Urteil des OLG Stuttgart vom 29.04.2016

zulässigkeit der auslieferung, rechtshilfe in strafsachen, vollstreckung der strafe, haftbefehl

OLG Stuttgart Beschluß vom 29.4.2016, 1 Ausl. 326/15; 1 Ausl 326/15
Leitsätze
Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zur dortigen Strafvollstreckung ist nicht zulässig, da
(derzeit) nicht gewährleistet ist, dass der Verfolgte dort Haftbedingungen vorfindet, die den Vorgaben der
Europäischen Konvention zum Schutz von Menschenrechten und Grundfreiheiten und den Europäischen
Strafvollzugsgrundsätzen entsprechen. Die von den rumänischen Behörden in Aussicht gestellte Unterbringung
in einer Haftzelle, die "2 qm oder 3 qm persönlichen Raum, einschließlich Bett und entsprechende Möbel"
gewährleiste, genügt den entsprechenden Anforderungen nicht. Eine (weitergehende) individuelle Zusicherung
besserer Haftbedingungen ist nicht zu erwarten, so dass es einer entsprechenden Fristsetzung an die
rumänischen Behörden nicht bedarf.
Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Rumänien zur dortigen Vollstreckung der Strafe aus dem
Urteil Nummer 333 (Aktenzeichen: 62011/3/2010) vom 11. April 2011 des Gerichtshofs Bukarest - II.
Strafabteilung -, geändert durch den Strafbeschluss Nummer 347 des Berufungsgerichts Bukarest - I.
Strafabteilung - vom 8. Dezember 2011, rechtskräftig mit Beschluss des Obersten Kassations- und Gerichtshofs
- Strafabteilung - Nr. 1370 vom 30. April 2012 ist
nicht zulässig
.
2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 29. Dezember 2015 wird
aufgehoben.
Gründe
I.
1
1. Durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem und Übermittlung eines Europäischen
Haftbefehls, ausgestellt von dem Gerichtshof Bukarest - I. Strafabteilung - am 29. Oktober 2015
(Aktenzeichen: 4627/3/2014), ersuchen die rumänischen Justizbehörden um Festnahme und Auslieferung
des türkischen Staatsangehörigen C. zum Zwecke der Strafvollstreckung. Der Verfolgte wurde von dem
Gerichtshof Bukarest - II. Strafabteilung - durch Strafurteil Nummer 333 (Aktenzeichen: 62011/3/2010) am
11. April 2011, geändert durch den Strafbeschluss Nummer 347 des Berufungsgerichts Bukarest - I.
Strafabteilung - vom 8. Dezember 2011, rechtskräftig mit Beschluss des Obersten Kassations- und
Gerichtshofs - Strafabteilung - Nr. 1370 vom 30. April 2012, zu der Freiheitsstrafe von 12 Jahren verurteilt,
von der die Untersuchungshaft vom 14. August 2010 bis zum 30. April 2012 abgezogen wurde. Durch
Strafurteil Nr. 783 des Gerichtshofs Bukarest - I. Strafabteilung - vom 18. März 2014 (Aktenzeichen
4627/3/2014), rechtskräftig durch den Strafbeschluss Nr. 225/C/LPF des Berufungsgerichts Bukarest - II.
Strafabteilung - vom 7. Mai 2014, wurde die zuvor festgesetzte Sicherungsmaßregel der Ausweisung
aufgehoben und der zuvor bestehende Haftbefehl ersetzt. Die Verurteilung erfolgte wegen
„gewerbsmäßigen Handels mit illegalen Drogen, die ein hohes Risiko haben“, gemäß Art. 2 Abs. 1 und 2 des
Gesetzes Nr. 143/2000, unter Anwendung des Art. 41 Abs. 2 des rumänischen Strafgesetzbuchs. Der
Verurteilung liegt der Vorwurf zugrunde, dass der Verfolgte in der Umgebung von B. zusammen mit I. am 6.
