Urteil des OLG Stuttgart vom 28.07.2014

OLG Stuttgart: mietzins, mietvertrag, kaufpreis, liegenschaft, halle, grundstück, form, verfügung, geschäftsführer, erwerb

OLG Stuttgart Urteil vom 28.7.2014, 5 U 40/14
Leitsätze
1. Ein Mietvertrag ist gemäß §§ 311 b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1, 139 BGB nichtig, wenn er dergestalt
mit einem alsbald beabsichtigten Kaufvertrag über das Mietobjekt verbunden wird, dass die
vereinbarte Miete auf den Kaufpreis angerechnet werden soll und deshalb die Miete nicht an
einem realen Mietwert orientiert wird.
2. Der Wertersatz für die Nutzung der Räume ist in diesem Fall nach bereicherungsrechtlichen
Grundsätzen zu ermitteln und am Mietmarkt zu orientieren.
3. Wird eine vermietete Halle von einem anderen Mieter mitbenutzt, so ist die am Markt
orientierte qm-Miete zu reduzieren.
Rechtskräftig
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des
Landgerichts Hechingen vom 07.02.2014 − Az. 2 O 156/12 −
a b g e ä n d e r t:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten beider Rechtszüge trägt der Kläger.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 69.615,00 EUR.
Tatbestand
1 Der Kläger macht in seiner Funktion als Zwangsverwalter ausstehende Mietzinszahlungen
i. H. v. 69.615,00 EUR für den Zeitraum von Juli 2012 bis Juli 2013 gegen die Beklagte
geltend.
2 Der Kläger wurde mit Beschluss vom 18.06.2012 zum Zwangsverwalter über das
streitgegenständliche Gewerbeobjekt, insbesondere eine Halle, bestellt (Anlage K 1, Bl.
11 d. A.).
3 Die Beklagte schloss mit der Schuldnerin und Zeugin K... am 18.01.2012 nachstehenden
Mietvertrag. Der Mietvertrag enthält folgende Klauseln:
4
㤠1 Mietgegenstand
5
Die Vermieterin hat auf dem Grundstück R...-Straße X, [+ Ortsname]
(Flurstück Nr. .../X) ein Produktions-, Lager- und Verwaltungsgebäude mit einer
Gesamtnutzungsfläche von rund 1.915 m² erstellt.
6
Gegenstand dieses Mietvertrages sind
7
a) das vorbezeichnete Gebäude,
b) die dazugehörigen Parkplatz- und Freiflächen laut Flächenplan.
8
§ 2 Mietdauer
9
Das Mietverhältnis beginnt am 1. Februar 2012 und wird für 3 Monate fest
abgeschlossen. Die angemietete Liegenschaft wird von der Mieterin oder einer ihr
nahestehenden Gesellschaft bis spätestens 30.04.2012 käuflich erworben. Sollte es zu
keinem Kaufvertragsabschluss kommen, wird das Mietverhältnis auf 5 Jahre fest
abgeschlossen. Der Mieterin steht das Recht zu, das Mietverhältnis 3-malig um jeweils
weitere 5 Jahre zu verlängern. Will sie von diesem Recht Gebrauch machen, wird sie
dies der Vermieterin spätestens 12 Monate vor Ablauf der festen Vertragslaufzeit mitteilen
(Datum des Poststempels).
10 § 3 Mietzins
11 Der monatliche Mietzins beträgt bis einschließlich 30. April 2012
12
8.000,00 EUR (in Worten: achttausend Euro)
13 und versteht sich zzgl. geltender gesetzlicher Mehrwertsteuer. Die Miete ist im Voraus für
jeden Monat, spätestens jedoch bis zum 10. des Monats auf das Konto der Vermieterin zu
entrichten. Im Mietzins eingeschlossen sind alle gewöhnlichen Nebenkosten des
Grundbesitzes (Grundsteuer etc.) sowie die Mitbenutzung der Fahrhabe (Gabelstapler,
Hubwagen, Kran) bis zur kompletten Räumung der Halle durch die Vormieterin. Beim
Auszug wird die Fahrhabe mitgenommen - ausgenommen der Hallenkran. Die
Verbrauchsnebenkosten (Elektrizität, Wasser/Abwasser, Heizung etc.) werden von der
Mieterin direkt übernommen. Der Mietzins unterliegt einer Wertsicherungsklausel (s.
