Urteil des OLG Stuttgart vom 22.05.2014

OLG Stuttgart: beweisverfahren, eigentum, bedingung, wiederherstellung, beendigung, haus, mangel, verfügung, prozessvertreter, anfechtung

OLG Stuttgart Beschluß vom 22.5.2014, 10 W 15/14
Leitsätze
Lehnt das Gericht des selbstständige Beweisverfahrens es ab, den Sachverständig4en
dahingehend anzuweisen, im Rahmen der Begutachtung vorgenommen Bauteilöffnungen
wieder zu verschließen, ist die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde nicht statthaft, wenn
es sich um das Eigentum des Antragstellers handelt und dieser seine Zustimmung zur
Bauteilöffnung nicht von vornherein unter die Bedingung des Wiederverschließens gestellt hat.
Es steht der Beendigung eines selbstständigen Beweisverfahrens nichts entgegen, wenn bei der
Begutachtung erfolgte Bauteilöffnungen noch unverschlossen sind. Die Zustimmung des
Antragstellers zur Vornahme der Bauteilöffnung an seinem Eigentum kann ohne weitere
Anhaltspunkte nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie nur unter der Bedingung des
Wiederverschließens im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erteilt wird. Gerade in
Bauprozessen besteht oftmals ein gegenläufiges Interesse des Antragstellers.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Ellwangen
vom 04.04.14, Az. 5 OH 14/08, wird kostenpflichtig verworfen.
Beschwerdewert: 7.800 EUR
Gründe
I.
1 Das Anliegen des Beschwerdeführers ist darauf gerichtet, dass Bauteilöffnungen,
insbesondere Aufgrabungen an der Außenwand des Gebäudes, welche der gerichtlich
bestellte Sachverständige im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens vornahm,
vom Sachverständigen wieder verschlossen werden. Zwecks Durchführung dieser
Arbeiten solle das Landgericht einen entsprechenden Auslagenvorschuss anfordern.
2 Das Landgericht Ellwangen lehnte dies mit Beschluss vom 04.04.14 ab. Es verwies zum
Einen darauf, dass das selbstständige Beweisverfahren seit langem abgeschlossen sei,
da innerhalb der nach Gutachtenserstattung gerichtlich gesetzten Frist keine Anträge oder
Ergänzungsfragen eingegangen seien. Zum Anderen sei die Beseitigung der bei
Begutachtung entstandenen Schäden nicht Gegenstand des selbstständigen
Beweisverfahrens.
3 In seiner hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde vom 28.04.14 trägt der
Beschwerdeführer vor, ein gerichtlicher Sachverständiger sei zur Schließung der von ihm
geschaffenen Bauteilöffnungen verpflichtet. Das Gericht habe hierfür einen
entsprechenden Vorschuss anzufordern. Die Wiederinstandsetzung sei Teil der
Begutachtung und damit des selbstständigen Beweisverfahrens. Mangels vollständiger
sachlicher Erledigung des selbstständigen Beweisverfahrens sei dieses noch nicht
beendet.
4 Der Beschwerdegegner Ziff. 3 verteidigt den angegriffenen Beschluss des Landgerichts
Ellwangen. Es sei die Sache des Beschwerdeführers, wenn dieser bzw. dessen Vertreter
innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist keinen entsprechenden Antrag gestellt habe.
Nicht zutreffend sei die Behauptung des Beschwerdeführers, der Sachverständige habe
einen Auslagenvorschuss für die Bauteilschließung angefordert. Vielmehr habe der
Sachverständige lediglich zu den Kosten der Wiederherstellung Stellung genommen. Das
selbstständige Beweisverfahren sei beendet.
5 Auch die Beschwerdegegnerin Ziff. 1 ist der Auffassung, dass das Landgericht Ellwangen
richtig entschieden habe. Das selbstständige Beweisverfahren sei beendet; die
Beseitigung der bei der Begutachtung entstandenen Schäden sei nicht Gegenstand des
selbstständigen Beweisverfahrens.
II.
6 1. Die sofortige Beschwerde ist mangels Statthaftigkeit bereits unzulässig.
7 Die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde richtet sich nach § 567 Abs. 1 ZPO. Da eine
ausdrückliche gesetzliche Anordnung der Statthaftigkeit gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO
nicht vorliegt, bestimmt sich die Statthaftigkeit vorliegend nach der in § 567 Abs. 1 Nr. 2
ZPO verankerten Generalklausel. Danach sind gerichtliche Entscheidungen mit der
sofortigen Beschwerde anfechtbar, mit denen ein das Verfahren betreffendes Gesuch
zurückgewiesen wurde, ohne dass eine mündliche Verhandlung erforderlich war.
