Urteil des OLG Stuttgart vom 19.01.2011

OLG Stuttgart: squeeze out, abfindung, unternehmen, wachstum, bekanntgabe, ertragswert, liquidität, rechtliches gehör, öffentliches angebot, eigene aktien

OLG Stuttgart Beschluß vom 19.1.2011, 20 W 3/09
Leitsätze
1. Das Gericht hat nur dann nach § 327f Satz 2 AktG eine vom Angebot abweichende Abfindung zu bestimmen, wenn die angebotene Barabfindung
unangemessen ist. Unangemessen ist die angebotene Abfindung aber nicht schon bei jeder Abweichung eines rechnerisch ermittelten Werts der
Aktie vom angebotenen Betrag, sondern erst bei einer mehr als nur geringfügigen Abweichung.
2. Die Grenze, bis zu der eine Abweichung des nach fundamentalanalytischen Methoden ermittelten Werts vom Angebot noch als geringfügig
anzusehen ist, kann zwar nicht für alle Fälle einheitlich bestimmt werden. Liegt die Abweichung bei einer solchen Ermittlung unter 10%, ist sie aber
jedenfalls dann noch als geringfügig anzusehen, wenn der Börsenkurs der Aktie bis zur Bekanntgabe des Abfindungsangebots deutlich unter dem
angebotenen Betrag lag und während eines längeren Zeitraums stabil war. Der Börsenkurs bestätigt in solchen Fällen mindestens im Rahmen einer
Kontrollüberlegung, dass der Verkehrswert nicht über der angebotenen Abfindung lag.
Tenor
1. Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller Ziffer 1), 2), 24), 25), 26), 28), 30) und 36) gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom
30.01.2009, Az. 32 AktE 2/06 KfH, werden zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens; die im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten
werden nicht erstattet.
3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 200.000 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
1
Gegenstand dieses Spruchverfahrens ist die Bestimmung einer angemessenen Abfindung für die übrigen Aktionäre der W. Aktiengesellschaft
mit Sitz in T. (im Folgenden W) nach § 327f Satz 2 AktG.
I.
2
1. Die W ist im Bereich des Werkzeug- bzw. Maschinenbaus tätig.
3
a) Sie fungiert als Konzernobergesellschaft, die Beteiligungen an drei Tochterunternehmen im Inland und 20 Tochterunternehmen im Ausland
hält. Ursprünglich gliederte sich das Unternehmen der W in die Geschäftsbereiche Maschinenbau (Maschinen), Hartmetallwerkzeuge
(Werkzeuge) und Werkzeugverwaltungssoftware (Software).
4
b) Am 18.05.2003 verkaufte die W ihren Geschäftsbereich Maschinen nebst den zugehörigen Tochtergesellschaften an die K. S. GmbH. Nach
Vollziehung des Kaufvertrages am 31.08.2004 erhielt sie einen Kaufpreis von 52,250 Mio. Euro, woraus im Geschäftsjahr 2004 ein
außerordentlicher Ertrag von 12,5 Mio. Euro resultierte. Ebenfalls im Jahr 2004 erwarb die W sämtliche Anteile an der W.S. ...-Werkzeug AG in
N..
5
c) Dem Geschäftsbereich Software kommt im Verhältnis zu dem verbliebenen Geschäftsbereich Werkzeuge sowohl in Bezug auf das gesamte
Marktvolumen wie auch in Bezug auf die Umsatzerlöse nur eine geringe Bedeutung zu.
6
d) Das Grundkapital der W beträgt 12.782.297,03 Euro. Es ist eingeteilt in 5 Mio. auf den Inhaber lautende Stückaktien, wovon die W 259.423
als eigene Aktien hält. Am 29.10.2002 unterbreitete die Antragsgegnerin den übrigen Aktionären der W ein öffentliches Angebot zum Kauf ihrer
Aktien in dessen Folge sie 94,37% des Grundkapitals der W erwarb. Nach Hinzuerwerb weiterer Aktien wurden spätestens ab Dezember 2004 -
unter Ausblendung der eigenen Aktien - alle Aktien bis auf 168.749 Stück (rund 3,56%) von der Antragsgegnerin gehalten. Die Aktien der W
wurden im amtlichen Handel an den Börsen in Frankfurt (General Standard) und Stuttgart, im Freiverkehr an den Börsen in Berlin-Bremen,
Düsseldorf und München sowie auf XETRA gehandelt.
7
2. Die Antragsgegnerin verlangte im Dezember 2004 die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre nach §§ 327a ff. AktG (Squeeze-
Out). Die W hat dies durch ad-hoc-Mitteilung am 23.12.2004 bekannt gemacht. Eine bereits am 31.07.2003 bekannt gemachte
Ausschlussabsicht war zuvor ausgesetzt worden.
8
3. In ihrem Bericht (Übertragungsbericht) vom 20.04.2005 (AG3) bot die Antragsgegnerin den übrigen Aktionären eine Abfindung in Höhe von
75,50 Euro je Aktie an. In dem Bericht der Hauptaktionärin war auf Seite 21 ff. eine gutachterliche Stellungnahme der P.W.C. GmbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (PWC) vom 18.04.2005 zum Unternehmenswert der W (Unternehmenswertgutachten [GA], AG5) - mit geringen
Auslassungen - im Wortlaut wieder gegeben; die Anlagen des Unternehmenswertgutachtens waren dem Übertragungsbericht beigefügt.
9
a) PWC ermittelte den Unternehmenswert der W anhand der Vorgaben der vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW)
aufgestellten Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1) in der Fassung vom 09.12.2004 (im Folgenden IDW ES1
2004) im Ertragswertverfahren. Dabei gelangte PWC zu einem Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens der W per 01.01.2005 in Höhe
von 333,625 Mio. Euro, der nach Aufzinsung zum 15.06.2005 und Hinzurechnung überschüssiger Liquidität, nicht betriebsnotwendigen
Grundvermögens sowie eines steuerlichen Sonderwerts einen Unternehmenswert von 357,379 Mio. Euro ergab, was 75,39 Euro je Aktie
entspricht (GA S. 45, 47).
10
b) Die Wertermittlung von PWC gründete dabei auf der Entwicklung in den Geschäftsjahren 2002 bis 2004 und den ersten zwei Monaten des
Geschäftsjahres 2005 einerseits sowie der Unternehmensplanung für die Jahre 2005 bis 2008 (Detailplanungsphase [Phase I]) andererseits.
11
c) Die konsolidierte Unternehmensplanung sah in Phase I für den Geschäftsbereich Werkzeuge einen Anstieg des Gesamtumsatzes von
257,066 Mio. Euro in 2005 auf 305 Mio. Euro in 2008 vor (GA S. 33). Demgegenüber wurde ein Anstieg der Herstellungskosten von 127,836
Mio. Euro in 2005 auf 154,703 Mio. Euro in 2008 angenommen (GA S. 35). Bezüglich der Vertriebs- und Verwaltungskosten wurde proportional
zum Anstieg der Umsatzerlöse ein Anstieg von 84,662 Mio. Euro in 2005 auf 101,21 Mio. Euro in 2008 geplant (GA S. 37). Die Abschreibungen
sollten von 13,784 Mio. Euro in 2005 auf 21,005 Mio. Euro in 2008 steigen (GA S. 39). Daraus leitete sich ein EBIT zwischen 38,483 Mio. in
2005 und 42,584 Mio. in 2008 ab (GA S. 38).
12
d) Daraus wurde das in den Jahren ab 2009 (Phase der ewigen Rente [Phase II]) zu erwartende nachhaltige Ergebnis ermittelt, indem das
Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) des Planjahres 2008 zugrunde gelegt und um das Zinsergebnis, die Ertragsteuern sowie die
Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern an Tochtergesellschaften bereinigt wurde (GA S. 29).
13
e) Von den so prognostizierten künftigen Überschüssen sollten auf der Basis der bisherigen Ausschüttungspolitik in Phase I bzw. auf der Basis
der Ausschüttungsquoten von Branchenwettbewerbern in Phase II jeweils 50% ausgeschüttet werden (GA S. 40). Dabei wurden die
persönlichen Ertragsteuern der Anteilseigner nach dem Halbeinkünfteverfahren in typisierter Form berücksichtigt (GA S. 40). In Bezug auf die
thesaurierten Beträge wurde eine Wiederanlage zum Vorsteuerkapitalisierungszinssatz unterstellt (GA S. 30). In Phase II wurde den
Anteilseignern ein steuerfreier Wertbeitrag aus Thesaurierung in Höhe von 13,182 Mio. Euro zugerechnet (GA S. 45).
14
f) Die in den Phasen I und II erwarteten künftigen Erträge wurden mit einem einheitlichen Kapitalisierungszinssatz abgezinst. Dieser setzt sich
aus einem Basiszinssatz von 5,0% vor Steuern bzw. 3,25% nach Steuern (GA S. 41, 44) sowie einem unternehmensspezifischen
Risikozuschlag zusammen. Letzterer wurde aus einer Marktrisikoprämie von 5,5% (nach Steuern) und einem Betafaktor von 0,66
(unverschuldet) ermittelt (GA S. 43 f.). Grundlage des Betafaktors waren die um das Kapitalstrukturrisiko bereinigte Daten einer Gruppe von
Vergleichsunternehmen (Peer Group) aus der Werkzeugmaschinenbranche, da PWC aufgrund der geringen Marktliquidität der Aktie der W für
ungeeignet hielt (GA S. 43). Der Betafaktor wurde periodenspezifisch zur Berücksichtigung des aus der jeweiligen Kapitalstruktur der W
folgenden Risikos auf 0,74 bis 0,70 erhöht (GA S. 44). In Phase II wurde ein Wachstumsabschlag von 1,0% angesetzt (GA S. 44).
15
e) Dem so ermittelten Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens wurden drei Sonderwerte hinzugerechnet (GA S. 46). Dies betrifft zum
einen 110.000 Euro nicht betriebsnotwendiges Grundvermögen der brasilianischen Tochtergesellschaft der W und zum anderen den Wert des
Körperschaftsteuerguthabens der W zum Bewertungsstichtag (2,685 Mio. Euro). Hinzu kommen 10 Mio. Euro überschüssige Liquidität (GA S.
47).
16
5. Durch Beschluss des Landgerichts Stuttgart vom 02.02.2005 wurde die Dr. E. Dr. S. und Partner GmbH, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Steuerberatungsgesellschaft, S., (im Folgenden ESP) zur Prüferin gemäß § 327c Abs. 2 AktG bestellt. In ihrem Bericht (Prüfungsbericht [PB])
vom 26.04.2005 (AG4) bestätigte ESP die Angemessenheit der angebotenen Abfindung von 75,50 Euro je Aktie (PB S. 17). ESP stellte fest,
dass die notwendigen Analysen der Vergangenheitsergebnisse sachgerecht vorgenommen worden (PB S. 9), die den Ertragsprognosen
zugrunde liegenden Planungen nachvollziehbar aus den strategischen Zielen abgeleitet sowie auch vor dem Hintergrund der
Markterwartungen plausibel (PB S. 10) und die verwendeten Kapitalisierungszinssätze angemessen (PB S. 12 f.) seien. Die Sonderwerte seien
rechnerisch zutreffend und sachgerecht zugerechnet worden (PB S. 15).
