Urteil des OLG Stuttgart vom 13.03.2014

OLG Stuttgart: anzeigepflichtverletzung, negative feststellungsklage, anschlussberufung, allgemeine vertragsbedingungen, versicherungsnehmer, anwendbares recht, gestaltung, blanko, krankenversicherung

OLG Stuttgart Urteil vom 13.3.2014, 7 U 216/13
Leitsätze
1. Ein Versicherer erfüllt die formalen Voraussetzungen eines Hinweises gem. § 19 Abs. 5 VVG
n. F. nicht, wenn eine inhaltlich zutreffende Belehrung für den Versicherungsnehmer nicht in
unmittelbarer Nähe zu den gestellten Gesundheitsfragen drucktechnisch hervorgehoben
wiedergegeben und dort auch nicht präzise und unübersehbar auf den Fundort der Belehrung
hingewiesen wird.
2. Belehrungen in Form von einfachen oder mehrfachen sog. Weiterverweisungshinweisen in
Versicherungsanträgen (hier: Krankenversicherungsantrag) oder in einem Bedingungswerk
reichen für eine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n. F. nicht aus.
Anforderungen an eine Belehrung und eine gesonderte Mitteilung gem. § 19 Abs. 5 VVG n.F.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 18 O 182/13 - vom
18.09.2013
abgeändert und neu gefasst:
a) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Krankenversicherungsvertrag,
Versicherungs-Nummer: ..., betreffend die versicherte Person U. M., nicht wirksam durch die
Vertragsänderung vom 19.03.2012 rückwirkend zum 01.01.2010 angepasst worden ist.
b) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Krankenversicherungsvertrag,
Versicherungs-Nummer: ..., betreffend die versicherte Person M. M., nicht wirksam durch die
Vertragsänderung vom 19.03.2012 rückwirkend zum 01.01.2010 angepasst worden ist.
c) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 10.209,48 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.06.2013 zu zahlen.
d) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von
1.176,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit
08.06.2013 zu zahlen.
2. Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart - 18 O
182/13 - vom 18.09.2013 wird
zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 19.634,28 EUR
Gründe
I.
1 Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart,
mit dem ihre Klage teilweise abgewiesen wurde, soweit die von der Beklagten
vorgenommene Vertragsanpassung hinsichtlich des zwischen ihr und der Beklagten
abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrages, die Rückforderung von unter Vorbehalt
geleisteten erhöhten Prämien in Höhe von 8.600,64 EUR nebst Zinsen und vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.176,91 EUR geltend gemacht wurden.
2 Die Beklagte wendet sich mit ihrer Anschlussberufung gegen das Urteil des Landgerichts
Stuttgart, soweit sie zur Zahlung von unter Vorbehalt geleisteten Zahlungen der Klägerin
in Höhe von 1.608,84 EUR hinsichtlich des Krankenversicherungsvertrags betreffend die
versicherte Person M. M., der Sohn der Klägerin, verurteilt und festgestellt wurde, dass der
Krankenversicherungsvertrag betreffend die versicherte Person M. M. nicht wirksam durch
die Vertragsänderung der Beklagten vom 19.03.2012 rückwirkend zum 01.01.2010
angepasst worden ist.
3 Die Klägerin beantragte Ende 2009 bei der Beklagten den Abschluss einer
Krankheitskosten-, Krankentagegeld- und einer privaten Pflegeversicherung für sich selbst
und - mit Ausnahme der Krankentagegeldversicherung - für ihre beiden minderjährigen
Kinder M. (geboren 06.01.2006) und H. (geboren 18.10.2003) (vgl. Anlagen K 1 und K 2,
Bl. 19 ff.).
4 Die Beklagte verwendete unter anderem für die hier streitgegenständlichen
Versicherungsverträge mit der Versicherungs-Nummer ... betreffend die versicherte Person
U. M. und für die identische Versicherungs-Nummer ... betreffend die versicherte Person
M. M. den „Antrag auf Krankenversicherung“, den die Beklagte als Blanko-Formular
vorgelegt hat (Anlage B 2, Bl. 67 ff.).
5 Das Blanko-Krankenversicherungsantragsformular der Beklagten, das auch bei der
Klägerin und deren Sohn M. M. als versicherte Personen Verwendung fand, ist wie folgt
aufgebaut:
6
- Deckblatt
- 2. Seite:
„Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“
- 3. und 4.