Anlage 1 zu diesem Mietvertrag), welche wesentlicher Bestandteil des Vertrages ist.
14 Sollte es zu einer Verlängerung des Mietvertrags kommen, erhöht sich die monatliche
Miete ab 1. Mai 2012 auf 12.000,00 EUR (in Worten: zwölftausend Euro) zzgl.
gesetzlicher Mehrwertsteuer, sofern die gesamte Fläche auch der Mieterin exklusiv zur
Verfügung steht.
…“
15 Letztere Klausel versteht sich vor dem Hintergrund, dass die Halle zunächst von der
Eigentümerin und von ihr gesteuerten Unternehmen mitbenutzt wurde, die jedoch
ausziehen sollten.
16 Am 08.05.2012 richtete der Geschäftsführer der Beklagten folgendes Schreiben an die
Vermieterin und Schuldnerin des zwangsverwalteten Objektes (Anlage B 2, Bl. 39 d. A.):
17 „Nachtrag zum Mietvertrag
18 Sehr geehrte Frau K...,
im Mietvertrag für die Immobilie, R...-Straße X in ... S...[Ortsname],
hatten wir vereinbart, dass im Mietvertrag vom 18.01.2012 eine Miete i. H. v. 8.000,00
EUR plus Mehrwertsteuer pro Monat zu zahlen ist. In dem Mietvertrag wurde ebenfalls
vereinbart, dass die Nutzung der Krananlage, Stapler, Kompressor und Luftaufbereitung
beinhaltet ist. Für den Fall eines späteren Kaufvertrags wird eine Miete i. H. v. 12.000,00
EUR plus Mehrwertsteuer pro Monat vereinbart.
19 Die Finanzierung des Objekts scheint nun größere Schwierigkeiten zu bereiten. Wie
können wir uns vergleichen, ohne dass die Liquidität auf unserer Seite gefährdet ist?“
20 Hierauf antwortete die Vermieterin, die Zeugin E... K..., der Beklagten am 12.5.2012 wie
folgt (Anlage B 3, Bl. 40 d. A.):
21 „Nach langem Überlegen schlagen wir Ihnen Folgendes vor:
22 1. Die Miete wird vorübergehend auf 3.500,00 EUR zzgl. Mehrwertsteuer reduziert.
2. Alle Nebenkosten gehen, wie bisher, zu Ihren Lasten (Wasser, Abwasser, Strom, Gas
usw.).
3. Die bezahlte Miete i. H. v. 3.500,00 EUR plus Mehrwertsteuer wird nicht vom künftigen
Kaufpreis abgezogen (keine Rückvergütung).
4. Die Nutzung der Betriebseinrichtungen wird nicht mit der Miete verrechnet.
5. Die Rückerstattung der bisher bezahlten Miete (EUR 8.000,00) ohne Mehrwertsteuer
wird, wie vereinbart, in voller Höhe vom zu zahlenden Kaufpreis abgezogen.
23 Damit dürfte Ihnen bei der derzeit angespannten Finanzlage geholfen sein. Wir hoffen auf
einen baldigen positiven Abschluss.“
24 Die Beklagte leistete im Zeitraum vom 01.08.2012 bis 04.07.2013 jeweils einen Mietzins
von 3.500,00 zzgl. Umsatzsteuer, insgesamt 54.150,00 EUR (Bl. 130 d.A.).
25 Nachdem der Kläger zum Zwangsverwalter über das streitgegenständliche Objekt am
18.6.2012 bestellt worden war, unterrichtete er die Beklagte mit Schreiben vom 25. Juni
2012 hiervon und forderte sie auf, die monatliche Miete in Höhe von 8.000,00 EUR zzgl.