17
6. Die Hauptversammlung der W beschloss am 15.06.2005 die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf die Antragsgegnerin gegen
eine Abfindung in Höhe von 75,50 Euro je Aktie. Der Übertragungsbeschluss wurde am 22.12.2005 in das Handelsregister eingetragen; die
Eintragung wurde am 26.01.2006 im Bundesanzeiger bekannt gemacht.
18
7. Der nach Umsätzen gewichtete durchschnittliche Kurs der Aktie der W betrug im Zeitraum von drei Monaten vor dem 31.07.2003 40,49 Euro
(PB S. 8), vor dem 23.12.2004 45,02 Euro (ÜB S. 45) und im Zeitraum von drei Monaten vor dem 15.06.2005 70,22 Euro (Bl. 301). Im
Dreimonatszeitraum vor dem 23.12.2004 wurden nur an 17 von 66 Handelstagen Umsätze mit Aktien der W beobachtet; das gesamte
Handelsvolumen in diesem Zeitraum beschränkte sich auf 14.995 Aktien (GA S. 49). Im Dreimonatszeitraum vor Ankündigung eines öffentlichen
Kaufangebots am 10.09.2002 betrug der nach Handelsumsätzen gewichtete Dreimonatsdurchschnittskurs der Aktie der W 26,41 Euro (Bl. 301).
Wegen der Einzelheiten zur Kursentwicklung und zu den Handelsvolumina der Aktie vor dem Bewertungsstichtag wird auf Anlage AG 2 (nach
Bl. 300) verwiesen.
II.
19
Die Antragsteller begehren im Spruchverfahren die Festsetzung einer über 75,50 Euro je Aktie hinausgehenden Abfindung.
20
1. Sie erheben formale Einwände, kritisieren den bei der Barwertberechnung verwendeten Kapitalisierungszinssatz und wenden sich
insbesondere gegen die im Rahmen des Ertragswertverfahrens zugrunde gelegten Ertragsprognosen.
21
2. Der gemeinsame Vertreter der nicht antragstellenden Aktionäre hat sich nicht schriftsätzlich geäußert.
22
3. Die Antragsgegnerin ist dem Erhöhungsverlangen entgegen getreten.
23
4. Das Landgericht hat die für ESP tätigen Wirtschaftsprüfer Dr. R. und W. in der mündlichen Verhandlung am 22.01.2008 als sachverständige
Prüfer angehört (Bl. 458 ff.). Diese haben ihre Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung durch schriftliche Stellungnahme vom 10.03.2008
zu einem Fragenkatalog des Gerichts ergänzt (Bl. 481 ff.). Das Landgericht gab den Verfahrensbeteiligten durch Verfügung vom 14.04.2008
Gelegenheit, bis zum 10.07.2008 zu den schriftlichen Ausführungen der sachverständigen Prüfer Stellung zu nehmen bzw. weitere Fragen an
sie zu formulieren. Hiervon haben nur die Antragsgegnerin sowie die Antragsteller Ziffer 24) bis 26) Gebrauch gemacht; letztere lehnten eine
weitere Befragung der sachverständigen Prüfer ausdrücklich ab (Bl. 567). Das Landgericht verzichtete deshalb auf die zunächst ins Auge
gefasste Fortsetzung der mündlichen Verhandlung in einem Folgetermin (Bl. 475).
III.
24
Das Landgericht hat die Anträge auf Festsetzung einer höheren Abfindung durch Beschluss vom 30.01.2009 zurückgewiesen (Bl. 593 ff.). Es
hielt die angebotene Abfindung für angemessen. Dabei legte es zur Ermittlung des Ertragswerts der W die im Unternehmenswertgutachten
angenommenen Ertragsprognosen und Kapitalisierungszinssätze sowie die dort angesetzten Sonderwerte zugrunde, ohne diese zu
beanstanden.
IV.
25
Gegen den ihnen zu den nachfolgenden Zeitpunkten zugestellten Beschluss des Landgerichts haben mehrere Antragsteller wie folgt sofortige
Beschwerde eingelegt und diese begründet:
26
Antragsteller Ziffer
Zustellung Beschluss
Eingang sofortige Beschwerde
Fundstelle Akten
1)
12.02.2009
25.02.2009
Bl. 640, 668, 706, 755
2)
12.02.2009
25.02.2009
Bl. 643, 668, 706, 755
24)
12.02.2009
23.02.2009
Bl. 621, 653, 757
25)
12.02.2009
23.02.2009
Bl. 621, 653, 757
26)
12.02.2009
23.02.2009
Bl. 621, 653, 757
28)
17.02.2009
02.03.2009
Bl. 628, 688, 690
30)
12.02.2009
26.02.2009
Bl. 619, 686, 705
36)
12.02.2009
24.02.2009
Bl. 626, 670, 764
27
1. Die Beschwerdeführer begehren die Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung und die Bestimmung einer 75,50 Euro je Aktie
übersteigenden Abfindung. Dazu tragen sie im Wesentlichen vor:
28
a) Der angefochtene Beschluss könne schon deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht kein Sachverständigengutachten zum
Unternehmenswert der W eingeholt, sondern sich auf die Anhörung der sachverständigen Prüfer beschränkt habe (Bl. 654, 671). Zu Unrecht
habe das Landgericht zudem angenommen, dass die Ertragsprognosen nur eingeschränkt überprüfbar seien (Bl. 672). Jedenfalls habe sich
das Landgericht mit den Bewertungsrügen der Antragsteller nicht hinreichend auseinandergesetzt (Bl. 674).
29
b) Der Ertragswert des Unternehmens der W liege über 75,50 Euro je Aktie.
30
aa) Die künftigen Erträge seien zu niedrig angesetzt worden.
31
(1) Die dem Unternehmenswertgutachten zugrunde gelegte Unternehmensplanung sei schon wegen ihres Widerspruchs zu dem für den
Zeitraum von 2002 bis 2007 erstellten „Double-in-Five“-Programms (im Folgenden „DIF“) nicht plausibel (Bl. 657, 678, 707).
32
Das Landgericht habe das „DIF“ willkürlich nicht berücksichtigt (Bl. 656). Die Geschäftsleitung könne nicht einerseits zur Motivation der
Mitarbeiter ein solches Programm verkünden und andererseits für die „wirkliche Arbeit im Unternehmen“ von ganz anderen Zahlen ausgehen
(Bl. 657, 691). Dass die Ziele des „DIF“ tatsächlich erreicht worden seien, folge aus Veröffentlichungen über Gespräche mit dem
Vorstandsvorsitzenden der W im Schwäbischen Tagblatt vom 24.02.2006 (dort Seite 23, Bl. 681) bzw. in der Zeitschrift „Die Produktion“ vom
21.09.2006 (dort Seite 5, Bl. 683) (Bl. 658, 706 f.). Eine solche Zielerreichung sei nicht möglich gewesen, wenn die wirkliche
Unternehmensplanung nicht an den Zielen des „DIF“ ausgerichtete gewesen wäre (Bl. 659).
33
Jedenfalls hätte es dem Landgericht oblegen - ggf. mit der Hilfe eines Sachverständigen - eine dem „DIF“ entsprechende Ertragsplanung zu
erstellen (Bl. 659, 679).
34
Ein Antragsteller rügte insoweit, das Landgericht hätte nicht die Bekundungen der von der Antragsgegnerin abhängigen Angestellten
heranziehen dürfen (Bl. 655). Ein anderer Antragsteller berief sich zum Beweis dafür, dass „die Unternehmensplanung "DIF" nicht der
Produktion von bunten Bildchen für die Betriebskantine und der Ausschmückung der Verkehrsräume der Gesellschaft diente, sondern Ausfluss
der tatsächlichen Ertrags- und Umsatzerwartungen war und diese auch zum Bewertungsstichtag noch fortbestanden“ auf das Zeugnis des
Vorstandsvorsitzenden der W (Bl. 680).
35
(2) Die Ertragsprognosen seien auch im Übrigen fehlerhaft.
36
(2.1) Fehl gehe die Annahme der sachverständigen Prüfer, die Unternehmensplanung habe ein Wachstum von 9,4% jährlich vorgesehen. Die
Umsatzerlöse seien nach der Planung im Unternehmenswertgutachten nur von 2006 nach 2007 um 9,2%, im Übrigen aber deutlich geringer
gestiegen (Bl. 694).
37
(2.2) Die Behauptung der sachverständigen Prüfer, die W befände sich in einem Verdrängungswettbewerb, sei nicht hinreichend belegt (Bl.
695).
38
(2.3) Der Anstieg der Verwaltungskostenquote innerhalb von Phase I lasse sich nicht durch den bereits 2004 eingetretenen Wegfall des
Geschäftsbereichs Maschinen erklären (Bl. 695).
39
(2.4) Die Pensionsrückstellungen seien nicht berechnet und die Ausgangsdaten der Pensionsberechnungen nicht überprüft worden (Bl. 696).
40
(2.5) Nicht gesichert sei, dass die Erträge der einzelnen Beteiligungen in der richtigen Höhe eingeflossen seien; nicht selten werde die
Thesaurierung von Gewinnen in Beteiligungsgesellschaften unterstellt (Bl. 696).
41
(2.6) Zum Zinsergebnis hätten die sachverständigen Prüfer nicht mitgeteilt, welche Zinssätze innerhalb des Konzerns angesetzt wurden (Bl.
697).
42
bb) Daneben beanstanden die Beschwerdeführer die Kapitalisierungszinssätze.
43
(1) Der Basiszinssatz hätte - entsprechend den zum Bewertungsstichtag aktuellen Zinsstrukturdaten - mit 4,5% (Bl. 660 f., 707) bzw. 4,42 % (Bl.
765, 775) angesetzt werden müssen. Zum Bewertungsstichtag habe entgegen der Auffassung des Landgerichts der Basiszinssatz nicht mit
5,0% bemessen werden dürfen (Bl. 698).
44
(2) Der Risikozuschlag sei fehlerhaft angesetzt worden. Das angewandte CAPM sei bereits methodisch untauglich (Bl. 774).
45
(2.1) Bei seinen Ausführungen zur Marktrisikoprämie habe das Landgericht zudem verkannt, dass auch Aktienrenditen steuerbar seien (Bl. 661,
698). Träfe die vom Landgericht angenommene Überrendite von Aktien zu, sei im Übrigen nicht zu erklären, warum Anleger in langfristige
Rentenpapiere investierten (Bl. 661).