Seite:
„Antrag auf Krankenversicherung“ u.a. mit Antragsfragen und
Unterschriftszeilen
- 5. Seite:
„Wichtige Hinweise und Erklärungen des Antragstellers und der zu
versichernden Person“
- 6. Seite:
„Empfangsbestätigung“
- 7. Seite:
Eigenbewerbung/„Testurteile“
7 Das von der Beklagten verwendete Blanko-Krankenversicherungsantragsformular (Anlage
B 2, Bl. 67 ff.) lautet auszugsweise wie folgt:
8 Seite 2:
9
Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung
10
Sehr geehrte Kundin, sehr geehrter Kunde,
...
11
Welche Folgen können eintreten, wenn eine vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt
wird?
12
1. Rücktritt und Wegfall des Versicherungsschutzes
...
2. Kündigung
...
3. Vertragsänderung
Können wir nicht zurücktreten oder kündigen, weil wir den Vertrag auch bei Kenntnis der
nicht angezeigten Gefahrumstände, wenn auch zu anderen Bedingungen, geschlossen
hätten, werden die anderen Bedingungen auf unser Verlangen Vertragsbestandteil.
Haben Sie die Anzeigepflicht fahrlässig verletzt, werden die anderen Bedingungen
rückwirkend Vertragsbestandteil. Wenn Sie die Anzeigepflicht schuldlos verletzt haben,
steht uns das Recht zur Vertragsänderung nicht zu.
13 Erhöht sich durch die Vertragsänderung der Beitrag um mehr als 10 % oder schließen wir
die Gefahrabsicherung für den nicht angezeigten Umstand aus, können Sie den Vertrag
innerhalb eines Monats nach Zugang unserer Mitteilung über die Vertragsänderung
fristlos kündigen. Auf dieses Recht werden wir Sie in unserer Mitteilung hinweisen.
14
4. Ausübung unserer Rechte
...
15
Angaben zum
Gesundheitszustand
-
Die Angaben zu den Gesundheitsverhältnissen werden
nicht auf diesem Antrag, sondern in der »Erklärung vor dem
Arzt« (VG 152) gemacht.
wenn die »Erklärungen vor dem Arzt« für die Personen Nr.
vorliegen! Ihr Versicherungsvermittler berät Sie in
Versicherungsfragen. Medizinische Wertungen kann er als Laie
aber nicht vornehmen.
Bitte beachten Sie daher die Hinweise
auf der Rückseite
Fehlende, falsche oder bagatellisierte Angaben gefährden
Ihren Versicherungsschutz.
16 Seite 5 (nach der Unterschriftszeile auf Seite 4):
17
„Wichtige Hinweise und Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden
Person
Allgemeine Vertragsbedingungen/Verbraucherinformation
18 Die Vertragsbestimmungen einschließlich der Allgemeinen Versicherungsbedingungen,
die gesetzliche Information nach § 7 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) und der Hinweis
auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung und der Nichtzahlung der Erstprämie für die
Pflege-Pflichtversicherung sowie der Hinweis auf das Widerrufsrecht müssen Ihnen von
Ihrem Vermittler rechtzeitig vor Ihrer Vertragserklärung vollständig ausgehändigt werden.
19 Falls Sie auf die Aushändigung dieser Unterlagen zu diesem Zeitpunkt nicht ausdrücklich
verzichtet haben, dann bestätigen Sie bitte den Erhalt der genannten Unterlagen auf der
Empfangsbestätigung und senden Sie uns diese mit Ihrem Antrag zu.
20
Anwendbares Recht
21 Auf den Vertrag findet deutsches Recht Anwendung.
22
Anzeigepflicht (vorvertraglich)
23 Alle gestellten Fragen habe ich nach bestem Wissen sorgfältig und vollständig
beantwortet und dabei auch von mir für unwesentlich, alters- oder geschlechtstypisch
gehaltene Erkrankungen, Beschwerden oder Untersuchungen angegeben. Ich habe alle
Fragen umfassend, vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet. Liegen mir ärztliche
Berichte, Atteste oder ähnliche Unterlagen vor, die meine Angaben ergänzen können,
habe ich diese beigefügt. Dies erleichtert die Antragsprüfung und beschleunigt die
Bearbeitung meines Antrags.
24 Die Anzeigepflicht gilt auch nach Abgabe meiner Vertragserklärung, wenn mich die H…
Krankenversicherung in Textform nach Gefahrumständen fragt, die für den Entschluss des
Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und
nach denen der Versicherer gefragt hat. Dies gilt auch für eine zwischenzeitlich
festgestellte Schwangerschaft.
