Urteil des OLG Stuttgart vom 17.03.2014

OLG Stuttgart: wichtiger grund, untersuchungshaft, anleger, schwangerschaft, dringender tatverdacht, hinreichender tatverdacht, fortdauer, aussetzung, firma, verfügung

OLG Stuttgart Beschluß vom 17.3.2014, 2 HEs 145/12; 2 HEs
145/12 + 17/13; 2 HEs 17/13
Leitsätze
Die Schwangerschaft einer Richterin des erkennenden Spruchkörpers, die zur Aussetzung der
Hauptverhandlung führt, kann als anderer wichtiger Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO die
Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigen.
Tenor
Die Untersuchungshaft hat bei beiden Angeklagten
f o r t z u d a u e r n
Die weitere Haftprüfung wird bis zum 16. Juni 2014 dem Landgericht Stuttgart übertragen.
Gründe
I.
1
1.
Haftbefehle des Amtsgerichts Stuttgart vom 07. Mai 2012 (Az. 28 Gs 500/12 bzw. 28 Gs
502/12) - seit ihrer vorläufigen Festnahme am 12. Juni 2012 (
L. M. B.
2012 (
H. H. P.
2 Ihnen wird in den bezeichneten Haftbefehlen jeweils zur Last gelegt, in der Zeit vom 14.
April 2004 bis 24. Mai 2007 zum Nachteil von 571 Anlegern durch außerbörslichen
Vertrieb von Aktien einer S. Unternehmung (N. AG) einen Gesamtschaden in Höhe von
(umgerechnet) mindestens EUR 19.554.381,77 verursacht und sich dadurch wegen 1.227
Vergehen des Betruges im besonders schweren Fall schuldig gemacht zu haben.
3
2.
bereits wiederholt mit der Sache befasst. Mit Beschlüssen vom 10. Januar 2013 und 02.
Mai 2013 (den Angeklagten
B.
Angeklagten
P.
hinaus angeordnet. Bereits zuvor war mit Senatsbeschluss vom 28. November 2012 (Az.:
2 Ws 278/12) die vom Angeklagten
P.
Stuttgart eingelegte weitere Beschwerde als unbegründet verworfen worden.
4
3.
Nachteil von 568 Anlegern und einer Gesamtschadenssumme von EUR 20.048.277,16
ausgehenden - Anklage hat die 6. Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts
Stuttgart mit Beschluss vom 28. Juni 2013 das Hauptverfahren eröffnet; die in der Folge ab
dem 26. Juli 2013 begonnene Hauptverhandlung wurde am 04. Februar 2014 aufgrund
„(…) eingetretener Schwangerschaft der beisitzenden Richterin (…)“ ausgesetzt. Weiter
heißt es zur Begründung dieser Entscheidung im zugehörigen Kammerbeschluss (u. a.)
wie folgt:
5
„(…) Aufgrund des großen Umfangs des Verfahrens mit zahlreichen im Ausland
wohnenden Zeugen und dem bisherigen Gang der Hauptverhandlung ist mit einer
Gesamtverfahrensdauer von mindestens noch einem Jahr auszugehen. Bislang wurden
Hauptverhandlungstermine bis 26. Juni 2014 festgesetzt und weitere Termine, jeweils
dienstags und donnerstags, bis Anfang 2015 angekündigt. Vor dem voraussichtlichen
Beginn des Mutterschutzes Ende Mai 2014 ist eine Verfahrensbeendigung in dieser
Hauptverhandlung daher nicht zu erwarten. Aufgrund der Fürsorgepflicht des Gerichts,
den Erfordernissen eines fairen Verfahrens und insbesondere dem in Haftsachen in
besonderem Maße geltenden Beschleunigungsgebot war die Hauptverhandlung deshalb
auszusetzen.“
II.
6
1.
Tag - hat der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer die Sache dem Oberlandesgericht
gemäß § 121 Abs. 3 S. 3 StPO zur Entscheidung über die Fortdauer der
Untersuchungshaft vorgelegt; hierin werden unter Bezugnahme auf die getroffene
Aussetzungsentscheidung die verfahrensrechtlichen Gegebenheiten in perspektivischer
Hinsicht (u. a.) wie folgt konkretisiert:
7
„(…) Die Präsidentin des Landgerichts hat angekündigt, dem Präsidium die Zuweisung
eines Richters bzw. einer Richterin vorzuschlagen (was vom Präsidium bereits in der
letzten Sitzung vorberaten wurde), welche/r sich sofort als Berichterstatter/in in das
Verfahren einarbeiten kann. Unter diesen Voraussetzungen ist beabsichtigt, in der 13.
Kalenderwoche mit der Hauptverhandlung (erneut) zu beginnen und sie bis 26. Juni 2014
an den bereits festgesetzten Terminen sowie anschließend - wie den
Verfahrensbeteiligten bereits mitgeteilt - jeweils dienstags und donnerstags fortzusetzen.
Nach Mitteilung der Verteidiger über etwaige Verhinderungen wird die weitere
Terminierung bis Anfang 2015 unverzüglich erfolgen. (…)“
8
2.
Strafkammer Gelegenheit zur Stellungnahme hiernach offen gebliebener, für die
anstehende Entscheidungsfindung relevanter Fragestellungen gegeben.
9
3.
Tag, hat der Strafkammervorsitzende das bezeichnete Vorlageschreiben durch weitere
Ausführungen und Übermittlung einer konkretisierten Übersicht zum Gang / Verlauf der
bisher durchgeführten Hauptverhandlung sowie seiner am 12. Februar 2014 getroffenen
Terminverfügung für eine geplante Hauptverhandlung ab dem 25. März 2014 ergänzt.
10
4.
seinen Verteidiger, Rechtsanwalt W., mit Schriftsatz vom 06. Februar 2014 u. a. Folgendes
vortragen lassen:
11 „(…) Vorliegend ist zu konstatieren, dass aufgrund eines Justizverschuldens, nämlich der
Nichtvorlage von Ermittlungsakten bzw. der Gewährung unvollständiger Akteneinsicht an
die Verteidigung und die Angeklagten das Verfahren nicht ordnungsgemäß gefördert
wurde, und Unterbrechungen der Hauptverhandlung notwendig waren. (…) Der
Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, und hat seinen Lebensmittelpunkt in der
Bundesrepublik Deutschland; er wird regelmäßig von seiner Familie in der
Untersuchungshaft besucht und es bestehen enge soziale Bindungen einzig in die
Bundesrepublik Deutschland. Von daher sind jedenfalls weniger einschneidende
Maßnahmen, namentlich auch engmaschige Meldeauflagen, geeignet, einer etwaiger
bestehenden Fluchtgefahr zu begegnen.“
12 Im nachfolgenden Schrittsatz vom 07. Februar 2014 wurden diese Ausführungen u. a. wie
folgt ergänzt:
13 „(…) Die Verteidigung ist (…) der Auffassung, dass die Aussetzung (…) rechtswidrig ist.
(…) § 229 Abs. 3 StPO (…) gilt (…) nicht nur für Angeklagte, sondern auch für zur
Urteilsfindung berufene Personen. (…) Mit dieser Ausdehnung der Hemmungsregelung
sollte vermieden werden, dass Verfahren nach mehreren Verhandlungstagen wegen der
Erkrankung von Richtern und Schöffen ausgesetzt werden müssen. (…) Der
Gesetzeszweck (…) erfordert es (…), die Regelung für den Bereich des
Beschäftigungsverbotes infolge einer Entbindung anzuwenden. (…) Eine entsprechende
Anwendung des § 229 Abs. 3 StPO ist (…) für alle Beteiligten, insbesondere aber für den
Angeklagten, geboten. (…) Von daher hätte die Kammer - ggfl. in höherer
Verhandlungsdichte - weiterverhandeln müssen, um sodann nach der Niederkunft der
Berichterstatterin innerhalb der Fristen des § 229 III (…) zu unterbrechen. Die
Berichterstatterin wäre zudem verpflichtet gewesen, die (disponiblen) Fristen des
Beschäftigungsverbotes des Mutterschutzgesetzes vor der Niederkunft zu ignorieren, (…);
fest steht, dass nunmehr eine Hauptverhandlung (…) vollständig neu durchgeführt werden
muss, und dass ein Fortschritt in der Beweisführung und Beweiserhebung somit nach 18
Monaten Untersuchungshaft nicht festgestellt werden kann. (…) Zudem muss
Berücksichtigung finden, dass der neue Berichterstatter sich in ein derart umfangreiches
Verfahren innerhalb kürzester Zeit einarbeiten müsste, wobei nicht zu erwarten steht, dass
die Gesamtheit des Verfahrens in (…) nur sechs Wochen aktenmäßig bearbeitet werden
kann. (…) Auch ist in Betracht zu nehmen, dass der Angeklagte um die Existenz des
vorliegenden Verfahrens bereits seit (…) 2009 wusste, mithin (…) damit rechnen musste,
dass ein Haftbefehl gegen ihn ergeht; (…) Der Angeklagte hat sich jedoch (…) dem
Verfahren gerade nicht entzogen. Er hat seinen Wohnsitz weiterhin in der Bundesrepublik
Deutschland gehabt, und war nur kurzzeitig im Ausland. (…) Weiterhin ist der Angeklagte
an Blasenkrebs erkrankt, welcher (…) nunmehr (…) wieder ausgebrochen ist; (…) Zudem
ist zu berücksichtigen, dass der Vorsitzende (…) bei der Terminierung dieses Verfahren
(…) hätte erkennen müssen, dass (…) die Hinzuziehung von Ergänzungsrichtern und
Ergänzungsschöffen angezeigt ist. Dass dies unterblieben ist, ist nicht dem Angeklagten
anzulasten, so dass die (…) Aussetzung des Verfahrens allein und einzig auf ein (…)
Justizverschulden zurückzuführen ist. (…)“
14 Im Schriftsatz des Verteidigers, Rechtsanwalt W., vom 07. März 2014 heißt es u. a. weiter
wie folgt:
15 „(…) Die Verteidigung erspart sich (…) eingehendere Ausführungen zur Frage des
Tatverdachts, wenngleich zu erwähnen ist, daß keiner der gehörten Anleger jemals mit
dem Angeklagten B. zu tun gehabt hatte und auch sonst durch die Beweisaufnahme nicht
erhellt wurde, was Herr B. mit dem Verkauf von N.-Aktien de facto zu tun gehabt haben
soll. Allerdings fällt auf, daß die Strafkammer in ihrer Bewertung der Aussage des
Telefonverkäufers B. (…) nicht erwähnt, daß dieser Zeuge den Angeklagten B. zwar mal
in den Räumen der T. Financial Service gesehen haben will, auf mehrfaches Nachfragen
der Verteidigung aber keineswegs darlegen konnte, welche auch nur annähernd
(mit)bestimmende Rolle der Angeklagte B. bei der Firma T. überhaupt eingenommen
haben soll. Der Verteidigung ist gut in Erinnerung, wie der Zeuge B. angab, daß sich
dieser Eindruck für ihn aus der `körperlichen Haltung´ des M. B. ergeben habe. Wie sich
aus diesen Angaben auf eine (Mit)Verantwortlichkeit des Angeklagten B. für die Firma T.
