Urteil des OLG Stuttgart vom 24.04.2014

OLG Stuttgart: vertragsstrafe, fahrzeug, verordnung, händler, vollstreckung, materialien, hersteller, sicherheitsleistung, unternehmen, abmahnung

OLG Stuttgart Urteil vom 24.4.2014, 2 U 139/13
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 20.09.2013 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers aus dem Unterlassungsausspruch durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 30.000,00 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers wegen der Vertragsstrafe oder der Kosten
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils insoweit vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 %
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 40.000,00 EUR
Gründe
I.
1 Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat der Sache nach jedoch keinen Erfolg.
A
2 Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540
Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
3 Zusammenfassend:
4 Der Kläger, ein Umweltschutzverband und in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach §
4 UKlaG eingetragen, klagte gegen die Beklagte, Herstellerin und Vertreiberin von
Personenkraftwagen, auf Unterlassung, da von ihm geschickte Testbesucher am
02.10.2012 in den Verkaufsräumen der Beklagten in R. an drei ausgestellten neuen
Personenkraftwagen - wie unstreitig ist - keinen Hinweis auf deren Kraftstoffverbrauch und
deren CO
2
-Emissionen gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 der Pkw-EnVKV
angebracht vorgefunden haben.
5 Die Beklagte hat dies damit erklärt, dass solche Hinweise angebracht, von Dritten oder
Kunden jedoch mitgenommen worden seien. Sie kontrolliere den Bestand dieser
Informationen durch einen täglichen Rundgang der Mitarbeiter und durch Stichproben der
Vorgesetzten; fehlten die Blätter, würden diese dann unverzüglich ersetzt.
6 Das Landgericht sprach - dem Klageantrag insoweit folgend - zu:
7
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 10.000,-- zzgl. Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 2.1.2012 zu zahlen.
8
2. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung
vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,--, ersatzweise
Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an den
Vorstandsmitgliedern, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des
Wettbewerbs neue Personenkraftwagen der Marke M...-B... auszustellen oder zum Kauf
oder Leasing anzubieten, ohne einen Hinweis i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Anlage 1
Pkw-EnVKV auf den Kraftstoffverbrauch und die CO
2
-Emissionen an diesen Fahrzeugen
oder in deren unmittelbare Nähe anzubringen, der deutlich sichtbar ist und eindeutig
zugeordnet werden kann.
9
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 227,51 nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 8.4.2013 zu zahlen.
10 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
11 Die Klageabweisung betrifft einen nicht in die Berufungsinstanz gelangten Anspruch auf
eine weitere Vertragsstrafe im Zusammenhang mit einem werblichen Vorgang der
Beklagten im Magazin „private wealth“.
12 Das
Landgericht
Pkw-EnVKV einen geringeren Pflichtenmaßstab begründe als das „Sicherstellen“ in § 5
Abs. 1 der Verordnung. „Eine Auslegung dahin, dass ein vorübergehendes Fehlen des
Hinweisblattes vom Regelungskreis des § 3 Pkw-EnVKV nicht erfasst sei, widerspräche
daher dem Gemeinschaftsrecht“ (US 9). „Objektive Anhaltspunkte dafür, dass das
Sicherstellen des dauerhafte Vorhandenseins der Hinweisblätter unzumutbar sei, sind
nicht ersichtlich“ (US 9). Die Vertragsstrafe sei verwirkt. Deren vom Kläger festgesetzte
und zu überprüfende Höhe sei angesichts ihrer Sanktionsfunktion nicht zu beanstanden.