August 2010 versucht habe, „3 Kilogramm Heroin von dem Angeklagten A. infolge des von diesem letzten
von dem türkischen Staatsangehörigen O. empfangenen Befehls zu beschaffen, und am 13.08.2010 hat er
mittels des Angeklagten I. die gleiche Quantität von 3 Kilogramm Heroin von dem Angeklagten A. immer
infolge des von diesem Letzten von dem türkischen Staatsangehörigen O. empfangenen Befehls beschafft“.
Unklar bleibt - insoweit ist der Sachverhalt der Übersetzung des Tatvorwurfs nicht eindeutig -, ob der
Versuch vom 13. August 2010 erfolgreich war (vgl. Bl. 32 d.A.).
2
2. Der Verfolgte wurde, nachdem der Senat zum Zweck seiner Ergreifung auf Antrag der
Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart die Überwachung der Telekommunikation des Verfolgten angeordnet
hatte, am 16. Dezember 2015 von Beamten der Zielfahndung des Landeskriminalamts Baden-Württemberg
bei den Bushaltestellen am Hauptbahnhof K. beim Verlassen eines Busses festgenommen; er hatte 11.000
Euro in bar bei sich sowie Ausweispapiere, die auf den Namen G. lauteten und - bis auf die Mitgliedskarte
eines Fitnessstudios, die sein Lichtbild trug, - das Bild einer Person tragen, die dem Verfolgten ähnlich sieht.
Er wurde am 17. Dezember 2015 dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Karlsruhe vorgeführt, der eine
Festhalteanordnung gemäß § 22 Absatz 3 Satz 2 IRG erließ. Bei seiner in Anwesenheit seines Beistands
erfolgten richterlichen Anhörung machte er zum Tatvorwurf und zu seiner Verurteilung keine Angaben.
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Zu seinen persönlichen Verhältnissen in Deutschland erklärte er, dass er sich seit dem 20. Januar 2015 in L.
zusammen mit seiner Frau aufhalte. Er habe zudem bei der Fa. D., einem Logistikunternehmen, einen „Job“
als Fahrer. Mit einer vereinfachten Auslieferung erklärte er sich nicht einverstanden; auch verzichtete er
nicht auf die Beachtung des Spezialitätsgrundsatzes.
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Die Ermittlungen zu seinem Vorbringen ergaben, dass der Verfolgte unter Verwendung der genannten, auf
den Namen G. ausgestellten rumänischen Identitätskarte bei einem Transportunternehmer in K.
Gelegenheitsarbeiten verrichtete und in einer Personalunterkunft in L. polizeilich gemeldet war, sich
tatsächlich aber jedenfalls teilweise bei einem Bekannten in F. aufhielt.
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3. Der Senat erließ am 29. Dezember 2015 einen Auslieferungshaftbefehl, der dem Verfolgten am 18.
Januar 2016 vom Amtsgericht Stuttgart eröffnet wurde. Dabei machte der Verfolgte keine weiteren
Angaben. Mit Verfügung vom 12. Januar 2016 wurde sein gewählter Beistand auf seinen Antrag nach §§ 40
Abs. 2 Nr. 1 IRG, 141 Abs. 4 StPO gerichtlich bestellt.
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4. Die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart beantragte mit Schriftsatz vom 1. Februar 2016, die
Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären und Haftfortdauer anzuordnen.
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Sie hat am 21. Januar 2016 gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 IRG entschieden, es sei nicht beabsichtigt,
Bewilligungshindernisse gemäß § 83b IRG geltend zu machen. Wegen des Inhalts der Entscheidung wird auf
die Gründe des Senatsbeschlusses vom 29. Februar 2016 Bezug genommen.
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5. Mit Schriftsatz seines Beistands vom 31. Januar 2016 wandte sich der Verfolgte gegen seine Auslieferung.
Er hat beanstandet, dass die noch zu verbüßende Strafe den Unterlagen konkret nicht zu entnehmen war.
Zu den konkreten Verteidigungsmöglichkeiten des Verfolgten verhalte sich der Europäische Haftbefehl nicht.
Aus Sicht der Beistandschaft unter Hinweis auf OLG Bremen, Beschluss vom 08.12.2015 - 1 Ausl. A 23/15 -
sei derzeit wegen unzureichender Haftbedingungen eine Auslieferung an die Republik Rumänien ohnehin
unmöglich. Zudem habe der Verfolgte inzwischen einen Formasylantrag an das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge gerichtet.
