Urteil des OLG Stuttgart vom 17.01.2014

OLG Stuttgart: lebenshaltungskosten, berechtigte person, europäische union, haager übereinkommen, aufenthalt, unterhalt, huü, betrug, hausmann, ermessensausübung

OLG Stuttgart Beschluß vom 17.1.2014, 17 WF 229/13
Leitsätze
1. Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte durch rügelose Einlassung gemäß Art. 5
EuUntVO
2. Zur Anpassung des Bedarfs eines in der Türkei lebenden Kindes in einem Verfahren wegen
Kindesunterhalts, das sich nach türkischem Recht richtet
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegner Ziff. 1 und 2 wird der Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - Wangen vom 16.10.2013, 6 F 158/13,
abgeändert.
2. Den Antragsgegnern Ziff. 1 und 2 wird für den ersten Rechtszug unter Beiordnung von ….
ratenfrei Verfahrenskostenhilfe bewilligt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller ist der Vater des Antragsgegners Ziff. 1, geboren …., und des
Antragsgegners Ziff. 2, geb. am …..
2
Mit Jugendamtsurkunden vom 31.01.2007, Nr. 19/2007 und 20/2007, hat sich der
Antragsteller zur Zahlung von Kindesunterhalt an beide Kinder i. H. v. 100 Prozent des
Regelbetrags gemäß § 1 der Regelbetragsverordnung verpflichtet. Die beiden Kinder
wohnten zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland. Im Oktober 2012 sind die Kinder mit
ihrer Mutter nach ...Türkei gezogen und halten sich seitdem dort auf.
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Der Antragsteller hat die Abänderung der beiden Jugendamtsurkunden dahingehend
beantragt, dass er nur noch zur Zahlung von 50 % des jeweiligen Regelbetrags der dritten
Altersstufe der Regelbetragsverordnung verpflichtet ist. Er hat dies damit begründet, dass
der Unterhaltsbedarf der nunmehr in der lebenden Antragsgegner sich entsprechend der
Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums auf die Hälfte des inländischen
Unterhaltsbedarfs verringert habe.
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Die Antragsgegner sind diesem Antrag des Antragstellers entgegengetreten und haben
beantragt, diesen abzuweisen. Zur Begründung tragen sie vor, dass die
Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums nicht herangezogen werden
könne. Im Übrigen seien die Lebenshaltungskosten in … sogar höher als in
Süddeutschland. Hinzugekommen seien zudem Kosten insbesondere im Zusammenhang
mit dem Besuch der türkischen Schule in …, die den Bedarf der Kinder ebenfalls
bestimmen.
5
Das Amtsgericht - Familiengericht - Wangen hat mit Beschluss vom 16.10.2013 den
Antrag der beiden Antragsgegner auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe abgewiesen.
Das Amtsgericht ging davon aus, dass die beabsichtigte Rechtsverteidigung keine
hinreichende Aussicht auf Erfolg habe, wobei es sich für die Bedarfsbemessung der
Antragsgegner an der Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums
orientierte.
II.
1.
6
Gemäß Art. 3 EuUntVO, der auch für Abänderungsanträge anzuwenden ist (Hausmann,
Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht, 1. Aufl. 2013 C 85), besteht keine
internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für den Abänderungsantrag des
Antragstellers. Denn es liegt keiner der maßgeblichen, eine internationale Zuständigkeit
begründenden Sachverhalte gemäß Art. 3 EuUntVO vor. Insbesondere sind die
Voraussetzungen von Art. 3 a oder 3 b nicht gegeben, da die Antragsgegner, die die
unterhaltsberechtigten Personen sind, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei haben.
7
Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ist autonom auszulegen. Der gewöhnliche
Aufenthalt einer Person ist dort, wo sie sozial integriert ist und ihren Lebensmittelpunkt,
hat. Maßgebend sind die tatsächlichen Verhältnisse (BGH, FamRZ 2001, 412).