geschlossen werden kann, bleibt unerfindlich. Ebenso ist in den Ausführungen zu dem
Zeugen S. jeder Hinweis darauf unterblieben, daß dieser Zeuge auf einer
Aktionärsversammlung 2006 miterlebt hatte, daß dem Angeklagten B., welcher ebenfalls
als Anlegervertreter erschienen war, trotz der Vorlage von N.-Aktien jedes Stimmrecht
durch die N.-Geschäftsführung auf dem Podium verweigert worden sei. (…) Ungeachtet
des (…) noch nicht ordnungsgemäß in der Hauptverhandlung als durchgeführt
festgestellten Selbstleseverfahrens (…) hat die Beweisaufnahme durch Einvernahme der
sonstigen Anleger bislang aber keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß der
Anklagevorwurf bei Herrn B. zutrifft, er habe mit dem betrügerischen Verkauf wertloser N.-
Aktien tatsächlich etwas zu tun. Wesentlicher erscheint (…) jedoch der Umstand, wie
seitens des Landgerichts das nunmehr ausgesetzte Verfahren geplant und angegangen
worden ist. Selbst wenn seitens der 6.Strafkammer eine Hauptverhandlung von allenfalls
10-12 Monaten prognostiziert worden war - was (…) eigentlich nicht verständlich ist - hätte
damals bereits die Anforderung von Ergänzungsrichtern und -schöffen mehr als
nahegelegen. (…) In diesem Zusammenhang sind knappe Justizressourcen kein
ernsthaftes Abwägungsmaterial (…) In einem auf viele Monate anzusetzenden
Umfangsverfahren, an dem weibliche Richter im Spruchkörper beteilig sind, kann (…) auf
Ergänzungsrichter nicht verzichtet werden. (…) Die Probleme, (…) setzt sich im Übrigen
jetzt in der notwendigen Einarbeitung der (…) der 6. Strafkammer (…) zugewiesenen
RiLG F. fort. Wenn diese neue Berichterstatterin seit dem 07.02.2014 dem Spruchkörper
angehört, kann diese Richterin bis zur Bejahung des dringenden Tatverdachts durch die
neubesetzte Kammer am 27.02.2014 (…) eigentlich nur 13 Arbeitstage damit zugebracht
haben, sich einen so genauen Überblick über die Akten verschafft zu haben, daß sie an
einer Haftfortdauerentscheidung auch inhaltlich mitzuwirken in der Lage war. Auch
insoweit bleibt unklar, wie dies in der kurzen Zeit überhaupt möglich gewesen sein soll,
(…). (…) Schließlich ist aber auch die nun vorgesehene Terminierung nicht geeignet, der
verfassungsrechtlich gebotenen Terminierungsdichte in Haftsachen und damit dem
Beschleunigungsgrundsatz zu genügen. (…)“
16 Für den Angeklagten
P.
2014 schriftsätzlich wie folgt geäußert:
17 „(…) Der Vorsitzende hat zwischenzeitlich (…) Termine ab dem 25.03.2014 bestimmt. (…)
Dem Unterzeichner ist der Umfang der Akten bekannt. (…) Nach diesseitiger Ansicht ist
es ausgeschlossen, dass sich ein neu einzuarbeitender Berichterstatter oder eine sich
neu einzuarbeitende Berichterstatterin diesen Aktenumfang seriös bis zum 25.03.2014
durchsehen, erarbeiten und verarbeiten kann. (…) Für den Angeklagten P. ist es daher
kaum nachvollziehbar, dass, sollte die Hauptverhandlung am 25.03.2014 beginnen, ein
die Akten und Fakten kennendes Gericht die Verhandlung führt. (…) Die Vorbereitung
eines derartigen Umfangsverfahrens (…) soll also in 4 Wochen und 2 Tagen
nachvollziehbar durchgeführt werden. Einem vernünftigen Angeklagten ist diese Art und
Weise der Vorbereitung jedenfalls nicht zu vermitteln. (…)“
18 Am 11. Februar 2014 wurden diese Darlegungen folgendermaßen ergänzt:
19 „(…) Geht man realistischerweise davon aus, dass ab dem Zeitpunkt der Benennung des
Berichterstatters oder der Berichterstatterin zur ordnungsgemäßen Vorbereitung des
Verfahrens dieser Richter einen Zeitraum von 8 Wochen benötigt, so kann das Verfahren
frühestens Mitte April 2014 fortgesetzt werden. Dies wiederum bedeutet, dass (…) die
Aussetzung des Verfahrens - völlig unabhängig von dem Umfang des Verfahrens und der
Straferwartung - zu einer Aufhebung des Haftbefehls zwangsläufig führen muss. (…)
Nimmt man einen dringenden Tatverdacht (…) an, so muss festgestellt werden, dass Herr
P. sich dem Verfahren, das ihm seit 2007 bekannt ist, zu keinem Zeitpunkt durch Flucht
entzogen hat und auch an seinem Arbeitsplatz festgenommen worden ist. Auch die
abstrakte Strafandrohung an sich bringt keine Fluchtgefahr per se. (…) Es sei (…) betont,
dass sich der Angeklagte P. (…) in einem desolaten gesundheitlichen Zustand befindet,
(…)“
20 Dem Schriftsatz beigefügt waren „4 Aktenkonvolute“ zu verschiedenen Fragenkomplexen -
„wissenschaftlicher Hintergrund der rauchfreien Zigarette, Produktion (Vorbereitung und
Durchführung), Vertrieb, Verwaltungsprotokoll (Verantwortlichkeit P.) -, die nach Ansicht
der Verteidigung „beweisen, dass (…) dringender Tatverdacht nicht vorliegt“ und allenfalls
„hinreichender Tatverdacht“ gegeben ist, der „(…) jedoch die Haft nicht rechtfertigt“.
21 In einer weiteren Stellungnahme vom 07. März 2014 teilte Rechtsanwalt Dr. E. (u. a.)
Folgendes mit:
22 „(…) Was den dringenden Tatverdacht angeht (…) ist festzustellen, dass der Angeklagte
P. nicht nur sein gesamtes Vermögen in die Entwicklung und den Vertrieb der rauchfreien
Zigarette gesteckt hat. Vielmehr ist (…) entgegen der Behauptung der Anklagebehörde,
die wissenschaftliche Grundlage für die rauchfreie Zigarette und die technische
Entwicklung derselben von dem Angeklagten P. in die Wege geleitet und gefördert
worden, durch einen Stab von Wissenschaftlern und Technikern, wobei dieses
Engagement dazu führte, dass tatsächlich die rauchfreie Zigarette bereits in einem
Probelauf produziert und dem Vertrieb zur Verfügung gestellt wurde. Dass diese
Entwicklung von Staatsanwaltschaft und möglicherweise auch von der 6. Strafkammer
(…) so nicht gesehen wurde und wird, ist alleine dem Umstand geschuldet, dass die
Deutschen Ermittlungsbehörden ein völlig unzureichendes Gutachten der Schweizer
Gutachterstelle ungeprüft übernommen hat, wobei dem Schweizer Gutachten ein
geradezu klassischer Fehler unterlaufen ist. (…) Auch die Verantwortlichkeit für den
Vertrieb (…) liegt nachweislich nicht bei dem Angeklagten P., sondern - wie sich in der
Teilbeweisaufnahme eindeutig herausgestellt hat - bei dem Verwaltungsrat der N. AG.
(…) Ergänzend sei auf folgendes hingewiesen: Der Vorsitzende beklagt die schmalen
Ressourcen des Landgerichts Stuttgart, was die Personaldecke der Richterschaft angeht.
