungsreife wegen
eines „Baubeginns“ vorlag.
78 Der Beklagte hatte in seiner Klageerwiderung bezeichnenderweise keinen Baubeginn behauptet, sondern
sich vielmehr dahin geäußert, dass die Anlage
nicht errichtet wurde (Bl. 73), und hat nur Ausführungen
zur 30%-Rate gemacht (Bl. 76).
79 In seiner Berufungsbegründung trägt er zwar vor (Bl. 328, 3. Absatz): „Der Kläger hat unwidersprochen
vorgetragen, dass am 16.01.2014 mit den Baumaßnahmen der von ihm gekauften Photovoltaikanlage
begonnen wurde ...“. Damit nimmt er auf den erstinstanzlichen Schriftsatz vom 24.04.2015 (Bl. 134) und
die Anlage K15 Bezug. Aus dieser ergibt sich aber nur, dass Rechtsanwalt M... in einer Mail vom
15.01.2015 von einem
beabsichtigten Baubeginn am Folgetag spricht. Das reicht aber für eine schlüssige
Darlegung eines dann auch tatsächlich erfolgten Baubeginns nicht aus. Gleiches gilt für die jüngsten
Ausführungen im Schriftsatz vom 21.06.2014, S. 6, wonach Rechtsanwalt M... am 16.01.2015 von einem
Baubeginn „ausgegangen“ sei.
80 Ein Baubeginn ist auch nicht prozessual unstreitig, sondern vom Kläger bereits vorprozessual am
23.06.2014 bestritten worden (Anlage K9 = K11 [auf S. 5 unter Ziff. 9]).
81 4) Aufgrund des Gesagten dahinstehen kann, ob schlüssig und prozessual zulässig dargelegt wäre, dass die
Insolvenzschuldnerin noch Inhaber des behaupteten Anspruchs gegen den Treuhänder ist.
82 Das könnte deshalb fraglich sein, weil ausweislich der Anlage K13 die Insolvenzschuldnerin am 15.01.2014
„Forderungen gegen den Treuhänder Matthias M... aus Auszahlung der vereinbarten Kaufpreissumme nach
Kaufpreiszahlung und Baubeginnsanzeige ...“ aus dem streitgegenständlichen Projekt St... „in Höhe von
136.255 EUR“ abgetreten hat an die S... H... GmbH. Aus den jüngsten Ausführungen des Beklagten ergibt
sich allerdings, dass infolge der Abtretung bereits am 16.01.2014 vom Treuhänder der abgetretene Betrag
an die S... ausgekehrt wurde, sodass sich die Abtretung wohl nicht auf den erst am 30.01.2014
eingegangenen Kaufpreis des Klägers bezogen hat (vgl. Schriftsatz vom 21.06.2016, S. 3 und S. 5, Absatz
3 ff.).
83 b) Ein vorrangiger Herausgabeanspruch des Beklagten ergibt sich auch nicht wegen von ihm betonter
insolvenzrechtlichen Besonderheiten (vgl. Bl. 76, 2. Absatz).
84 1) Rechtsanwalt M... war wie dargestellt Vollrechtsinhaber des von ihm eingerichteten Anderkontos.
Anderkonten sind offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende
Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist.
85 2) Endet das Treuhandverhältnis (was bei Insolvenz des Treugebers der Fall sein kann, aber gerade bei
einer Doppeltreuhand keineswegs der Fall sein muss, vgl. MüKo InsO/Ott/Vuia aaO, § 116 Rn. 25), dann
fallen Zahlungen, die auf ein vom Treuhänder eingerichtetes Anderkonto eingegangen sind, nicht ipso iure
an den Treugeber zurück bzw. bei Insolvenz des Treugebers an den Insolvenzverwalter (BGH VIII ZR 43/61,
NJW 1962, 1200, 1201 [unter 1.; vgl. auch Leitsatz a: „Erlischt ein Treuhandvertrag auf
Geschäftsbesorgung infolge Konkurseröffnung und ist die Übertragung des Treugutes auf den
Konkursverwalter nicht unter der auflösenden Bedingung der Eröffnung des Konkurses erfolgt, so fällt das
Treugut nicht von selbst an den Treugeber, d.h. den Konkursverwalter zurück ...“]; BGH IX ZR 184/88, juris
Rn. 12). Sie gehören nicht zur Insolvenzmasse (BGH IX ZR 192/07, juris Rn. 7 ff.; Zugehör u.a. aaO, Rn.