13 Dagegen wendet sich die
Berufung
die auch unter wiederholender Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens
hauptsächlich dafür hält, dass die landgerichtliche Gleichstellung des
Tatbestandsmerkmals „dafür Sorge tragen“ in § 3 Abs. 1 Pkw-EnVKV mit „sicherstellen“
unter Verstoß gegen maßgebliche Auslegungsgesichtspunkte geschehen sei. Denn schon
dem Wortlaut nach verlange „Sorge tragen“ nur eine dauernde Vorsorge, nicht aber die im
Gegensatz zum Sicherstellen verankerte Erfolgsgarantie. Der unterschiedliche Einsatz der
Begrifflichkeiten in hier § 3 Abs. 1 und dort § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Pkw-EnVKV lasse eine
bewusste Differenzierung des Normgebers erkennen, welche auch ihre innere
Rechtfertigung darin finde, dass bei letzteren mit Werbeschriften oder elektronischen
Werbemedien nach Freigabe der Werbung ein dem Zu- und Eingriff eines Dritten
entzogenes werbliches Endprodukt vorliege, für dessen Inhalt der Händler oder Hersteller
sicher einstehen könne, während ein Hinweis gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Pkw-EnVKV am
Fahrzeug oder in dessen unmittelbarer Nähe dem Zugriff und damit auch
missbräuchlichen Eingriff Dritter ausgesetzt sei, weshalb vernünftiger- und
zumutbarerweise nicht die Garantie übernommen werden könne, sondern nur das, was die
Verordnung insoweit auch nur vorgebe, nämlich ein Organisationsmanagement, welches
das Vorrätighalten dieser Hinweise weitgehend sichert. Aus der Richtlinie, welche in der
Verordnung umgesetzt sei, ergebe sich nichts anderes trotz der dortigen durchgängigen
Wortwahl mit „sicherstellen“, da dem dortigen hohen Pflichtmaßstab im Falle des
Hinweises mit einem Sorgetragen nach den praktischen Gegebenheiten im Rahmen des
Zumutbaren genau entsprochen werde. Selbst bei einem anderen Verständnis der
Richtlinie scheitere eine richtlinienkonforme Auslegung am dann abweichenden klaren
Wortlaut der nationalen Normen, welcher eine Auslegungssperre darstelle. Mit ihrem am
Tag des Testbesuchs, dem 02.10.2012, jedem der 45 ausgestellten Neufahrzeuge
zugeordneten Ständer, welcher Blätter mit neben etwa Preisangaben gerade auch mit den
hier geforderten Emissionswerten enthalten habe, sei die Beklagte § 3 Abs. 1 Pkw-EnVKV
gerecht geworden, da entsprechend ihren klaren und nachdrücklichen
Arbeitsanweisungen die dortigen Mitarbeiter täglich prüften, unterstützt durch Stichproben
durch die Vorgesetzten, ob die Hinweisblätter noch vorhanden sind und bei Feststellen
von deren Fehlen unverzüglich für Ersatz sorgten. Dies sei auch damals geschehen, wie
auch belege, dass bei immerhin 45 Neufahrzeugen nur bei 3 jener kurzfristige Mangel
hätte festgestellt werden können. Danach habe die Beklagte nicht gegen die gesetzliche
Vorgabe verstoßen, jedenfalls aber, da auch jegliches systematische Fehlverhalten
ausscheide, sei die Spürbarkeitsschwelle des § 3 UWG nicht erreicht. Dies lasse nicht nur
den Anspruch auf Unterlassung und korrespondierende Abmahnkosten scheitern, sondern
auch den auf die geltend gemachte Vertragsstrafe. Denn dem Vertragsstrafeversprechen
vom 22.07.2011 habe - dort in bewusster Abweichung von der Formulierungsvorgabe in
der Abmahnung im Sinne eines Sicherstellens - nur die gesetzliche Wendung des
Sorgetragens zu Grunde gelegen, was der Kläger mit seiner Annahmeerklärung so auch
habe gelten lassen. Zudem sei die Vertragsstrafe auch im Hinblick auf das
Verschuldensmerkmal nicht verwirkt, welches keineswegs zu vermuten sei; denn nach
dem unter Beweis gestellten Vorbringen habe die Beklagte alles Erdenkliche und ihr
Zumutbare organisatorisch vorgegeben und tatsächlich unternommen. Letztlich sei die
Beschwer der Berufung mit 100.000,00 EUR anzusetzen, da das Urteil eine große
Belastung für die Beklagte darstelle, weil sie bei einer Erfolgshaftung noch größere
Anstrengungen als die bisher schon geleisteten strengen Maßnahmen unternehmen
müsse, um einem Missbrauchspotenzial für den Kläger oder Dritte zu wehren.