Umsatzsteuer ausweislich des Mietvertrages vom 18.01.2012 ab sofort an den Kläger zu
bezahlen.
26 Der Kläger hat vorgetragen, dass von der Beklagten anstelle des geschuldeten Mietzinses
in Höhe von 8.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer lediglich ein monatlicher Mietzins in Höhe
von 3.500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer im Zeitraum Juli 2012 bis Juli 2013 entrichtet
worden sei. Er sei als Zwangsverwalter nicht von der Schuldnerin des
Zwangsverwaltungsverfahrens, der Zeugin E... K..., im Zeitpunkt der Inbesitznahme des
Objekts darüber unterrichtet worden, dass letztere mit der Beklagten eine Mietreduktion auf
3.500,00 EUR vorübergehend ab Juni 2012 reduziert worden sei. Den Schriftwechsel
zwischen der Beklagten und der Vermieterin vom 08.05.2012 und vom 12.05.2012 habe
der Kläger erstmals im Gerichtsverfahren zur Kenntnis erhalten. Unabhängig davon könne
die Beklagte sich für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht auf eine Reduzierung
stützen, da diese nur vorübergehend gewährt worden sei und von ihm jedenfalls von
Beginn der Zwangsverwaltung an die volle Miete verlangt werden könne.
27 Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren wie folgt beantragt (Bl. 128 d.A.):
28 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 69.615,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
29
aus 9.520,00 EUR für die Zeit vom 11.07.2012 bis 01.08.2012 und
aus 5.355,00 EUR vom 02.08.2012 bis 10.08.2012 und
aus 14.875,00 EUR vom 01.08.2012 bis 10.09.2012 und
aus 24.395,00 EUR vom 11.09.2012 bis 19.09.2012 und
aus 20.230,00 EUR vom 20.09.2012 bis 10.10.2012 und
aus 29.750,00 EUR vom 11.10.2012 bis 05.11.2012 und
aus 21.420,00 EUR vom 06.11.2012 bis 10.11.2012 und
aus 30.940,00 EUR vom 11.11.2012 bis 03.12.2012 und
aus 35.105,00 EUR vom 04.12.2012 bis 20.12.2012 und
aus 32.130,00 EUR vom 21.12.2012 bis 03.01.2013 und
aus 41.650,00 EUR vom 04.01.2013 bis 04.02.2013 und
aus 51.170,00 EUR vom 05.02.2013 bis 08.02.2013 und
aus 47.005,00 EUR vom 09.02.2013 bis 04.03.2013 und
aus 56.525,00 EUR vom 05.03.2013 bis 14.03.2013 und
aus 48.195,00 EUR vom 15.03.2013 bis 04.04.2013 und
aus 57.715,00 EUR vom 05.04.2013 bis 04.05.2013 und
aus 67.235,00 EUR vom 05.05.2013 bis 29.05.2013 und
aus 58.905,00 EUR vom 30.05.2013 bis 04.06.2013 und
aus 68.425,00 EUR vom 05.06.2013 bis 12.06.2013 und
aus 64.260,00 EUR vom 13.06.2013 bis 03.07.2013 und
aus 69.615,00 EUR seit 04.07.2013
30 zu zahlen.
31 Die Beklagte hat beantragt,
32 die Klage abzuweisen.
33 Die Beklagte hat erwidert: Es sei vereinbart worden, dass die Beklagte das Grundstück
erwirbt, der Mietvertrag sei lediglich für die Zeit geschlossen worden, bis der Kauf über die
Bühne gehe. Deshalb habe die vereinbarte Miete von 8.000,00 EUR auch auf den
Kaufpreis angerechnet werden sollen. Die Vereinbarung über die Mietreduzierung sei
dann geschlossen worden, als sich der Kauf verzögert habe. Sie habe dauerhaft gelten
sollen bis zum Abschluss des Kaufvertrages, der dann schließlich gescheitert sei. Die
Zeugin E... K... habe mit der Beklagten am 12. Mai 2012 vereinbart, dass die Miete ab Mai
2012 dauerhaft auf monatlich 3.500,00 EUR zzgl. MwSt., also 4.165,00 EUR reduziert
werde und die monatliche Miete i. H. v. 3.500,00 EUR nicht auf den künftigen Kaufpreis
angerechnet werde.