25 Bitte beachten Sie auch den gesonderten Hinweis auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung.
26
Bestätigung zur Einkommenshöhe/Lohnfortzahlungsdauer
27 Ich bestätige ausdrücklich, sofern ich eine Krankentagegeldversicherung beantragt habe,
dass das gewünschte Tagegeld (ggf. zusammen mit anderweitig bestehenden oder
beantragten Ansprüchen gegenüber gesetzlichen oder privaten Krankentagegeldträgern)
mein versicherbares Nettoeinkommen (siehe unter »Einkommensberechnung für
Krankentagegeld«) der letzten 12 Monate nicht übersteigt. Sofern ich Arbeitnehmer bin,
bestätige ich außerdem, dass die gewählte Karenzzeit nicht kürzer ist als die Dauer
meines Anspruchs auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
...“
28 Die Beklagte behauptet, die Klägerin habe für sich als versicherte Person und für M. M.,
ihrem Sohn, als versicherte Person im Krankenversicherungsantrag jeweils unzutreffende
Angaben gemacht. Es liege deshalb jeweils eine Anzeigepflichtverletzung gem. § 19 Abs.
1 VVG n.F. vor, weshalb die Beklagte die Versicherungsverträge nicht zu den Konditionen
vom 15.12.2009 (Klägerin) und vom 22.12.2009 (M. M.) geschlossen hätte. Die Beklagte
sei deshalb berechtigt gewesen, eine rückwirkende Vertragsanpassung zum 01.01.2010
gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n. F. durchzuführen, weshalb die Klägerin für sich und für die
versicherte Person M. M. rückwirkend zusätzlich einen zu zahlenden „Risikozuschlag“ zu
entrichten habe (Anlage K 5, Bl. 28 ff.: Schreiben vom 19.03.2012; Anlage K 6, Bl. 33 ff.:
Schreiben vom 19.03.2012 bezüglich M. M.).
29 Die Klägerin hat für beide Versicherungsverträge die von der Beklagten gem. § 19 Abs. 4
S. 2 VVG n.F. begehrte Vertragsanpassung in Form eines rückwirkend zu zahlenden
Risikozuschlages und eines in der weiteren Folge zu entrichtenden Risikozuschlags
„unter Vorbehalt“ an die Beklagte geleistet.
30 Die Klägerin hat auf den Versicherungsvertrag mit ihr als versicherte Person folgende
Beiträge („mit Vertragsanpassung“) bis 31.12.2013 geleistet:
31
Klägerin
Jahresbeiträge ohne
Vertragsanpassung
Jahresbeiträge mit
Vertragsanpassung
01.01.2010 - 31.12.2010 6.219,60 EUR
(12 x 518,30 EUR)
8.298,60 EUR
(12 x 691,55 EUR)
01.01.2011 - 31.12.2011 6.242,88 EUR
(12 x 520,24 EUR)
8.325,36 EUR
(12 x 693,78 EUR)
01.01.2012 - 31.12.2012 6.625,44 EUR
(12 x 552,12 EUR)
8.842,68 EUR
(12 x 736,89 EUR)
01.01.2013 - 31.12.2013 6.669,48 EUR
(12 x 555,79 EUR)
8.891,40 EUR
(12 x 740,95 EUR)
Gesamt
25.757,40 EUR
34.358,04 EUR
32 Die Klägerin hat für ihren Sohn, die versicherte Person M. M., bis 31.05.2013 nach der von
der Beklagten geforderten Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 VVG n.F. folgende
Beträge („mit Vertragsanpassung“) geleistet:
33
M.