1809) und werden nicht nach § 80 InsO vom Insolvenzbeschlag erfasst (anders Beklagter, Bl. 75, 77, 330).
86 Selbst wenn man also die Insolvenzschuldnerin (auch) als Treugeber bezüglich der Kaufpreissumme ansähe,
gehörte diese nicht infolge der Insolvenz automatisch zur Insolvenzmasse.
87 3) In die Masse fallen kann allenfalls ein schuldrechtlicher Anspruch des Treugebers auf Herausgabe,
resultierend aus dem Treuhandvertrag (MüKo InsO/Peters aaO, § 35 Rn. 125).
88 Im Streitfall besteht ein solcher Herausgabeanspruch der Insolvenzschuldnerin als (unterstellte)
Treugeberin gegen den Treuhänder - wie oben unter a) bb) dargestellt - aber gerade nicht.
89 4) Soweit der Beklagte gelegentlich pauschal davon spricht, der Kaufpreis sei „dem Vermögen der
Insolvenzschuldnerin zuzuordnen“ oder der Kläger müsse „nachweisen, dass der Kaufpreis seinem
Vermögen zuzuordnen ist“ (zuletzt Schriftsatz vom 21.06.2014, S. 4 unten), läuft das auf freihändige bzw.
rechtlich nicht unterlegte Wertungen heraus.
90 II. Hinweise des Beklagten auf den Kaufvertrag des Klägers mit der Insolvenzschuldnerin (Anlage K1)
führen nicht weiter.
91 a) Ein Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises des insolventen Verkäufers gehört zwar regelmäßig zur
Insolvenzmasse (vgl. BGH IX ZR 180/99, juris Rn. 24). Das Bestehen eines solchen Anspruchs der
Insolvenzschuldnerin gegen den Kläger hat der Beklagte aber nicht schlüssig dargetan.
92 1) Klarzustellen ist zunächst, dass es unrichtig ist, wenn der Beklagte meint, der Kläger sei der
Insolvenzschuldnerin mit Abschluss des Kaufvertrages zur Zahlung des vollständigen Kaufpreises
an sie
binnen 14 Tagen verpflichtet gewesen. Ausweislich des Kaufvertrages war an den Treuhänder zu zahlen.
Das ist geschehen.
93 2) Weiter unrichtig ist, dass sich der Kläger quasi freiwillig und mit Blick auf erhoffte Renditen von 7% zur
Vorauszahlung des Kaufpreises ohne irgendwelche Sicherheit verpflichtet habe (vgl. Bl. 331, 2. Absatz),
und dass er sogar auf die übliche Abwicklung Zug um Zug verzichtet habe, weil er in § 3 Abs. 2 des
Kaufvertrages der Insolvenzschuldnerin sogar einen Eigentumsvorbehalt bis Fertigstellung der Anlage
eingeräumt habe (Bl. 74).
94 Denn diese Regelung ist - wie oben unter 4. a) bb) dargestellt - Teil einer widersprüchlichen und deshalb
perplexen und nichtigen Regelung über die Vertragsabwicklung.
95 Nach Gesetz wären die Hauptpflichten grundsätzlich Zug um Zug abzuwickeln (§ 320 BGB). Demnach
besteht keine Fälligkeit des Zahlungsanspruchs, solange nicht die Lieferung erfolgt oder korrekt angeboten
worden ist (MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl., § 433 Rn. 65; Jauernig/Berger, BGB, 16. Aufl., § 433 Rn. 3).