14 Die Beklagte beantragt deshalb,
15 das am 20. September 2013 verkündete und am 25. September 2013 zugestellte Urteil
des Landgerichts Stuttgart (34 O 28/13 KfH) insoweit aufzuheben, als der Klage
stattgegeben wurde, und die Klage auch insoweit abzuweisen.
16 Der Kläger beantragt,
17 die Berufung zurückzuweisen.
18 Er verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und weist ergänzend darauf hin,
dass das unzweifelhafte und so auch in den Materialien dokumentierte Anliegen des
Verordnungsgebers nicht die Abweichung von der Richtlinie, sondern deren
deckungsgleiche Umsetzung gewesen sei. Letztere verwende durchgängig nur das
Merkmal des Sicherstellens; auch in anderen Sprachfassungen gebe es keinen
Begriffswechsel. Auch die Ermächtigungsgrundlage, das EnVKG, spreche nach dessen
Struktur und Terminologie für die Wertung des Klägers, der den unterschwelligen Vorwurf,
ein Abmahnverein zu sein, oder den der Manipulation beim Testbesuch zurückweist. Die
von der Beklagten vorgetragenen Organisations- und Kontrollmaßnahmen seien im
Übrigen zu bestreiten; ohnehin sei nicht nachvollziehbar, warum eine feste, durch Dritte
nicht entfernbare Fixierung des Hinweisblattes nicht möglich sein solle. Der Verstoß
gegen die umweltpolitisch wichtige Verbraucherinformation sei immer spürbar im Sinn des
§ 3 UWG wie zudem jeder objektive Verstoß im Rahmen der Vertragsstrafenverwirkung
zunächst eine Verschuldensvermutung auslöse.
19 Die Beklagte hat - darauf replizierend - u.a. vorgebracht: „Die Beklagte hat nie in Abrede
gestellt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 Pkw-EnVKV die Pflicht begründet, den Hinweis beim
erstmaligen Ausstellen eines neuen Personenkraftwagens anzubringen. Allerdings ist dies
nicht Kern des Verfahrens. Es geht vielmehr darum, dass gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Pkw-
EnVKV eine Pflicht besteht, 'dafür Sorge zu tragen', dass das Hinweisschild auch nach
dem erstmaligen Anbringen an der geforderten Stelle angebracht bleibt. Hierfür hat der
Verordnungsgeber den Ausstellern bewusst die Pflicht auferlegt, 'dafür Sorge zu tragen',
also ein dauerhaftes 'sich bemühen'“ (Bl. 247).
20 Kern der Auseinandersetzung sei die Frage, welche Verhaltensanforderungen nach der
sicherstellenden erstmaligen Anbringung des Hinweises an ein Sorgetragen, dass das
Hinweisblatt verbleibe, zu stellen seien.
21 Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die
Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO).
B
1.