34 Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen W... und der Zeugin
E... K... Das Landgericht hat der Klage des Zwangsverwalters stattgegeben. Dem Kläger
stünde als Zwangsverwalter ein Anspruch auf den Mietzins nach § 535 Abs. 2 BGB i. V. m.
§ 148 Abs. 1 ZVG zu. Eine Anpassung der monatlichen Mieten - wie sie die Beklagte
behauptet - sei nicht erfolgt. Da die Schuldnerin an einem Verkauf des Grundstücks und
nicht an einer dauerhaften Vermietung interessiert gewesen sei, sei die Vermieterin
damals auf Drängen des Geschäftsführers der Beklagten bereit gewesen, den Mietpreis
kurzfristig zu mindern, verbunden mit der Vorgabe, zeitnah den von Beginn der
Vertragsverhandlungen an zwischen der Beklagten und der Schuldnerin beabsichtigten
Verkauf des Grundstücks zu realisieren. Laut der Zeugenaussage K... sei mit der
vorübergehenden Reduktion des Mietzinses ein Zeitraum von drei Monaten beabsichtigt
gewesen. Nach Auffassung des Landgerichts sei die vereinbarte Mietvergünstigung im
August 2012 hinfällig geworden. Die vereinbarte Mietvergünstigung sei bereits dadurch
weggefallen, dass der Kläger zum Zwangsverwalter bestellt worden sei. Zum einen habe
der Zwangsverwalter die Vergünstigung wieder aufheben können und zum anderen sei
die zwischen der Schuldnerin und dem Geschäftsführer der Beklagten geschlossene
Vereinbarung vom 12.05.2012 in analoger Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB
anzupassen gewesen.
35 Mit der Berufung rügt die Beklagte die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung
in Bezug auf die Aussage der Zeugin E... K... Bei der Zeugin handele es sich letztendlich
um eine sog. Lagerzeugin, die vom Ausgang des Prozesses profitiert habe, was bei der
Auslegung der Vereinbarung vom 12.05.2012 zu berücksichtigen sei.
36 Des Weiteren bringt die Beklagte im Rahmen der Berufung vor, dass ihr von der
Gesamtnutzfläche von ca. 1.915 m² lediglich eine Teilfläche, nämlich ca. 100 m²
Bürofläche, welche zu 85 m² gemeinschaftlich genutzt werde, eine abgegrenzte
Produktionsfläche im Umfang von 200 m² und eine Lager- und Abstellfläche im
Außenbereich von insgesamt 105 m² überlassen worden sei. Die restlichen Flächen
würden von verschiedenen Unternehmen der Familie der Schuldnerin weiterhin genutzt.
Insofern stünde der Beklagten ein Mietminderungsrecht zu, weil ihr nur weniger als 20 %
der vermieteten Fläche zur Verfügung stehe.
37 Die Beklagte beantragt daher wie folgt zu erkennen:
38 1. Das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 07.02.2014, Az. 2 O 156/12, wird
aufgehoben.
39 2. Die Klage wird abgewiesen.
40 Der Kläger beantragt,
41 die Berufung zurückzuweisen.
42 Die Beklagte schulde für den Zeitraum Juli 2012 bis Juli 2013 monatlich einen Mietzins i.
H. v. 8.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer. Soweit die Beklagte in der Berufung eine
Mietminderung geltend mache, sei der Vortrag verspätet und nach § 531 ZPO
zurückzuweisen.
43 Es wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
I.
44 Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat in der Sache Erfolg.
45 Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte i. H. v. 8.000,00 EUR zzgl.
Umsatzsteuer aufgrund des geschlossenen Mietvertrages zu. Denn der Mietvertrag ist
nach § 311 b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 125 S. 1 BGB nichtig (vgl. unten 1.). Infolge der
Nichtigkeit des Mietvertrages schuldet die Beklagte nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB lediglich
die Herausgabe der gezogenen Nutzungen (§ 818 Abs. 1 BGB). Diesen
Kondiktionsanspruch hat die Beklagte durch Leistung der monatlichen Mieten i. H. v.