Dazu kann es aber nicht mehr kommen (also auch nicht zur Fälligkeit des Zahlungsanspruchs). Zwar
könnte sich rechtlich etwas anderes ergeben, wenn der Kläger vorleistungspflichtig gewesen wäre, doch ist
der Eigentumsvorbehalt der Insolvenzschuldnerin in § 3 Abs. 2 des Kaufvertrages wie dargestellt nichtig.
96 b) Selbst wenn die Insolvenzschuldnerin noch einen fälligen Kaufpreisanspruch gegen den Kläger gehabt
hätte, der nun Teil der Insolvenzmasse wäre und vom Beklagten geltend gemacht werden könnte, so ist
das Innenverhältnis der Prätendenten für die Entscheidung des Streits der Parteien um die Freigabe des
hinterlegten Betrages - wie schon oben unter I. 2 erwähnt - unerheblich (BGH VIII ZR 210/95, juris Rn. 12;
BGH V ZR 141/98, juris Rn. 25; OLG Zweibrücken NJOZ 2011,60, 62; so auch der Beklagte, Bl. 74 und
324). In der Literatur wird das - überzeugend wie folgt begründet (Mankowski, EWiR 1997, 393):
97 „Entscheidend ist der Grundanspruch auf Freigabe gegen die Hinterlegungsstelle. Dessen Inhaber ist der
(richtige) Gläubiger des ursprünglichen Schuldners. Die Hinterlegungsstelle tritt jedenfalls bei Hinterlegung
unter Verzicht auf Rücknahme gleichsam an die Stelle des ursprünglichen Schuldners. Daher kommt es
letztendlich auf die Berechtigung im Verhältnis zum ursprünglichen Schuldner an. Das formelle
Hinterlegungsrecht der Hinterlegungsordnung macht nur dann eine Prüfung des materiellen Rechts
überflüssig, wenn ein Tatbestand des §13 Abs. 2 HintO erfüllt ist. Wer nur Gläubiger des berechtigten
Gläubigers ist, ist eben kein Gläubiger des Schuldners. Bloße Gläubiger des Gläubigers stehen in keiner
unmittelbaren Beziehung zum Schuldner. Sie stehen außerhalb des von §13 HintO gemeinten Kreises. An
sie hätte der Schuldner nicht befreiend leisten können. Leistungen an sie lassen die Forderung
grundsätzlich unberührt.
98 Dies ändert sich erst, wenn der Gläubiger des Gläubigers seinen Anspruch gegen den Gläubiger erfolgreich
durchgesetzt und der Gläubiger seinen Anspruch gegen den Schuldner an seinen eigenen Gläubiger
abgetreten hat oder jener Anspruch gepfändet und zur Einziehung überwiesen wurde. Dann ändert sich
infolge der Abtretung die Forderungszuständigkeit und auf Grund der Pfändung die
Einziehungsberechtigung. Es bedarf jedenfalls eines besonderen Aktes, um die Forderung auf den Gläubiger
des Gläubigers überzuleiten und diesen in ein unmittelbares Verhältnis zum Schuldner treten zu lassen.
Der Gläubiger des Gläubigers muss sich immer zunächst an den Gläubiger halten, nicht an den Schuldner
oder an die Hinterlegungsstelle. Der Freigabestreit bewirkt keine Umwälzung der Verhältnisse. Ansonsten
würden in der Tat dem Gläubiger mögliche Gegenrechte oder Einreden im Innenverhältnis abgeschnitten.“
99 c) Soweit die Berufung betont, der Kläger habe in Höhe von 30, 60 oder 90%
keinen Schaden erlitten, weil
der Treuhänder bei rechtmäßigem Verhalten bereits 90% des Kaufpreises an die Insolvenzschuldnerin hätte
auszahlen müssen (vgl. die Ausführungen Bl. 329, 2. Absatz), ist das wie oben dargestellt gerade nicht der
Fall. Dazuhin setzt der Anspruch aus § 667 BGB keinen Schaden voraus.
100 II. Der Anspruch des Klägers aus § 667 BGB war schließlich vor der Hinterlegung auch nicht wegen
Unmöglichkeit der Herausgabe nach § 275 BGB ausgeschlossen (vgl. Bl. 324, letzter Absatz; Schriftsatz
vom 21.06.2016, S. 2 ff. unter I.).