22 Vom Landgericht ist insoweit unangefochten festgestellt, dass der vom Kläger am
02.10.2012 zu den Geschäftsräumen der Beklagten in R. gesandte Testbesucher bei drei
ausgestellten Neufahrzeugen keine Hinweise auf den Kraftstoffverbrauch und die CO
2
-
Emissionen gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Anlage 1 Pkw-EnVKV vorgefunden
hat. Hatte sich die Beklagte am 30.10.2012 auf die Abmahnung des Klägers hin noch
damit verteidigt, „das Label hat insbesondere bei diesem Fahrzeug im
Fahrzeuginnenraum ausgelegen“, „wenn der Hinweis im Fahrzeuginnenraum ausliegt,
dann ist das Kriterium der Zuordnung hinreichend erfüllt“ und „leider kann es vorkommen,
dass einzelne Kunden die Hinweise aus den Fahrzeugen mitnehmen ...“ (K 6), so trägt die
Beklagte im Prozess nun - die Entscheidungen LG Dessau-Roßlau NJOZ 2013, 15 und
LG Traunstein U. v. 21.09.2011 - 1 HK O 855/11 [dort unter Bezug auf OLG München 29 U
1666/11]; vgl. auch BR-Drs. 143/04 [S. 19] zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 Pkw-EnVKV) lassen diesen
Ort der Hinweisanbringung nicht als § 3 Abs. 1 Pkw-EnVKV erfüllend gelten - vor, dass
„das Hinweisblatt gemeinsam mit dem Preisschild in dem dafür vorgesehenen
Preisständer neben dem Fahrzeug aufgestellt ... wird“ (Bl. 121, ferner Bl. 122, 141, 210;
vgl. auch Lichtbilder des Klägers [K 2 a bis c]). Zwar fehlte bei diesen drei bezeichneten
Fahrzeugen das Hinweisblatt, nicht war das Blatt mit den Preis- und Ausstattungsangaben
des betreffenden Modells restlos aus den Preisständern mitgenommen/entfernt worden.
2.
a)
23 Letztlich kann mit dem Landgericht trotz aller Auslegungserwägungen der Streit der
Parteien auf sich beruhen.
aa)
24 Die Richtlinie 1999/94/EG, welche - siehe Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie -
Umsetzungsvorgabe ist, gab in Erwägungsgrund 7 vor, dass alle neuen
Personenkraftwagen am Verkaufsort mit einem Hinweis auf den Kraftstoffverbrauch
versehen sein müssen, in Erwägungsgrund 8, dass der Hinweis Angaben über den
Kraftstoffverbrauch und die spezifischen CO
2
-Emissionen enthalten sollte, um dem
Verbraucher eine Kaufentscheidung in voller Sachkenntnis auch gerade dieser
ökologischen Umstände zu ermöglichen (Art. 1 der Richtlinie). Dieser Zweck ist
sicherzustellen (Art. 1). Nach Art. 3 stellen die Mitgliedsstaaten sicher, dass am
Verkaufsort ein entsprechender Hinweis auf diese Information an jedem neuen
Personenkraftwagenmodell oder in seiner Nähe deutlich sichtbar angebracht ist. Auch Art.
5 fordert die Mitgliedsstaaten auf, sicherzustellen, dass diesen Anforderungen
entsprochen wird (vgl. auch Anhang I). Auch die englische Fassung enthält die Wendung
„shall ensure“. Die französische wählt zwar „veillent à ce que ...“, was wachen, sorgen,
achten bedeutet. Wie in der Richtlinie selbst gibt es jedoch auch in jenen
Sprachfassungen keinen Begriffswechsel, welcher Einfallstor für den Auslegungsansatz
der Beklagten sein könnte, dass in einem Zusammenhang ein Sicherstellen im Sinne
einer Erfolgs-/Garantiehaftung gefordert würde, während im anderen Zusammenhang (nur)
ein Sorgetragen, ein (bloßes) Sichbemühen (vgl. zur Pflicht, andere Sprachfassungen
einer unionsrechtlichen Vorschrift in die Auslegung mit einzubeziehen: BGH GRUR 2013,
503 [Tz. 15] - Elektronische Leseplätze; vgl. ferner die Empfehlung der Kommission vom
29.03.2003 [ABl. EU Nr. 282 S. 33], dort Ziff. 1 und 2).