3.500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).
46 1. Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, dass dem Kläger ein Mietzinsanspruch
gegen die Beklagte i. H. v. 8.000,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer aufgrund der
Mietvereinbarung zusteht.
47 Die geschlossene Vereinbarung vom 18.01.2012 ist mangels Einhaltung der notariellen
Form unwirksam (§ 311 b Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 125 S. 1 BGB). Grundsätzlich bedürfen
Geschäftsraummietverträge zu ihrer Wirksamkeit keiner Form. Mietverträge bedürfen
jedoch ausnahmsweise dann einer notariellen Beurkundung, wenn in einem einheitlichen
Vertrag neben den rein mietrechtlichen Vereinbarungen auch die Verpflichtung zum
Erwerb eines Grundstücks enthalten ist (BGH NJW 1987, 1069; Ludwig in: jurisPK, § 311b
BGB Rdn. 241). Ein Mietvertrag ist daher insbesondere dann notariell zu beurkunden,
wenn er mit einem Grundstückskaufvertrag rechtlich zusammenhängt. Dies ist i. d. R. der
Fall, wenn die Vereinbarungen über Kauf und Miete nach dem Willen der Parteien derart
voneinander abhängig sind, dass sie miteinander „stehen und fallen sollen“ (BGH, NJW
1987, 1069, juris Rz.19). Dabei werden an diese Voraussetzung keine übermäßig hohen
Anforderungen gestellt. Es genügt bereits, wenn nur einer der Vertragspartner einen
solchen Einheitswillen erkennen lässt und der andere diesen Willen anerkennt oder
zumindest hinnimmt.
48 Aus der Vertragsurkunde lässt sich entnehmen, dass die Parteien ein kurzfristiges
Mietverhältnis angedacht haben, das lediglich der Überbrückung dienen sollte, bis die
Beklagte das Grundstück erworben hat.
49 Die enge Verbindung und Abhängigkeit zwischen dem Mietvertrag und dem geplanten
Erwerb des Objekts durch die Beklagte kommt insbesondere auch in den vom Landgericht
verfahrensfehlerfrei getroffenen Feststellungen, hier der Zeugenaussage K..., zum
Ausdruck; an diese Feststellungen ist das Berufungsgericht nach § 529 ZPO gebunden.
50 Die Zeugin hatte im Rahmen ihrer Vernehmung angegeben, dass der vereinbarte Mietzins
so hoch angesetzt worden sei, weil er auf den Kaufpreis habe angerechnet werden sollen.
Die Miete sei deshalb der Beklagten im Grunde egal gewesen, die Vermietung habe nur
eine vorübergehende Lösung dargestellt. Der vereinbarte Mietpreis war deshalb gar nicht
am Mietmarkt orientiert, sondern sollte eine Anzahlung auf den Kaufpreis darstellen. Dem
steht auch nicht die seitens der Vermieterin und Schuldnerin später gewährte
Mietreduzierung entgegen, insbesondere nicht, dass diese nur vorübergehend geltend
sollte, wobei die Zeugin von etwa 3 Monaten sprach. Hintergrund dessen war nach
Angaben der Zeugin auch hier, dass binnen drei Monaten alles erledigt sei und der Kauf
sodann über die Bühne gegangen sein würde.
51 Die Vertragsurkunde und der Parteiwille beider Vertragspartner zeigen, dass der
Mietvertrag und der Erwerb des Grundstücks nicht nur in einem wirtschaftlichen
Zusammenhang stand, sondern dass beide Verträge miteinander stehen und fallen
sollten. und vor allem auch die Mietpreisabreden ganz am geplanten Verkauf ausgerichtet
waren. Es wurde somit durch das Vertragswerk auch ein indirekter Zwang zum Abschluss
des Kaufvertrags bewirkt (OLG Karlsruhe ZMR 2010, 680).