Jahresbeiträge ohne
Vertragsanpassung
Jahresbeiträge mit
Vertragsanpassung
01.01.2010 - 31.12.2010 1.531,20 EUR
(12 x 127,60 EUR)
2.002,08 EUR
(12 x 166,84 EUR)
01.01.2011 - 31.12.2011 1.531,20 EUR
(12 x 127,60 EUR)
2.002,08 EUR
(12 x 166,84 EUR)
01.01.2012 - 31.12.2012 1.531,20 EUR
(12 x 127,60 EUR)
2.002,08 EUR
(12 x 166,84 EUR)
01.01.2013 - 31.05.2013 638,00 EUR
834,20 EUR
(5 x 127,60 EUR)
(5 x 166,84 EUR)
Gesamt
5.231,60 EUR
6.840,44 EUR
34 Die Klägerin berechnet für den Versicherungsvertrag mit ihr als versicherte Person
folgende Überzahlung in Höhe von 8.600,64 EUR wie folgt:
35
Jahresbeiträge mit Vertragsanpassung
34.348,04 EUR
abzgl. Jahresbeiträge ohne Vertragsanpassung 25.757,40 EUR
=
8.600,64 EUR
36 Die Klägerin berechnet für den Versicherungsvertrag mit der versicherten Person M. M. die
Überzahlung in Höhe von 1.608,84 EUR wie folgt:
37
Jahresbeiträge mit Vertragsanpassung
6.840,44 EUR
abzgl. Jahresbeiträge ohne Vertragsanpassung 5.231,60 EUR
=
1.608,84 EUR
38 Die Klägerin begehrt insgesamt somit eine Rückzahlung von unter Vorbehalt geleisteten
Prämien für die oben jeweils genannten Zeiträume in Höhe von 10.209,48 EUR.
39 Im Übrigen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen
Urteils Bezug genommen.
40 Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich der versicherten Person M. M. stattgegeben. Es
hat festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende Krankenversicherungsvertrag
betreffend die versicherte Person M. M. nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom
19.03.2012 rückwirkend zum 01.01.2010 angepasst worden ist und die Beklagte verurteilt,
an die Klägerin 1.608,84 EUR nebst gesetzlicher Zinsen für überzahlte Prämien
zurückzubezahlen. Im Übrigen hat das Landgericht betreffend der Ansprüche der Klägerin
als versicherte Person die Klage abgewiesen.
41 Die Berufung der Klägerin verfolgt die negative Feststellungsklage bezüglich des
Versicherungsvertrags mit ihr als versicherte Person weiter und verlangt die Rückzahlung
von 8.600,64 EUR überzahlter Prämien nebst Zinsen und ferner die Zahlung
vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.176,91 EUR. Die Vertragsanpassung
gem. §§ 194 Abs. 1 S. 3, 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. sei unwirksam, weil die Beklagte mit
Verwendung des Antragsformulars, welches dem von der Beklagten vorgelegten Blanko-
Krankenversicherungsantragsformular (Anlage B 2, Bl. 67 ff.) entspricht, entgegen den
Anforderungen in § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. weder formell noch inhaltlich ausreichend
über die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung belehrt habe.
42 Die Klägerin habe für ihren Versicherungsvertrag die Zahlung über den 31.05.2013 hinaus
bis heute unter Vorbehalt fortgesetzt. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Berufungsbegründung der Klägerin Bezug genommen (Bl. 146 ff.).
43 Die Klägerin beantragt:
44 Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.09.2013 wird teilweise abgeändert:
45 1. Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten bestehende
Krankenversicherungsvertrag, Versicherungs-Nr.: ... betreffend die versicherte Person U.
M., nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 19.03.2012 rückwirkend zum
01.01.2010 angepasst worden ist.
46 2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 8.600,64 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
47 3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in
Höhe von 1.176,91 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus über dem
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
48 Die Beklagte beantragt:
49 Die Berufung wird zurückgewiesen.
50 Die Beklagte beantragt zu ihrer Anschlussberufung:
51 1. Das angefochtene Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.09.2013, Az. 18 O 182/13,
wird abgeändert.
52 2. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
53 Die Klägerin beantragt:
54 Die Anschlussberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
55 Die Beklagte verfolgt mit ihrer Anschlussberufung ihren Klagabweisungsantrag insgesamt
weiter. Das Landgericht habe bezüglich des Versicherungsvertrags mit der versicherten
Person M. M. die negative Feststellungsklage und die für die versicherte Person M. M.
zugesprochene Rückforderung der unter Vorbehalt bezahlten angepassten
Versicherungsprämien zu Unrecht zugesprochen. Die Beklagte habe entgegen der
Auffassung des Landgerichts die Frist des § 21 Abs. 1 VVG für die Geltendmachung der
Rechte gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. eingehalten. Die Rechte der Beklagten wegen der
behaupteten Anzeigepflichtverletzung aus beiden Versicherungsverträgen seien nicht
verfristet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungserwiderung und die
Anschlussberufung der Beklagten Bezug genommen (Bl. 171 ff.).
II.
56 Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
57 Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.