bb)
25 Zutreffend ist allerdings, dass die Richtlinie nur die Mitgliedsstaaten verpflichtet. Demnach
kommt eine Haftung des Mitgliedsstaates in Betracht, wenn er gegen eine Norm des
Unionsrechts verstoßen hat, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, der
Verstoß hinreichend qualifiziert ist und zwischen diesem Verstoß und dem dem Einzelnen
entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (BGH WM 2013,
715 [Tz. 6]). In einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen begründet eine Richtlinie aber
nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen und kann ihm gegenüber nicht als solche
herangezogen werden (EuGH EuZW 2005, 248 [Tz. 16] - QDQ/Media SA/Alejandro
Quedas Lecha). Der Verordnungsgeber hat jedoch aufgrund des EnVKG das Ziel verfolgt,
die bezeichnete Richtlinie umzusetzen und der Empfehlung der Kommission Rechnung zu
tragen (BR-Drs. 143/04 [S. 13]). Dabei wird als Umsetzungsvorgabe bestimmt, dass am
Verkaufsort an jedem ausgestellten neuen Personenkraftwagen oder in seiner Nähe ein
entsprechender Hinweis anzubringen ist (BR-Drs. a.a.O. [S. 14]). Zu § 3 Abs. 1 Nr. 1
erklären die Materialien: „Hiermit wird Artikel 3 der Richtlinie umgesetzt“ (BR-Drs. a.a.O.
[S. 18]). Zu § 5 Abs. 1 ist dort zu lesen, dass die Verpflichtung auf Art. 6 Abs. 1 der
Richtlinie beruhe (BR-Drs. a.a.O. [S. 22]). Art. 3 und Art. 6 der Richtlinie heben aber
identisch an mit: „Die Mitgliedsstaaten stellen sicher, ...“. Danach kann aus den Materialien
nicht entnommen werden, dass der Verordnungsgeber von den Vorgaben der Richtlinie
abweichen wollte.
cc)
26 Nach Art. 3 der Richtlinie haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen, dass am Verkaufsort
ein entsprechender Hinweis an jedem neuen Personenkraftwagenmodell angebracht ist.
Dass die Mitgliedsstaaten nur die erstmalige Anbringung sicherzustellen hätten, den
Verbleib dieser Information nicht mehr - eine solche Differenzierung ist Art. 3 RL nicht zu
entnehmen. Sie erschließt sich auch nicht aus der feinsinnigen und gedankentiefen
Gegenüberstellung durch die Beklagte von § 3 Abs. 1 Pkw-EnVKV und dem dortigen
Tatbestandsmerkmal des „dafür Sorge zu tragen“ und § 5 Abs. 1 Pkw-EnVKV und dem
dortigen „haben sicherzustellen“. Denn Art. 3 unterscheidet sich in keiner Weise von Art. 5
der Richtlinie. Denn nach beiden Normen haben die Mitgliedsstaaten sicherzustellen,
dass ein entsprechender Hinweis bzw. ein Aushang angebracht ist (so Art. 3), bzw.
angebracht wird (Art. 5), wobei Art. 3 in noch stärkerem Maße für eine Verlaufsform des
Sicherstellens („angebracht ist“) steht als Art. 5 mit seinem eher für einen einmaligen Akt
der Kontrolle sprechenden Wortlaut, was nach den eigenen Auslegungsansätzen der
Beklagten gar im gegenläufigen Sinne fruchtbar gemacht werden könnte. Da für einen
Differenzierungswillen des Verordnungsgebers in den Materialien nichts ersichtlich ist,
was, hätte er tatsächlich im Sinne der Beklagten abstufen wollen, nachgerade zwingend
einen Akt der Verlautbarung erfordert hätte, ist dem unzweifelhaften Gebot Geltung zu
verschaffen: Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
sind die nationalen Gerichte aufgrund des Umsetzungsgebots gemäß Art. 288 Abs. 3
AEUV und des Grundsatzes der Gemeinschaftstreue gemäß Art. 4 Abs. 3 EUV verpflichtet,
die Auslegung des nationalen Rechts unter voller Ausschöpfung des
Beurteilungsspielraums, den ihnen das nationale Recht einräumt, so weit wie möglich am
Wortlaut und Zweck der Richtlinie auszurichten, um das mit der Richtlinie verfolgte Ziel zu
erreichen (BGHZ 198, 111 [Tz. 55]). Nach der Rechtsprechung dieses Gerichts hat ein
nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, die volle Wirksamkeit des
Gemeinschaftsrechts zu garantieren, indem es jede möglicherweise entgegenstehende
Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt. Andererseits ist in der
Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union anerkannt, dass die
Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots
der Anwendung einer Gemeinschaftsregelung im Einzelfall entgegenstehen können (BGH
GRUR 2011, 1142 [Tz. 38] - PROTI I), insbesondere dann, wenn eine eindeutige
Entschließung des nationalen Normgebers fest- und entgegensteht (BGH ZNER 2010,
584 [Tz. 30] - Flughafennetz Leipzig/Halle).