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Nachdem er auf die diesbezügliche Darlegungslast des asylantragstellenden Verfolgten (Schomburg/Hackner
in Schomburg/Lagodny/Gless/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 5. Aufl., § 6 IRG, Rn. 38a)
hingewiesen worden war und Einsicht in die beigezogene Akte der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe - 6
Ausl. A 162/14 - sowie weitere Aktenteile genommen hatte, übersandte der Beistand mit Schriftsatz vom
24. Februar 2016 eine Kopie eines an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gerichteten fünfseitigen
Anwaltsschriftsatzes vom selben Tag, auf den er für das Auslieferungsverfahren Bezug nahm und in dem
ausführlich und substantiiert Tatsachen vorgetragen werden, auf die der Asylantrag - vorbehaltlich näherer
und eingehender Befragung - gestützt werden soll. Danach werden der Verfolgte und seine Herkunftsfamilie
als Kurden von der türkischen Regierung seit 1935 aus politischen Gründen verfolgt. Mit dem (unwahren)
Vorwurf des Handelns mit Heroin, den der Verfolgte bestreite, wollten die türkischen Behörden seiner
habhaft werden; mit Überstellung des Verfolgten an die türkische Regierung sei mit anschließender
unmenschlicher Behandlung zu rechnen.
10 Zudem stehe das Auslieferungsbegehren im Widerspruch zu der unbedingt erfolgten Auslieferung nach
Deutschland im Jahre 2014, weshalb dieses rechtsmissbräuchlich und die Auslieferung daher unzulässig sei.
11 6. Mit Beschluss vom 29. Februar 2016 erklärte der Senat die Frage der Zulässigkeit der Auslieferung des
Verfolgten unter Aufrechterhaltung des Auslieferungshaftbefehls für derzeit nicht entscheidungsreif, ordnete
Haftfortdauer an und bat die Generalstaatsanwaltschaft, die rumänischen Behörden zu ersuchen,
12 a. um Mitteilung, weshalb der Verfolgte aufgrund des Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft
Heidelberg vom 12. Dezember 2007 - 45 Js 23782/05 - am 11. Juli 2014 vorbehaltlos an die Bundesrepublik
Deutschland ausgeliefert wurde, obwohl noch ein - beträchtlicher - Teil der gegenständlichen Strafe zu
verbüßen war, und weshalb nunmehr gleichwohl mit dem Europäischen Haftbefehl des Gerichtshofs
Bukarest - I. Strafabteilung - vom 29. Oktober 2015 die Auslieferung zur weiteren Strafvollstreckung
betrieben wird,
13 b. um Übersendung einer Ausfertigung des Urteils (beziehungsweise der Urteile), aus welchem sich der
genaue Tatvorwurf und die den Verfolgten belastenden Umstände ergeben, oder die belastenden Umstände
darzulegen,
14 c. um Mitteilung, wieviel von der auf 12 Jahre festgesetzten Freiheitsstrafe rechnerisch (und ggf. tatsächlich)
noch zu verbüßen ist,
15 d. um Mitteilung, ob gewährleistet ist, dass der Verfolgte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht in die
Türkei abgeschoben werden wird,
16 e. um Zusicherung, dass der Verfolgte im Fall seiner Auslieferung durchgehend in einer Justizvollzugsanstalt
untergebracht wird, deren Standards den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention und
den Europäischen Strafvollzugsgrundsätzen entsprechen und dort jederzeit von deutschen Konsularbeamten
besucht werden darf.
17 Außerdem wurde die Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart gebeten, das Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge
18 a. unter Hinweis auf die Haftprüfungsfristen des § 26 Abs. 1 IRG um Auskunft zu ersuchen, wann mit der
Anhörung des Verfolgten und mit einer Entscheidung über den Asylantrag gerechnet werden kann,
19 b. darum zu ersuchen, die Generalstaatsanwaltschaft über den Fortgang des Asylverfahrens stets auf dem
Laufenden zu halten.
20 7. Die Generalstaatsanwaltschaft unterbreitete den rumänischen Behörden die gestellten Fragen mit
Schriftsatz vom 3. März 2016.
