Urteil des OLG Stuttgart vom 16.04.2010
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OLG Stuttgart Beschluß vom 16.4.2010, 18 WF 71/10
Bestimmung des Verfahrenswertes einer einverständlichen Ehescheidung
Tenor
1.
abgeändert,
dass die Verfahrenswerte wie folgt festgesetzt werden:
a)
85.300,- EUR
b)
7.080,- EUR
c) insgesamt:
92.380,- EUR.
2.
zurückgewiesen.
Gründe
1
1.
Möglichkeit seiner Inanspruchnahme als Zweitschuldner nach § 26 Abs. 2 FamGKG; außerdem ist die Festsetzung der Gerichtsgebühren
maßgeblich für die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren (§ 32 Abs. 1 RVG). Die Beschwerde hat indes lediglich geringen Erfolg.
2
2.
Ehesachen ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der
Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen (§ 43 Abs. 1 Satz 1 FamGKG,
entsprechend § 48 Abs. 3 GKG a.F.).
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Das Einkommen der Eheleute ist hier mit einem Betrag von 15.300,- EUR unbeanstandet, der sich nach Abzug von Freibeträgen für die beiden
volljährigen, aber noch Unterhalt beziehenden Kinder ergibt. Unbeanstandet ist auch der für die Folgesache Versorgungsausgleich mit 7.080,-
EUR angesetzte Wert.
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Neben dem Einkommen sind die Vermögensverhältnisse für den Verfahrenswert von Bedeutung. Das ergibt sich aus der eindeutigen
Formulierung des § 43 Abs. 1 Satz 1 FamGKG. Dem Antragsgegner ist deshalb nicht dahin zu folgen, im Falle einer einverständlichen
Ehescheidung blieben die Vermögensverhältnisse von vornherein außer Betracht (zu Fragen des Einzelfalls s. allerdings nachfolgend unter Ziff.
4.).
5
3.
1176 f. sich der Antragsgegner beruft. Danach sind die Vermögenswerte nach Abzug von Freibeträgen und sodann mit bestimmten, wenn auch
nicht starr festgelegten, Prozentsätzen für die Wertfestsetzung mit heranzuziehen.
6
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass sich das Vermögen der Beteiligten aus fremd- sowie eigengenutzten Immobilien und
weiteren Vermögensgegenständen zusammensetzt, ohne dass letztere abschließend ermittelt worden wären. Während Antragstellerin und
Familiengericht das Vermögen mit einer Summe von 1.170.000,- EUR in Ansatz gebracht haben, gelangt der Antragsgegner zu einem Betrag
von lediglich (240.000,- EUR + 160.000,- EUR =) 400.000,- EUR.
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Er beruft sich hierbei nicht nur pauschal auf abzuziehende Verbindlichkeiten, sondern im wesentlichen darauf, der zu seinem Eigentum
rechnende Supermarkt sei letztlich ohne derzeitigen Verkehrswert. Insoweit hatte sich die Antragstellerin auf eine gemeinsame Besprechung mit
beiden Beteiligten berufen, wonach die Anschaffung dieses Supermarkts zu einem Betrag von 2.100.000,- DM erfolgt sei. Die Finanzierung,
zunächst 1.100.000,- DM, sei sodann bis auf einen Betrag von 110.000,- EUR zurückgeführt worden. Ausgehend vom Anschaffungswert von
2.100.000,- DM, entsprechend 1.073.712,90 EUR, blieben dann rechnerisch 963.71,29 EUR. Entsprechend bewegt sich der Wertansatz der
Antragstellerin für den Supermarkt zwischen 500.000,- EUR und 900.000,- EUR.
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Legt man die genannte Untergrenze von 500.000,- EUR zugrunde, so ist der „Reparaturstau“, auf welchen sich der Antragsgegner in Höhe eines
Aufwands von 250.000,- EUR beruft, ebenso berücksichtigt wie weitere wertbeeinflussende Faktoren. Selbst wenn der Supermarkt derzeit nicht
vermietet ist und weitere Lagenachteile aufweisen mag, führt das entgegen antragsgegnerseitigem Vorbringen nicht zu einem Verkehrswert von
0.
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b)
Beträge von jeweils 60.000,- EUR in Ansatz gebracht, was den Antragsgegner jedenfalls nicht beschwert. Aus welchen Gründen allerdings für
die offenbar auswärts wohnhaften Kinder Freibeträge in Betracht kommen sollen, ist für die Frage gerade des Vermögens nicht ohne Weiteres
nachzuvollziehen. Für das Einkommen ist das anders zu sehen, weil - wie bereits erwähnt - hieraus offenbar noch Unterhaltszahlungen geleistet
werden. Dass auch das Vermögen darauf eingesetzt würde, ist weder vorgetragen noch erkennbar.