dd)
27 Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass der Wortlaut der Verordnung den bezeichneten
Unterschied in §§ 3 und 5 aufweist und sich dafür auch Gründe etwa der Art entwickeln
lassen, wie dies durch die Beklagte geschehen ist, worin sie sich auch durch das Urteil
der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 22.06.2010 - 17 O 595/09 (B 8)
bestärkt sehen kann. Auch mag verfangen, dass die Richtlinie den Mitgliedsstaaten
jeweils aufgibt, sicherzustellen, während diese eine eigene Entscheidungsprärogative
darüber haben sollen, wie sie dem Händler/Hersteller gegenüber ihren
Sicherstellungsauftrag durch Sicherstellungsnormen umsetzen. Ob dabei der Verweis der
Beklagten auf die Terminologie in § 1041 S. 1 BGB („zu sorgen“) nach den
Rechtsmaterien und deren rechtsgeschichtlichem Herkommen taugt, Auslegungsrichtlinie
für eine unionsrechtlich vorgegebene Verordnung zu sein, erscheint recht zweifelhaft.
Zwar mag der Verweis auf § 9 Abs. 1 Nr. PAngV ein größeres Auslegungsgewicht
besitzen, während der Hinweis darauf, dass der Verordnungsgeber im Bereich der
Ordnungswidrigkeitentatbestände (§ 7 Nr. 1 und Nr. 4 Pkw-EnVKV) diese bewusste
Differenzierung bekräftige, sich auch unschwer damit erklären lässt, dass die die
Pflichtvorgabe jeweils umschreibenden Normen dort nur widergespiegelt werden. Mehr
als die auszudeutende Abweichung in einerseits § 3 und andererseits § 5 Pkw-EnVKV
wird durch diese Entsprechung nicht angestoßen noch gelöst.
b)