Deswegen seien im `1. Anlauf´ kein Ergänzungsrichter und keine Ergänzungsschöffen
beigezogen worden. Diese Personaldecke hat sich mit Sicherheit seit dem Beginn der
Hauptverhandlung in keiner Weise verändert. Umso verwunderlicher ist die Tatsache zu
konstatieren, dass nun, nachdem sozusagen das Kind in den Brunnen gefallen ist, diese
knappen Personalressourcen keinerlei Rolle mehr spielen und ein Ergänzungsrichter und
zwei Ergänzungsschöffen im 2. Anlauf das Richterkollegium ergänzen. Wie problematisch
der durchaus als hektisch zu bezeichnende Neubeginn der Hauptverhandlung zu
bewerten ist, zeigt auch die Tatsache, dass die neue Berichterstatterin, Frau Richterin F.,
(…) sich in die Akten, einschließlich der Nachlieferung von 97 Beweismittelordnern
einzuarbeiten hat. Wie ihr das - bei allem Respekt - gelingen soll, ist nicht
nachvollziehbar. (…) Zu bedenken ist dabei, dass Frau Richterin F. vor dem 07.02.2014
mit dem vorliegenden Verfahren nicht die geringste Berührung hatte, also sich völlig neu
einlesen musste und auch nicht bekannt ist, ob sie jemals vorher einer
Wirtschaftsstrafkammer als Spezialspruchkörper angehört hat oder angehört und
demzufolge besondere Vorkenntnisse, die bei einem Mitglied einer
Wirtschaftsstrafkammer Voraussetzung sind, aufweist. (…)“
23 Schließlich wurde von Rechtsanwalt Dr. E. am 10. März 2014 folgende Stellungnahme
abgegeben:
24 „(…) Im Vorfeld des Beginns der Hauptverhandlung am 26.07.2013 haben auf
Veranlassung der Wirtschaftsstrafkammer Vorgespräche (…) stattgefunden. Ergebnis
dieser Besprechung war, dass beide Angeklagten dem Gericht, (…) deutlich gemacht
haben, dass ein Geständnis überhaupt nicht in Frage kommt (…) Dies hatte zur Folge,
dass die Kammer selbst schon vor Beginn der Hauptverhandlung darauf hinwies, dass
(…) `vor 2015 ein Urteil nicht zu erwarten steht´. (…) Angesichts eines derartigen
Umfanges der Beweisaufnahme hätte der Vorsitzende (…) schon `im ersten Anlauf´ (…)
einen Ergänzungsrichter und einen Ergänzungsschöffen bestellen müssen. (…). Betont
muss werden, dass die zeitliche Komponente des Ablaufes der Hauptverhandlung noch
nicht einmal eingerechnet hatte, dass seitens der Verteidigung auch Beweisanträge in
erheblichem Umfang gestellt werden müssen. (…) Entsprechende Beweisantritte sind im
Übrigen auch schon vor Beginn der ersten Hauptverhandlung angekündigt worden.“
25
5.
eingegangenen - Schreiben und durch eine weitere Stellungnahme vom 03. März 2014 u.
a. Folgendes ausgeführt:
26 „(…) Die Berücksichtigung der Erkenntnisse, die sich (…) im Zuge der bisherigen
Hauptverhandlung ergeben haben, vermögen (…) den dringenden Tatverdacht gegen die
Angeklagten nicht zu entkräften. Die Einlassungen der Angeklagten, wonach der
Anklagevorwurf im Wesentlichen falsch sei, stehen im Widerspruch zu dem in der
Anklageschrift niedergelegten wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen und zum Inhalt der
Akten. Insbesondere erschöpften sich die (teils widersprüchlichen) Einlassungen der
Angeklagten zu einem großen Teil in dem Bestreiten einer bestimmenden Rolle im
Rahmen des Tatgeschehens unter gleichzeitiger Zuweisung der Verantwortlichkeit an
andere Beteiligte (…), dem Bestreiten des Wahrheitsgehalts belastender
Zeugenaussagen, der Beanstandung des vermeintlich rechtswidrigen und einseitig zu
ihren Lasten gehenden Vorgehens der schweizerischen und der deutschen
Ermittlungsbehörden sowie einer eigenen (zu ihren Gunsten ausfallenden) Würdigung
des Ermittlungsergebnisses und des Akteninhalts. (…) Die bislang durchgeführten
Zeugeneinvernahmen haben (…) die in der Anklage festgehaltenen Vorwürfe bestätigt.
(…) Insbesondere haben die vernommenen Geschädigten ihre bereits im
Ermittlungsverfahren gemachten Angaben in den Fragebögen bzw. in den teils
durchgeführten polizeilichen Vernehmungen bestätigt und weiter dargelegt. Demnach
haben nahezu alle Anleger bestätigt, dass durch die Angaben der Vermittler ihnen
gegenüber nicht nur die mit der Anlage verbundenen allgemeinen Risiken verharmlost
wurden, sondern auch falsche Angaben z. B. zu dem Entwicklungsstand und der
Markteinführung des Produkts gemacht worden sind. Wie die Kammer zutreffend weiter
ausführt, sind die vereinzelten Angaben der Geschädigten, wonach ihnen das
bestehende Risiko bewusst gewesen sei, ebenso wenig geeignet den dringenden
Tatverdacht zu entkräften wie die regelmäßig in den Verträgen enthaltenen
Risikohinweise. Zum einen liegt der (Haupt-) Vorwurf der Anklage nicht in der
unterbliebenen Aufklärung der Anleger über die allgemeinen Risiken der Anlageform,
sondern in den bewusst wahrheitswidrigen Angaben insbesondere zu dem jeweiligen
Entwicklungsstand des Produkts, dem Zeitpunkt der Markteinführung, der Patentierung
und der finanziellen Situation des Unternehmens etc. Zum anderen liegt (…) eine
Falschberatung auch dann vor, wenn die zutreffenden schriftlichen Angaben im
Zeichnungsschein oder dem Prospekt durch fehlerhafte mündliche Angaben des
Vermittlers relativiert worden sind. Der Zeuge B. hat die zumindest mit beherrschende
Rolle des Beschuldigten B. bei der T. F. S. GmbH und damit dessen Einbindung in die
Vertriebsaktivitäten bestätigt. Der Geschädigte M. S. hat in seiner Vernehmung
angegeben, dass er sich infolge eines Gesprächs mit dem Angeklagten P. zu dem Erwerb
weiterer Aktien entschlossen und diesem daher 40.000 Euro in bar übergeben habe.
Dabei sei ihm während des Gesprächs suggeriert worden, dass der Angeklagte P. der
`Boss´ sei. Der Zeuge F. wiederum hat durch seine Angaben, wonach in erheblichem
Umfang Batterien bestellt aber letztlich nicht abgenommen worden sind und dadurch der
Firma V. ein Schaden von geschätzt mehreren hunderttausend Euro entstanden ist, den
Vorwurf bestätigt, dass die Entwicklungstätigkeit nur zum Schein und nicht ansatzweise
mit dem gebotenen Nachdruck betrieben wurde. Entlastende Umstände hat die bisherige
Beweisaufnahme nicht zu Tage gefördert. Betreffend die nachgereichten 93 Stehordner
wird auf die Ausführungen der Strafkammer Bezug genommen. Die von der
Staatsanwaltschaft daraus zusammengestellten 18 Stehordner enthalten über die bereits
in den Akten befindlichen Fragebögen hinaus ergänzendes und stützendes Material der
Anleger, das diese bei Rücksendung der Fragebögen beigefügt haben. (…) Wie die von
der Strafkammer erstellte bisherige Verfahrensübersicht belegt, wäre ein Abschluss des
Verfahrens bis zum Eintritt des gesetzlichen Mutterschutzes der Berichterstatterin (…)
angesichts des Umfangs des Verfahrensstoffs (…) nicht möglich gewesen. (…)“.
27
6.
anzuordnen.“
II.
28 Die vorzunehmende besondere Haftprüfung durch den Senat ergibt, dass die Fortdauer
der vollzogenen Untersuchungshaft hinsichtlich beider Angeklagter anzuordnen ist; hierzu
im Einzelnen:
29
1.
gelegten Taten in der durch die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Stuttgart vom 05.
April 2013 konkretisierten Form (weiter) dringend verdächtig.
30 Maßgebend für die Beurteilung des entsprechenden Verdachtsgrades ist, nachdem in der
ausgesetzten Hauptverhandlung weder ein Urteil ergangen noch die Beweisaufnahme
abgeschlossen worden ist, das sich aus den Akten ergebende Ermittlungsergebnis nach
Maßgabe bzw. unter Berücksichtigung der weiteren Erkenntnisse, die sich im Zuge der
bisherigen Hauptverhandlung ergeben haben (können).
31 Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer hat in seinem Schreiben vom 27. Februar
2014 mitgeteilt, dass „(…) die Strafkammer in der Besetzung VRLG N., Ri'in LG F., RLG
Dr. W. den dringenden Tatverdacht (…) für gegeben“ hält. Nach detailliert-ausführlicher
Schilderung der bisherigen (Sach-) Einlassungen der Angeklagten wurde hierzu weiter
Folgendes ausgeführt:
32 „Die Einlassungen der Angeklagten vermögen den dringenden Tatverdacht nicht zu
entkräften. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die im wesentlichen Ergebnis
der Ermittlungen der Anklage genannten belastenden Ausführungen, sowie den
Ausführungen in dem Beschluss der Kammer vom 16.12.2013, in dem auf die weiterhin
zutreffenden Ausführungen in den Beschlüssen des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
2.5.2013 (…) und 22.5.2013 (…) verwiesen wird, Bezug genommen. Die dortigen
Bewertungen zur Frage des dringenden Tatverdachts gelten auch unter Berücksichtigung
der Einlassungen beider Angeklagten in der Hauptverhandlung fort.“
33 Im Anschluss an die Schilderung der „(…) im Zuge der bisherigen Hauptverhandlung
vorgenommenen Beweiserhebungen (…)“ wird in dem bezeichneten Schreiben zur
vorläufigen Bewertung der aktuellen Beweislage vom Vorsitzenden unter Bezugnahme
auf die (Zeugen-) Vernehmungen von insgesamt 12 Anlegern wie folgt Stellung
genommen:
34 „Nach vorläufiger Würdigung der Angaben der Anleger haben diese ihre Angaben in ihren
Fragebögen bestätigt und überwiegend angegeben, über wesentliche Umstände im
Zusammenhang mit dem Aktienkauf getäuscht worden zu sein und dies geglaubt zu
haben. Hierbei handelte es sich hauptsächlich um die (falschen) Angaben, es sei bereits
ein Patent für den N. erteilt worden und die Markteinführung stehe unmittelbar bevor.