46
(2.2) Bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie verbiete sich eine arithmetische Mittelwertbildung (Bl. 766 ff.); die Überrendite von Aktien
gegenüber Renten dürfe zudem nur relativ angegeben werden (Bl. 770 ff.).
47
(2.3) Schließlich habe sich das Landgericht mit der Auffassung, dass zumindest in Phase I kein Risikozuschlag angesetzt werden dürfe, nicht
auseinandergesetzt (Bl. 765).
48
(3) Anstelle des Peer-Group-Betafaktors sei der „originäre“ Betafaktor der W anzuwenden (Bl. 669).
49
(4) Bei der Bemessung des Wachstumsabschlags müssten zum einen die nominalen Ertragswerterhöhungen infolge der Geldentwertung und
zum anderen die aus dem inflationsbereinigten Wachstum des Unternehmens folgenden Ertragssteigerungen berücksichtigt werden (Bl. 662).
Der Ansatz eines Werts unterhalb der Inflationsrate sei in Bezug auf die erste Komponente nur in engen - hier nicht einschlägigen -
Ausnahmefällen zulässig (Bl. 663, 759). Im Übrigen belegten Studien der Europäischen Zentralbank (EZB), dass sich die Erträge der
börsennotierten Unternehmen im Euroraum langfristig in etwa im Einklang mit dem Bruttoinlandsprodukt entwickelten.
50
cc) Das nicht betriebsnotwendige Vermögen sei zu niedrig bemessen worden. Hinsichtlich der Betriebsnotwendigkeit der Beteiligung an der F.
hätte sich das Landgericht lediglich auf die Auskünfte des Managements der W bezogen (Bl. 697).
51
2. Die Antragsgegnerin verteidigt dagegen die Entscheidung des Landgerichts (Bl. 724 ff., 761 f.).
52
a) Das Landgericht habe die Anträge schon deshalb zu Recht zurückgewiesen, weil die angebotene Abfindung um 50% über dem
Dreimonatsdurchschnittskurs der Aktie der W im Zeitraum vor der Bekanntgabe der Abfindung am 20.04.2005 gelegen habe (Bl. 725).
53
b) Die von den Beschwerdeführern gegen die fundamentalanalytische Unternehmensbewertung vorgebrachten Rügen seien im Übrigen
unbegründet.
54
aa) Die künftigen Erträge der W seien sachgerecht und zutreffend geschätzt worden.
55
(1) Bei dem „DIF“ handele es sich lediglich um einen 2002 ausgegebenen Slogan, um Mitarbeiter anzuspornen und zu motivieren (Bl. 731).
Dies hätten sowohl die sachverständigen Prüfer als auch die angehörten Mitarbeiter in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht
bestätigt (Bl. 731). Mit der vom Aufsichtsrat gebilligten tatsächlichen Unternehmensplanung habe das „DIF“ nichts zu tun (Bl. 732).
56
(2) Aus Ereignissen nach dem Bewertungsstichtag könne nichts Anderes abgeleitet werden. Dies gelte sowohl für die Bewältigung der sich aus
dem Brand im Januar 2006 für das Unternehmen ergebenden Folgen als auch für die - auf einem guten Verlauf des Geschäftsjahres 2006
beruhenden - Äußerungen des Vorstands im September 2006 (Bl. 734).
57
(3) Hinsichtlich der Vertriebs- und Verwaltungskosten sei zu bedenken, dass diese noch bis 2006 über Service-Verträge an die vormalige
Maschinenbausparte weiter gereicht werden konnten (Bl. 736).
58
(4) Anlass, die Pensionsrückstellungen und die Ausgangsdaten der Pensionsberechnung noch weiter zu hinterfragen, habe angesichts der
Testierung der Jahresabschlüsse 2004 und der Vorlage der versicherungsmathematischen Berechnungen nicht bestanden (Bl. 736).
59
(5) Die konzerninternen Zinssätze seien jeweils am Kapitalmarkt orientiert gewesen; innerhalb des Konzerns der Antragsgegnerin würden
dieselben Zinskonditionen gewährt wie Dritten gegenüber; dies sei schon aus steuerrechtlichen Gründen geboten (Bl. 736).
60
bb) Das Landgericht habe die Kapitalisierungszinssätze zutreffend angesetzt.
61
(1) Der Basiszinssatz von 5,0% habe den zum Bewertungsstichtag aktuellen Empfehlungen des IDW entsprochen.
62
(2) Die Richtigkeit von Marktrisikoprämie und Wachstumsabschlag hätten die sachverständigen Prüfer zutreffend bestätigt (Bl. 737).
63
cc) Über die im Unternehmenswertgutachten angesetzten Werte hinaus existiere kein nicht betriebsnotwendiges Vermögen.
64
(1) Die Beteiligung an der F. sei zu Recht als betriebsnotwendig eingestuft worden, da es sich um eine Objektgesellschaft handele, welche das
Betriebsgrundstück der französischen Tochtergesellschaft der W halte (Bl. 737).
65
(2) Aus dem Umstand, dass ein Antragsteller auf dem Gelände der italienischen Tochtergesellschaft der W den Flaggenmast eines anderen
Unternehmens gesehen haben will, folge nicht, dass das Grundstück ganz oder teilweise nicht betriebsnotwendiges Vermögen darstelle.
Vielmehr sei ein Teil des Gebäudes bereits 1994 verkauft worden (Bl. 737, AG8).
66
Die Antragsteller Ziffer 1) und 2) rügten insoweit, dass der Kaufvertrag (AG8) nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht
vorgelegt worden sei (Bl. 755).
67
3. Der gemeinsame Vertreter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
B.
68
Die von den Antragstellern Ziffer 1), 2), 24), 25), 26), 28), 30) und 36) erhobenen sofortigen Beschwerden sind zwar zulässig, aber unbegründet.
I.
69
Hinsichtlich der Zulässigkeit bestehen zwar keine Bedenken.
70
1. Die sofortigen Beschwerden sind zulässig. Sie wurden nach dem gemäß Artikel 111 Satz 1 FGG-Reformgesetz für dieses Verfahren in der
Fassung bis zum 31.08.2009 weiter anzuwendenden § 12 Abs. 1 SpruchG form- und fristgerecht eingelegt.
71
2. Die Zulässigkeit der Anträge wurde weder vom Landgericht noch im Beschwerdeverfahren in Frage gestellt; Zulässigkeitsmängel sind auch
nicht ersichtlich.
II.
72
Die Beschwerden sind aber unbegründet.
73
Die übrigen Aktionäre, deren Aktien auf die Antragsgegnerin übertragen wurden, haben nach §§ 327a Abs. 1 Satz 1, 327b Abs. 1 Satz 1 AktG
einen Anspruch auf eine angemessene Barabfindung, die ihnen eine volle wirtschaftliche Kompensation für den Verlust ihrer Beteiligung an
dem Unternehmen verschafft; (BVerfG, ZIP 2007, 1261 [juris Rn. 24]; BGH, ZIP 2005, 2107 [juris Rn. 2]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn.
23]; Singhof in Spindler/Stilz, § 327b Rn. 4; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 327b Rn. 5.) diese bemisst sich nach dem Grenzpreis, zu dem der
Minderheitsaktionär bei einer freiwilligen Desinvestitionsentscheidung ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden könnte. (OLG Stuttgart,
NZG 2007, 112 [juris Rn. 23].)
74
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer bedarf es keiner weiteren Gutachten zum Unternehmenswert der W (dazu unten 1.). Die
Berücksichtigung des Liquidationswerts, des Börsenwerts sowie von Verzinsungsaspekten gebieten keine den angebotenen Betrag
übersteigende Abfindung (dazu unten 2.). Die fundamentalanalytische Ermittlung des Unternehmenswerts der W führt zwar angesichts einer
gebotenen Korrektur im Bereich der Kapitalisierungszinssätze zu einem Wert je Aktie, der den angebotenen Betrag rechnerisch übersteigt; das
Landgericht hat aber zu Recht keine höhere Abfindung festgesetzt, da das Abfindungsangebot im Ergebnis nicht unangemessen ist (dazu unten
3.).
75
1. Die von den Antragstellern erhobenen formalen Rügen gebieten keine umfassende Neubewertung des Unternehmens der W im
Beschwerdeverfahren.
76
a) Das Landgericht hat sich zu Recht entsprechend der Intension des Spruchverfahrensneuordnungsgesetzes (Dazu vgl. Winter in Simon,
SpruchG, Vor § 7 Rn. 49.) auf die Anhörung der sachverständigen Prüfer nach § 8 Abs. 2 SpruchG beschränkt. Die hiergegen erhobenen
Einwendungen gehen fehl.
77
aa) Die Kritik an der nach § 327c Abs. 2 Satz 2 AktG durchgeführten Prüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung gebietet keine
umfassende Neubewertung. Die Prüferin wurde entsprechend den Vorgaben des § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG vom Gericht ausgewählt. Dies gilt
auch dann, wenn sie von der Antragsgegnerin vorgeschlagen wurde; (OLG Stuttgart, ZIP 2003, 2363 [juris Rn. 19].) die Unabhängigkeit der
Prüferin wird dadurch nicht tangiert. (BGH, ZIP 2006, 2080 [juris Rn. 13]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 139].) Dass die Prüfung
ordnungsgemäß durchgeführt wurde, wird durch den Umstand, dass die Prüferin parallel zu PWC tätig wurde, nicht in Frage gestellt. (OLG
Stuttgart, NZG 2004, 146 [juris Rn. 21 ff.]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 26]; BGH, ZIP 2006, 2080 [juris Rn. 14].)
78
bb) Der Inhalt des Prüfungsberichts ist entgegen der Auffassung einzelner Antragsteller nicht unzureichend. Zwar hat die Prüferin nach § 327c
Abs. 2 Satz 2 AktG die Angemessenheit der angebotenen Abfindung zu prüfen. Das bedeutet aber weder, dass sie das Unternehmen
vollständig neu zu bewerten hätte, noch dass sie begründen müsste, warum die angebotene Abfindung „die einzig Richtige“ sei. Vielmehr hat
sie zu beurteilen, ob die angewendeten Methoden der Unternehmensbewertung sowie die getroffenen Prognose- und
Wertungsentscheidungen vertretbar waren und den Regeln einer ordnungsgemäßen Unternehmensbewertung entsprachen. (OLG Stuttgart,
ZIP 2010, 274 [juris Rn. 140]; zum parallel zu behandelnden Fall des Verschmelzungsprüfungsberichts Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 4. Aufl.,
§ 9 Rn. 11; Müller in Kallmeyer, UmwG, 3. Aufl., § 9 Rn. 19; Mayer in Widmann/Mayer, UmwG, § 9 Rn. 33.)