28 Letztlich kann diese Frage auch nach Ansicht des Senats offenbleiben.
aa)
29 Denn jedenfalls gilt auch beim Verständnisgehalt der Beklagten in Bezug auf § 3 Abs. 1
Pkw-EnVKV ein jedenfalls strenger Maßstab, soll dem Anliegen der Verordnung und erst
recht der Richtlinie auch nur hinreichend Rechnung getragen werden. Dann muss nach
dem vom Hersteller/Händler abstrakt voll beherrschbaren Akt der Erstanbringung des
Hinweises von diesen Verantwortlichen alles Erdenkliche und ihnen Mögliche und
Zumutbare unternommen werden, damit der Hinweis nicht nur angebracht wird, sondern
auch angebracht bleibt. Dabei sind ersichtlich der pointierten Argumentation geschuldete
Beispiele wie: „Es ist der Beklagten insbesondere nicht zuzumuten, Besichtigungen durch
Interessenten vollständig zu unterbinden. Ebenso wäre es unzumutbar, jedes einzelne
Fahrzeug rund um die Uhr von einem Mitarbeiter der Beklagten bewachen zu lassen, um
sicherzustellen, dass die Hinweisblätter von den Kunden nicht entfernt oder verlegt
werden“ (Bl. 41, 226), letztlich nicht ernstzunehmende Überzeichnungen. Dieses Unmaß
ist auch nicht zu fordern. Die Beklagte vermochte aber nichts Nennenswertes
vorzubringen gegen den geradezu naheliegenden und greifbaren, vom Kläger bereits
gemachten Vorschlag, dass das Hinweisblatt auf dem Preisständer oder etwa einem
eigenen Ständer fest fixiert wird, und zwar, auch wenn die Blätter zur Mitnahme aufgelegt
werden, mit - wie alltäglich bei Postkartenständern festgestellt werden kann - einem nicht
ablösbaren letzten Blatt im aufgestellten Stapel, wobei diese letzte Karte noch mit einer
besonderen Kennzeichnung versehen werden kann, welche signalisiert, dass der Vorrat
an Karten/Blättern erschöpft ist. Das letzte Blatt aber bleibt bei dieser Variante und bietet
dauerhaft nach Erstanbringung die gebotene Information an.
bb)
30 Diese - keineswegs abschließend und nur als einzige Möglichkeit gedachte - Variante
stellt eine nahe aufwandslose und einfache Möglichkeit dar, auch bloß Sorge zu tragen,
dass dem Publikum die wichtigen ökologischen Daten nicht verborgen bleiben oder gar
vorenthalten werden. Der Einwand der Beklagten, dass diese „Art und Weise ... mit der
Realität eines Autohändlers und Ausstellers von neuen Personenkraftwagen nichts mehr
zu tun“ habe, da „nicht jedes ausgestellte Fahrzeug permanent am selben Platz auf dem
Gelände des Ausstellers steht“ (Bl. 255), verfängt kaum, da der Händler nach einem
solchermaßen veranlassten Umstellen auch die Preisblätter mit den entsprechenden
Preisen und Ausstattungsmerkmalen wieder dem jeweiligen Fahrzeug zuordnen wird.
Soweit die Beklagte ausführt, dass es wegen solcher Konfusion nach Probefahrten
„geboten [sei], die Hinweisschilder in den Fahrzeugen zu platzieren“ (Bl. 255), will sie dies
nach dem Sachstand im Prozess schon gar nicht getan haben. Streitgegenstand ist denn
im Übrigen auch nicht der Verbleib der Hinweisblätter bei Probefahrten, sondern das
Fehlen bei in Ausstellungsräumen stehenden Neufahrzeugen.
cc)
31 Gegen diese einfache und damit unschwer zumutbare Handhabung jedenfalls eines
Sorgetragens, wodurch das Hinweisblatt am jeweiligen Fahrzeug oder in dessen
unmittelbarer Nähe angebracht bleibt, hat die Beklagte greifbar verstoßen.
c)
32 Dabei ist ausgetragen, dass die §§ 3 und 5 Pkw-EnVKV eine ausreichende Grundlage im
Unionsrecht besitzen (BGH GRUR 2012, 842 [Tz. 15] - Neue Personenkraftwagen; 2010,
852 [Tz. 15 und 16] - Gallardo Spyder) und über § 4 Nr. 11 UWG einen
Unterlassungsausspruch zu begründen vermögen (BGH a.a.O. [Tz. 17] - Neue
Personenkraftwagen; a.a.O. [Tz. 12 f] - Gallardo Spyder). Die geltend gemachten
Bedenken im Sinn der mangelnden Spürbarkeit nach § 3 UWG ergeben sich nicht (vgl.
etwa BGH a.a.O. [Tz. 20 und 21] - Gallardo Spyder).