52 2. Aufgrund der Nichtigkeit des geschlossenen „Mietvertrages“ schuldet die Beklagte dem
Kläger für den Zeitraum Juli 2012 bis Juli 2013 Wertersatz nach §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818
Abs. 1, Abs. 2 BGB. Danach hat die Beklagte für die Vorteile, welche der Gebrauch des
Mietobjekts gewährt (§ 100 BGB), Wertersatz zu leisten, der mit der Höhe der ortsüblichen
Vergleichsmiete für ein derartiges Objekt zu bemessen ist.
53 a) Der vom Landgericht vernommene Zeuge M..., welcher mit der Objektbewertung des
streitgegenständlichen Grundstücks vom Amtsgericht im Rahmen der
Zwangsversteigerung beauftragt war, hat angegeben, dass ein Mietzins i. H. v. 7.409,00
EUR für die Anmietung des streitgegenständlichen Gewerbeobjekts angemessen sei. Der
Betrag stelle eine Nettokaltmiete ohne Betriebseinrichtungsgegenstände dar, wobei sich
dieser Mietzins auf die komplette Liegenschaft, ohne parallele Nutzung durch einen
anderen, beziehe.
54 Diese sachverständige Einschätzung des Zeugen M... erscheint dem Senat plausibel.
Das Objekt verfügt entgegen den Angaben im Mietvertrag tatsächlich über eine
Gesamtfläche von 2.195 m² (vgl. klägerseits vorgelegte unbestrittene
Verkehrswertgutachten der Gutachterin V..., Bl. 121 d.A.). Diese Gesamtfläche teilt sich
auf in eine Fläche für das Bürogebäude von 375 m², eine Fläche für die Produktionshalle
von 1.150 m² und eine überdachte Lagerfläche von 670 m². Setzt man die vom Beklagten
zitierten Mittelwerte der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben für
Gewerberaummieten 2011 in der Region Bodensee-Oberschwaben für S... an, so
ergeben sich folgende Werte: Für das Bürogebäude (6,50 EUR/m²: 2.437,50 EUR), für die
Produktionshalle (3,30 EUR/m²: 3.795,00 EUR) sowie für die überdachte Lagerfläche
(2,00 EUR/m²: 1.340,00 EUR). Danach beliefe sich die Gesamtmiete nach
kalkulatorischer Überprüfung auf ca. 7.572,00 EUR. Insofern ist die sachverständige
Einschätzung des Zeugen M..., dass ein angemessener Mietzins für die Liegenschaft sich
auf 7.409,00 EUR belaufe, für den Senat plausibel. Die seitens der IHK ermittelten Werte
sind für den Senat Richtwerte, anhand derer die Richtigkeit der sachverständigen
Zeugenaussage M... überprüft wurde.
55 b) Soweit die Berufung erstmals vorträgt, dass der Beklagten lediglich 20 % der Fläche
durch die Vermieterin und Schuldnerin des Zwangsverwaltungsverfahrens überlassen
worden und dies der Bewertung des Wertersatzes zugrunde zu legen sei, kann die
Beklagte hiermit nicht gehört werden. Dieser Vortrag ist gemäß §§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO
im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden. Die Beklagte hätte jedoch ohne
weiteres diesen Tatsachenvortrag in I. Instanz halten können. Allerdings war stets
unstreitig und ist zu berücksichtigen, dass die Gewerbeeinheit von der Eigentümerin und
ihren Unternehmungen mitbenutzt wurde, nur der Vortrag zum Umfang ist in der Berufung
neu.
56 c) Der Senat kann die gezogenen Nutzungen der Beklagten ohne weitere
Beweiserhebung nach § 287 ZPO frei schätzen. Als Schätzgrundlage dient dabei zum
einem der im Mietvertrag zum Ausdruck gekommene Parteiwille, wonach es zu einer
Erhöhung von 8.000,00 EUR auf 12.000,00 EUR des Mietzinses nur dann kommen sollte,
wenn die gesamte Fläche auch der Mieterin exklusiv zur Verfügung steht. Damit lässt sich
das Äquivalenzverhältnis auf die vom sachverständigen Zeugen M... ortsübliche
erzielbare Miete übertragen. Zum anderen ist bei der Schätzung der Umstand, dass die
Liegenschaft nicht über abtrennbare Produktionsbereiche verfügt, die der Beklagten
überlassene Teilfläche als solche nicht abgeschlossen und für Dritte frei zugänglich ist,
mit zu berücksichtigen.