79
cc) Aus der von einem Beschwerdeführer angeführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Bl. 674) folgt schon deshalb nichts Anderes, weil
es sich dabei nicht um ein nach den Bestimmungen des SpruchG durchzuführendes Spruchverfahren, sondern um eine den Regelungen der
ZPO unterfallende Beschlussmängelklage handelte. (Vgl. BGH, AG 2007, 625 [juris Rn. 4].)
80
b) Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass die Antragsgegnerin einzelnen Aktionären die von diesen pauschal geforderten, nicht
weiter spezifizierten Unterlagen, die Grundlage der Unternehmensbewertung durch PWC und ihrer Überprüfung durch die gerichtlich bestellte
Prüferin waren, nicht zur Verfügung gestellt hat, insbesondere die Unterlagen zur Bewertung von Immobilien und Beteiligungen der W bzw. die
auf Seite 2 des Prüfungsberichts bezeichneten Dokumente. Das Landgericht war nicht gehalten, die Antragsgegnerin zur Vorlage dieser
Dokumente zu verpflichten. Zwar verpflichtet § 7 Abs. 7 SpruchG die Antragsgegnerin, dem Gericht auf Verlangen Unterlagen vorzulegen; dies
gilt aber nur für solche, die für die Entscheidung des Gerichts erheblich sind. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 141]; ebenso Winter in
Simon, SpruchG, § 7 Rn. 59 f.) Die Entscheidungserheblichkeit des Inhalts der vorgenannten Unterlagen ist indessen weder dargetan noch
ersichtlich. Da das Merkmal der Entscheidungserheblichkeit die Vorlagepflicht sachgerecht begrenzen soll, kann es nicht schon dann erfüllt
sein, wenn die betreffende Unterlage überhaupt mit der Bewertung zu tun hat, da dies im Ausgangspunkt auf sämtliche unternehmensbezogene
Dokumente zutrifft. (Winter in Simon, SpruchG, § 7 Rn. 60.) Im Übrigen ist zu bedenken, dass die Unternehmensplanung und die Grundlagen
der Bewertung des nicht betriebsnotwendigen Vermögens jedenfalls ihren wesentlichen Inhalten nach bereits im Unternehmenswertgutachten
und damit im Übertragungsbericht wieder gegeben sind; inwieweit die vorgenannten Unterlagen demgegenüber weitere, für die Entscheidung
des Senats erhebliche Informationen enthalten sollen, ist nicht erkennbar.
81
2. Die Angemessenheit der angebotenen Abfindung wird weder bei Berücksichtigung des Liquidationswerts (dazu unten a)) noch des
Börsenwerts (dazu unten b)) oder unter dem Aspekt der Verzinsung (dazu unten c)) in Frage gestellt.
82
a) Würde man den Wert des Unternehmens der W nach Liquidationswerten bemessen, ergäbe sich je Aktie kein Betrag, der das Angebot
übersteigt.
83
aa) Dahin gestellt bleiben kann, ob bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung der Liquidationswert dann als Unternehmenswert
anzusetzen ist, wenn er den unter Fortführungsgesichtspunkten ermittelten Ertragswert übersteigt, oder ob ein höherer Liquidationswert zu
vernachlässigen ist, wenn eine Liquidation weder notwendig noch beabsichtigt ist, sondern das Unternehmen fortgeführt werden soll und dies
auch wirtschaftlich vertreten werden kann. (OLG Stuttgart, ZIP 2008, 883 [juris Rn. 94]; OLG Stuttgart, AGl2010, 510 [juris Rn. 218].)
84
bb) Jedenfalls ist hier nach den ausdrücklichen Feststellungen der gerichtlich bestellten Prüferin bzw. der sachverständigen Prüfer (PB S. 7, Bl.
463) nicht ersichtlich, dass die Veräußerung des betriebsnotwendigen Vermögens nach Abzug der Kosten zugunsten der übrigen Aktionäre
einen höheren Wert ergäbe als den Barwert der künftigen Nettozuflüsse an die Anteilseigner im Fall der Unternehmensfortführung (dazu unten
3. a) bis c)). Nicht zu beanstanden ist vor diesem Hintergrund, dass weder im Übertragungsbericht noch im Prüfungsbericht der Liquidationswert
der W beziffert wurde; in einem solchen Fall ist die gesonderte Ermittlung des Liquidationswerts des Unternehmens nicht geboten. (Vgl. OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 301 ff.]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 218].)
85
b) Die Berücksichtigung des Börsenkurses der Aktien der W lässt den angebotenen Betrag ebenfalls nicht unangemessen erscheinen.
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aa) Zwar darf bei der Ermittlung der angemessenen Abfindung für die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die Antragsgegnerin
der Börsenkurs der Aktien nicht unberücksichtigt bleiben. Er bildet - weil und soweit er dem Verkehrswert der Aktie entspricht - den Grenzpreis
ab, zu dem der Aktionär bei einer freiwilligen Desinvestitionsentscheidung ohne Nachteil aus der Gesellschaft ausscheiden könnte, (OLG
Stuttgart, ZIP 2008, 883 [juris Rn. 33]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 95]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 221].) und stellt deshalb
in der Regel - mindestens - die Untergrenze der Abfindung dar. (BVerfGE 100, 289 [juris Rn. 63] „DAT/Altana“; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274
[juris Rn. 95]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 221].)
87
bb) Der insoweit maßgebliche Börsenwert liegt aber unter dem angebotenen Betrag von 75,50 Euro.
88
(1) Der Börsenwert bestimmt sich nach dem anhand von Handelsumsätzen gewichteten Durchschnittskurs einer dreimonatigen
Referenzperiode. (BGHZ 147, 108 [juris Rn. 24] „DAT/Altana“; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 222].) Diese Referenzperiode endet nicht
erst mit der Hauptversammlung am 15.06.2005, die den Übertragungsbeschluss gefasst hat, sondern bereits mit der Bekanntgabe der Absicht,
einen Squeeze-Out durchzuführen, (BGH, AG 2010, 629 [juris Rn. 20 und 25] „Stollwerck“; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 222]; OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 111]; OLG Düsseldorf, AG 2010, 35 [juris Rn. 49].) hier also am 23.12.2004.
89
(2) Zwar kann im Einzelfall geboten sein, den aus einer dreimonatigen Referenzperiode vor Ankündigung des Squeeze-Out ermittelten
Durchschnittskurs anhand der allgemeinen oder branchentypischen Wertentwicklung hochzurechnen, wenn zwischen der Ankündigung und
dem Bewertungsstichtag ein längerer Zeitraum verstreicht und die vorgenannte Entwicklung eine Anpassung geboten erscheinen lässt. (BGH,
AG 2010, 629 [juris Rn. 29] „Stollwerck“.) Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt.
90
(2.1) Das Erfordernis der Berücksichtigung der Entwicklung über die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme hinaus im Wege der Hochrechnung
soll lediglich vor Missbrauch der mit der Bekanntgabe verbundenen Gestaltungsmöglichkeiten durch den Mehrheitsaktionär schützen. Dieser
soll insbesondere nicht in der Lage sein, durch ein frühzeitiges Ankündigen der Maßnahme und anschließendes Zuwarten mit ihrer Umsetzung
die übrigen Aktionäre von einer positiven Börsenentwicklung auszuschließen. (BGH, AG 2010, 629 [juris Rn. 29] „Stollwerck“.)
91
(2.2) Vor diesem Hintergrund muss die Berücksichtigung von Entwicklungen über die Bekanntgabe der Strukturmaßnahme hinaus auf
Ausnahmefälle beschränkt sein, in denen die Durchführung der angekündigten Maßnahmen ohne sachlichen Grund verzögert wurde. Nicht
geboten ist die Berücksichtigung nachträglicher Entwicklungen dagegen in den Fällen, in denen die Maßnahme innerhalb eines normalen oder
üblichen Fahrplans durchgeführt wurde. Als normal oder üblich wird man angesichts des Aufwands für Bewertung, Prüfung, und Vorbereitung
der Hauptversammlung jedenfalls noch einen Zeitraum bis zu sechs Monaten ansehen müssen. (Bungert, BB 2010, 2227, 2229; Bücker, NZG
2010, 967, 970.) Der Bundesgerichtshof hat einen „längeren Zeitraum“ erst ab einer Dauer von siebeneinhalb Monaten angenommen. (BGH,
AG 2010, 629 [juris Rn. 30] „Stollwerck“.)
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(2.3) Zwischen der Bekanntgabe der Ausschlussabsicht am 23.12.2004 und der Fassung des Übertragungsbeschlusses durch die
Hauptversammlung am 15.06.2005 liegen hier indessen weniger als sechs Monate.
93
(3) Demgegenüber können sich die übrigen Aktionäre nicht auf einzelne Kurse der W-Aktie berufen, die über dem angebotenen Betrag von
75,50 Euro lagen. Bei der angemessenen Entschädigung der übrigen Aktionäre sind nicht mehr oder weniger zufällig ausgewählte Einzelkurse
zu berücksichtigen, sondern der in einem bestimmten Referenzzeitraum ermittelte Durchschnittskurs. (BGHZ 147, 108 [juris Rn. 24]
„DAT/Altana“.) Unerheblich ist deshalb, dass der Kurs der W-Aktie am letzten Handelstag in Frankfurt/Main bei 80,40 Euro lag.
94
c) Die Angemessenheit des Angebots entfällt auch nicht unter Verzinsungsaspekten. Eine Verzinsung der Abfindung kann über § 327b Abs. 2
AktG hinaus nicht beansprucht werden. § 327b Abs. 2 AktG sieht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine Verzinsungspflicht erst ab
der Bekanntmachung der Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister vor. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts der Aktie sind
Zinsen darüber hinaus nicht zu berücksichtigen. Bis zur Eintragung des Übertragungsbeschlusses kann der Aktionäre an Wertsteigerungen
grundsätzlich durch den Fortbestand seiner Mitgliedschaftsrechte, insbesondere seines Anspruchs auf Dividendenauszahlung partizipieren.
(OLG Stuttgart, AG 2006, 340 [juris Rn. 30].)
95
3. Die fundamentalanalytische Ermittlung des Unternehmenswerts der W führt zwar zu einem Wert je Aktie, der den angebotenen Betrag von
75,50 je Aktie rechnerisch übersteigt (dazu unten a) bis c)); das Landgericht hat aber im Ergebnis zu Recht keine höhere Abfindung festgesetzt,
da sich dennoch nicht feststellen lässt, dass die angebotene Abfindung unangemessen ist (dazu unten d).