58
A Berufung der Klägerin
59 1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf negative Feststellung gem. § 256 Abs. 1 ZPO, weil
die Beklagte den Krankenversicherungsvertrag betreffend die Klägerin als versicherte
Person nicht wirksam durch die Vertragsänderung vom 19.03.2012 rückwirkend zum
01.01.2010 anpassen durfte. Die Belehrung zu den Anzeigepflichten gem. § 19 Abs. 5 S. 1
VVG n.F. ist formell unwirksam, weshalb der Beklagten sämtliche Rechte aus einer
behaupteten Anzeigepflichtverletzung, insbesondere das Recht einer Vertragsanpassung
gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F., nicht zustehen.
60 a) Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1
VVG n.F. nur dann formell ausreichend, wenn sie durch gesonderte Mitteilung in Textform
auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung in drucktechnisch ausreichendem Maße
hervorgehoben hinweist.
61 Dem Erfordernis einer gesonderten Mitteilung in Textform im Sinne von § 19 Abs. 5 S. 1
VVG n.F. genügt es, wenn der Versicherer die Belehrung des Versicherungsnehmers in
einen Antragsformularbogen aufnimmt, in welchem dem Versicherungsnehmer Fragen
zur Aufklärung des Gesundheitszustandes gestellt werden. Die Platzierung und
drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text muss sich derart abheben, dass sie für den
Versicherungsnehmer nicht zu übersehen ist. Bereits nach altem
Versicherungsvertragsrecht war allgemein anerkannt, dass die Belehrung sowohl
drucktechnisch als auch hinsichtlich ihrer Platzierung so ausgestaltet werden musste,
dass sie für den Versicherungsnehmer nicht zu übersehen war, sich insbesondere vom
übrigen Text desselben Dokuments durch eine andersartige drucktechnische Gestaltung
ausreichend abhob. Nach der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung sind keine
Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Gesetzgeber diese Anforderungen bei Übernahme
des Belehrungserfordernisses in das neue Versicherungsvertragsgesetz abschwächen
wollte. Vielmehr weisen die Gesetzesmaterialien - insbesondere auch zu dem
Belehrungserfordernis des § 19 Abs. 5 VVG n.F. - aus, dass die Formerfordernisse der
Belehrung mit dem Gebot einer gesonderten Mitteilung im Laufe des
Gesetzgebungsverfahrens verschärft werden sollten (BGHZ 196, 67 ff., Rn. 24 mit
Nachw.; Leverenz, VersR 2008, 709 f.). Lässt man die Aufnahme des Belehrungstextes in
ein Fragebogenformular oder ein anderes - Fragen des Versicherers enthaltendes -
Schreiben zu, ist im Gegenzug weiterhin und vermehrt zu fordern, dass die Belehrung
drucktechnisch so gestaltet sein muss, dass sie sich deutlich vom übrigen Text abhebt
und vom Versicherungsnehmer nicht übersehen werden kann (BGHZ 196, 67 ff, Rn. 24;
Senat, Beschluss vom 09.07.2012 - 7 U 23/12; NZB-Beschluss des BGH vom 11.09.2013
- IV ZR 253/12; Senat, Urteil vom 26.09.2013 - 7 U 101/13; OLG Karlsruhe, VersR 2010,
507 ff.; OLG Karlsruhe VersR 2010, 1448 f.; OLG Hamm, VersR 2011, 469 ff., Rn. 72 ff.;
OLG Naumburg VersR 2012, 973 f.; LG Dortmund, VersR 2010, 465, 467 jeweils zu § 19
Abs. 5 VVG; MünchKomm, VVG, § 28, Rn. 340).
62 b) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt die hier in Rede stehende Belehrung der
Beklagten nicht.
63 Das von der Beklagten vorgelegte Blanko-Krankenversicherungsantragsformular (Anlage
B 2, Bl. 67 ff.) verfügt zwar auf der zweiten Seite über einen ganzseitigen Hinweis
bezüglich der Folgen einer Anzeigepflichtverletzung und ist mit Fettschrift als „Hinweis auf
die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“ überschrieben. Der
Krankenversicherungsantrag beginnt mit den einzelnen Fragen erst auf der dritten Seite
und ist dort auch mit „Antrag auf Krankenversicherung“ überschrieben (Anlage B 2, Bl.