57 Berücksichtigt man den im Mietvertrag zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen bei der
Bestimmung der gezogenen Nutzungen der Beklagten, dann bedeutet dies, dass bei nicht
vollständiger Übergabe der Liegenschaft an die Beklagte ein Abschlag von 1/3 auf den
Mietzins vorzunehmen ist. Dies folgt aus der vertraglichen Bestimmung, wonach eine
erhöhte Miete von EUR 12.000,00 zzgl. Umsatzsteuer nur bei vollständiger Überlassung
geschuldet werden sollte. Bezogen auf die vom sachverständigen Zeugen M... ermittelte
ortsübliche Miete in Höhe von 7.409,00 EUR bedeutet dies, dass die Beklagte lediglich
4.939,33 EUR zzgl. Umsatzsteuer schulden würde.
58 Diesen monatlichen Mietzins hält der Senat jedoch nur für angemessen, wenn es sich bei
der durch die Beklagte genutzte Liegenschaft um abgeschlossene bzw. abtrennbare
Raumteile handeln würde. Nur für diesen Fall kann der ortsübliche angemessene
Mietzins anhand von Mietzinstabellen und Sachverständigenschätzungen erfolgen.
Soweit dagegen die Produktionshalle für die Beklagte nicht teilweise räumlich von den
anderen Nutzern der Halle abgeschlossen ist, stellt dies einen die Miete auf dem Markt
mindernden Faktor und für die Beklagte im Produktionsprozess einen erheblichen
wirtschaftlichen Nachteil dar. Die Beklagte hat in der Produktionshalle eine sensible
CNC-Sägemaschine aufstellen lassen, um Ringe, Rohre und Wellen hochqualitativ zu
trennen. Durch die gleichzeitige Benutzung der Produktionshalle durch einen
Steinmetzbetrieb wird die Justierung der CNC-Säge beeinträchtigt, wie der
Geschäftsführer der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung unwidersprochen
erläuterte. Im Blick auf die fehlende Abgeschlossenheit der Produktionshalle für die
Beklagte als alleinige Nutzerin und durch die Zutrittsmöglichkeit weiterer Personen des
Steinmetzbetriebs in der Produktionshalle erscheint dem Senat es angemessen, einen
weiteren Abschlag in Höhe von 30% auf den gezogenen Vorteil - bestimmt durch die
ortsübliche Miete - zu gewähren. Demzufolge schuldet die Beklagte unter
Berücksichtigung dieses Faktors lediglich 70% des oben ermittelten Mietzinses aus
4.939,33 EUR zzgl. Umsatzsteuer, d.h. 3.457,53 EUR zzgl. Umsatzsteuer.
59 d) Da die Beklagte im Zeitraum Juli 2012 bis Juli 2013 monatlich einen Mietzins in Höhe
von 3.500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer entrichtet hatte, ist der Kondiktionsanspruch des
Klägers vollumfänglich erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) und die Klage daher abzuweisen.
60 Auf die Frage, ob sich die Vertragsparteien seinerzeit dauerhaft auf eine Miete von
3.500,00 geeinigt haben, kommt es daher nicht an, so dass es einer Beweisaufnahme
hierüber nicht bedarf. Dies wäre nur erheblich, wenn der bereicherungsrechtliche
Wertersatzanspruch höher als die vereinbarte Miete wäre.
II.
61 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die übrigen Nebenentscheidungen ergeben
sich aus §§ 708 Nr. 10 S. 1, 711 S. 2 ZPO.
III.
62 Die Voraussetzungen der Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO) liegen nicht
vor. Weder besitzt die vorliegende Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Revisionsgerichts.