96
Die von PWC zur Ermittlung des Unternehmenswerts der W durchgeführte, von der gerichtlich bestellten Prüferin nicht beanstandete,
fundamentalanalytische Bewertung im Ertragswertverfahren zu dem nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG maßgeblichen Tag der Hauptversammlung
am 15.06.2005 (Bewertungsstichtag) begegnet keinen methodischen Bedenken. Die Ertragswertmethode ist als eine geeignete Methode der
Unternehmensbewertung anerkannt, (BGH, NJW 2003, 3272, 3273; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 30]; BayObLG, NJW-RR 1996,
1125, 1126; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 305 Rn. 19.) verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG, NJW 1999, 3769, 3771.) und wurde von den
übrigen Aktionären sowie dem gemeinsamen Vertreter als geeignete Methode auch nicht in Frage gestellt.
97
Nach der Ertragswertmethode sind die den Aktionären künftig zufließenden Erträge der W zu schätzen (dazu unten a)) und jeweils mit dem
Kapitalisierungszinssatz (dazu unten b)) abzuzinsen; Sonderwerte sind hinzuzurechnen (dazu unten c)). Bei der Überprüfung der
Ertragswertermittlung im Unternehmenswertgutachten ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Tatsachenfeststellung in Spruchverfahren §
287 Abs. 2 ZPO anwendbar ist, weil Bewertung in diesem Bereich naturgemäß nur eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung und keine
punktgenaue Messung sein kann. (Vgl. auch § 738 Abs. 2 BGB, § 260 Abs. 2 Satz 3 AktG.) Das folgt vor allem aus dem heute allgemein
anerkannten Grundsatz, dass eine Unternehmensbewertung notwendigerweise auf Prognosen über künftige Entwicklungen gestützt werden
muss, von denen es nicht nur eine Richtige gibt und die im seltensten Fall auch so wie vorhergesagt eintreffen. (Vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2010,
274 [juris Rn. 137].)
98
Eine gerichtliche Korrektur ist allerdings nach § 327f Satz 2 AktG nur veranlasst, wenn die angebotene Abfindung unangemessen ist; dies ist
hier nicht der Fall (dazu unten d)).
99
a) Nicht zu beanstanden ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer, dass das Landgericht die im Rahmen des
Unternehmenswertgutachtens zugrunde gelegten Prognosen der künftigen Erträge der W übernommen hat. Dies gilt sowohl für die Analyse der
Vergangenheit, auf der die Prognosen gründen (dazu unten aa)), als auch für die Ertragsprognosen in Phase I (dazu unten bb)) bzw. in Phase II
(dazu unten cc)) und die Ausschüttungsannahmen bzw. die Berücksichtigung typisierter persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner (dazu
unten dd)).
100 aa) Die Prognose der künftigen Erträge des Unternehmens, auf denen das Unternehmenswertgutachten gründet, beruhen auf einer
hinreichenden Analyse und Bereinigung der Ergebnisse der Vergangenheit.
101 (1) Die besonderen Verhältnisse des Unternehmens der W geben insbesondere keinen Anlass, die Analyse der Vergangenheitsergebnisse
über den Zeitraum von drei Jahren (2002 bis 2004) hinaus zu erstrecken. Nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer korreliert die
Entwicklung der Werkzeugbranche, in welcher die W tätig ist, mit derjenigen des Maschinenbaus; dieser Markt bewegt sich zyklisch in einer
relativ regelmäßigen Zeitspanne von drei bis vier Jahren (Bl. 470, 533 f.). Dieser Zyklus spiegelt sich grundsätzlich auch in der Entwicklung der
W wider, wie die sachverständigen Prüfer anhand der Entwicklung des EBIT der W von 1999 bis 2008 dargestellt haben (Bl. 521).
102 (2) Fehl geht der Einwand einzelner Antragsteller, die erforderlichen Bereinigungen der Vergangenheitsdaten seien unterblieben.
103 (2.1) Dem Umstand, dass die W 2004 mit ihrem Geschäftsbereich Maschinen einen wesentlichen Teil ihres Unternehmens veräußerte, ist im
Unternehmenswertgutachten dadurch Rechnung getragen, dass die Vergangenheitsdaten nach Geschäftsbereichen getrennt analysiert
wurden (GA S. 24), so dass die Zukunftsprognosen auf die Vergangenheitsdaten der verbliebenen Geschäftsbereiche Werkzeug und Software
gestützt werden können. Auf die Phase I wirkt sich die Veräußerung im Übrigen nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer nur
geringfügig aus (Bl. 494). Unbegründet ist zudem die Befürchtung einzelner Antragsteller, der Aufwand des Jahres 2004 könnte durch die
Veräußerung des Geschäftsbereichs „Maschinen“ beeinflusst worden sein, weil die im Jahresabschluss 2004 gebildeten Steuerrückstellungen
dem aus der Veräußerung erzielten Ertrag geschuldet seien; die sachverständigen Prüfer haben festgestellt, dass der den Rückstellungen
zugrunde liegende Steueraufwand plausibel errechnet wurde und im Wesentlichen auf der Erhöhung des EBIT im Geschäftsbereich
„Werkzeug“ von 18,362 Mio. Euro in 2003 auf 29,709 Mio. Euro in 2004 beruht (Bl. 523, ÜB S. 28). Schließlich wird die Plausibilität der 2002 bis
2004 gebildeten Pensionsrückstellungen nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer (Bl. 524) durch die Reduzierung der
Mitarbeiterzahl infolge der Veräußerung des Geschäftsbereichs „Maschinen“ nicht in Frage gestellt. Zum einen sei nur ein Teil der
ausgeschiedenen Mitarbeiter pensionsberechtigt gewesen, zum anderen seien Rückstellungen schon aufgrund des Zinseffekts und der weiter
zurück gelegten Dienstzeiten zu erhöhen (Bl. 525).
104 (2.2) Die Investitionstätigkeit der W in den Jahren 2002 bis 2004 gibt zu Bereinigungen ebenfalls keinen Anlass, da sie nach den Feststellungen
der sachverständigen Prüfer Bestandteil der operativen Unternehmenstätigkeit und notwendige Voraussetzung für die geplanten künftigen
Umsatzzuwächse war (Bl. 491). Ähnliches gilt für die 2004 gebildete Rückstellung für ein geändertes Logistikkonzept. Diese deckt nach den
Feststellungen der sachverständigen Prüfer die Kosten für die künftige Freisetzung von Personal ab, welche sich in der ab 2005 geplanten
Reduzierung des Personalaufwands widerspiegelt (Bl. 492).
105 (2.3) Schließlich sind die wegen der in der Vergangenheit durchgeführten Umstellung vom Gesamtkostenverfahren auf das
Umsatzkostenverfahren sowie wegen einer geänderte Gängigkeitsbewertung erforderlichen Bereinigungen bei der Vergangenheitsanalyse
nach dem Ergebnis der Prüfungen der sachverständigen Prüfer vorgenommen worden (Bl. 491). Abweichungen des Einzel- oder
Konzernabschlusses von den Vorgaben des HGB oder von einzelnen Antragstellern pauschal eingeworfene „Bilanzierungsvorgaben“ der
Antragsgegnerin, die Anlass zu weiteren Bereinigungen der Vergangenheitsdaten geben könnten, sind nicht ersichtlich.
106 bb) Die dem Unternehmenswertgutachten zugrunde gelegten Ertragsprognosen für die Phase I hat das Landgericht zu Recht nicht
beanstandet.
107 Zu beachten ist, dass bei der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im Spruchverfahren die in die Zukunft gerichteten Planungen
der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge nur eingeschränkt überprüfbar sind. Diese Beschränkung der
gerichtlichen Prüfungsdichte folgt aus der Natur der Prognose. Planungen und Prognosen sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen
unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden
Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die
Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung nicht durch andere -
letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des Gerichts ersetzt werden. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 146 ff.]; OLG Stuttgart, ZIP
2008, 883 [juris Rn. 65]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 28]; ebenso OLG Düsseldorf, I-26 W 6/08 [juris Rn. 26].)
108 Fehl geht die Auffassung eines Beschwerdeführers, diese Vorgaben widersprächen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. In formaler
Hinsicht verkennt der Beschwerdeführer bereits, dass die von ihm angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, AG 2007, 625.) kein
Spruchverfahren, sondern eine den Vorschriften der ZPO unterliegende Anfechtungsklage zum Gegenstand hatte. Im Übrigen hat sich der
Bundesgerichtshof dort nicht mit der gerichtlichen Überprüfbarkeit von unternehmerischen Entscheidungen im Rahmen der
Unternehmensbewertung befasst, sondern mit der Frage, ob das dortige Berufungsgericht wegen überhöhter Anforderungen an die
Substantiierungslast der Kläger von einer Beweisaufnahme abgesehen hat. (BGH, AG 2007, 625 [juris Rn. 8].) Im hiesigen Verfahren hat
dagegen bereits das Landgericht in einer den Besonderheiten des Spruchverfahrensgesetzes entsprechenden, in § 8 Abs. 2 SpruchG
ausdrücklich zugelassenen Weise durch Anhörung der sachverständigen Prüfer Beweis erhoben (dazu bereits oben 1. a)).
109 Anlass, die dem Unternehmenswertgutachten zugrunde liegenden Planannahmen zugunsten der übrigen Aktionäre durch andere zu ersetzen,
besteht danach nicht.
110 (1) Aus methodischer Sicht bestehen gegen die Planung der den Anteilseignern in Phase I zufließenden Erträge keine Bedenken.
Insbesondere können die Antragsteller keine Fehler aus dem Umstand ableiten, dass nicht für jede Tochtergesellschaft der W ein gesonderter
Ertragswert ermittelt, sondern eine konsolidierte Ertragswertermittlung durchgeführt wurde. Die sachverständigen Prüfer haben die methodische
Zulässigkeit und Üblichkeit dieses Verfahren bestätigt (Bl. 485). Angesichts der konsolidierten Betrachtungsweise geht zugleich der pauschale
Einwand eines Beschwerdeführers fehl (Bl. 696), es sei nicht gesichert, dass die Ergebnisse der einzelnen Beteiligungen in der richtigen Höhe
eingeflossen seien, weil häufig die Gewinne auf der Ebene von Beteiligungen thesauriert würden. Die konsolidierte Betrachtung vermeidet
gerade eine Trennung in unterschiedliche Ebenen, indem sie das Unternehmen als rechtliche Einheit betrachtet.
111 (2) Zu Unrecht rügen die Antragsteller, die Unternehmensplanung habe die Wachstumschancen des Unternehmens nicht hinreichend
berücksichtigt.
112 (2.1) Die dem Unternehmenswertgutachten zugrunde liegende Unternehmensplanung stellt sich in ihren Annahmen bezüglich der Entwicklung
der Umsatzerlöse nicht als überzogen konservativ, sondern eher als ambitioniert dar.