69). Bei den für den Krankenversicherungsantragstellenden wichtigen „Angaben zum
Gesundheitszustand“ auf Seite 3 hat die Beklagte in ihrem Antragsformular zwar einen mit
Rot und zusätzlich mit Fettdruck enthaltenen Hinweis formuliert:
64 „Fehlende, falsche oder bagatellisierte Angaben gefährden Ihren Versicherungsschutz.“
65 Dieser Hinweis ist, wie die Beklagte zu Recht ausführt, nicht zu übersehen bei den
Gesundheitsfragen, jedoch nicht ausreichend, weil er alleine auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung nicht ausreichend hinweist und belehrt.
66 Der weitere Hinweis bei den Angaben zum Gesundheitszustand, der ebenfalls
fettgedruckt ist, reicht ebenfalls nicht aus. Der fettgedruckte Hinweis:
67 „Bitte beachten Sie daher die Hinweise auf der Rückseite ...“
68 ist für eine formell ausreichende Belehrung gem. § 19 Abs. 4 S. 1 VVG n.F. alleine
ebenfalls nicht ausreichend. Auf der Rückseite, damit ist richtigerweise und offensichtlich
die Folgeseite gemeint, sind ganzseitig „Wichtige Hinweise und Erklärungen des
Antragstellers und der zu versichernden Person“ (S. 5 des Antragsformulars = Bl. 71)
enthalten. Eine materiell und inhaltlich ausreichende Belehrung zu vorvertraglichen
Anzeigepflichtverletzungen ist auf der verwiesenen fünfte Seite des Antragsformulars
nicht enthalten. Nach Hinweisen zu „Allgemeinen
Vertragsbedingungen/Verbraucherinformation“, zum „Anwendbaren Recht“, zur
„Bestätigung zur Einkommenshöhe/Lohnfortzahlungsdauer“, zur „Kundengeldsicherung“,
„Einkommensberechnung für Krankentagegeld“, „Einwilligung nach dem
Bundesdatenschutzgesetz“ und einer Vielzahl weiterer Hinweise findet sich nur ein
beachtlicher Hinweis (Weiterverweisung) bezüglich der Anzeigepflichtverletzung im
ersten Drittel der ganzseitigen Hinweise wie folgt:
69 „Bitte beachten Sie auch den gesonderten Hinweis auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung“.
70 Dieser Hinweis auf den gesonderten Hinweis auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung auf der Seite 5, der wohl den „Hinweis auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung“ auf der Seite 2 meint, ist nicht im Geringsten ausreichend, einen
Krankenversicherungsantragsteller auf den richtigen Fundort der „Hinweise auf die
Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“ zu verweisen. Der „Hinweis auf die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung“ auf der Seite 2 des Antrags wäre für sich genommen
ausreichend, wenn auf ihn hinreichend deutlich im Bereich der Gesundheitsfragen oder
an sonst einer hinreichend exponierten Stelle im Antrag hingewiesen worden wäre.
71 Hinzu kommt zur nicht ausreichenden (Weiter-) Verweisung, dass der Hinweis bei den
„Angaben zum Gesundheitszustand“ auf Seite 4 („Bitte beachten Sie daher die Hinweise
auf der Rückseite“) in die Irre führt, weil auf der Rückseite, richtigerweise der Folgeseite,
keine Hinweise zur Anzeigepflichtverletzung in ausreichendem Umfang stehen, sondern
im Fließtext integriert sich nur ein Weiterverweisungshinweis auf die „Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung“, wohl auf die drei Seiten zuvor stehenden „Hinweise auf die
Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“, das heißt auf Seite 2, findet.
72 Dieser Weiterverweisungshinweis, der nicht hervorgehoben ist, reicht nicht ansatzweise
aus, um die Aufmerksamkeit des Lesers in besonderem Maße auf den drei Seiten zuvor
stehenden Belehrungstext zu lenken, der sich dort über die ganze Seite erstreckt. Die
Weiterverweisung auf der Seite 5 des Antragsformulars ist aufgrund seiner äußeren
Gestaltung kaum erkennbar und kann insoweit nicht auf den sonstigen Inhalt des
ganzseitigen Hinweises drei Seiten zuvor als gesondert erteilte rechtliche Information
ausreichen. Fraglich erscheint zudem, weshalb die Beklagte solch unübersichtliche und
im Hinblick auf eine formell wirksame Belehrung gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n. F. ohnehin
zweifelhafte Weiterverweisungshinweise in ihren Antrag einfügt. Hinzu kommt, dass die
„Wichtigen Hinweise und Erklärungen des Antragstellers und der zu versichernden
Person“ auf der Seite 5 des Antragsformulars eine Vielzahl von Hinweisen, auch minderer
Bedeutung, enthält, weshalb von einer, wenn überhaupt zulässigen, mehrfachen
Weiterverweisung in ausreichender drucktechnischer Form in keinem Fall auszugehen
ist.