Teilweise gaben die Zeugen sogar an, ihnen sei mitgeteilt worden, die Serienproduktion
habe bereits begonnen. So gab beispielsweise der Zeuge B. an, ihm sei gesagt worden,
es sei ein Patent erteilt worden und das Produkt sei endkundenbereit. Lediglich die
Angaben des Zeugen L. waren bei vorläufiger Würdigung nicht geeignet, den Tatverdacht
hinsichtlich dieses Falls zu erhärten, trugen aber auch nicht zu einer Entlastung bei, weil
der Zeuge nach seinen Angaben seine Geldanlagen vollständig an seinen
Vermögensverwalter H. delegiert hatte und daher zu den maßgeblichen Fragen keine
sachdienlichen Angaben machen konnte. Zwar fanden sich in den von den Zeugen
abgeschlossenen schriftlichen Verträgen Hinweise darauf, dass es sich bei N. um ein
sogenanntes Start-up Unternehmen handelt sowie Ausführungen zu `inhärenten Risiken´,
die Zeugen gaben jedoch teilweise an, mündlich sei entweder von einem nur geringen
Risiko oder gar von völlig fehlendem Risiko gesprochen worden und Hinweise auf
größere Verluste oder gar den Totalverlust hätten gefehlt. Zum Teil gaben die Zeugen an,
von einem Start-up Unternehmen sei nicht die Rede gewesen. Die als Zeugen
vernommenen Anleger erklärten überwiegend, es sei von großen Renditen die Rede
gewesen und sie seien zum Kauf überredet worden. Die Kammer bewertet die Angaben
der bisher vernommenen Zeugen bei vorläufiger Betrachtung als glaubhaft, nicht zuletzt
deshalb, weil diese im Einklang mit dem Akteninhalt stehen und geht derzeit davon aus,
dass der Inhalt der schriftlichen Verträge durch die mündlichen Angaben relativiert und
überlagert wurden und daher eine Bewertung der Handlungen als Täuschungshandlung
nicht hindern.“
35 Hinsichtlich der darüber hinaus vernommenen Zeugen wird sodann Folgendes dargelegt:
36 „Der Zeuge F. (Vertriebsleiter der Firma V.) schilderte die Bestellung einer Vielzahl von
Akkumulatoren für den N., was zu einer Zahl von (zumindest zum Teil produzierten)
220.000 Stück geführt habe, welche aber überwiegend nicht abgenommen worden und
letztlich große Außenstände verblieben seien. Dies stützt nach vorläufiger Würdigung den
in der Anklage erhobenen Vorwurf, dass die Entwicklung bzw. Produktion nicht in der
durch die Angeklagten behaupteten Ernsthaftigkeit betrieben wurde. Der Zeuge B.
(Telefonverkäufer der Firma T. F. S. GmbH) gab eine (Mit-)Verantwortlichkeit des
Angeklagten B. für die Firma T. F.l S. an und erklärte, bei der Anwerbung von Anlegern
sei die Vorgabe für die Telefonverkäufer hinsichtlich von Nachfragen von Kunden zur
Markt- bzw. Serienreife des Produktes gewesen, zu antworten: `Die Geschäftsleitung hat
mir garantiert, in den nächsten 4 - 6 Wochen wird die Produktion anlaufen.´ Dies erhärtet
nach vorläufiger Würdigung den Verdacht, dass die Anleger über den tatsächlichen
Entwicklungsstand getäuscht wurden und stützt den in der Anklage erhobenen Vorwurf,
dass dem Angeklagten B. eine Verantwortung für den Vertrieb der Firma T. F. S. GmbH
und die dort begangenen Handlungen zu Lasten von Anlegern zuzuweisen ist.“
37 Unter Bezugnahme auf eine im Dezember 2013 erfolgte Nachreichung von Akten stellt der
Vorsitzende zunächst deren Umfang und Zusammensetzung dahingehend klar, dass die
Staatsanwaltschaft aus ursprünglich 75, von der Polizei vorgelegten Stehordnern „(…) die
Unterlagen, die sich auf Anleger in der Anklageschrift (…) bezogen entnommen und „(…)
hierfür 18 neue Stehordner (…)“ angelegt hat. Sodann wird hierzu Folgendes bemerkt:
38 „Von Relevanz für das Verfahren sind primär die durch die Staatsanwaltschaft angelegten
18 Stehordner, die Unterlagen über die angeklagten Einzelfälle enthalten. Dort befinden
sich neben Kopien der den (deutschen) Anlegern übersandten Fragebögen (die bereits
Aktenbestandteil waren) die durch die Anleger als Anlage zum Fragebogen übersandten
Unterlagen (hauptsächlich Kopien von Verträgen, Prospekte, Internetausdrucke,
Korrespondenz, Kontoauszüge). Die vorläufige Bewertung der Unterlagen ergab, dass
diese die Angaben der jeweiligen Anleger in ihren Fragebögen weitgehend stützen,
ergänzen und untermauern und daher den dringenden Tatverdacht erhärten. Zur
Bewertung dieser schriftlichen Unterlagen wird auf die oben ausgeführte vorläufige
Beweiswürdigung im Zusammenhang mit den bisher durchgeführten
Zeugenvernehmungen verwiesen, die insoweit gleichermaßen gilt.“
39 Im Hinblick auf die vom Verteidiger des Angeklagten
P.
Schriftsatz vom 11. Februar 2014 „zur Information des Senats“ zugeleiteten „4
Aktenkonvolute“ hat sich der Vorsitzende im Schreiben vom 27. Februar 2014 wie folgt
geäußert:
40 „Die Bezeichnung der Ordner korrespondiert nicht mit der Bezeichnung (auf Seite 3) im
Schriftsatz des Verteidigers. Der Inhalt der Ordner lässt sich auch nicht (jedenfalls nicht
bei allen Ordnern) ohne weiteres den durch den Verteidiger genannten Fragenkomplexen
zuordnen, was eine (vorläufige) Bewertung nur mit Einschränkungen ermöglicht. Die
Ordner enthalten offenbar im Dezember 2013/Januar 2014 verfasste schriftliche
Einlassungen des Angeklagten P. (welche bislang keinen Eingang in den
Hauptverhandlung gefunden haben, jedoch seitens der Verteidigung angekündigt waren).
Der Sache nach beinhalten sie - soweit dies aufgrund der fehlenden inhaltlichen Struktur
beurteilt werden kann - weit überwiegend eine Beweiswürdigung durch den Angeklagten,
die durch die Kammer derzeit nicht geteilt wird, weil es sich teilweise um unzutreffende,
teilweise nicht zwingende und teilweise abwegige Schlussfolgerungen handelt. Die
übrigen Schriftstücke in den Ordnern stellen nach vorläufiger Durchsicht ausschließlich
Kopien aus den Ermittlungsakten dar, die dem Gericht vorliegen. Teilweise sind diese
Kopien mit handschriftlichen Anmerkungen - vermutlich vom Angeklagten P.- versehen,
welche - soweit dies angesichts der Lesbarkeit und der Verständlichkeit der
Anmerkungen beurteilt werden kann - eine Beweiswürdigung dieser Urkunden
vornehmen, die weder zwingend ist noch der vorläufigen Beweiswürdigung der Kammer
entspricht. Soweit sich in den in den 4 Ordnern befindlichen Einlassungen des
Angeklagten P. (in geringem Umfang) Äußerungen zum Sachverhalt befinden, ergab eine
vorläufige Durchsicht, dass diese nicht neu sind, sondern bereits Inhalt der in der
Hauptverhandlung abgegebenen Einlassung waren. Die vorläufige Bewertung dieses
Aktenkonvolutes (unter den vorgenannten Umständen) lässt für die Kammer daher nicht
erkennen, weshalb der dringende Tatverdacht dadurch beeinträchtigt werden sollte.“
41 Bei Zugrundelegung dieser - mit der vorläufigen Bewertung der in der durchgeführten
Hauptverhandlung erlangten Erkenntnisse durch die Staatsanwaltschaft
übereinstimmenden - plausibel-nachvollziehbaren Einschätzungen der Kammer, kommt
der Senat nach Vornahme der gebotenen Prüfung sämtlicher weiterer, nach Aktenlage
relevanter Gesichtspunkte und in Anknüpfung an die in seinen
Haftfortdauerentscheidungen 10. Januar 2013 und 02. Mai 2013 (betreffend den
Angeklagten
B.
zur Frage des dringenden Tatverdachts vorgenommenen Bewertungen - auf die zur
Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird - zu dem Ergebnis, dass
hinsichtlich beider Angeklagter weiterhin im bezeichneten Umfang Tatverdachtsmomente
vorliegen, die als dringend im Sinne von § 112 Abs. 1 S. 1 StPO zu beurteilen sind.
42
2.
wird auf die unverändert gültigen Gründe der angeführten Haftfortdauerbeschlüsse des
Senats Bezug genommen. Ergänzend ist hierzu Folgendes zu bemerken:
43 Die Angeklagten haben nach den Darlegungen im (Haftfortdauer-) Beschluss der
Wirtschaftsstrafkammer vom 16. Dezember 2013 und der Stellungnahme des
Vorsitzenden vom 05. Februar 2014 für den Fall ihrer Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe
zu rechnen, die „(…) unter Umständen hinsichtlich der Anzahl der Jahre im zweistelligen
Bereich (…) liegt. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer, dem Senat am 10. Februar 2014
zugeleiteten, Stellungnahme unter Hinweis auf den „für jede Tat“ gegebenen Strafrahmen
(„6 Monate bis zu 10 Jahren“) und die (einschlägigen) Vorstrafen der Angeklagten
(ebenfalls) von „(…) der Verhängung einer erheblichen und zu vollziehenden
Gesamtfreiheitsstrafe (…), insbesondere im Falle des Angeklagten P. mit hoher
Wahrscheinlichkeit im zweistelligen Bereich“ aus.
44 Der Senat schließt sich diesen Prognosen nach Vornahme der notwendigen
Gesamtschau aller gegenwärtig relevanten Erkenntnisse und Berücksichtigung der im
„Protokoll über die Besprechung nach § 202a StPO am 28.1.2014“ angeführten,
strafmildernd in Betracht kommenden Erwägungen (z. B. „Alter“, „Gesundheitszustand“,
„besondere Haftempfindlichkeit“, „lange zurückliegende Tatzeit“, „lange Verfahrensdauer“)
mit der Maßgabe an, dass beide Angeklagte für den Fall ihrer - aus derzeitiger Sicht
wahrscheinlichen - Verurteilung langjährige Freiheitsstrafen zu erwarten haben.
