Urteil des OLG Stuttgart vom 07.04.2014

OLG Stuttgart: neue tatsache, billigkeit, schwangerschaft, herausgabe, alleineigentum, trennung, disposition, miteigentum, fürsorge, hundesteuer

OLG Stuttgart Beschluß vom 7.4.2014, 18 UF 62/14
Zur Zuweisung und Herausgabe eines Hundes gem. § 1361 a Abs. 2 BGB.
Leitsätze
Bei den Billigkeitserwägungen im Sinne des § 1361 a Abs. 2 BGB dürfte es sich weniger um
solche handeln, die das Wohl des Hundes betreffen, als vielmehr um solche, die eine sinnvolle
Teilhabe der getrenntlebenden Eheleute an den zur Disposition stehenden
"Haushaltsgegenständen" und damit auch Tieren ermöglichen.
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart-Bad
Cannstatt - 2 F 1188/13 - vom 24.1.2014 wird
z u r ü c k g e w i e s e n .
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3 Der Beschwerdewert wird auf 1.500,-- EUR festgesetzt.
4. Dem Antragsgegner wird die Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren verweigert.
Gründe
I.
1
Die seit 10.11.2012 getrennt lebenden Eheleute streiten über die Zuweisung und
Herausgabe der vierjährigen Malteserhündin Babsi.
2
Die Hündin wurde während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens von beiden
Eheleuten gemeinsam zu einem Kaufpreis von 400,- bis 450,- EUR erworben, der
überwiegend aus Mitteln der Antragstellerin bezahlt wurde. Am Tag der Trennung und
des Auszugs der Antragstellerin hatte der Antragsgegner Babsi weggebracht, um eine
Mitnahme des Hundes durch die Antragstellerin zu verhindern. Seither hat die
Antragstellerin das Tier bis zur ersten mündlichen Verhandlung am 31.10.2013 nicht mehr
gesehen.
3
Die Antragstellerin studiert BWL, mittlerweile im 6. Semester und ist dafür maximal zwei
Tage für ihre Vorlesungen außer Haus. Der Antragsgegner ist arbeitslos und ist daher
während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens häufiger mit Babsi Gassi gegangen.
4
In der zweiten mündlichen Verhandlung am 21.1.2014 offenbarte der Antragsgegner, dass
Babsi nach der ersten mündlichen Verhandlung ungewollt vom Chihuahua vom Vater des
Antragsgegners trächtig geworden sei und am 14.2.2014 Welpen in noch unbekannter
Anzahl empfangen werde. Nach der angefochtenen Entscheidung kam es jedoch zu einer
Kaiserschnittentbindung von Babsi am 18.2.1014, wobei der einzig geborene Welpe
verstarb.
5
Die Antragstellerin beruft sich auf ihr Alleineigentum am Hund, da sie die überwiegenden
Kosten für diesen getragen habe und sie sich hauptsächlich um den Hund gekümmert
habe. Der Antragsgegner habe anlässlich der Trennung den Hund widerrechtlich an sich
gebracht.
6
Die Antragstellerin verlangt daher die Zuweisung und Herausgabe von Babsi an sich.
7
Dem tritt der Antragsgegner entgegen. Er erklärt, die Antragstellerin habe anlässlich der
Trennung den gesamten Hausrat mitgenommen. Nur der Hund sei absprachegemäß beim
Antragsgegner verblieben. Der Hund sei gemeinsam angeschafft worden und der
Antragsgegner habe sich überwiegend um ihn gekümmert.
8
Der Antragsgegner konnte auch einem erstinstanzlich vorgeschlagenen „Wechselmodell“
für Babsi nicht nahe treten.
9
Das Familiengericht hat einen Augenscheinsbeweis über die Beziehung des Hundes zu
beiden Beteiligten erhoben und festgestellt, dass Babsi in der mündlichen Verhandlung
rasch schwanzwedelnd auf die Antragstellerin zulief, von ihr dann hochgenommen wurde
und auf ihrem Schoß blieb (Bl. 84).
10 Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht die Malteserhündin der
Antragstellerin zugewiesen und die Herausgabe derselben angeordnet. Dies wurde mit
der Billigkeit der Zuweisung dieses „Haushaltsgegenstandes“ entsprechend § 1361a Abs.
2 BGB begründet. Der Antragsgegner habe den Kontakt der Antragstellerin zu Babsi
mutwillig unterbunden und die Schwangerschaft der Hündin nicht zu verhindern gewusst.