101 a) Die Herausgabe war nicht unmöglich, weil das Geld beim Treuhänder vorhanden und deshalb auch von
ihm hinterlegt werden konnte. Nur klarstellend: Unstreitig hatte Rechtsanwalt M... vom Kläger durch
Überweisung auf sein Treuhandkonto den Kaufpreis von 155.380,68 EUR erhalten. Ebenso unstreitig hatte
er davon auftragsgemäß Beträge von 16.337,88 EUR für den Vertrieb, Rücklagen und an sich selbst als
Vergütung ausgekehrt (Anlage B4). Es verblieb die Differenz von 141.393,09 EUR, die er hinterlegt hat,
und die allein streitgegenständlich ist.
102 b) Die Berufung wendet zwar ein, dass auf dem Treuhandkonto neben dem Kaufpreis des Klägers noch
andere Kaufpreise für andere Anlagen des Projekts St... eingegangen seien (was stimmt, vgl. Anlage B7)
und deshalb eine „Vermischung“ der Kaufpreise eingetreten sei (vgl. Bl. 329, 2. Absatz). Jedoch führte das
nicht zur Unmöglichkeit der Herausgabe.
103 1) Grundsätzlich kann das Vorliegen eines Herausgabeanspruchs nach § 667 BGB nicht mit dem Hinweis
verneint werden, der Empfänger des Geldvermögens habe dieses nicht getrennt von seinem eigenen
Vermögen verwaltet. Dies gilt unabhängig davon, ob der Beauftragte gemäß §§ 947, 948 BGB Eigentümer
geworden ist, denn für diesen Fall hat der Beauftragte dem Auftraggeber gemäß § 667 BGB Eigentum nach
sachenrechtlichen Grundsätzen zu verschaffen, Forderungen und Rechte sind zu übertragen; die
Herausgabepflicht des Beauftragten betrifft in diesem Fall eine Geldsummenschuld (BFH II R 39/98, juris Rn.
12).
104 2) Zwar hat hat der Bundesgerichtshof in einer besonderen Fallkonstellation einschränkend entschieden,
dass es sich bei dem Herausgabeanspruch nach § 667 BGB nicht um eine „gewöhnliche Geldschuld“ handle.
Wenn der Beauftragte nur Durchgangsstelle für eine zu seinen Händen geleistete, aber für Rechnung des
Auftraggebers entgegengenommene Zahlung sei, die er ohne Inanspruchnahme seines eigenen Vermögens
lediglich weiterzuleiten habe, dann treffe ihn auch nicht die Gefahr, dass der Leistungsgegenstand bei ihm
ohne sein Verschulden untergehe. Bei einem Verlust der empfangenen Gelder z.B. infolge einer Insolvenz
der Bank (oder infolge Diebstahls, nicht dagegen bei zweckwidriger Verwendung des Geldes) hafte der
Beauftragte daher weder nach § 667 BGB noch verschuldensunabhängig wegen Übernahme eines
Beschaffungsrisikos für eine Geldsummenschuld gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB, sondern allein bei von
ihm zu vertretenden Pflichtverletzungen nach den §§ 280 ff. BGB (BGH III ZR 9/05, juris Rn. 10;
Palandt/Sprau aaO, § 667 Rn. 7).
105 Jedoch scheint eine Übertragung dieser Grundsätze auf den Streitfall schon deshalb problematisch, weil
kein
Verlust empfangener Gelder vorliegt. Die Beklagte behauptet weder, dass der Kaufpreis des Klägers
noch dass andere auf dem Konto eingegangene Kaufpreise verloren worden seien. Die Beklagte behauptet
lediglich eine
Vermischung der Gelder auf dem Konto. Es gibt keinen Grund, warum hier keine
verschuldensunabhängige Herausgabepflicht gelten soll.