Tragfähige Bindungen, die dem aus diesen beträchtlichen Straferwartungen
resultierenden (sehr) hohen Fluchtanreiz ausreichend entgegenwirken könnten sind nicht
ersichtlich bzw. gegeben. Im Hinblick auf die insoweit in den Blick genommenen
persönlichen Verhältnisse der Angeklagten in familiär-sozialer bzw. beruflicher Hinsicht
wird auf die zugehörigen Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 10. Januar
2013 (betreffend den Angeklagten
B.
Angeklagten
P.
45 Allem nach ist es überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Angeklagten, kämen sie auf
freien Fuß, dem weiteren Verfahren und der Strafvollstreckung durch Flucht oder
Untertauchen entziehen würden. Das im Zusammenhang mit Erwägungen zum Bestehen
eines Haftgrunds hierzu in den bezeichneten Stellungnahmen der Verteidigung
Vorgebrachte, ändert an dieser Einschätzung nichts. Dies gilt insbesondere auch für die
thematisierte und vom Senat in seine Erwägungen einbezogene gesundheitliche Situation
mit den gegebenen Erkrankungen beider Angeklagter (hierzu später mehr).
46 Mildere Maßnahmen im Sinne von § 116 StPO als der Vollzug der Haftbefehle sind
hiernach - auch bei Inblicknahme etwaiger Verschonungsanweisungen - nicht geeignet,
den Zweck der Untersuchungshaft in gleicher Weise zu erfüllen.
47
3.
zugelassen und rechtfertigt die weitere Fortdauer der Untersuchungshaft; ein zu
beanstandender Verstoß gegen den Anspruch der Angeklagten auf beschleunigte
Aburteilung ist nicht gegeben.
48
a.
Aktenumfang von insgesamt 420 Stehordnern nebst 4 Stehordnern Gerichtsakten. In der
Anklageschrift werden als „Beweismittel“ u. a. 642 Zeugen, darunter eine Vielzahl von - im
Ausland (S.) ansässigen - Anlegern sowie mehrere Sachverständige namhaft gemacht.
Der gegen die Angeklagten erhobene Tatvorwurf erstreckt sich auf insgesamt 1.231
rechtlich selbständige Handlungen. Nach der Beurteilung des Strafkammervorsitzenden
werden mindestens 100 Hauptverhandlungstermine erforderlich sein. Deshalb war es
aufgrund des bezeichneten Umfangs des Verfahrens ausgeschlossen, dieses bis heute
abzuschließen.
49 Dass das Verfahren jetzt ausgesetzt wurde, ist ausschließlich durch die in Rede stehende
Schwangerschaft der bisher in den erkennenden Spruchkörper als Berichterstatterin
eingebunden gewesenen Richterin und mithin einen Umstand veranlasst, auf den die
Strafverfolgungsbehörden und das mit der Sache befasste Gericht keinen Einfluss haben
und dem durch geeignete Maßnahmen zumutbar nicht begegnet werden konnte.
50 Der von der Verteidigung des Angeklagten
B.
stehende gerichtliche Entscheidung zur „(…) Aussetzung des Verfahrens zum jetzigen
Zeitpunkt rechtswidrig“ und die Berichterstatterin verpflichtet sei, „(…) die (disponiblen)
Fristen des Beschäftigungsverbotes des Mutterschutzgesetzes vor der Niederkunft zu
ignorieren (…)“, folgt der Senat nicht; sie ist abwegig.
51 Der Senat verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
der fehlende Abschluss einer Strafsache binnen angemessener Frist wegen Kollisionen
zwischen familiär bedingten personellen Veränderungen bzw. „Vakanz“ auf der
Richterbank mit einer ordnungsgemäßen Bewältigung des Geschäftsanfalls in
Haftsachen, nicht von der im betreffenden Verfahren inhaftierten Person zu vertreten ist,
weil insoweit weder von einem unvorhersehbaren Zufall noch einem schicksalhaften
Ereignis auszugehen ist (vgl. BVerfG NJW 2006, 668 ff., bei juris Rdnr. 36). Jedoch stellt
das Bundesverfassungsgericht auch darauf ab, ob eine Verzögerung von den
Strafverfolgungsbehörden zu verantworten ist (vgl. z. B. BVerfG StV 2013, 640 bei juris
Rdnr. 41). Die Justiz kann nicht mehr tun, als in ihrer Macht steht (BVerfG NStZ 2005, 456,
bei juris Rdnr. 26). Kommt es zu einer solchen nicht zu verantwortenden Verzögerung,
muss die Justiz aber alles tun, um das Verfahren mit größtmöglicher Beschleunigung
fortzusetzen. Deshalb kann eine entsprechende Gegebenheit als „anderer wichtiger
Grund“ im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO zu beurteilen sein, wenn damit ein absehbar
längerfristiger Verfahrensstillstand ohne konkrete Aussicht auf eine Entscheidung über
den Neubeginn der Hauptverhandlung und Terminierung in einem dem Freiheitsanspruch
Inhaftierter Rechnung tragenden, absehbaren Zeitraum nicht einhergeht und die mit der
Auswechslung eines / einer dem erkennenden Spruchkörper angehörenden Richters /
Richterin verknüpfte Verfahrensverzögerung nicht vermeidbar war (vgl. BVerfG NStZ 1994,
93 f. bei juris Rdnr. 24; StraFo 2007, 18 f.).
52 Dies ist vorliegend der Fall. Es ist - auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung -
anerkannt, dass nicht alle zu Verfahrensverzögerungen führenden Umstände, die dem
Einfluss Inhaftierter entzogen sind, der Anordnung einer Fortdauer der Untersuchungshaft
über die in § 121 Abs. 1 StPO genannte Frist hinaus schon für sich genommen
entgegenstehen (vgl. BVerfG NJW 1974, 307 ff. bei juris Rdnr. 24). So kann etwa die
Verhinderung unentbehrlicher Verfahrensbeteiligter wie z. B. eines erkennenden Richters
infolge Krankheit als wichtiger Grund im Sinne der genannten Vorschrift angesehen
werden (BVerfG a. a. O., KG Berlin, Beschl. v. 24.02.2009 - Az. 1 Ws 25 - 27/09 u. a., zit.
nach juris; LR-Hilger, StPO, 26. Aufl., § 121 Rdnrn. 28 u. 42; KK-Schultheis, StPO, 7. Aufl.,
§ 121 Rdnr. 16; Graf/Krauß, StPO, § 121 Rdnr. 14; HK-Lemke, StPO, 4. Aufl., § 121 Rdnr.
21; Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 121 Rdnr. 21). Dem ist nach Auffassung des Senats
der Eintritt einer Schwangerschaft bei einer dem gerichtlichen Spruchkörper
angehörenden Richterin gleichzusetzen (vgl. KK-Schultheis, a. a. O., Rdnr. 18). Hierbei
handelt es sich um einen anderen, auf den Verfahrensgang ausstrahlenden Umstand
außerhalb des Einwirkungsbereichs der Justiz. Die Schwangerschaft ist vielmehr dem
verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich höchstpersönlicher Lebensgestaltung
zugeordnet, welche die jeweilige Richterin als Privatperson betrifft. Die Annahme eines
Organisationsverschuldens der Justiz dahingehend, dass eine im gebärfähigen Alter
befindliche Richterin überhaupt in einen erkennenden Spruchkörper eingebunden wird,
verbietet sich (vgl. Schmidt, NStZ 2006, 313 ff., 316).
53 Die in Rede stehende Schwangerschaft und die dadurch bedingte Notwendigkeit einer
Aussetzung der Hauptverhandlung waren bei Beginn der Hauptverhandlung nicht
abzusehen; nach dem (späteren) Bekanntwerden der entsprechenden Gegebenheit sind
keine vermeidbaren Verfahrensverzögerungen festzustellen: Die am 26. Juli 2013
begonnene Hauptverhandlung hatte bis zu ihrem Abbruch 27 Wochen angedauert.
Ausweislich der Darlegungen im Vorlageschreiben des Vorsitzenden vom 05. Februar
2014 und darin enthaltener Bezugnahme auf das Protokoll über die - außerhalb der
Hauptverhandlung erfolgte - „Besprechung nach § 202a StPO am 28.1.2014“ zwischen
den Verfahrensbeteiligten ist von einem „Beginn des Mutterschutzes (…) Ende Mai 2014“
auszugehen. Der beschäftigungsrechtliche Schutz werdender Mütter gemäß § 3 Abs. 2
MuSchG beginnt sechs Wochen vor dem (errechneten) Entbindungszeitpunkt; dieser ist
hier mithin auf etwa Anfang Juli 2014 zu datieren. Bei Zugrundelegung der Regelung in §
1600d Abs. 3 BGB ergibt sich somit, dass die (frühere) Berichterstatterin bei Beginn der
Hauptverhandlung von ihrer Schwangerschaft nichts wissen konnte. Unter
Berücksichtigung des vorliegend nach § 1600d Abs. 3 BGB gegebenen gesetzlichen
Empfängniszeitraums steht weiter fest, dass der Richterin auch keine verspätete Anzeige
der bestehenden Schwangerschaft anzulasten ist. Der Vorsitzende hat im Schreiben vom
27. Februar 2014 hierzu Folgendes mitgeteilt:
54 „(…) Die Schwangerschaft sowie der voraussichtliche Beginn des gesetzlichen
Mutterschutzes Ende Mai 2014 wurde mir am 07. Januar 2014 durch die Berichterstatterin
kurz mitgeteilt. Die Berichterstatterin war in dieser Woche (2. Kalenderwoche 2014)
krankgeschrieben und erschien am 13. Januar 2014 wieder zum Dienst. (…)“
55 Dass die Wirtschaftsstrafkammer in der Folge von einer sofortigen Entscheidung über die
Aussetzung der Hauptverhandlung abgesehen und stattdessen zunächst den Versuch
unternommen hat, das Strafverfahren im Wege einer Verständigung gemäß § 257c StPO
zu beenden, ist - auch im Hinblick auf Beschleunigungsgebot in Haftsachen - nicht zu
beanstanden. Zu den einzelnen Abläufen und Erwägungen der Kammer in diesem
Zusammenhang hat der Vorsitzende in der genannten Stellungnahme vom 27. Februar
2014 (u. a.) Folgendes ausgeführt:
56 „(…) In der 3. Kalenderwoche 2014 hat die Kammer eruiert, inwieweit ein
Verfahrensabschluss bis Ende Mai 2014 möglich wäre, kam jedoch aus den oben
ausgeführten Gründen zur Einschätzung, dass dies allenfalls mit deutlicher Beschränkung
des Verfahrensstoffes und im Wege einer Verständigung gem. § 257c StPO möglich
erscheint. Durch Verfügung vorn 16. Januar 2014 (…) wurden daher alle geladenen
Zeugen abgeladen sowie den Verfahrensbeteiligten die obengenannten Umstände am
21. Januar 2014 mitgeteilt und ein Gespräch über eine Verständigung angeboten (…).
Aus den von den Verteidigern im Gespräch genannten Gründen (…) wurde dieses
Gespräch nicht am nächsten, sondern am übernächsten Hauptverhandlungstag 28.