113 (2.1.1) Die sachverständigen Prüfer vermochten nicht festzustellen, dass bei der Planung der künftigen Umsatzentwicklung fehlerhaft das
bilanzielle Vorsichtsprinzip angewandt worden wäre. Stattdessen haben sie errechnet, dass in Phase I ein jährlicher Anstieg der Umsatzerlöse
in Höhe von durchschnittlich 9,4% geplant wurde (Bl. 486).
114 Fehl geht die Rüge eines Beschwerdeführers (Bl. 694), diese Wachstumsrate sei falsch errechnet worden. Zwar trifft es zu, dass die in Phase I
geplanten Umsatzerlöse nur von 2006 nach 2007 um 9,26% ansteigen, der Anstieg von 2007 nach 2008 bzw. 2005 nach 2006 dagegen nur
3,39 bzw. 5,03% beträgt. Der Beschwerdeführer verkennt aber, dass die Unternehmensplanung einen wesentlichen Anstieg der Umsatzerlöse
bereits zu Beginn der Phase I von 2004 nach 2005 vorsieht, nämlich um 20,71%. Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die 2004 erreichten
Umsatzerlöse bereinigt mit 212,967 Mio. Euro ansetzt. Jener Betrag entspricht der Summe der im Jahr 2004 in den Geschäftsbereichen
„Werkzeug“ und „Software“ erzielten Umsatzerlöse (GA S. 24). Verfehlt wäre es demgegenüber, die Umsatzerlöse in 2004 mit den tatsächlich in
allen Geschäftsbereichen erzielten 260,933 Mio. Euro zu bemessen (GA Anlage I), da in dieser Zahl auch die Umsatzerlöse aus dem vor dem
Bewertungsstichtag veräußerten Geschäftsbereich „Maschinen“ enthalten sind. Geht man für 2004 von dem auf 212,967 Mio. Euro bereinigten
Wert aus, ergibt sich bei Ansatz einer jährlichen Steigerungsrate von 9,4% nach vier Jahren gerundet 305 Mio. Euro, was den für die
verbliebenen Geschäftsbereiche im Jahr 2008 prognostizierten Umsatzerlösen (GA S. 33) entspricht.
115 (2.1.2) Die Planung eines Wachstums der Umsatzerlöse um jährlich durchschnittlich 9,4% erscheint jedenfalls nicht zum Nachteil der übrigen
Aktionäre unvertretbar; sie liegt deutlich über den Wachstumserwartungen der maßgeblichen Branche.
116 Die sachverständigen Prüfer haben - unter anderem gestützt auf die Studie von Frost und Sullivan „World Machine Cutting Tools Markets“ (vgl.
GA S. 14) - das im Bewertungsstichtag für die Branche der W in den Jahren 2002 bis 2007 allgemein erwartete Wachstum deutlich niedriger
geschätzt (Bl. 486). Zu Unrecht mutmaßen einzelne Beschwerdeführer aus dem Projektionszeitraum der vorgenannten Studie (2002 bis 2007),
diese stamme aus dem Jahr 2002 und sei im Bewertungsstichtag deshalb bereits veraltet gewesen (Bl. 564). Die Studie von Frost und Sullivan
lag bereits dem Unternehmenswertgutachten der PWC sowie der Prüfung durch ESP zugrunde und wurde unter anderem im Prüfungsbericht
mit genauem Titel und Datum angegeben (PB S. 3). Danach stammt die Studie vom 02.01.2004, war also im Bewertungsstichtag erst knapp
eineinhalb Jahre alt.
117 Bedenkt man, dass der Unternehmensbewertung durch PWC und ihrer Überprüfung durch ESP noch weitere Branchenstudien zugrunde lagen,
unter anderem die Mittelfristprognose 2004 bis 2008 des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinen (VDM) bzw. des ifo Institut für
Wirtschaftsforschung e.V. vom 13.10.2004 (GA S. 14, PB S. 3), von denen keine ein durchschnittliches jährliches Wachstum über 5% annahm
(GA S. 18), kann die Grundlage der Markteinschätzung der sachverständigen Prüfer aus Sicht des Bewertungsstichtags nicht als überholt
angesehen werden.
118 (2.2) Die Entwicklung nach dem Bewertungsstichtag gebietet nicht den Rückschluss, dass die Unternehmensplanung hinsichtlich der
Wachstumsannahmen tatsächlich noch ambitionierter gewesen sei als die Prognosen, auf denen das Unternehmenswertgutachten beruht.
Grundsätzlich kommt es auf Entwicklungen nach dem Bewertungsstichtag nicht an; sie können nur berücksichtigt werden, wenn sie zum
Bewertungsstichtag im Kern bereits angelegt waren. (Vgl. OLG Stuttgart, AG 2007, 596 [juris Rn. 31]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn.
157].) Zwar können spätere Entwicklungen im Einzelfall Anlass geben, die Prognosen zu überprüfen, die der Unternehmensbewertung
zugrunde liegen; (OLG Stuttgart, AG 2007, 596 [juris Rn. 31]; ähnlich Bilda in Münchener Kommentar, AktG, 3. Aufl., § 305 Rn. 69; Großfeld,
Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 247)) dies ist hier aber nicht der Fall.
119 (2.2.1) Zu Recht hat das Landgericht festgestellt (Bl. 608), dass die schnelle und erfolgreiche Bewältigung der sich aus dem Großbrand auf dem
Betriebsgelände der W in T. im Januar 2006 für das Unternehmen ergebenden Folgen nicht darauf schließen lässt, dass bereits im
Bewertungsstichtag geplant gewesen sei, die Umsatzerlöse noch weiter zu steigern als im Unternehmenswertgutachten angenommen.
120 Dahin gestellt bleiben kann, dass die Geschäftsleitung der W im Zusammenhang mit der Neuerrichtung einer Produktionsstätte in M. nach dem
Brand in einem Zeitungsinterview erklärt haben soll, „das Feuer habe nur dazu beigetragen, […] den Umbau jetzt schneller an[zu]packen, als
ursprünglich geplant.“ (Vgl. Schwäbisches Tagblatt vom 24.02.2006, S. 23.) Daraus folgt jedenfalls nicht, dass entsprechende Pläne bereits im
Juni 2005 bestanden und dass damit bereits zum Bewertungsstichtag ein stärkeres Wachstum angelegt gewesen wäre, als im
Unternehmenswertgutachten angenommen.
121 Der Mitarbeiter der W M. hat in seiner Anhörung durch das Landgericht in der mündlichen Verhandlung am 22.01.2008 zwar bestätigt, es habe
schon vor dem Brand Erweiterungspläne gegeben. Dabei betonte er aber, dass diese Pläne auf neuen Erkenntnissen zur konjunkturellen
Entwicklung beruhten (Bl. 460). Zwar meinte er, diese Erkenntnisse hätten erst ab April 2006 vorgelegen (Bl. 460). Dies schließt aber nicht aus,
dass es sich bei diesen Plänen um die im Zeitungsinterview erwähnten handelte. Die zeitliche Angabe des Mitarbeiters ist im Zusammenhang
damit zu sehen, dass er zuvor den Beginn der Konstruktion der neuen Produktionsstätte in M. im April 2006 verortete (Bl. 460 oben). Die neuen
Erkenntnisse zur konjunkturellen Entwicklung waren demnach im April 2006 bereits so gefestigt, dass auf ihrer Grundlage die neue
Produktionsstätte im Einzelnen bemessen wurde. Nicht ausgeschlossen ist indessen, dass bereits zum Zeitpunkt des Interviews zwei Monate
zuvor aufgrund des Konjunkturverlaufs nach dem Bewertungsstichtag entsprechende Pläne bestanden. Dies gilt nicht zuletzt vor dem
Hintergrund, dass in dem im Interview wiedergegebenen Zitat nicht von einer Produktionserweiterung in bestimmtem Umfang, sondern nur ganz
allgemein von einem „Umbau“ die Rede ist (Bl. 681).
122 An der Verwertung der Angaben des Zeugen M. war das Landgericht nicht durch den Umstand gehindert, dass dieser als Mitarbeiter der W von
der Antragsgegnerin abhängig ist. Es existiert keine Beweisregel, nach der den Angaben von Arbeitnehmern kein oder nur ein geringer
Beweiswert zukäme.
123 (2.2.2) Die Feststellungen des Landgerichts werden durch den Umstand, dass die W ihre Umsatzerlöse ausweislich eines Zeitungsartikels vom
Juli 2007 (Bl. 456) von 300 Mio. Euro in 2006 auf 500 Mio. Euro in 2007 erhöhen wollte (Bl. 450), (Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom
23.07.2007.) nicht widerlegt. Die Antragsgegnerin hat durch ihren Geschäftsführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem
Landgericht am 22.01.2008 nachvollziehbar erläutert, dass sich die Größe von 500 Mio. Euro aus einer Addition der in 2006 von der W erzielten
Umsatzerlöse in Höhe von 300 Mio. Euro und der rund 200 Mio. Umsatzerlöse zweier ebenfalls zum Konzern der Antragsgegnerin gehörenden
Unternehmen (G. & Co. GmbH in F. sowie P.-.... GmbH in Z.) ergibt, die im Jahr 2007 im Zuge interner Umstrukturierungen durch eine
gemeinsame Geschäftsleitung mit der W verbunden worden seien (Bl. 466).
124 (2.3) Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer belegt auch das von der W im Jahr 2002 initiierte „DIF“ nicht, dass die
Unternehmensplanung der W tatsächlich in der Zukunft höhere Überschüsse prognostizierte, als dem Unternehmenswertgutachten zugrunde
gelegt wurden.
125 (2.3.1) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt, dass „DIF“ keine Unternehmensplanung darstellt, aus der sich die den Anteilseignern künftig
zufließenden Überschüsse ableiten lassen, sondern lediglich ein strategisches Programm.
126 Zwar kann die Unternehmensplanung verschiedene Detaillierungsgrade aufweisen; neben der Ausarbeitung von Planbilanzen sowie
Plangewinn- und -verlustrechnungen bzw. Plankapitalflussrechnungen für die einzelnen Perioden sind auch bloße Ergebnisplanungen
denkbar. (Vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 330; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 77.) Auch kann
eine Unternehmensplanung aus den unterschiedlichsten Gründen optimistischer oder pessimistischer ausfallen. (Vgl. Großfeld, Recht der
Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 330.) Grundsätzlich ungeeignet für eine Ertragswertberechnung ist aber eine Unternehmensplanung, die
keine Prognosen des in der Zukunft voraussichtlich Erreichten enthält, sondern bloße Zielvorgaben, die als Richtwerte nach Möglichkeit erreicht
werden sollen, deren Erreichen in der Zukunft aber nicht mittleren Erwartungen entspricht. (Vgl. zur Unterscheidung zwischen Prognose
(forecast) und Zielvorgaben (target) Reichert/Ott in Festschrift Hopt, 2010, 2385, 2388.) Solche Zielvorgaben sind als strategische Programme
zur Ableitung der den Anteilseignern zukünftig zufließenden Überschüsse im Rahmen einer fundamentalanalytischen Unternehmensbewertung
zwar nicht schon aufgrund ihres regelmäßig geringeren Detaillierungsgrades, aber aufgrund ihrer Funktion ungeeignet. Bei der
fundamentalanalytischen Unternehmensbewertung ist grundsätzlich nicht vom Idealfall der Erreichung der strategischen Ziele auszugehen,
sondern von den mittleren Erwartungen. (Vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 299.) Andernfalls müsste dem
Umstand, dass keine mittleren Erwartungen zugrunde gelegt wurden, durch deutlich höhere Risikozuschläge im Bereich der
Kapitalisierungszinssätze Rechnung getragen werden.