21 a. Der oben unter 6.a. aufgeworfenen Frage lag folgendes Geschehen zugrunde:
22 Der Verfolgte war im Juli 2014 aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, der auf einem Haftbefehl des
Amtsgerichts Heidelberg vom 10.12.2007 - 12 Gs 277/07 beruhte, von Rumänien nach Deutschland
ausgeliefert und in deutsche U-Haft genommen worden. Dem Haftbefehl liegen zwei Taten nach dem BtMG
aus dem Jahr 2005 zugrunde, bei denen es um Transporte von Heroin aus Südosteuropa nach Italien (8 kg)
bzw. Spanien (14 kg) ging, wobei letztere Menge beim Transport auf einem Autobahnparkplatz in M. am
20.10.2005 sichergestellt worden war. Der Haftbefehl vom 10.12.2007 wurde am 8.1.2015 aufgehoben,
weil Auskünfte aus Rumänien auf sich warten ließen. Das Ermittlungsverfahren soll noch offen sein.
23 Die Auslieferungsbewilligung der rumänischen Behörden beruhte auf einem Gerichtsprotokoll vom
26.2.2008 (AS. 23), in dem erklärt wird, dass zunächst der Abschluss des Verfahrens 389/D/P/2006 des
Landgerichts Bukarest abzuwarten sei.
24 In Rumänien soll der Verfolgte zuvor zu 15 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sein durch Urteil des LG
Bukarest I Strafkammer - 844/08.11.2010 -; seine Berufung wurde durch Urteil Nr. 144/A/28.03.2013
zurückgewiesen. Die Strafe soll später auf 13 Jahre reduziert worden sein. Es wird dann noch mitgeteilt, es
sei Untersuchungshaft vom 17.12.2007 bis 6.2.2008 abzuziehen (AS. 33).
25 Nachdem die türkischen Behörden über die Inhaftierung in Deutschland informiert worden waren, ging bei
der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe am 16.7.2014 eine Fahndungsnotierung der Türkei um
Auslieferung des Verfolgten ein. Das Oberlandesgericht Karlsruhe erließ auf Antrag am 12.9.2014
Auslieferungshaftbefehl (AK 95/14 - 6 Ausl. A 162/14), den es mit Beschluss vom 20. Januar 2015 aufhob,
nachdem von den türkischen Behörden die für erforderlich erachtete Weiterlieferungsbewilligung der
rumänischen Behörden nicht beigebracht worden war.
26 Geklärt werden sollte, weshalb der Verfolgte am 11. Juli 2015 vorbehaltlos nach Deutschland ausgeliefert
wurde, obwohl gerade das Urteil rechtskräftig geworden war, dessen Vollstreckung jetzt mit dem aktuellen
Ersuchen um Auslieferung erreicht werden soll. Möglicherweise ist der Grund darin zu suchen, dass die
Auslieferungsbewilligung auf dem Gerichtsprotokoll vom 26.2.2008 (s.o.) beruht und zu diesem Zeitpunkt
der Vorwurf, der dem jetzigen Auslieferungsersuchen zugrunde liegt, möglicherweise noch nicht bekannt
war.
27 Mit Schreiben vom 21. März 2016, dem eine kaum verständliche Übersetzung in die deutsche Sprache
beigefügt war, legte das Gericht von Bukarest den prozessualen Sachverhalt dar, ohne - soweit ersichtlich -
eine Begründung dafür abzugeben, worauf das widersprüchliche Verhalten beruht.
28 b. Soweit erkennbar übersandten die rumänischen Behörden jetzt die maßgeblichen Urteile und Beschlüsse.
Übersetzungen liegen nicht vor.
29 c. Nach Mitteilung der rumänischen Behörden sind von der zwölfjährigen Freiheitsstrafe, die den
Gegenstand des vorliegenden Auslieferungsverfahrens bildet, noch 8 Jahre, 1 Monat und 12 Tage zu
vollstrecken. Die Frage nach der tatsächlich noch zu erwartenden Vollstreckungsdauer wurde nicht
beantwortet. Diese Frage liegt auch nahe, nachdem der Verfolgte (auch) von der ursprünglich auf 15 Jahre
festgesetzten Freiheitsstrafe offenbar nur einen Teil verbüßen musste.