Januar 2014 durchgeführt und der Hauptverhandlungstag 23. Januar 2014 aufgehoben.
Am 28. Januar 2013 fand eine Besprechung gem. §§ 212, 202a StPO statt, in der die
Verteidiger erklärten, am 04. Februar 2014 mitzuteilen, ob einer Verständigung
zugestimmt werde. Hierauf wurde auch der Hauptverhandlungstag 30. Januar 2014
aufgehoben. Unmittelbar nach der Mitteilung der Verteidiger am 04. Februar 2014, dass
die Angeklagten der vorgeschlagenen Verständigung nicht zustimmen würden, erging die
Aussetzungsentscheidung der Kammer.“
57 Der für die Aussetzungsentscheidung gewählte Zeitpunkt ist vor diesem Hintergrund -
auch unter Berücksichtigung des grundrechtlich verbürgten Anspruchs der Angeklagten
auf den gesetzlichen Richter - nicht als verfahrensverzögernd zu bewerten.
58 Die von der Wirtschaftsstrafkammer getroffene Entscheidung, die Hauptverhandlung
auszusetzen, war bei den vorliegenden Gegebenheiten unumgänglich. Der Vorsitzende
hat in seinem Schreiben vom 27. Februar 2014 nachvollziehbar und plausibel dargelegt,
weshalb ein Abschluss des Verfahrens bis zum (voraussichtlichen) Eintritt des
gesetzlichen Mutterschutzes auch im Wege eines überobligationsmäßigen Einsatzes der
Richterbank durch zusätzliche Verhandlungstermine ausgeschlossen war. Wörtlich heißt
es hierzu wie folgt:
59 „(…) Nach dem bisherigen - vor Beginn der Hauptverhandlung in diesem Umfang nicht
vorhersehbaren - (…) Verlauf der Hauptverhandlung wäre angesichts des Umfanges der
notwendigen Beweiserhebungen und dem Prozessverhalten der Angeklagten und ihrer
Verteidiger mit mindestens 100 weiteren Hauptverhandlungsterminen zu rechnen
gewesen. Diese Prognose beruht auf den folgenden Grundlagen: Angesichts der
mangelnden Gleichartigkeit beim Sachverhalt bei den einzelnen Anlegern
(unterschiedliche Anwerbung; Beteiligung unterschiedlicher Firmen bei der Anwerbung;
unterschiedliche Vertragsgestaltung; unterschiedlicher Zeitpunkt des Vertragsschlusses,
was erhebliche Auswirkung auf die mögliche Tatbestandserfüllung hat) wäre es aus Sicht
der Kammer erforderlich gewesen, zumindest etwa 50 weitere verschiedene Anleger als
Zeugen zu vernehmen, um anhand eines repräsentativen Querschnittes der Anleger die
insoweit notwendigen Feststellungen treffen zu können. Es war zudem zu
berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Anlegern im Ausland (überwiegend in der S.)
wohnhaft ist, was erfahrungsgemäß dazu führt, dass nicht alle Zeugen erscheinen und
Rechtshilfemaßnahmen nach sich ziehen würde, die innerhalb des zur Verfügung
stehenden Zeitrahmens nicht durchführbar gewesen wären. Hinsichtlich der
erforderlichen Feststellungen wäre auch die Vernehmung der 70 weiteren in der
Anklageschrift genannten Zeugen sowie der 3 Sachverständigen notwendig gewesen.
Ursprünglich waren pro Hauptverhandlungstag überwiegend 4 Zeugen vorgesehen.
Angesichts der Anzahl und des Umfangs der durch die Angeklagten und ihre Verteidiger
gestellten Fragen an die Zeugen sowie des Umfangs der regelmäßig nach den
Vernehmungen abgegebenen Erklärungen gem. § 257 StPO wurde dies aus Zeitgründen
auf 3 und zuletzt 2 Zeugen pro Hauptverhandlungstag reduziert. Schließlich hat der
Angeklagte P. angekündigt, sich weiter einlassen zu wollen und etwa 1.000
Beweisanträge zu stellen. Berücksichtigt man die hauptverhandlungsfreien Wochen (12.,
16. und 17. Kalenderwoche), wobei in der 16. und 17. Kalenderwoche aufgrund der
Verhinderung der Verteidiger keine Hauptverhandlungstermine festgesetzt werden
konnten, so hätten lediglich etwa 14 Kalenderwochen zur Verfügung gestanden. Zudem
war zu berücksichtigen, dass die Verteidigung des Angeklagten P. mehrfach in der
Hauptverhandlung vorgebracht hat, bei zwei Hauptverhandlungstagen pro Woche könne
der Angeklagte P. aus gesundheitlichen Gründen nicht länger als bis 15.30/16.00 Uhr an
der Hauptverhandlung teilnehmen, ansonsten sei seine Verhandlungsfähigkeit
beeinträchtigt. Bislang wurde daher nur in Ausnahmefällen länger verhandelt. Auch aus
diesem Grund wurde von einer größeren Verhandlungsdichte Abstand genommen.
Schließlich wäre zu berücksichtigen gewesen, dass am 04. Februar 2014 die
Hauptverhandlung in einer weiteren Haftsache begann, in der bis 04. April 2014 12
Hauptverhandlungstermine bestimmt sind. Diese Terminsverfügung erfolgte am 17.
Dezember 2013. (…)“
60 Einer Beurteilung der in Rede stehenden Schwangerschaft als wichtiger, die Fortdauer der
Untersuchungshaft rechtfertigender Grund im Sinne von § 121 Abs. 1 StPO steht nicht
entgegen, dass vor Beginn der ausgesetzten Hauptverhandlung von der Bestellung eines
Ergänzungsrichters abgesehen worden ist. Nach § 192 Abs. 2 GVG entscheidet der
Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen über die Anzahl der erforderlichen
Ergänzungsrichter; die hierzu notwendige prognostische Einschätzung der
Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Ergänzungsfalls kann sich sowohl an verfahrens- wie
auch personenbedingten Umständen orientieren (vgl. KK-Diemer, StPO, 7. Aufl., § 192
Rdnr. 4a m. w. N.). Der Vorsitzende der Wirtschaftsstrafkammer hat hierzu in seiner
Stellungnahme vom 27. Februar 2014 folgende Erklärung abgegeben:
61 „Vor Beginn der Hauptverhandlung wurde die Hinzuziehung eines Ergänzungsrichters
gem. § 192 Abs. 2 GVG erwogen. Zum damaligen Zeitpunkt war eine
Hauptverhandlungsdauer von ca. 10- 12 Monaten zu prognostizieren und es waren keine
besonderen (über den Durchschnitt hinausgehenden) Anhaltspunkte für den Eintritt des
Ergänzungsfalls ersichtlich. Unter Abwägung dieser Umstände mit den (knappen)
Personalressourcen des Landgerichts Stuttgart wurde hiervon letztlich abgesehen.“
62 Diese Einschätzung ist vorliegend nicht zu beanstanden; die zugehörige Prognose,
keinen Ergänzungsrichter zu benötigen, war zum damaligen (Entscheidungs-) Zeitpunkt
jedenfalls vertretbar. Der Senat ist, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte für einen
Ermessensfehlgebrauch fehlen, nicht dazu berufen, die Berechtigung der entsprechenden
Erwartungshaltung des Vorsitzenden zu überprüfen (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 24.02.2009
- Az.: 1 Ws 27/09 u. a. - bei juris Rdnr. 9).
63
b.
Beschleunigungsgebot in Haftsachen festzustellen ist, kommt es maßgeblich darauf an, ob
die Strafverfolgungsbehörden und Strafgerichte alle möglichen und zumutbaren
Maßnahmen getroffen haben, um die Ermittlungen zügigst abzuschließen und eine
gerichtliche Entscheidung über den Anklagevorwurf mit der gebotenen Schnelligkeit
herbeizuführen (vgl. BVerfG NStZ 1994, 93 f.; NJW 2006, 668 ff.; StraFo 2013, 160 ff.). Die
Anforderungen an die Zügigkeit der Arbeit in einer Haftsache und den die Haftfortdauer
rechtfertigenden Grund steigen mit der Dauer des Untersuchungshaftvollzugs (vgl. BVerfG,
Beschl. v. 20.10.2006 - 2 BvR 1742/06 -; Beschl. v. 23.01.2008 - 2 BvR 2652/07 -; Beschl.
v. 16.03.2006 - 2 BvR 170/06 -; Beschl. v. 05.12.2005 - 2 BvR 1964/05 - jew. m. w. N., zit.
nach juris). Auf das Gewicht der im Raum stehenden Straftat(en) kommt es insoweit nicht
an, da die hierbei zu beachtenden Anforderungen nicht grundsätzlich dadurch geringer
werden, dass die der Strafverfolgung unterliegende(n) Tat(en) besonders bedeutsam sind
und eine hohe Straferwartung gegeben ist (vgl. BVerfG Beschl. v. 04.05.2011 - 2 BvR
2781/10 -, zit. nach juris).