d)
33 Die Fassung des Tenors gewordenen Antrages hindert das vorliegende Verständnis nicht
und gebietet auch keine Einschränkung des landgerichtlichen Ausspruches oder eine
Teilabweisung. Denn der Ausspruch umschreibt die Pflicht, der geschilderte
Lebenssachverhalt (unterlassene feste Anbringung) füllt den Streitgegenstand aus. Dass
durch die Verteidigung der Beklagten Streit über eine abstrakt einzuziehende
Pflichtengrenze ausgelöst worden ist, ändert an der Verletzung der bezeichneten Norm
durch das konkret vorgeworfene Verhalten nichts. Das Landgericht hat auch nicht zu
seiner Entscheidungsgrundlage gemacht, dass die Haftung nach § 3 Abs. 1 Pkw-EnVKV
schon im Sinne einer Erfolgsgarantie ausgelöst werde. Deshalb bedarf die angefochtene
Entscheidung auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass sie kerngleiche Verstöße mit
verbietet, einer abweichenden Fassung.
3.
34 Da der Kläger berechtigterweise abgemahnt hat, kann er auch die dadurch entstandenen,
pauschal berechneten Unkosten ersetzt verlangen (§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG; BGH a.a.O. [Tz.
23] - Gallardo Spyder). Gegen deren Höhe hat die Beklagte nichts angemeldet. Insoweit
sind auch Zweifel nicht ersichtlich.
4.
35 Auch die Verurteilung zur Zahlung der vom Kläger festgesetzten Vertragsstrafe begegnet
keinen durchgreifenden Bedenken.
a)
36 Auch auf der Grundlage der rein am Gesetzeswortlaut ausgerichteten und so vom Kläger
auch angenommenen Unterwerfungserklärung der Beklagten liegt - wie ausgeführt - eine
Verletzung des Unterlassungsversprechens vor.
b)
37 Tatsächlich greift beim gegebenen objektiven Verstoß auch eine Vermutungsregel zu
Lasten eines Verschuldens der Beklagten (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 32.
Aufl. [2014], § 12 UWG, 1.152); der Schuldner hat sich zu entlasten (BGHZ 121, 13 [juris
Tz. 24] - Fortsetzungszusammenhang; Büscher in Fezer, UWG, 2. Aufl. [2010], § 8, 86).
Ungeachtet dessen ist aufgrund des eigenen Vorbringens der Beklagten ihr Verschulden
feststehend.
c)
38 Auch gegen die vom Gericht zu überprüfende Höhe der Vertragsstrafe bringt die Berufung
nichts mehr vor. Dies auch zu Recht. Bei einem Unternehmen wie der Beklagten mit
einem Umsatz von 106,5 Milliarden EUR und einem - wie unwidersprochen geblieben ist -
Konzernergebnis von 6,029 Milliarden im Jahr 2010 muss ein Verstoß gegen diese
wichtige Verbraucherinformationsregel, auch wenn sie nicht systematisch betrieben wird,
nachhaltig geahndet werden, um die Empfänglichkeit der Beklagten zu treffen. Insofern
kann gegen eine Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR bei drei Verstößen nichts angemeldet
werden.
II.
39 Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 542, 543 i.V.m. § 3 ZPO.
40 Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Der Senat folgt
ausschließlich anerkannten, durchgängig höchstrichterlich gebilligten Rechtsgrundsätzen.
Die von der Beklagten herausgebildete Streitfrage stellt sich im vorliegenden Falle nicht,
da über diese auch auf der Grundlage des eigenen, der Beklagten günstigen
Wertungsansatzes gegen sie entschieden werden muss.
41 Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens schöpft sich aus 30.000,00 EUR
(Unterlassungsanspruch) und der im Berufungsverfahren noch Streitgegenstand
bildenden Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR. Da das landgerichtliche Urteil auch nicht zu
jenen von der Beklagten an die Wand gemalten Maßnahmen (Rundumbewachung jedes
Fahrzeuges durch eine Person oder gänzlicher Verzicht auf Fahrzeugbesichtigungen)
führt, verfängt auch das Argument nicht, ihre Beschwer durch das Urteil liege bei
mindestens 100.000,00 EUR.