10 Die Nutzung des Vermögens, insbesondere der Immobilien, wird offenbar durch die Kinder nicht (mit-) bestimmt oder -beeinflusst. Es bewendet
deshalb beim Ansatz von Freibeträgen nur für die Eltern, die Antragstellerin und den Antragsgegner.
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c)
sind. Das sind der hälftige Miteigentumsanteil des Antragsgegners an einem Haus in N., dessen offenbar abbezahlte Eigentumswohnung in B.,
G.Straße, sowie weiteres Vermögen, das sich auf einen Lebensversicherungsvertrag beziehen mag. Diese bislang unbewerteten Gegenstände
können vorsichtig auf einen Gesamtbetrag von 350.000,- EUR hochgerechnet werden, der sich nach Überzeugung des Senats an der untersten
vertretbaren Grenze bewegt. Der Antragsgegner selbst geht hierauf nicht ein.
12 Auf Grundlage dessen ergibt sich folgende Berechnung:
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Vermögen:
Supermarkt
500.000,00 EUR
Haus M. (zunächst angegebener Wert)
280.000,00 EUR
Haus W., K. Straße
180.000,00 EUR
Haus H. (1/2)
150.000,00 EUR
Depot
60.000,00 EUR
Haus N., 1/2
ETW B., G. Straße
weiteres Vermögen (Lebensversicherung?)
vorgenannte Positionen mindestens:
350.000,00 EUR
Zwischensumme Vermögen
1.520.000,00 EUR
./. Freibeträge 2 * 60.000,- EUR (FB)
- 120.000,00 EUR
Zwischensumme Vermögen nach FB
1.400.000,00 EUR
davon 5 %
70.000,00 EUR
Verfahrenswert Ehescheidung:
85.300,00 EUR
Versorgungsausgleich:
7.080,00 EUR
Verfahrenswert insgesamt:
92.380,00 EUR
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4.
Schwierigkeit zu berücksichtigen Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin. Wird für die Bemessung des Gegenstandswerts deshalb auch
das Vermögen der Parteien herangezogen, so erfolgt das weder schematisch noch formelhaft. Die Heranziehung bestimmter Prozentsätze, etwa
von 5 % oder von 10 %, passte nicht zur Beachtlichkeit aller Einzelumstände (vgl. im Einzelnen OLG Stuttgart, a.a.O., m.w.N.). Allerdings hat das
Familiengericht insoweit mit einem Ansatz von 5 % wiederum einen Wert an der Untergrenze herangezogen, was der Senat als dem
Beschwerdeführer nicht nachteilig erachtet. Ob weitere Zu- oder Abschläge angezeigt sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Zwar hat die Antragstellerin den Scheidungsantrag nachträglich zurückgenommen und hatte der Antragsgegner mit Schreiben vom 4. November
2009 der Ehescheidung zugestimmt. Allerdings wies er bereits seinerzeit darauf hin, wegen der Scheidungsfolgesachen werde außergerichtlich
verhandelt. Zum Volumen dieser außergerichtlichen Verhandlungen haben beide Verfahrensbevollmächtigte Aktennotizen und Vertragsentwürfe
vorgelegt. Hieraus und nicht zuletzt aus dem Beschwerdegegenstand selbst ergibt sich Ohne Weiteres, dass dem Verfahren für die Beteiligten
eine umfängliche Bedeutung zukam, auch in wirtschaftlicher Hinsicht.
15 Der Antragsgegner und Beschwerdeführer hebt hierauf letztlich selbst ab, wenn er vorbringt, er sei zur Regelung der Scheidungsfolgen
außergerichtlich vertreten gewesen und habe eine Scheidungsfolgenvereinbarung entwerfen lassen, weswegen Abrechnungszwecke eine
familiengerichtliche Wertfestsetzung erforderten. Dass allerdings „zwischen den Parteien keinerlei Streit“ bestanden hätte, kann der durch die
Antragstellerin vorgelegten Aktennotiz gerade nicht entnommen werden. Dort waren noch wesentliche Punkte offen geblieben und als
klärungsbedürftig angesehen worden. Wäre es zu keiner außergerichtlichen Einigung gekommen, hätte das Ehescheidungsverfahren deshalb
jedenfalls in zeitlicher Hinsicht eine Ausdehnung erfahren, wohl aber auch im Hinblick auf weiter anhängig zu machende Folgesachen.
16 Ohne das im Einzelnen aus einer Betrachtung ex post beantworten zu müssen, vermag der Senat nach alledem letztlich keine Gründe für
Abschläge oder Zuschläge zum vorstehend berechneten Verfahrenswert zu erkennen.
17
5.