64 Gemessen an diesen Maßstäben ist festzustellen, dass dem besonderen
Beschleunigungsgebot vorliegend bislang durchgängig entsprochen wurde. Der Senat
nimmt insoweit Bezug auf die zugehörigen Ausführungen in seinen
Haftfortdauerentscheidungen vom 02. / 22. Mai 2013 und stellt hinsichtlich der sich daran
anschließenden Abläufe fest, dass das Verfahren auch in der Folge zügig und ohne
relevante Verzögerung(en) (fort-) geführt worden ist; insoweit wird auf die unter I.3.
beschriebenen Veranlassungen der Wirtschaftsstrafkammer verwiesen. Die ab dem 26.
Juli 2013 bis zu der in Rede stehenden Aussetzungsentscheidung durchgeführte
Hauptverhandlung hat den verfassungsgerichtlichen Vorgaben, wonach bei
umfangreicheren Verfahren - wie hier - stets eine vorausschauende, auch größere
Zeiträume umgreifende Hauptverhandlung mit mehr als einem durchschnittlichen
Hauptverhandlungstag pro Woche notwendig ist (vgl. BVerfG StraFo 2013, 160 ff.),
ausreichend Rechnung getragen.
65 Im Schreiben des Vorsitzenden vom 05. Februar 2014 wurde der Gang der bisherigen
Hauptverhandlung unter Bezugnahme auf die hierzu in der (Haftfortdauer-) Entscheidung
der Strafkammer vom 16. Dezember 2013 gemachten Ausführungen wie folgt geschildert:
66 „(…) Die Hauptverhandlung (…) hat (…) an folgenden Tagen stattgefunden: 26.7. (…)
30.7., 16.8., 19.8., 10.9., 12.9., 1.10., 2.10., 9.10., 23.10., 29.10., 30.10., 5.11., 7.11., 12.1
1., 14.1 1., 21.11., 26.11., 28.11. (…), 3.12.2013. Nach Aussetzungs- und
Unterbrechungsanträgen der Verteidigung (…) folgten am 3. Verhandlungstag (…)
Aussetzungsanträge der Verteidigung (…) sowie Befangenheitsanträge (…). Am 4.
Verhandlungstag (…) wurden erneut alle Berufsrichter sowie die beiden Schöffen (…)
abgelehnt. Die Einlassung des Angeklagten B. (…) fand an den folgenden 7
Verhandlungstagen statt, am 12. Verhandlungstag (…) folgte die Sacheinlassung des
Angeklagten P., die sich über 3 Verhandlungstage erstreckte. Ab dem 15.
Verhandlungstag (…) wurden bis 28.11. überwiegend Anleger (…) vernommen.
Ursprünglich waren (…) für jeden Sitzungstag, abgesehen von wenigen Ausnahmen, vier
Zeugen (…) geladen. Aufgrund umfangreicher Fragen aller Verfahrensbeteiligten und
Erklärungen nach § 257 StPO war die Durchführung des (…) vorgesehenen
Beweisprogramms in zeitlicher Hinsicht wegen der gesundheitlichen Einschränkung des
Angeklagten P. nicht möglich. In der Regel endete die Sitzung deshalb zwischen 16:00
und 16:30 Uhr (…). Am Verhandlungstag am 14.11.2013 erging eine Verfügung des
Vorsitzenden, in der angeordnet wurde, 36 Urkunden im Wege des Selbstleseverfahrens
(…) in die Hauptverhandlung einzuführen. Die auf den 3.12. geladenen 4 Anleger (…)
wurden wegen Aussetzungsanträgen der Verteidigung (…) nicht vernommen. Die
ursprünglich am 6.8., 8.8. und 14.8.2013 angesetzten Verhandlungstermine wurden
aufgehoben und die Hauptverhandlung bis 16.8. unterbrochen. Grund hierfür war die (…)
Unvollständigkeit der digitalisierten Akten, die lediglich 314 (von 327) Stehordner auf
DVD/Akten-CD enthielten und somit an die Verteidiger nicht vollständig (…) ausgefolgt
worden waren. (…) Vom 22.8 bis 6.9. und vom 16.9 bis 27.9.2013 fanden keine
Verhandlungstermine statt, weil in dieser Zeit sich Kammermitglieder im bereits vor
Eingang der Anklage geplanten Urlaub befanden. Vom 10.10. bis 22.10.2013 fanden
keine Verhandlungstermine statt, weil beide Verteidiger des Angeklagten P. (…)
verhindert waren. Zudem verhandelte die Kammer am 14.10. und 18.10.2013 eine weitere
(…) Haftsache (…). Der ursprünglich festgelegte Hauptverhandlungstermin am
19.11.2013 konnte wegen (…) Erkrankung der Berichterstatterin nicht stattfinden. Die
Hauptverhandlungstermine am 5.12., 10.12., 12.12. und 17.12.2013 wurden wegen
Nachreichung weiterer 75 Stehordner (…) aufgehoben. Diese (…) waren bislang nicht
Akten- oder Asservatenbestandteil. Sie wurden unmittelbar von der Kammer angefordert,
nachdem ihr am 2.12.2013 die weiteren, für das Verfahren relevanten Unterlagen bekannt
wurden. (…) Die Kammer hat (…) alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen,
um eine gerichtliche Entscheidung über die vorgeworfenen Taten mit der gebotenen
Schnelligkeit herbeizuführen. (…) Soweit an einigen (…) Sitzungstagen nicht ganztägig
verhandelt wurde, war dies nicht vom Spruchkörper zu vertreten. (…)“
67 Aus dem, diese Darstellung u. a. durch Vorlage einer detaillierten Übersicht zu den
einzelnen Sitzungstagen und deren inhaltlicher Ausgestaltung, ergänzenden Schreiben
des Vorsitzenden vom 27. Februar 2014 ergibt sich weiter, dass die Hauptverhandlung im
Anschluss (an den 03. Dezember 2013) an insgesamt weiteren sechs Tagen (19.12.2013;
14.01., 16.01., 21.01., 28.01. und 04.02.2014) fortgeführt worden war. Nach seiner
Beurteilung wird sich die Dauer des Verfahrens aus jetziger Sicht auf mindestens 100
Hauptverhandlungstermine erstrecken.
68 Vor dem Hintergrund dieser Abläufe und unter Berücksichtigung der beschriebenen
Komplexität bzw. Schwierigkeit der Sache bleibt hiernach festzustellen, dass ein
Abschluss des Strafverfahrens bis zum bezeichneten Beginn des Mutterschutzes auch bei
überobligationsmäßigen Veranlassungen des Gerichts - z. B. in Form einer (zeitlichen)
Ausdehnung der Hauptverhandlung an bereits fixierten Terminen oder Festlegung
zusätzlicher Sitzungstage - ausgeschlossen war. Dies gilt auch dann, wenn die
Wirtschaftsstrafkammer ausschließlich mit dem vorliegenden Strafverfahren befasst
gewesen und vom Beginn der - in der Stellungnahme des Vorsitzenden vom 27. Februar
2014 thematisierten - Hauptverhandlung in einer weiteren, bis 04. April 2014 terminierten,
Haftsache am 04. Februar 2014 Abstand genommen worden wäre. Insofern erweist sich
auch der Umstand, dass die hinsichtlich dieser weiteren Hauptverhandlung erfolgte
Terminsverfügung vom 17. Dezember 2013 nicht aufgehoben wurde, nicht als fehlerhaft.
69 Bevorstehende, bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt absehbare weitere
Verfahrensverzögerungen - die nicht anders zu behandeln wären als bereits eingetretene
(vgl. BVerfG NJW 2006, 668 ff. m. w. N.) - sind nicht ersichtlich. Ausweislich der
Darlegungen des Vorsitzenden im Schreiben vom 27. Februar 2014 ergibt sich hierzu
Folgendes:
70 „Durch Beschluss des Präsidiums des Landgerichts vom 05. Februar 2014 wurde
Richterin am Landgericht F. mit sofortiger Wirkung der 6. (und 56.) Strafkammer (und die
bisherige Berichterstatterin in diesem Verfahren der 10. und 60. Strafkammer) zugewiesen
und in der 6. Strafkammer zur stellvertretenden Vorsitzenden ernannt. Sie wurde am 07.