8 Nicht der sofortigen Beschwerde unterliegen dagegen prozessleitende Anordnungen,
welche das Gericht von Amts wegen nach seinem freien Ermessen zu treffen hat. Stellt ein
Verfahrensbeteiligter in diesem Zusammenhang ein Gesuch, um das Gericht zu einer
bestimmten Entscheidung zu veranlassen, handelt es sich um eine bloße Anregung an
das Gericht ohne eigenständige Funktion, nicht um ein Gesuch im Sinne von § 567 Abs. 1
Nr. 2 ZPO.
9 Insbesondere sind Anordnungen des Gerichts zur Beweisaufnahme nicht anfechtbar. Da
ein Beweisbeschluss nicht mit der sofortigen Beschwerde zur Überprüfung gestellt werden
kann, sind auch Anordnungen des Prozessgerichts, mit denen dem Sachverständigen
gemäß § 404a ZPO Weisungen im Hinblick auf die von ihm vorzunehmende
Beweisaufnahme erteilt werden, von der Anfechtbarkeit ausgeschlossen (BGH GRUR 09,
519; Katzenmeier in Prütting, ZPO, § 404a Rn. 16).
10 Im selbstständigen Beweisverfahren ist die Ablehnung des Antrags auf Durchführung des
selbstständigen Beweisverfahrens mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar gemäß § 567
Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Dies gilt auch für die Ablehnung der Änderung oder Ergänzung des
Beschlusses (Herget in Zöller, ZPO, § 490, Rn. 4).
11 Während also die grundsätzliche Ablehnung der Beweiserhebung im selbstständigen
Beweisverfahren anfechtbar ist, sind Anordnungen, welche lediglich die nähere
Ausgestaltung der Beweiserhebung betreffen, unanfechtbar. Es ist danach zu
differenzieren, ob es um das grundsätzliche „Ob“ oder das bloße „Wie“ der
Beweiserhebung geht. Anweisungen an den Sachverständigen, wie er im Einzelnen bei
der Beweiserhebung vorzugehen habe, z. B. ob er eine Bauteilöffnung vorzunehmen oder
zu schließen hat, regeln die Art und Weise der Tätigkeit des Sachverständigen. Es handelt
sich um eine Weisung des Gerichts gemäß § 404a ZPO, welche als solche nicht der
sofortigen Beschwerde unterliegt (OLG Koblenz Prozessrecht aktiv 12, 125 zum Antrag,
den Sachverständigen zu einer Bauteilöffnung zu veranlassen; ebenso OLG Köln, NJW-
RR 10, 1368; OLG Dresden IBR 13, 509 zum Antrag, dem Sachverständigen bestimmte
Anknüpfungstatsachen vorzugeben; anders: OLG Thüringen IBR 07, 159).
12 Es liegt kein Grund vor, ausnahmsweise die selbstständige Anfechtung einer Anordnung
nach § 404a ZPO zuzulassen. Dies kann dann der Fall sein, wenn die angegriffene
Zwischenentscheidung des Gerichts bereits zu einem bleibenden rechtlichen Nachteil
führt, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr beheben lässt (BGH GRUR 09, 519).
13 Der Beschwerdeführer erleidet durch die unterlassene Anordnung des
Wiederverschließens der im Zuge der Begutachtung vorgenommenen Bauteilöffnungen
keinen unbehebbaren rechtlichen Nachteil. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um das
Eigentum des Antragstellers handelt, das bei der Begutachtung beschädigt wird und
dieser nicht von vornherein die Zustimmung zur Bauteilöffnung durch den
Sachverständigen nur unter der Bedingung des Wiederverschließens erteilt hat (in dem
vom OLG Stuttgart, IBR 06, 62 entschiedenen Sachverhalt hatte der Antragsteller eine
derartige Bedingung gestellt; in der Entscheidung des OLG Düsseldorf OLGR 97,198 war
Eigentum des Antragsgegners von der Bauteilöffnung betroffen).
14 Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf Beseitigung der durch die Begutachtung
entstandenen Schäden (OLG Stuttgart IBR 06, 769; OLG Celle, BauR 98, 1281). Wer
aufgrund staatlicher Maßnahmen - wie der Begutachtung durch einen gerichtlich bestellten
Sachverständigen - Eingriffe in sein Eigentum zu dulden hat, kann als Korrelat zu seiner
Duldungsverpflichtung die Beseitigung entstandener Beschädigungen verlangen.
15 Zeigt sich im Laufe der Begutachtung, dass der vom Antragsteller angenommene bauliche
Mangel nicht besteht, hat ohnehin der Antragsteller selbst finanziell für das
Wiederverschließen aufzukommen, ob dies nun im Rahmen des selbstständigen
Beweisverfahrens auf gerichtliche Anordnung hin vorgenommen oder vom Antragsteller in
die Wege geleitet wird. Letzteres wird oftmals sogar eher dem Interesse des Antragstellers
entsprechen, weil er dann in der Wahl des Ausführenden frei ist.