Angesichts ihres Wechsels in die Türkei im Oktober 2012 ist davon auszugehen, dass die
Antragsgegner zu Beginn des streitgegenständlichen Zeitraumes (der Monatserste,
folgend auf den Tag der Rechtshängigkeit) im Juli 2013 nicht nur ihren alten
gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland aufgegeben haben, sondern auch einen neuen
gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei begründet haben, nachdem der Schwerpunkt der
Lebensverhältnisse der Kinder in die Türkei verlagert worden sowie eine gewisse Dauer
der Anwesenheit und eine Einbindung in die dortige soziale Umwelt, u.a. durch den
Besuch der Schule zu bejahen ist.
8
Ein international unzuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird allerdings gemäß Art. 5
EuUntVO zuständig, wenn sich der Antragsgegner auf das Verfahren einlässt. Als
Einlassung genügt jede Verteidigungshandlung, die auf eine Klageabweisung zielt. Die
Zuständigkeitsrüge ist spätestens mit der Stellungnahme zu erheben, die nach dem
innerstaatlichen Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts als das erste
Verteidigungsvorbringen anzusehen ist (Hausmann, Internationales und Europäisches
Ehescheidungsrecht C 169; BGH, NJW-RR 2002, 1357). Gemessen hieran haben die
Antragsgegner, die nach Zustellung des Antrags mit Schriftsatz vom 27.06.2013
Antragsabweisung beantragt haben, sich auf das Verfahren eingelassen, wodurch die
deutschen Gerichte international zuständig geworden sind. Von der rügelosen Einlassung
gemäß Art. 5 EuUntVO ist neben der internationalen Zuständigkeit auch stets die örtliche
Zuständigkeit umfasst (Hausmann, Internationales und Europäisches
Ehescheidungsrecht C 171).
2.
9
Materiell-rechtlich ist für den Antrag des Antragstellers türkisches Recht anzuwenden.
10 Es kann hierbei dahingestellt bleiben, ob sich die Anwendung des ausländischen Rechts
nach dem Haager Unterhaltsprotokoll vom 23.11.2007 (im folgenden: HUP) oder nach
dem Haager Übereinkommen vom 02.10.1973 über das auf Unterhaltspflichten
anzuwendende Recht (im folgenden: HUÜ 1973) richtet.
11 Gemäß Art. 15 EuUntVO bestimmt sich das auf Unterhaltspflichten anwendbare Recht für
die Mitgliedsstaaten, die durch das Haager Unterhaltsprotokoll gebunden sind, d.h. auch
für Deutschland, nach diesem Protokoll. Gemäß Art. 18 HUP ersetzt dieses Protokoll im
Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten das HUÜ 1973.
12 Es ist umstritten, ob das HUP gegenüber der Türkei Anwendung findet, da die Türkei
diesem Abkommen bislang nicht beigetreten und damit kein „Vertragsstaat“ i. S. d. Art. 18
HUP ist, woraus eine Meinung den Schluss zieht, dass im Verhältnis zur Türkei das HUÜ,
dessen Mitgliedstaat die Türkei ist, durch das HUP nicht ersetzt wird (Ring, FPR 2013, 16;
Henrich, Internationales Scheidungsrecht 3. Aufl. Rn. 136; Palandth/Thorn, BGB 73. Aufl.
Art. 18 HUP Rn. 53). Die Gegenmeinung stellt maßgeblich auf Art. 2 HUP ab, wonach das
von dem Übereinkommen bestimmte Recht unabhängig vom Erfordernis der
Gegenseitigkeit anzuwenden ist, auch wenn es das Recht eines Nichtvertragsstaates ist
(Conti/Bißmaier, FamRBint 2011, 62; Hausmann, Internationales und Europäisches
Ehescheidungsrecht C 424, 673; OLG Stuttgart, Urteil vom 22.11.2011, 17 UF 133/10).
13 Der BGH hat diese Frage ausdrücklich offengelassen (BGH, FamRZ 2013, 1366 mit der
Darstellung des Meinungsstandes).
14 Dahingestellt bleiben kann die Klärung dieser Frage für das hiesige Verfahren, da sowohl
über das HUP als auch über das HUÜ 1973 für den Kindesunterhalt türkisches Recht
anzuwenden ist. Gemäß Art. 3 Abs. 1 HUP ist für Unterhaltspflichten das Recht des
Staates maßgebend, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Gemäß Art. 4 Abs. 1 HUÜ 1973 ist u.a. für den Kindesunterhalt das am gewöhnlichen
Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten geltende innerstaatliche Recht maßgebend. Über
beide Abkommen gelangt man somit für das hiesige Verfahren zum türkischen Recht,
nachdem beide Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei haben.
3.
15 Bedenken gegen die Versagung der Verfahrenskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht auf
Seiten der Antragsgegner bestehen schon deswegen, weil der Antragsteller, der lediglich
Bezug auf die Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums genommen und
diese zu der Düsseldorfer Tabelle in Bezug gesetzt hat, einen etwaigen
Abänderungsanspruch nicht detailliert unter Bezugnahme auf das türkische Recht und
damit nicht schlüssig dargelegt hat.
16 Gemäß Art. 327 Abs. 1 türkZGB sind die Kosten für den Unterhalt eines Kindes von den
Eltern zu tragen. Der Bedarf eines Kindes wird gemäß Art. 330 türkZGB unter
Berücksichtigung der Bedürfnisse des Kindes sowie der Lebensbedingungen und
Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt. Nachdem sich der Unterhalt nach türkischem
Recht richtet, ist die Düsseldorfer Tabelle nicht unmittelbar anwendbar. Da in der Türkei
selbst keine Unterhaltstabellen bestehen, wird der Unterhalt vom Gericht nach freiem
Ermessen unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Lebensverhältnisse
festgesetzt.
17 Wenn im Rahmen der Ermessensausübung für die Bestimmung des Bedarfs eines
minderjährigen Kindes eine Orientierung an den Sätzen der Düsseldorfer Tabelle
vorgenommen wird, können diese nicht 1:1 übernommen werden, da diese Sätze die
Lebensverhältnisse in Deutschland und nicht in der Türkei widerspiegeln. Zunächst sind
daher die Lebensverhältnisse in der Türkei und in Deutschland in Relation zu setzen.
Soweit der Antragsteller und das Amtsgericht hierbei allein auf die
Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums abstellen und den Bedarf nach
der Düsseldorfer Tabelle halbieren, begegnet dies Bedenken.
18 Überwiegend hatten Rechtsprechung (vom BGH gebilligt in BGH, FamRZ 1987, 682) und
Literatur (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht 8. Aufl. § 9 Rn. 38) bislang eine Korrektur des
Bedarfs an Hand der so genannten Verbrauchergeldparitäten vorgenommen, die vom
Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden. Nachdem diese Statistik zum Ende des
Berichtsjahres 2009 eingestellt worden ist, ist sie nicht mehr anwendbar (Unger, Unterhalt
bei im Ausland lebenden Unterhaltsgläubigern oder Unterhaltsschuldnern nach dem
Wegfall der Statistik zur Verbrauchergeldparität, FPR 2013, 19, 21; Motzer, Neuerungen
bei der Unterhaltsbemessung in Fällen mit Auslandsbezug, FamRBint 2010, 93).
19 Eine andere Methode ist die vom Amtsgericht herangezogene Ländergruppeneinteilung
des Bundesfinanzministeriums, deren eigentliche Zweckbestimmung allerdings nicht die
Regelung der Unterhaltshöhe, sondern die steuerliche Behandlung von
Auslandssachverhalten nach §§ 32, 33 a EstG ist.
20 Eine weitere Anpassungsmethode stellen die vom Statistischen Bundesamt berechneten
so genannten Teuerungsziffern dar, anhand derer der Kaufkraftausgleich für im Ausland
tätige Beamte und Soldaten berechnet wird, weshalb sie das Verbrauchsverhalten eines
repräsentativen deutschen Haushalts mit höherem Einkommen widerspiegeln. Die
Teuerungsziffern geben den Prozentsatz an, um den die Lebenshaltungskosten an einem
ausländischen Dienstort von den Lebenshaltungskosten in Berlin abweichen.
21 Weiter wird auf internationale Statistiken über Kaufkraftparitäten zurückgegriffen, die -
anders als die frühere Verbrauchergeldparität des Statistischen Bundesamts - zwar nicht
auf das Verbrauchsverhalten eines repräsentativen deutschen Haushalts zugeschnitten
sind, für Zwecke der Unterhaltsanpassung aber durchaus geeignet sein können. Zu
nennen ist hier insbesondere der Index von Eurostat (Unger, FPR 2013, 19, 23; OLG
Oldenburg, FamRZ 2013, 891 - für die Schweiz).
22 Soweit insbesondere in älteren Entscheidungen (OLG Celle, FamRZ 1991, 598; OLG
München, FamRZ 2002, 55), aufgegriffen in der neueren Rechtsprechung vom OLG
Brandenburg (Beschluss vom 13.09.2012, Az. 9 UF 220/11) allein auf die
Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzministeriums zurückgegriffen wird und die
Lebenshaltungskosten in der Türkei - unabhängig vom jeweiligen Wohnort der Kinder - im
Verhältnis zu Deutschland pauschalierend halbiert werden, spiegelt dies aus Sicht des
Senats die aktuellen Realitäten, zumindest bezogen auf eine türkische Großstadt wie …,
nicht wieder.
23 In der Türkei hat insbesondere in Großstädten im Laufe der letzten Jahre eine
Entwicklung stattgefunden, die in die Richtung einer Angleichung der Lebensverhältnisse
geht. So betrug im Jahr 1996, was die Verbrauchergeldparität anbetrifft noch ein
Verhältnis von + 31,2. Im Jahr 2009, dem letzten Jahr, in dem die
Verbrauchergeldparitäten vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wurden betrug das
Verhältnis zueinander - 0,6 (Wendl/Dose, Unterhaltsrecht § 9 Rn. 73).
24 Zwar betrug in der aktuelleren zur Kaufpreisparität geführten Statistik Eurostat (siehe
ec.europa.eu/eurostat) im Jahr 2012 das Preisniveau in der (gesamten) Türkei 65,9
Prozent und dasjenige in der Bundesrepublik Deutschland 101,1 Prozent des für die
Europäische Union ermittelten Mittelwerts. Demnach betrug das Kaufkraftverhältnis
zwischen Deutschland und der Türkei 1 : 0,651 (65,9 / 101,1), was - allerdings auf die
Türkei insgesamt bezogen - deutlich niedrigere Lebenshaltungskosten widerspiegelt.
25 In den aktuellen Teuerungsziffern des Statistischen Bundesamts (Stand: Dezember 2013)
findet sich für die Türkei/…, d.h. bezogen auf genau den Ort, an dem die
Unterhaltsberechtigten leben, indes eine Teuerungsziffer von - 8, was bedeutet, dass die
Lebenshaltungskosten in Istanbul nur um 8 % unter den Lebenshaltungskosten in Berlin
liegen. Die Aussagekraft hinsichtlich mittlerer und geringerer Einkommen, deren Bezieher
ein anderes Verbrauchsverhalten als Beamte und Soldaten aufweisen, auf die die
Teuerungsziffern abstellen, ist zwar eingeschränkt. Vorteilhaft ist allerdings, dass sich die
Teuerungsziffern auf einzelne Dienstorte beziehen und keine Landesdurchschnittspreise
abbilden (Unger, FPR 2013, 19, 22; Motzer, FamRBint 2010, 93, 94).
26 Bei Berücksichtigung des gesamten Vorstehenden wird ersichtlich, dass die Kritik, die an
einer pauschalen Orientierung nur an der Ländergruppeneinteilung geübt wird, mit dem
Hinweis darauf, dass die der Einteilung zugrunde liegenden steuerlichen Erwägungen
und die unterhaltsrechtliche Bedarfsbemessung sich nicht decken (Wendl/Dose,
Unterhaltsrecht 8. Aufl. § 9 Rn. 36), dass die Einteilung teilweise die Realität nicht
wiederspiegle (Unger, FPR 2013, 19, 22) und zu einer starken Verminderung des zu
zahlenden Unterhalts führe, wenn der Berechtigte in einer Großstadt lebe (Motzer,
FamRBint 2010, 93, 94), weshalb sie allenfalls als erstes Indiz dienen könne (Unger, FPR
2013, 19, 22), berechtigt erscheint. So weist auch Savas (Das Unterhaltsrecht in der
Türkei, FPR 2013, 101) darauf hin, dass die Lebenshaltungskosten in der Türkei je nach
den Lebensumständen stark variieren können und in den türkischen Großstädten
vergleichbar mit denjenigen in Deutschland seien.
27 Bei einer konkreten Bemessung des Bedarfs der beiden in … lebenden Antragsgegner
kann daher nicht von lediglich den hälftigen Lebenshaltungskosten im Vergleich zu den
Verhältnissen in Deutschland ausgegangen wird.
28 Hinzu kommt noch, dass aufgrund des Vortrags der Antragsgegner, mit dem sich das
Amtsgericht im Einzelnen auseinanderzusetzen zu haben wird, im Raum steht, dass die
Kinder in … im Vergleich zu Deutschland höhere Aufwendungen, insbesondere für die
Schule, aufzubringen haben. Nachdem nach türkischem Recht die Bedürfnisse der Kinder
unter Berücksichtigung der Lebensbedingungen im Einzelfall ermittelt werden, können
solche Kosten einen höheren Bedarf begründen (Savas, FPR 2013, 101; Motzer in
Motzer/Kugler/Grabow, Kinder aus Migrationsfamilien in der Rechtspraxis, 2. Aufl. Rn.
304; OLG Hamm, FamRZ 1996, 49).
29 Weiter zu berücksichtigen ist auch, dass ausweislich Art. 330 Abs. 1 türkZGB
unterhaltsberechtigte Kinder auch an den besseren Lebensumständen des
Unterhaltspflichtigen an dessen Aufenthaltsstaat teilhaben sollen (Motzer in
Motzer/Kugler/Grabow, Kinder aus Migrationsfamilien in der Rechtspraxis, 2. Aufl. Rn.
299), weshalb auch ein Unterhalt zugesprochen werden kann, der aufgrund einer
maßvollen Erhöhung bei der Ermessensausübung im Einzelfall den tatsächlichen Bedarf
des Kindes überschreitet (Savas, FPR 2013, 101).
30 Angesichts der Gesamtumstände kann im Rahmen der in einem
Verfahrenskostenhilfeverfahren vorzunehmenden Prüfung die Erfolgsaussicht für die
Rechtsverteidigung der Antragsgegner nicht verneint werden, weshalb
Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen ist. Ob und wenn ja in welchem Umfang das
Amtsgericht letztlich eine Änderung der für die Bedarfsbemessung der Antragsgegner
maßgebenden Verhältnisse annimmt, bleibt der Ermessensentscheidung des
Amtsgerichts vorbehalten. Es wird hierbei darauf hingewiesen, dass auch die Möglichkeit
besteht, den Bedarf der Kinder aus einer Kombination unterschiedlicher
Anpassungsmethoden zu ermitteln (Motzer, FamRBint 2010, 93, 95; OLG Zweibrücken,
FamRZ 2004, 729).
31 Der Senat weist ergänzend noch auf Folgendes hin:
32 Nachdem die Regelbetragsverordnung durch das Unterhaltsänderungsgesetz durch
einen einheitlichen Mindestunterhalt ersetzt worden ist, kann der Kindesunterhalt nicht
mehr mittels eines Prozentsatzes der Regelbetragsverordnung festgelegt werden, was bei
der Tenorierung zu beachten sein wird.
33 Weiter zu beachten ist, dass soweit das Amtsgericht bei der Bemessung des
Kindesunterhalts im Rahmen seiner Ermessensausübung auf die Düsseldorfer Tabelle
zurückgreift, die Tabellenbeträge und nicht die Zahlbeträge zu berücksichtigen sind, wenn
im Ausland für die Kinder kein Kindergeld bezogen wird (Savas, FPR 2013, 101).