127 Dass es sich bei „DIF“ in diesem Sinne nicht um eine Prognose, sondern um eine Zielvorgabe bzw. um ein strategisches Programm handelt,
folgt aus den Angaben des Mitarbeiters der W M. sowie der sachverständigen Prüfer in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am
22.01.2008. Der Mitarbeiter der W M. erklärte, dass „DIF“ dazu dienen sollte, durch eine besondere Motivation der Mitarbeiter, insbesondere im
Vertrieb, die zwar ambitionierten, aber nur bei gut 9% jährlich angesetzten Wachstumsziele der Unternehmensplanung zu erreichen (Bl. 467).
Die sachverständigen Prüfer ordneten „DIF“ ebenfalls als ein bloßes strategisches Programm ein (Bl. 466).
128 Dem lässt sich nicht entgegen halten, das mit dem 2002 initiierten „DIF“ formulierte Ziel der Verdoppelung der Umsatzerlöse von 2002 nach
2007 sei ex post tatsächlich erreicht worden. Dazu hätten die Umsatzerlöse von 265,388 Mio. Euro in 2002 (ÜB Anlage I) auf über 530 Mio.
Euro in 2007 ansteigen müssen. Zwar soll die W ihre Umsatzerlöse ausweislich eines Zeitungsartikels vom Juli 2007 in 2007 auf 500 Mio. Euro
erhöht haben (Bl. 450, 456). (Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 23.07.2007.) Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin B. hat im Rahmen
der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.01.2008 aber nachvollziehbar erläutert, dass sich die Größe von 500 Mio. Euro nur
aus einer Zusammenrechnung der Umsatzerlöse der W mit denen zweier anderer Unternehmen des Konzerns der Antragsgegnerin ergibt, die
2007 mit der W unter einer gemeinsamen Geschäftsleitung zusammengeführt wurden (dazu oben (2.2) (2.2.2)).
129 (2.3.2) Der in diesem Zusammenhang von einem Beschwerdeführer angebotene Zeugenbeweis (Bl. 680) ist nicht zu erheben.
130 Zwar meint der Beschwerdeführer, durch das Zeugnis des Vorstandsvorsitzenden der W nachweisen zu können, dass das „DIF“ „Ausfluss der
tatsächlichen Ertrags- und Umsatzerwartungen war und diese auch zum Bewertungsstichtag noch fortbestanden“ (Bl. 680), womit er zumindest
konkludent behauptet, dass neben der dem Unternehmenswertgutachten zugrunde gelegten „Scheinunternehmensplanung“ eine „tatsächliche“
Unternehmensplanung existiert habe, die vom Erreichen der in „DIF“ formulierten strategischen Ziele ausgegangen sei.
131 Selbst wenn die Behauptung des Beschwerdeführers zuträfe und die Unternehmensplanung zum Bewertungsstichtag am 15.06.2005 davon
ausging, die Umsatzerlöse würden bis 2007 auf gut 530 Mio. Euro steigen, könnte diese Unternehmensplanung der fundamentalanalytischen
Ermittlung des Unternehmenswerts allerdings nicht zugrunde gelegt werden. Zugunsten wie zulasten der übrigen Aktionäre müssen die im
Rahmen der Unternehmensplanung getroffenen unternehmerischen Entscheidungen auf zutreffenden Informationen und daran orientierten,
realistischen Annahmen aufbauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 146 ff.]; OLG
Stuttgart, ZIP 2008, 883 [juris Rn. 65]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 28].) Fehlt es hieran, sind sie durch vertretbare Annahmen zu
ersetzen.
132 Im Gegensatz zu den dem Unternehmenswertgutachten zugrunde gelegten Prognosen wäre eine Unternehmensplanung, die zum
Bewertungsstichtag den Anstieg der Umsatzerlöse von 265,388 in 2002 auf gut 530 Mio. in 2007 unterstellte, nicht mehr vertretbar.
133 Die sachverständigen Prüfer haben in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 22.01.2008 und in ihrer ergänzenden schriftlichen
Stellungnahme festgestellt, dass ein durchschnittliches jährliches Wachstum von 9,4% bereits ambitioniert sei; die allgemeinen Erwartungen für
das Wachstum der Branche, in welche die W tätig ist, hätten zum Bewertungsstichtag deutlich unter diesem Wert gelegen (dazu oben (2.1)
(2.1.2)). Zwar ist eine Wachstumsannahme nicht schon dann unvertretbar, wenn sie über den allgemeinen Branchenerwartungen liegt. Es ist
aber nichts dargetan oder ersichtlich, was eine mit durchschnittlich etwa 15% jährlich - also 100% in fünf Jahren - um den Faktor 3 bis 7,5 über
dem für 2002 bis 2007 allgemein erwarteten Branchenwert von 2 bis 5% (vgl. GA S. 18) liegende Wachstumsannahme rechtfertigen könnte.
Insbesondere ist weder eine überragende Marktstellung der W ersichtlich, deren Marktanteil in Deutschland bei Hartmetallwerkzeugen im
Bereich von 5 bis 10% liegt (GA S. 16), noch ein besonderer technischer Vorsprung gegenüber ihren Mitbewerbern.
134 Die Geschäftsleitung der W konnte jedenfalls zum Bewertungsstichtag am 15.06.2006 realistischer Weise nicht mehr von einer Verdoppelung
der Umsatzerlöse des Jahres 2002 bis zum Jahr 2007 ausgehen. Von 2002 nach 2003 waren die Umsatzerlöse nicht gestiegen, sondern um
3,26% von 265,388 Mio. Euro auf 256,724 Mio. Euro gesunken; nach 2004 war zwar wieder ein Anstieg zu verzeichnen, dieser war aber mit
1,64% weit von der oben genannten Marke von 15% jährlich entfernt (ÜB Anlage I). Angesichts dieser Stagnation hätte die Verdoppelung der
Umsatzerlöse in den verbleibenden drei Jahren „nachgeholt“ werden müssen. Mit der Veräußerung ihres Geschäftsbereichs Maschinen im Jahr
2004 hatte die W indessen kurz vor dem Bewertungsstichtag eine wesentliche Quelle ihrer Umsatzerlöse verloren. Im Jahr 2003 machten die
übrigen beiden Geschäftsbereiche nur 180,694 Mio. Euro (GA S. 24) der insgesamt erzielten Umsatzerlöse von 256,724 Mio. Euro (ÜB Anlage
I) aus, gut 30% der Umsatzerlöse entfielen demnach auf den Geschäftsbereich „Maschinen“.
135 Die sachverständigen Prüfer haben vor diesem Hintergrund das „DIF“ eindrücklich und nachvollziehbar als „nicht belastbar“ bezeichnet (Bl.
469).
136 (3) Die Einwände der Antragsteller gegen die dem Unternehmenswertgutachten zugrunde gelegte Planung der Kosten greifen nicht durch.
137 (3.1) Die Planung ist insbesondere nicht deshalb widersprüchlich, weil trotz steigender Umsatzerlöse keine Reduzierung der Kostenquoten
geplant war.
138 (3.1.1) Der geplante Anstieg der Herstellungskosten, deren Verhältnis zu den Umsatzerlösen nach der Unternehmensplanung von 49,73% in
2005 geringfügig auf 50,72% in 2008 steigen soll, ist mit der geplanten Entwicklung der Umsatzerlöse vereinbar. Die sachverständigen Prüfer
haben die Planung steigender Energie- und Rohstoffkosten auf der Grundlage der Erfahrungen der Vergangenheit für plausibel erachtet (Bl.
507). Die Antragsgegnerin hat im Übrigen nachvollziehbar dargelegt, dass die geplanten Umsatzsteigerungen Zusatzinvestitionen sowie die
Entwicklung höherwertiger Werkzeuge erforderlich mache, wodurch sich die Herstellungskosten erhöhen (Bl. 331).
139 (3.1.2) Der geplante Anstieg der Verwaltungs- und Vertriebskosten, deren Verhältnis zu den Umsatzerlösen von 32,93% in 2005 auf 33,45 % in
2006 steigen soll, erklärt sich nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer aus dem Wegfall des Geschäftsbereichs „Maschinen“, da
die Fixkosten in Verwaltung und Vertrieb nicht proportional dazu abgebaut werden können (Bl. 484, 507). Fehl geht demgegenüber der
Einwand eines Beschwerdeführers, die Veräußerung im Jahr 2004 könne den Kostenanstieg von 2005 nach 2006 nicht erklären (Bl. 695). Dass
die relative Erhöhung der Verwaltungs- und Vertriebskosten erst mit einer Verzögerung von über einem Jahr eintritt, beruht auf dem Umstand,
dass die dem Geschäftsbereich „Maschinen“ zuzuordnenden Verwaltungsaufwendungen nach dem Verkauf des Geschäftsbereichs aufgrund
von Serviceverträgen zunächst noch dem Erwerber belastet wurden, diese Verträge aber 2006 ausliefen (Bl. 332, 507, 736).
140 (3.1.3) Der geplante Anstieg des Pensionsaufwands trotz Reduzierung der Mitarbeiter wurde von den sachverständigen Prüfern unter anderem
deshalb für plausibel erachtet, weil Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen jährlich schon angesichts der Zinseffekte und der weiter zurück
gelegten Dienstzeiten geboten sind (Bl. 525). Der Einwand eines Beschwerdeführers, es sei nicht geprüft worden, ob die Ausgangsdaten der
Pensionsberechnung richtig seien (Bl. 696) verfängt demgegenüber nicht. Die sachverständigen Prüfer haben festgestellt, dass die
Pensionsrückstellungen auf der Grundlage eines ihnen vorgelegten externen versicherungsmathematischen Gutachtens errechnet wurden,
dem der aktuelle Personalbestand zum 31.12.2004 zugrunde lag (Bl. 524, PB S. 3). Zu einer Nachprüfung dieses
versicherungsmathematischen Gutachtens im Einzelnen war die gerichtlich bestellte Prüferin nicht gehalten; ihr obliegt lediglich die Prüfung, ob
die angewendeten Methoden der Unternehmensbewertung sowie die getroffenen Prognose- und Wertungsentscheidungen vertretbar waren
und den Regeln einer ordnungsgemäßen Unternehmensbewertung entsprachen. (Vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 140]; zum parallel
zu behandelnden Fall des Verschmelzungsprüfungsberichts Lutter/Drygala in Lutter, UmwG, 4. Aufl., § 9 Rn. 11; Müller in Kallmeyer, UmwG,
3. Aufl., § 9 Rn. 19; Mayer in Widmann/Mayer, UmwG, § 9 Rn. 33.) Das pauschale Bestreiten der Richtigkeit des versicherungsmathematischen
Gutachtens vermag die Vertretbarkeit des geplanten Pensionsaufwands nicht in Frage zu stellen. (Vgl. OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn.