Dies spreche auch gegen seine Eignung als Hundehalter.
11 Dagegen richtet sich der Antragsgegner mit der Beschwerde und behauptet, dass er zur
Verhinderung der Trächtigkeit die Möglichkeit und Nachteile der „Pille danach“ für Babsi
mit einem Tierarzt besprochen habe und die Antragstellerin sich demgegenüber für die
Welpenaufzucht als nicht geeignet erwiesen habe.
12 Im übrigen habe der Antragsgegner habe in der Vergangenheit bewiesen, dass er bereit
sei, der Antragstellerin den Kontakt zur Hündin zu ermöglichen
13 Die Antragstellerin weist in der Beschwerdeerwiderung darauf hin, dass das maßgebliche
Billigkeitskriterium bei der erstinstanzlichen Entscheidung nicht die ungewollte
Trächtigkeit des Hundes, sondern die Umgangsvereitelung gewesen sei.
14 Das Beschwerdegericht hat von der Durchführung eines weiteren Termins zur
mündlichen Verhandlung gemäß § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen, nachdem von einem
solchen keine weiteren Erkenntnisse als in den bereits - unter anderem mit der Hündin -
durchgeführten Terminen gewonnenen Erkenntnisse.
II.
15 Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58, 59, 61 Abs.1 ff FamFG zulässig,
jedoch unbegründet.
1.
16 Die Zuweisung der Malteserhündin Babsi an die Antragstellerin erfolgt nach § 1361a Abs.
2 BGB und entspricht - wie das Familiengericht zutreffend feststellt - den Grundsätzen der
Billigkeit.
a)
17 Auf Tiere sind gemäß § 90 a Satz 3 BGB die für Sachen geltenden Vorschriften
anzuwenden. Somit richtet sich die Zuweisung eines Hundes nach den Regeln des §
1361a BGB über die Hausratsverteilung bei Getrenntleben. Haushaltsgegenstände sind
alle Gegenstände, die nach den Vermögens- und Lebensverhältnissen der Ehegatten für
die Wohn- und Hauswirtschaft oder sonst für ihr Zusammenleben bestimmt sind, so dass
für Haustiere eine sinngemäße Anwendung des § 1361a BGB angezeigt sein kann (OLG
Zweibrücken FamRZ 1998, 1432; OLG Bamberg FamRZ 2004, 559; Palandt-
Brudermüller, BGB, 73. Aufl., § 1361 a RZ 10).
b)
18 Je nach den Eigentumsverhältnissen richtet sich die Zuweisung Babsis nach § 1361a
Abs. 1 BGB bzw. 1361 Abs. 2 BGB.
19 Kann keiner der Eheleute ein Alleineigentum an Babsi beweisen, so gilt die Hündin für
die Hausratsverteilung als gemeinsames Eigentum der Ehegatten (OLG Schleswig
FamRZ 2013, 1984 zu § 1568b Abs. 1 BGB).
20 Hier kann nicht vom Alleineigentum der Antragstellerin an der Malteserhündin
ausgegangen werden. Vielmehr konnte sie ihr Alleineigentum gerade nicht beweisen.
Dazu würde nicht einmal ein durch die Antragstellerin erfolgter Abschluss des
Kaufvertrages reichen (vgl. OLG Schleswig a.a.O.) und zwar auch nicht unter
Berücksichtigung der offensichtlich unstreitigen Tatsache, dass die Antragstellerin die
Hundesteuer der Hündin trägt und sowohl deren Heimtier- als auch Impfausweis auf sie
läuft. Hinsichtlich der Tierarztkosten hat die Antragstellerin diese offensichtlich in der
Vergangenheit überwiegend getragen, jedoch die während des Besitzes des
Antragsgegners aufgrund der ungewollten Schwangerschaft eingetretenen
Tierarztforderungen hat offensichtlich der Antragsgegner beglichen.
21 Nach dem beiderseitigen Vortrag beruhte die Anschaffung der Hündin auf einer
gemeinsamen Entscheidung, auch die Auswahl derselben und die Betreuung und
Fürsorge für den Hund wurde während des Zusammenlebens von beiden übernommen.
Dafür spricht auch, dass Babsi nach über einem Jahr „Kontaktsperre“ in der mündlichen
Verhandlung vom 21.1.2014 die Antragstellerin offensichtlich sofort wieder als bekanntes
„Frauchen“ identifizierte.