30 d. Zur Frage, ob gewährleistet ist, dass der Verfolgte nach Verbüßung der Freiheitsstrafe nicht in die Türkei
abgeschoben werden wird, liegt keine Antwort vor.
31 e. Zur Frage der Haftbedingungen in Rumänien teilen die Behörden mit detaillierter und nachvollziehbarer
Begründung zunächst mit, dass im Voraus nicht festgelegt werden kann, in welchen Haftanstalten der
Verfolgte untergebracht wird, weil es auf Sicherheitsaspekte und die konkrete Einschätzung individueller
Umstände und Verhältnisse ankommt. Zugesichert könne aber werden, dass der Betroffene die Strafe „in
einer untergeordneten Einheit absitzt, die ihm, je nach der ihm zugeordneten Vollstreckungsweise, 2 m²
oder 3 m² persönlichen Raum, einschließlich Bett und entsprechende Möbel gewährleistet.“
32 8. Bei der für die Entscheidung über den Asylantrag (Az.: 6668625-163) des Verfolgten zuständigen
Außenstelle R. des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge war am 28. April 2016 auf telefonische
Anfrage von Frau R. in Erfahrung zu bringen, dass ein Anhörungstermin noch nicht bestimmt worden ist.
33 9. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Auslieferung für zulässig zu erklären und Haftfortdauer
anzuordnen.
II.
34 Da seit Erlass der letzten Entscheidung (vom 29. Februar 2016) über die Fortdauer der Haft zwei Monate
vergangen sind, ist nunmehr gemäß § 26 Abs. 1 IRG über die Fortdauer der Haft zu entscheiden. Dies führt
zur Aufhebung des Auslieferungshaftbefehls, da dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, die Auslieferung
des Verfolgten gemäß § 29 Abs. 1 IRG gerichtlich für zulässig zu erklären, nicht entsprochen werden kann.
Die Auslieferung ist nicht zulässig.
35 1. Der übermittelte Europäische Haftbefehl genügt den Voraussetzungen von § 83a Abs. 1 IRG. Für die
beiderseitige Strafbarkeit der dem Verfolgten im Urteil zur Last gelegten Tat und damit für die Frage des
Vorliegens der Auslieferungsvoraussetzungen kommt es nicht darauf an, ob der Verfolgte in beiden Fällen
erfolglos versuchte, in den Besitz von 3 kg Heroin zu kommen, oder ob es ihm im zweiten Fall gelang.
Hinsichtlich des Vorliegens der Auslieferungsvoraussetzungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf seinen
die Auslieferungshaft anordnenden Beschluss vom 29. Dezember 2015, welcher insoweit unverändert fort
gilt. Die konkret noch zu verbüßende Reststrafe steht inzwischen fest.
36 2. Nach § 6 Satz 2 AsylG gilt die Allgemeinverbindlichkeit asylrechtlicher Entscheidungen (§ 6 Satz 1 AsylG)
nicht im Auslieferungsverfahren, sodass gegenwärtig ein „Wettlauf zwischen Oberlandesgericht [sowie
Bewilligungsbehörde] und Verwaltungsbehörde/Verwaltungsgericht“ (so Schomburg/Hackner, aaO, § 6 IRG,
Rn. 56) besteht, wobei eine „informatorische Verbindung“ beider Verfahren besteht und eine Übung der
Bewilligungsbehörde bestehen soll, eine Bewilligungsentscheidung regelmäßig vom Abschluss des - nicht
offensichtlich unbegründeten - Asylverfahrens abhängig zu machen. Vorliegend besteht die Besonderheit,
dass es sich um die Auslieferung an einen Drittstaat handelt (aaO, Rn. 57, 34, 52a). Insoweit ist daher von
Interesse, ob der Verfolgte in Rumänien einen gesicherten aufenthaltsrechtlichen Status hat. Vorliegend
kommt hinzu, dass das Oberlandesgericht kaum in der Lage sein wird, das detailreiche Vorbringen des
Verfolgten durch Hinterfragen zu verifizieren oder zu falsifizieren, sodass es für den Senat nahe liegt, den
Gang des Asylverfahrens zu begleiten, wobei der Senat davon ausgeht, dass die Dauer der
Auslieferungshaft auf die Strafe angerechnet werden wird. Indes dauert die Auslieferungshaft bereits seit
16. Dezember 2015, mithin seit viereinhalb Monaten an, ohne dass seitens des Bundesamts für Migration
und Flüchtlinge trotz des Hinweises auf die Eilbedürftigkeit als Auslieferungshaftsache auch nur ein
Anhörungstermin über den seit 24. Februar 2016 anhängigen Asylantrag anberaumt worden wäre.