16 Bestätigt sich dagegen der Baumangel im selbstständigen Beweisverfahren, muss der
Antragsteller - sollte der Antragsgegner nicht freiwillig leistungsbereit sein - den
Antragsgegner ohnehin in einem Hauptsacheverfahren auf die entsprechenden
Mängelrechte hin verklagen. In diesem Hauptsacheverfahren kann er neben dem
eigentlichen Mängelrecht auch das Verschließen der Bauteilöffnungen verlangen (sei es
im Wege der Mangelbeseitigung, der Vorschussklage oder des Schadensersatzes). Wird
die Bauteilverschließung noch im selbstständigen Beweisverfahren angeordnet, hat
hierfür zunächst der Antragsteller im Wege des Auslagenvorschusses aufzukommen. Erst
in einem Hauptsacheverfahren kann er die ihm hierbei entstandenen Kosten geltend
machen als Teil der Kosten des selbstständigen Beweisverfahrens, über die das
Hauptsachegericht bei der Kostenentscheidung mit zu befinden hat. Die Notwendigkeit
eines Hauptsacheverfahrens und des damit verbundenen allgemeinen Prozessrisikos
besteht damit in jedem Fall.
17 2. Wegen der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde sei nur ergänzend darauf
hingewiesen, dass das Landgericht den Antrag zutreffend mit Hinweis auf die Beendigung
des selbstständigen Beweisverfahrens abgelehnt hat. Nach dem Vorliegen des letzten
Ergänzungsgutachtens vom 25.02.13 wurde den Beteiligten mit Verfügung vom 01.03.13
Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.04.13 eingeräumt. Mit Beschluss vom
16.04.13 teilte das Gericht mit, dass es mangels weiterer Anträge oder Ergänzungsfragen
das selbstständige Beweisverfahren für beendet erachte. Auch hierzu erhielten die
Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen, ohne dass im
Folgenden eine inhaltliche Stellungnahme seitens der Beteiligten erfolgt wäre.
18 Erstmals mit Schriftsatz vom 04.07.13 erbat der jetzige Prozessvertreter des
Beschwerdeführers Akteneinsicht in das „nach hiesiger Kenntnis zwischenzeitlich
beendete selbstständige Beweisverfahren“. Der Antrag, einen weiteren
Auslagenvorschuss zwecks Wiederherstellung der im Rahmen der Begutachtung
angerichteten Beschädigungen anzufordern, erfolgte erst mit Schriftsatz vom 27.12.13. Zu
diesem Zeitpunkt war das selbstständige Beweisverfahren bereits seit mehreren Monaten
beendet. Der Beschwerdeführer kann hier auch nicht mit der Einwendung gehört werden,
ein Ende des selbstständigen Beweisverfahrens setze die vollständige Erledigung der
Beweisaufnahme voraus, wozu auch die Schließung erstellter Bauteilöffnungen gehöre.
Der vom Landgericht erlassene Beweisbeschluss enthält keine Anweisung an den
Sachverständigen zum Wiederverschließen von Bauteilöffnungen; es erfolgte auch
ansonsten keine dahingehende Weisung des Landgerichts. Eine derartige Weisung kann
auch nicht in die Erklärung des Beschwerdeführers, entsprechende Bauteilöffnungen an
seinem Haus zuzulassen, hineingelesen werden. Denn gerade in Bauverfahren wird es
vielfach dem Interesse des Gebäudeeigentümers entsprechen, Bauteilöffnungen nicht
unmittelbar nach Beweisaufnahme wieder zu verschließen. Oftmals ist es nämlich aus
Gründen der Kosten- und Zeitersparnis sinnvoll, im Rahmen der Begutachtung
durchgeführte Öffnungen zu belassen, um unmittelbar anschließend
Mangelbeseitigungsmaßnahmen auszuführen. Das Landgericht und der Sachverständige
konnten daher nicht von vornherein davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer in
jedem Fall eine Wiederherstellung durch den Sachverständigen wünsche (dies lag in dem
vom OLG Stuttgart IBR 06, 62 entschiedenen Fall, bei dem es um einen vom
Sachverständigen bei der Begutachtung zerlegten Motor ging, anders.)
19 3. Im Hinblick auf die Kostenentscheidung wird auf § 97 Abs. 1 ZPO verwiesen. Der
Beschwerdewert wurde gemäß § 3 ZPO mit einem Fünftel der vom Beschwerdeführer
vorgetragenen Wiederherstellungskosten (39.000 EUR) angesetzt.