22 Eine Alleineigentümerstellung der Antragstellerin konnte somit nicht nachgewiesen
werden, zumal für die Eigentumsverhältnisse die Vermutung gemäß § 1568b Abs. 2 BGB
analog (vgl. Palandt-Brudermüller a.a.O. RZ 16)gilt, so dass die Zuweisung von Babsi
allein auf § 1361a Abs. 2 BGB gestützt werden kann.
c)
23 Maßgeblich für die Zuweisung der Hündin waren somit allein Grundsätze der Billigkeit,
wobei gemäß § 1361a Abs. 4 BGB eine Veränderung der Eigentumsverhältnisse oder
Übereignung gerade nicht stattfindet.
24 Bei der Bewertung der Billigkeit war die neue Tatsache im Sinne des § 65 Abs. 3 FamFG,
dass die Schwangerschaft für Babsi - abgesehen von der Totaloperation - folgenlos war,
zu berücksichtigen und fiel damit im Gegensatz zur erstinstanzlichen Entscheidung nicht
mehr zu Lasten des Antragsgegners ins Gewicht.
25 Demgegenüber wird die Billigkeitsprüfung dominiert von der Tatsache, dass der
Antragstellerin der Antragstellerin den gemeinsamen Hund seit rund 1 1/2 Jahren
vorenthalten hat und sie offensichtlich trotz Miteigentums über wesentliche, den Hund
betreffende Dinge, wie die Schwangerschaft und deren Folgen nur über das
Gerichtsverfahren informiert wird.
26 Für eine mangelnde „Bindungstoleranz“ des Antragsgegners spricht auch, dass er sich
dem von der Familienrichterin nachvollziehbar vorgeschlagenen wöchentlichen
Wechselmodell gegenüber und auch jeglichen Vorschlägen, die eine ausgewogene
Teilhabe der Beteiligten am Hund beinhalten, verschließt. Soweit er sich mit der
Beschwerdebegründung darauf beruft, dass er der Antragstellerin einen gemeinsamen
Spaziergang mit der Hündin und mehrere gemeinsame Treffen in einem Cafe
ermöglichte, so zeigt dies gerade, dass er offensichtlich unter keinen Umständen möchte,
dass die Antragstellerin mit dem Hund auch Zeit alleine verbringt.
27 Entgegen der Auffassung des Antragsgegners dürfte sich es sich bei den
Billigkeitserwägungen im Sinne des § 1361a Abs. 2 BGB auch weniger um solche
handeln, die das Wohl des Hundes betreffen, als vielmehr um solche, die eine sinnvolle
Teilhabe der getrenntlebenden Eheleute an den zur Disposition stehenden
„Haushaltsgegenständen“ und damit auch Tieren ermöglichen. Dabei hat der
Antragsgegner durch sein Verhalten in der Vergangenheit und das Vorenthalten der
Hündin bei der Trennung jedoch gezeigt, dass er an einer ausgewogenen Teilhabe an
dem im Miteigentum stehenden Hund unter Berücksichtigung der Bedürfnisse sowohl des
Hundes als auch beider Eheleute nicht interessiert ist. Demgegenüber geht der
Beschwerdesenat wie auch das Familiengericht davon aus, dass die Antragstellerin, der
die gemeinsame Hündin mittlerweile rund 1 1/2 Jahre vorenthalten wurde, das
Miteigentum ihres Ehemannes an Babsi respektieren wird.
28 Keine Zweifel bestehen daran, dass beide Eheleute durchaus geeignet sind, die
Betreuung einer Malteserhündin zu übernehmen, der Antragsgegner aufgrund seiner
bereits frühkindlichen Sozialisation mit Hunden und die Antragstellerin aufgrund
entsprechender Literaturrecherche und Weiterbildung.
29 Aufgrund des nicht billigenswerten Verhaltens des Antragsgegners in der Vergangenheit
entspricht jedoch nur eine Zuweisung der Hündin an die Antragstellerin den Grundsätzen
der Billigkeit.
2.
30 Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge entsprechend § 84 FamFG
zurückzuweisen, die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 48 Abs. 2, Abs. 3, 40
Abs.2 FamGKG (vgl. OLG Schleswig a.a.O.).
31 Der Verfahrenskostenhilfeantrag des Antragsgegners war zurückzuweisen, da keine
hinreichende Erfolgsaussichten im Sinne der §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO für das
Beschwerdeverfahren bestehen.