37 Nachdem der Verfolgte allerdings nicht in die Türkei ausgeliefert werden soll, in der er politischer Verfolgung
ausgesetzt zu sein behauptet, sondern an die Republik Rumänien, einem Mitgliedstaat der Europäischen
Union, von der eine Auslieferung an die Türkei infolge der Spezialitätsbindung nicht erfolgen darf, und durch
den Strafbeschluss Nr. 225/C/LPF des Berufungsgerichts Bukarest - II. Strafabteilung - vom 7. Mai 2014 die
zuvor festgesetzte Sicherungsmaßregel der Ausweisung aufgehoben wurde, könnte in Erwägung gezogen
werden, dass mit einer Zusicherung seiner Nichtabschiebung in die Türkei der Gefahr einer dortigen
politischen Verfolgung begegnet werden kann. Denn vor seiner dortigen Inhaftierung in anderer Sache hielt
er sich offensichtlich aus freien Stücken in Rumänien auf. Indes haben sich die rumänischen Behörden zu der
diesbezüglichen Frage einer entsprechenden Zusicherung nicht geäußert. Eine Auslieferung ist in
absehbarer Zeit angesichts des nicht offensichtlich unbegründeten Asylantrags nicht zu erwarten.
38 3. Auch ein weiteres Zuwarten auf den Gang des Asylverfahrens kann allerdings nicht dazu führen, dass die
Auslieferung für zulässig erklärt werden kann, denn ein Haftraum der bezeichneten Größe genügt den
Standards den Anforderungen der Europäischen Menschenrechtskonvention bzw. denen der Europäischen
Strafvollzugsgrundsätze nicht (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 22.03.2016 - 2 BvR 566/15 - juris, zu
allerdings inländischen Haftbedingungen). Eine (weitergehende) individuelle Zusicherung besserer
Haftbedingungen ist nicht zu erwarten, sodass es einer Fristsetzung entsprechend der Vorgaben im Urteil
des EuGH vom 05.04.2016 - C-404/15 -, ergangen auf Vorabentscheidungsersuchen des OLG Bremen
(Beschluss vom 08.12.2015 - 1 Ausl. A 23/15 - je zit. nach juris) nicht bedarf.
39 4. Auf die Frage, weshalb der Verfolgte im Juli 2014 aufgrund des bezeichneten Europäischen Haftbefehls
der Staatsanwaltschaft Heidelberg vorbehaltlos aus Rumänien ausgeliefert wurde, obwohl beträchtliche Teile
der gegenständlichen Freiheitsstrafe von 12 Jahren und (wohl auch) einer weiteren Freiheitstrafe aus einem
Urteil Nr. 144/A/28.05.2013 in Verbindung mit einem Urteil Nr. 844/08.11.2010 des Berufungsgerichts
Bukarest - I. Strafkammer - in Höhe von 15 Jahren Freiheitsstrafe, die später auf 13 Jahre Freiheitsstrafe
reduziert wurde (AS 33 d. A. der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe) noch nicht verbüßt waren, kommt es
nach alldem nicht mehr an.
40 5. Da es nach alldem auch nicht mehr darauf ankommt, dass die belastenden Umstände - dem Vorbringen
des Verfolgten nach - von türkischen Behörden gleichsam konstruiert gewesen sein sollen, um seiner
habhaft zu werden und ihn sodann politisch verfolgen zu können, bedurfte es keiner Übersetzung der
übersandten Urteile und Beschlüsse.