106 Keine andere Beurteilung rechtfertigt die Überlegung, dass für den Fall, dass der Treuhänder Kundengelder
auf einem Treuhandsammelkonto mit eigenen Geldmitteln vermischt, dem Treugeber in der Insolvenz des
Treuhänders kein Aussonderungsrecht zustehen soll, selbst wenn seine Einlage quantitativ noch vorhanden
sei (OLG Frankfurt NZG 2012, 674, 675 [unter 2.]; bestätigt durch BGH IX ZR 67/12, juris Rn. 2). Zum
einen liegt im Streitfall weder eine Vermischung mit eigenen Geldmitteln des Treuhänders noch eine
Insolvenz des Treuhänders vor. Zum anderen geht es hier nicht um einen Aussonderungsanspruch nach §
47 InsO, der - im Gegensatz zum hier in Rede stehenden Herausgabeanspruch - voraussetzt, dass
auszusondernde Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sind und die Rechtsordnung eine Aussonderung
wegen eines bloßen Geldsummenanspruchs nicht kennt.
107 III. Der Anspruch auf vorgerichtliche Anwaltskosten nebst beantragter Rechtshängigkeitszinsen wurde vom
Landgericht grundsätzlich zu Recht zuerkannt.
108 III. Nicht prozessbezogen und deshalb auch nicht von § 91 ZPO umfasst sind Kosten, die nicht der
Durchführung, sondern der Vermeidung des Rechtsstreits dienen (MüKoZPO/Schulz, 4. Aufl., § 91 Rn. 43).
109 III. Soweit eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage vorhanden ist, kann die außergerichtlich
entstandene Geschäftsgebühr - wie hier - mit der Hauptforderung eingeklagt werden. Als mögliche
materielle Anspruchsgrundlagen kommen Schadensersatz wegen Verzugs, Schadensersatz aus unerlaubter
Handlung o.ä. in Betracht (Mayer in Mayer/Kroiß, RVG, 7. Aufl., VV Vorbem. 3 Rn. 117).
110 III. Einen hier in Betracht kommenden Anspruch aus §§ 280, 286 BGB verneint die Berufung zwar, weil
sich der Beklagte vorgerichtlich vor Mandatierung des Klägervertreters nicht im Verzug befunden habe (Bl.
336); vor dessen Mandatsanzeige im Schreiben vom 23.06.2014 mit Fristsetzung zur Freigabeerklärung bis
30.06.2014 (Anlagen K9 = K11) habe der Kläger den Beklagten in keiner Weise aufgefordert, der Freigabe
zuzustimmen (Bl. 78).
111 Eine damit als fehlend monierte Mahnung des Klägers ist aber nach § 286 Abs. 2 Nr. 3, 4 BGB
ausnahmsweise entbehrlich gewesen. Denn vor dem 23.06.2014 hatte der Beklagte bereits vom
Treuhänder die Auszahlung des Kaufpreises an sich bzw. zur Insolvenzmasse gefordert und in unter den
Umständen des Streitfalles hinreichender Deutlichkeit zu erkennen gegeben, dass er mit einer Auszahlung
an den Kläger nicht einverstanden ist.
112 III. Die Höhe des vom Landgericht zuerkannten Betrages ist - minimal - zu korrigieren. Vorgerichtliche
Anwaltskosten sind aus dem Streitwert zu ersetzen, der der berechtigten Forderung entspricht. Beim
richtigen Streitwert von 141.393,09 EUR ergeben sich vorgerichtliche Anwaltskosten nicht in Höhe
zuerkannter 2.874,92 EUR, sondern wie folgt:
113 1,3 Gebühr = 2.285,40 EUR (VV 2300);
Auslagen = 20 EUR (VV 7001, 7002);
19% USt = 438,03 EUR.
Insgesamt sind das 2.743,43 EUR.
114 IV. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
115 V. Die Voraussetzungen für die vom Beklagten vorsorglich beantragte Zulassung der Revision liegen nicht
vor, § 543 Abs. 2 ZPO. Der vom Beklagten bemühte Zulassungsgrund besteht nicht, weil einzelne Fragen
zur Zulässigkeit der Doppeltreuhand zwar noch ungeklärt sein mögen, aber nach dem Gesagten nicht
entscheidungserheblich sind. Auch sonst hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts.