Urteil des OLG Stuttgart vom 30.07.2014

OLG Stuttgart: vergütung, auflage, sorgfalt, kritik, unbefangenheit, unparteilichkeit, vogel, zivilprozessordnung

OLG Stuttgart Beschluß vom 30.7.2014, 8 W 388/13
Tenor
1. Die Beschwerde der Sachverständigen ... gegen den Beschluss der 17. Zivilkammer des
Landgerichts Stuttgart vom 05.11.2013, Az. 17 O 65/13, wird
zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
I.
1 Durch Beschluss vom 05.11.2013 hat die 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart den
Antrag des Klägers, die Sachverständige ... wegen Besorgnis der Befangenheit
abzulehnen, für begründet erklärt und entschieden, dass die Sachverständige ... für die
Erstattung ihres Sachverständigengutachtens keine Vergütung erhält und bereits an sie
ausbezahlte Beträge von ihr zurückzuerstatten sind.
2 Gegen den Beschluss vom 05.11.2013 wendet sich die Sachverständige mit ihrer
Beschwerde vom 19.11.2013. Das Landgericht hat dieser nicht abgeholfen und die Akten
dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.
II.
3 Die Beschwerde der Sachverständigen ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthaft und auch im
Übrigen zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
1.
4 Gemäß § 8 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 JVEG neuer Fassung erhält der Sachverständige seine
Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er im
Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder vorsätzlich Gründe geschaffen hat,
die einen Beteiligten zur Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen.
Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt sie als verwertbar (§ 8 a Abs. 2 Satz 2
JVEG neuer Fassung). Diese Neuregelungen sind im vorliegenden Fall gemäß § 24 JVEG
noch nicht anwendbar, da der Auftrag an den Sachverständigen vor dem 01.08.2013 erteilt
worden ist. In der Zeit davor bestand zwar keine entsprechende gesetzliche Regelung,
nach der herrschenden Rechtsprechung führte aber die erfolgreiche Ablehnung des
Sachverständigen und die hierdurch bedingte Unverwertbarkeit des Gutachtens bei nach
der Übernahme des Gutachterauftrages entstandenen Ablehnungsgründen dann zum
Verlust der Vergütung, wenn beim Sachverständigen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit
vorlagen (OLG Stuttgart/Senat BauR 2010, 1111; OLG Karlsruhe BauR 2012, 303; OLG
Rostock JurBüro 2013, 651; Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 29. Auflage 2012, § 413
ZPO, Rdnr. 7 m.w.N.).
2.
5 Grob fahrlässiges Handeln liegt dann vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende
Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall
jedem einleuchten musste (Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Auflage
2014, § 277 BGB, Rdnr. 5 m.w.N.).
6 Im vorliegenden Fall hat das Landgericht zu Recht eine grobe Fahrlässigkeit auf Seiten der
Sachverständigen bejaht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem angegriffenen
Beschluss wird Bezug genommen. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat sich die
Sachverständige auf die Ausführungen des Klägervertreters kurz mit dem Zeigefinger an
die Schläfe getippt und den Vogel gezeigt. Die Sachverständige hat durch die darin
liegende Kränkung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin grob pflichtwidrig Anlass
gegeben, an ihrer Unparteilichkeit, Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit zu
zweifeln. Zu Recht hat das Landgericht die in Rede stehende Geste als besonders
schwerwiegendes Außerachtlassen der von einem Sachverständigen zu erwartenden
Sorgfalt eingestuft. Es muss jedem gerichtlichen Sachverständigen unmittelbar einleuchten,
dass die Grenzen dessen, was eine Partei als gerade noch angemessen hinnehmen muss,
hier klar überschritten sind.
7 Der Beschwerdevortrag der Sachverständigen rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die
Sachverständige versucht wie in erster Instanz, ihr Verhalten als Reflex auf die zum x-ten
Male vorgetragene, aus ihrer Sicht unberechtigte Kritik der Klägerseite zu erklären. Dies
ändert indes nichts an der vorstehenden Bewertung der in Rede stehenden Geste. Es
besteht kein Anlass, diese im Hinblick auf einen „wiederholten, in der Sache unhaltbaren
Einwand des Klägervertreters“ in einem „milderen Licht“ zu sehen. Auch bei einer
Einstufung als „reflexhafte Spontanreaktion“ ändert sich an der Bewertung nichts.
Unerheblich ist schließlich, dass das schriftliche Gutachten zum Zeitpunkt des Vorfalls
bereits erstellt war. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen im
Nichtabhilfebeschluss der 17. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 26.11.2013
verwiesen.
3.
8 Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 4 Abs. 8 JVEG.