73 An eine Belehrung zu den für einen Versicherungsnehmer zentralen und rechtlich
bedeutsamen Belehrung wegen der einschneidenden Rechtsfolgen bei Verletzung von
Anzeigepflichten sind bei „Weiterverweisungshinweisen“ äußerst strenge Anforderungen
zu stellen. Der Versicherungsnehmer hat in einem für ihn unbekannten und im Regelfall
das erste Mal zu Gesicht bekommenden Krankenversicherungs- oder sonstigen
Versicherungsantrag kein Suchspiel zu bewältigen, bevor er wichtige Hinweise auf die
Folgen einer Anzeigepflichtverletzung gefunden und als solche enttarnt hat.
74 Nach der zutreffenden ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Belehrung
nach § 19 Abs. 4 S. 1 VVG n.F. - wie auch bei § 28 Abs. 4 VVG n.F. - so zu platzieren und
drucktechnisch zu gestalten und vom übrigen Text hervorzuheben, dass sie für den
Versicherungsnehmer „nicht zu übersehen ist“. Dies kann bei einer Weiterverweisung auf
sonstige Hinweise nicht gewährleistet werden.
75 2. Der Klägerin steht gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ein Rückzahlungsanspruch in
Höhe von 8.600,64 EUR aus unter Vorbehalt und überzahlten Versicherungsprämien für
die Zeit 01.01.2010 bis 31.12.2013 zu.
76 a) Die Klägerin hat auf die unwirksame Vertragsanpassung in Form der erhöhten
Risikozuschläge gem. § 19 Abs. 1 S. 2 VVG n.F. sich zunächst der unwirksamen
„Vertragsanpassung“ der Beklagten gebeugt und die erhöhten Prämien „unter Vorbehalt“
an die Beklagte geleistet.
77 Die Klägerin hat für den Versicherungsvertrag, bei der sie als versicherte Person geführt
wird, in der Zeit von 01.01.2010 bis 31.12.2013 unstreitig insgesamt Jahresbeiträge in
Höhe von 34.358,04 EUR geleistet. Der Beklagten standen ohne Vertragsanpassung für
die Zeit 01.01.2010 bis 31.12.2013 nur Versicherungsprämien für den
Versicherungsvertrag der Klägerin in Höhe von 25.757,40 EUR unstreitig zu, weshalb die
Klägerin für den genannten Zeitraum unstreitig 8.600,64 EUR zu viel an Prämie geleistet
hat.
78 Die Klägerin hat den genannten Betrag in Einzelbeträgen an die Beklagte geleistet. Die
Beklagte hat 8.600,64 EUR als bereicherungsrechtliches Etwas erlangt.
79 b) Die Beklagte hat den Betrag von 8.600,64 EUR ohne Rechtsgrund erlangt.
80 Die Beklagte war zur Vertragsanpassung gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. nicht berechtigt,
weil die Beklagte in ihrem Antragsformular zur Krankenversicherung (Anlage B 2, Bl. 67
ff.) formell nicht wirksam auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung hingewiesen und
belehrt hat. Die Belehrung der Beklagten in ihren Krankenversicherungsanträgen verstößt
gegen § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F., weshalb sie keine Rechte wegen Verletzung von
vorvertraglichen Anzeigepflichtverletzungen geltend machen kann.
81 c) Der Rückforderung der geleisteten 8.600,64 EUR steht nicht die Kenntnis der
Nichtschuld gem. § 814 BGB der Klägerin entgegen.
82 Die Klägerin hat die Beträge wegen des Streits über die von der Beklagten vorgenommen
rückwirkenden Vertragsanpassung ausdrücklich „unter Vorbehalt“ geleistet.
83 3. Der Klägerin stehen die mit der Klage geltend gemachten Nebenforderungen,
vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von der Höhe nach angemessenen und zutreffend
berechneten Kosten in Höhe von 1.176,91 EUR gem. §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 BGB nebst
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gem.
§§ 291, 288 Abs. 1 BGB zu. Die Klage wurde der Beklagten am 07.06.2013 zugestellt (Bl.
55 R).
84 Die Klägerin hat die zunächst von der Beklagten bestrittene Erfüllung der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltskosten durch Vorlage des Überweisungsbeleges inzwischen belegt und
bewiesen (Bl. 190).