Februar 2014 zur Berichterstatterin bestimmt und arbeitet sich seitdem in das vorliegende
Verfahren ein. Durch Verfügung vom 12. Februar 2014 wurde die (erneute)
Hauptverhandlung auf 25. März 2014 sowie (zunächst) 63 Folgetermine terminiert und
darauf hingewiesen, dass die weiteren Hauptverhandlungstermine jeweils dienstags und
donnerstags stattfinden, (…). Angesichts der nunmehr absehbaren Verhandlungsdauer,
der zwischenzeitlichen Dauer der Untersuchungshaft und der durch die Aussetzung
notwendigen Wiederholung von Teilen der Hauptverhandlung wurde die Hinzuziehung
eines Ergänzungsrichters und eines Ergänzungsschöffen verfügt. Bei der Terminierung
wurde berücksichtigt, dass die Verteidiger mitgeteilt haben, dass sie an den bisher bis
Ende Juni 2014 freigelassenen Kalenderwochen verhindert seien (…) weshalb insoweit
von einer Terminierung Abstand genommen wurde. Im weiteren Verlauf wurde lediglich
eine zweiwöchige Urlaubspause im September 2014 und wegen (zweitägiger)
urlaubsbedingter Abwesenheit eines Kammermitgliedes im Oktober 2014 ein möglicher
Hauptverhandlungstag ausgenommen, im übrigen wurden an jedem möglichen Dienstag
und Donnerstag im Jahr 2014 Hauptverhandlungstermine festgesetzt. Nach Abschluss
der o. a. anderen Haftsache (welche nach jetzigem Sachstand für Anfang/Mitte März 2014
zu erwarten ist) ist derzeit nicht die Terminierung anderer Verfahren geplant, weshalb sich
die Kammer in vollem Umfang dem vorliegenden Verfahren widmen und ggf. - sofern der
Gesundheitszustand des Angeklagten P. dies erlaubt - die Festsetzung weiterer
Hauptverhandlungstermine geprüft werden könnte. Die Terminierung weiterer Verfahren
(allenfalls Verfahren mit wenigen zu erwartenden Hauptverhandlungstagen) wird erst
dann geprüft werden, wenn das vorliegende Verfahren dies zulässt.“
71 Vor diesem - den Verfahrensfortgang ausreichend prognostizierenden - Hintergrund ist mit
einem zeitnahen Neubeginn der Hauptverhandlung zu rechnen und von einer straffen, den
verfassungsgerichtlichen Vorgaben zur notwendigen Verhandlungsdichte in Haftsachen
genügenden Terminierung auszugehen. Das Landgericht hat dem besonderen
Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen durch die unverzüglich erfolgte Zuweisung der
bezeichneten Richterin, die kammerintern frühzeitig danach zur Berichterstatterin bestimmt
worden ist, ausreichend Rechnung getragen. Die Genannte ist - senatsbekannt - seit
September 2003 durchgängig und mithin langjährig beim Landgericht Stuttgart in
verschiedenen Strafkammern mit der Bearbeitung von Wirtschaftstrafsachen befasst
(gewesen) und infolgedessen mit einschlägigen Fragestellungen in rechtlicher und
tatsächlicher Hinsicht vertraut; sie verfügt insoweit über besonderes, spezifisches
Erfahrungswissen. Entgegen der von der Verteidigung vertretenen Ansicht, hat der Senat
daher keine Zweifel, dass auch der nunmehr in der Wirtschaftsstrafkammer mit der
Berichterstattung befassten Richterin die notwendige Erfassung des Verfahrensstoffes -
auch kurzfristig - möglich ist und die für das vorliegende Strafverfahren wesentlichen
Fragestellungen bis zu der anstehenden Hauptverhandlung im gebotenen Umfang und in
erforderlicher Tiefe erschlossen bzw. durchdrungen werden.
72 Diese bezeichnete Vorgehensweise wird den besonders strengen Anforderungen an den
Beschleunigungsgrundsatz, die hier aufgrund der langen Dauer bereits vollzogener
Untersuchungshaft und dem gegebenen Verfahrensstand zu beachten sind, ausreichend
gerecht.
73
4.
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt. Der Senat hat hierbei insbesondere die
gegenläufigen Interessen des Staates bzw. der Allgemeinheit an wirksamer
Strafverfolgung und den mit fortschreitender Dauer vollzogener Untersuchungshaft
zunehmend an Bedeutung bzw. Gewicht gewinnenden Freiheitsanspruch der
Angeklagten in den Blick genommen. Hierbei wurde bedacht, dass der
verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht nur für die
Anordnung, sondern auch für die Dauer der Untersuchungshaft maßgebende Bedeutung
besitzt und die vorzunehmende Abwägung in erster Linie an die durch objektive Kriterien
bestimmte Angemessenheit der Verfahrensdauer und deren Verhältnis zur
voraussichtlichen Gesamtdauer des Strafverfahrens sowie die für den Fall einer
Verurteilung konkret im Raum stehende Straferwartung bzw. das hypothetische Ende
einer zu verhängenden Freiheitsstrafe anzuknüpfen hat (vgl. BVerfG StraFo 2013, 160 ff.).
Berücksichtigung fand weiter, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Haftdauer
unabhängig von der zu erwartenden Strafe Grenzen setzt (vgl. BVerfG NStZ 1994, 93 f.;
NJW 2006, 668 ff. jeweils m. w. N.)
74 Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend die Haftfortdauer zum gegenwärtigen
Zeitpunkt bei beiden Angeklagten vor dem Hintergrund der beschriebenen Gegebenheiten
und des bisherigen Verfahrensgangs - auch wenn der Vollzug der Untersuchungshaft
zwischenzeitlich bereits ein Jahr und neun Monate (beim Angeklagten
B.
und sieben Monate (beim Angeklagten
P.
beurteilen.
75 Der Senat hat bei der in diesem Zusammenhang vorgenommenen Abwägung unter
anderem die - bei beiden Angeklagten - gegebene, sehr hohe Straferwartung sowie die in
den Blick zu nehmende voraussichtliche Gesamtdauer des Strafverfahrens - insoweit ist
nach den realistischen Darlegungen des Vorsitzenden der Wirtschaftsstrafkammer aus
gegenwärtiger Sicht von (mindestens) einem Jahr auszugehen - berücksichtigt und hierbei
gesehen, dass die Untersuchungshaft bei den Angeklagten dann bereits über jeweils sehr
lange Zeiträume, über 2 ½ Jahre, angedauert haben wird. Darüber hinaus wurden bei der
notwendigen Bewertung auch die gegebenen krankheitsbedingten Einschränkungen der
Angeklagten und die damit jeweils einhergehende besondere Belastungssituation
gewichtet. Insofern wird Bezug genommen auf die hierzu getroffenen Bewertungen in den
Haftfortdauerentscheidungen des Senats vom 02. Mai 2013 (betreffend den Angeklagten
B.
festzustellen:
76 Hinsichtlich des Angeklagten
B.
ärztlichen Stellungnahme vom 19. Februar 2014 aktuell folgendes Krankheitsbild:
77 „(…) am 29. Januar 2014 bei der Nachsorgeuntersuchung und diagnostischer
Zystoskopie wurde bei Herrn B. im Bereich der alten Narben ein Verdacht auf ein Rezidiv
eines Blasenkarzinoms diagnostiziert. Ein operativer Eingriff wurde in der 09.
Kalenderwoche geplant. Wenn der postoperative Verlauf komplikationslos verläuft, wird
der Patient in ca. 3 - 4 Wochen verhandlungsfähig sein.“
78 Auf Nachfrage wurde diese Stellungnahme seitens der verantwortlichen Anstaltsärztin am
21. Februar 2014 dahingehend ergänzt, dass der thematisierte „operative Eingriff“ in einem
Klinikum außerhalb des Justizvollzugs geplant sei. Die gegenwärtig uneingeschränkt
gegebene Haftfähigkeit des Angeklagten
B.
Maßnahme nicht tangiert. Eine weitere, am 07. März 2014 über den Leiter der
Krankenabteilung der JVA Stuttgart erfolgte Klarstellung hat ergeben, dass der in Rede
stehende „Eingriff“ zwischenzeitlich vorgenommen wurde und komplikationslos verlaufen
ist. Weiter ist hiernach davon auszugehen, dass sich hinsichtlich der gesundheitlichen
Einschränkungen des Angeklagten
B.
negativen Veränderungen ergeben haben und weiter uneingeschränkt Haftfähigkeit
vorliegt.
79 Mit der Gesundheitsbeeinträchtigung des Angeklagten
P.
Frage, ob die gegebene Erkrankung dem Vollzug der Untersuchungshaft entgegensteht,
hat sich bereits das Landgericht - 11. Große Wirtschaftsstrafkammer - Stuttgart ausführlich
befasst und in dem (Haftbeschwerde-) Beschluss vom 08. November 2012 hierzu
Folgendes festgestellt:
80 „Die Gesundheitsbeeinträchtigung des Beschuldigten steht dem weiteren Vollzug der
Untersuchungshaft derzeit nicht entgegen. Gemäß der ärztlichen Stellungnahme des
JVKH Hohenasperg vom 06,11.2012 können die von der Verteidigung angeführten
Krankheiten derzeit unter Hinzuziehung von externen Fachärzten im JVKH Hohenasperg
adäquat behandelt werden. Es liegt somit jedenfalls gegenwärtig - auch unter
Berücksichtigung des latenten Risikos eines erneuten Apoplexes mit u.U. tödlichem
Berücksichtigung des latenten Risikos eines erneuten Apoplexes mit u.U. tödlichem
Ausgang - kein Gesundheitszustand vor, der ernsthaft befürchten ließe, dass der
Beschuldigte bei Durchführung der Strafvollstreckung sein Leben einbüßen (…) oder
schwerwiegenden Schaden an seiner Gesundheit nehmen könnte (…). Dem Risiko wird
durch eine fortlaufende Anpassung der Medikamentengabe und durch Gewichtsreduktion
entgegengesteuert. Der Beschuldigte ist nach der ärztlichen Stellungnahme auch nicht
todkrank und es bestehen jedenfalls derzeit keine Anhaltspunkte, dass seine Krankheit
langfristig erfolgreich nur außerhalb des Strafvollzugs behandelt werden kann. (…)“
81 Hieran hat sich nichts Wesentliches geändert. Ausweislich der vom Senat angeforderten
ärztlichen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt - Krankenabteilung - Karlsruhe vom 18.
Februar 2014 ist der Angeklagte
P.
in dem genannten Schreiben von der verantwortlichen Anstaltsärztin Folgendes
ausgeführt:
82 „(…) Sein Gesundheitszustand hat sich aktuell nicht verschlechtert und sein Blutdruck war
in letzter Zeit medikamentös gut eingestellt. Aufgrund seiner Vorgeschichte mit
Blutdruckkrisen, Arteriosklerose und zerebralen Durchblutungsstörungen kann sich sein
Zustand auch wieder verschlechtern. In Hinsicht auf Transport und Verhandlungsdauer
sollte deshalb seine reduzierte gesundheitliche Belastbarkeit berücksichtigt werden.“
83 Allem nach ist daher die Fortdauer der Untersuchungshaft hinsichtlich beider Angeklagter
anzuordnen.