85
B Anschlussberufung der Beklagten
86 1. Die zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist unbegründet.
87 Der Klägerin steht für den Krankenversicherungsvertrag betreffend die versicherte Person
M. M., dem Sohn der Klägerin, ein negativer Feststellungsanspruch gem. § 256 Abs. 1
ZPO zu.
88 Die Beklagte hat auch bei dem Versicherungsvertrag betreffend die versicherte Person M.
M. das identische und formell gem. § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. unzureichende
Krankenversicherungsantragsformular verwendet (Anlage B 2, Bl. 67 ff.).
89 Der Beklagten steht kein Vertragsanpassungsrecht gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. zu,
weil die auf Seite 4 (Bl. 70) enthaltenen Hinweise und Weiterverweisungen auf Seite 5
und letztlich auf Seite 2 (Hinweis auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung) in
formeller Hinsicht nicht ausreichend sind. Die Beklagte schickt einen
Versicherungsantragsteller mit der konkreten Gestaltung auf die Suche nach den
„Hinweisen auf die Folgen einer Anzeigepflichtverletzung“. Von einer Belehrung durch die
Platzierung oder drucktechnische Gestaltung vom übrigen Text mit ausreichender
Abhebung dergestalt, dass die Belehrung „nicht zu übersehen ist“, wie sie von der ober-
und höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert wird, kann keine Rede sein. Zur
Vermeidung von Wiederholungen wird auf die obigen Ausführungen zu § 19 Abs. 5 S. 1
VVG n.F. Bezug genommen.
90 2. Der Klägerin steht für den Versicherungsvertrag betreffend die versicherte Person M. M.
auch ein Bereicherungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB in Höhe von 1.608,84
EUR zu.
91 a) Die Klägerin hat für den Versicherungsvertrag für die versicherte Person M. M. für die
Zeit 01.01.2010 bis 31.05.2013 unstreitig Prämien unter Berücksichtigung der von der
Beklagten verlangten „Vertragsanpassung“ in Höhe von 6.840,44 EUR bezahlt. Die
Versicherungsbeiträge für die Zeit 01.01.2010 bis 31.05.2013 hätten ohne
Vertragsanpassung unstreitig nur 5.231,60 EUR betragen. Für M. M. hat die Klägerin
folglich eine Überzahlung in Höhe von 1.608,84 EUR geleistet.
92 b) Die Beklagte hat den Betrag in Höhe von 1.608,84 EUR durch Leistung der Klägerin
als bereicherungsrechtliches Etwas erlangt.
93 c) Die Beklagte hat den Betrag in Höhe von 1.608,84 EUR ohne Rechtsgrund erlangt.
94 Die Beklagte war zur Vertragsanpassung durch einen rückwirkend erhöhten
Risikozuschlag für die Zeit ab 01.01.2010 gem. § 19 Abs. 4 S. 2 VVG n.F. nicht berechtigt,
weil ihr keinerlei Rechte wegen behaupteter vorvertraglicher Anzeigepflichtverletzung
zugestanden haben. Die Beklagte hat formell unwirksam über die Folgen einer
Anzeigepflichtverletzung unter Missachtung von § 19 Abs. 5 S. 1 VVG n.F. belehrt. Zur
Vermeidung von Wiederholungen kann auf die unter der Berufung der Klägerin
vorgenommenen Ausführungen Bezug genommen werden.
III.
95 Die Kostenentscheidung folgt für die Berufung aus § 91 ZPO und für die
Anschlussberufung aus § 97 Abs. 1 ZPO.
96 Der Gesamtberufungsstreitwert von 19.634,28 EUR ergibt sich aus der Summe des
Berufungsstreitwerts in Höhe von 16.377,36 EUR und des Anschlussberufungsstreitwerts
in Höhe von 3.256,92 EUR.
97 Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO,
§ 26 Nr. 8 EGZPO.
98 Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat
keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des
Revisionsgerichts. Aus dem Hinweisbeschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts
vom 15.10.2013 (Bl. 194 ff.) ist entgegen der Auffassung der Berufung bereits nicht zu
entnehmen, ob es sich bei der dort von der Versicherung verwendeten Belehrung auf die
Folgen einer Anzeigepflichtverletzung um einen, auch im Aufbau, identischen oder etwa
ähnlichen Formularsatz mit versteckten beziehungsweise in die Irre leitenden
Verweisungen handelte.