126].)
141 (3.2) Die von einzelnen Antragstellern in erster Instanz erhobenen Bedenken gegen die Höhe der geplanten Investitionen und Abschreibungen
wurden durch die sachverständigen Prüfer ausgeräumt. Nach deren Feststellungen sind die geplanten Umsatzsteigerungen nur bei
entsprechenden Instandhaltungs- und Erweiterungsinvestitionen zu erreichen; dem entspricht der geplante Anstieg der Investitionen gegenüber
der Vergangenheit (Bl. 510).
142 (3.3) Auch im Übrigen ist die Planung der Kosten nicht zu beanstanden. Dass keine Reduzierung des Steueraufwands durch Nutzung von
„Steueroptimierungsmöglichkeiten“ geplant wurde (Bl. 178), erscheint angesichts der unternehmerischen Entscheidung, die Produktion nicht ins
Ausland zu verlagern, jedenfalls vertretbar (Bl. 506). Von dem durchgeführten Squeeze-Out unabhängige Möglichkeiten, durch
Zusammenarbeit mit dem Konzern der Antragsgegnerin Kostenvorteile zu erzielen (unechte Verbundvorteile), sind nach den Feststellungen der
sachverständigen Prüfer im Rahmen des Unternehmenswertgutachtens berücksichtigt worden (Bl. 483). Kostenvorteile, die aus dem
Ausschluss der übrigen Aktionäre entstehen, etwa der Wegfall der Hauptversammlungskosten oder des Risikos von Beschlussmängelklagen,
sind entgegen der Forderung einzelner Antragsteller nicht anzusetzen. (Vgl. Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 287.)
143 (4) Auch die Planung der Entwicklung des EBIT wurde vom Landgericht zu Recht nicht beanstandet.
144 (4.1) Zutreffend hat das Landgericht festgestellt (Bl. 607), dass das geringfügige Sinken des Verhältnisses von EBIT zu Umsatzerlösen (EBIT-
Marge) von 14,97% in 2005 auf 13,96% in 2008 zum geplanten Wachstum nicht in Widerspruch steht, sondern durch sinkende Margen zu
erklären ist. Die sinkenden Margen sind nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer (Bl. 500) der Preis für die geplante Steigerung
der Umsatzerlöse, da die W in einem Verdrängungswettbewerb steht und damit die steigenden Herstellungskosten nicht vollständig an ihre
Kunden weiterreichen kann (Bl. 507). Der von den sachverständigen Prüfern festgestellte Verdrängungswettbewerb wird von einzelnen
Beschwerdeführern zu Unrecht in Frage gestellt (Bl. 507). Dass die W in einem Verdrängungswettbewerb steht, zeigt bereits ein Vergleich des
von ihr geplanten Wachstums von durchschnittlich 9,4% jährlich (dazu oben (2) (2.1)) mit den Wachstumsannahmen von 2 bis 5% für die
Branche, in der sie tätig ist (dazu oben (2) (2.3) (2.3.2), GA S. 18). Ein gegenüber dem allgemeinen Wachstum der Branche um den Faktor 2 bis
4 größeres Wachstum kann die W nur erreichen, wenn sie ihre Marktanteile deutlich ausweitet, indem sie Mitbewerber aus dem Markt verdrängt.
145 (4.2) Dagegen lässt sich nicht argumentieren, dass die EBIT-Marge im ersten Quartal 2005 um etwa einen Prozentpunkt über der Jahresmarge
lag. Daraus wäre allenfalls dann auf einen Planungsfehler zu schließen, wenn die Erträge innerhalb eines Jahres linear anfielen. Dies ist
indessen für die W nicht gesichert. Die Geschäftsleitung der W hat vielmehr nachvollziehbar dargelegt, dass das erste Halbjahr regelmäßig
ertragsstärker ausfällt als das zweite, indem sie auf höhere Kosten im zweiten Halbjahr, etwa durch Messeauftritte, und geringere Umsatzerlöse,
etwa durch Urlaubs- und Feiertage, hingewiesen hat (Bl. 509).
146 (4.3) Unbedenklich ist das geplante Absinken des EBIT von 42,633 Mio. Euro in 2007 auf 42,583 Mio. Euro in 2008. Die sachverständigen
Prüfer haben festgestellt, dass diese geringfügige Korrektur der zyklisch zu erwartenden Abschwächung der Konjunktur Rechnung trage (Bl.
500).
147 (5) Schließlich ist die Planung des Zinsergebnisses nicht zu beanstanden. Fehler bei der Prognose des Zinsergebnisses in Phase I sind weder
dargetan noch ersichtlich.
148 (5.1) Die pauschale Kritik einiger Antragsteller an der Plausibilität des in Phase I geplanten Zinsergebnissen vor dem Hintergrund der „guten
Finanzausstattung“ der W haben die sachverständigen Prüfer ausgeräumt. Dazu haben sie die liquiden Mittel einerseits und die
Finanzverbindlichkeiten anderseits zum Beginn und zum Ende der Phase I nachvollziehbar dargestellt. Nach Abzug der den Anteilseignern
unmittelbar zugerechneten nicht betriebsnotwendigen Liquidität von 10 Mio. Euro (dazu unten c) aa)) stehen zu Beginn von Phase I rund 45,6
Mio. Euro etwa 35,6 Mio. Euro an Finanzverbindlichkeiten gegenüber (Bl. 472, 514, 527); zum Ende der Phase I sind es rund 15 Mio. Euro
gegenüber etwa 7 Mio. Euro. Vor diesem Hintergrund ist die Planung eines negativen Zinsergebnisses in 2005 ebenso wenig ausgeschlossen
wie ein positives Zinsergebnis von rund 1 Mio. Euro am Ende von Phase I.
149 (5.2) Soweit einzelne Beschwerdeführer auf das Zinsergebnis eingehen, rügen sie lediglich, die sachverständigen Prüfer hätten „die Zinssätze
innerhalb des Konzerns nicht mitgeteilt“ (Bl. 697). Dahinstehen kann, ob die sachverständigen Prüfer hierzu gehalten waren, etwa durch die
Angabe der Zinssätze für das Cash-Pool-Guthaben der W. Die Antragsgegnerin hat in ihrer Beschwerdeerwiderung jedenfalls mitgeteilt, dass
innerhalb ihres Konzerns aus steuerrechtlichen Gründen Zinskonditionen wie unter fremden Dritten gelten („arm’s-length“-Prinzip, Bl. 736). Dies
wurde im weiteren Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt; eine weitere Klärung ist schon deshalb in diesem Bereich nicht geboten. (Vgl.
OLG Stuttgart, AG 2006, 421 [juris Rn. 40].)
150 cc) Zu Recht ist das Landgericht auch von der dem Unternehmenswertgutachten für Phase II zugrunde gelegten Planung nicht abgewichen.
Das Unternehmenswertgutachten hat die nachhaltigen Überschüsse im Wesentlichen aus den Werten des Planjahres 2008 ermittelt, das -
abgesehen von einer geringfügigen Reduzierung des EBIT gegenüber 2007 (dazu oben (4) (4.3)) - die bis dato höchsten Umsatzerlöse und
Ergebnisse vorsieht.
151 (1) Die geringfügigen Änderungen vom Ende der Phase I (2008) nach Phase II sind nicht zu beanstanden. Die sachverständigen Prüfer haben
festgestellt, dass die Reduzierung des Ergebnisses nach Zinsen und Unternehmenssteuern von 27,125 Mio. Euro in 2008 auf 26,890 Mio. Euro
in Phase II (ÜB Anlage II) zum einen auf dem durch den Verbrauch ausländischer Verlustvorträge sowie geringeren Zinsaufwendungen
erhöhten Steueraufwand und zum anderen auf einer Reduzierung im Zinsergebnis beruht, die aus der folgerichtigen Kürzung des
Wiederanlagezinssatzes um den Wachstumsabschlag resultiert (Bl. 500, 504, 517).
152 (2) Die notwendigen Bereinigungen bei der Überleitung der Werte vom Ende der Phase I nach Phase II wurden durchgeführt. Dies gilt
insbesondere für die von einzelnen Antragstellern in erster Instanz gerügte Überleitung des Investitionsaufwands von Phase I in die nachhaltige
Reinvestitionsrate. Die sachverständigen Prüfer haben festgestellt, dass sich die zur Gewährleistung des nachhaltigen Wachstums in Phase II
geplanten Investitionen auf dem Niveau der Abschreibungen des letzten Planjahres der Phase I (2008) bewegten (Bl. 505, 511). Dem kann
nicht entgegen gehalten werden, dass die Gesamtabschreibungen in Phase I stets über den Gesamtinvestitionen des jeweiligen Jahres lagen.
Die Unterschiede zwischen Abschreibungen und Investitionen in Phase I sind unter anderem der Periodenabgrenzung der
Abschreibungsbeträge geschuldet (Bl. 510). Der nachhaltig angesetzte Investitionsaufwand liegt mit 21,005 Mio. Euro geringfügig unter dem
Durchschnitt der Perioden der Phase I (21,376 Mio. Euro, Bl. 512). Dieser Investitionsaufwand ist nach den Feststellungen der
sachverständigen Prüfer erforderlich, um das Anlagevermögen nachhaltig zu erhalten und damit das in Phase II geplante Wachstum von 1,0%
(bzw. 1,5% bei Berücksichtigung der Wachstumsthesaurierung) erwirtschaften zu können.
153 dd) Fehl gehen schließlich die gegen die Ausschüttungsannahmen und die Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner
erhobenen Rügen.
154 (1) Die Berücksichtigung typisierter persönlicher Ertragsteuern der Anteilseigner bei der Ermittlung der ihnen künftig zufließenden Überschüsse
ist nicht zu bestanden.
155 (1.1) Sie entspricht den Vorgaben des IDW; dies gilt sowohl für die im Bewertungsstichtag bereits als Entwurf verabschiedete Fassung IDW ES1
2004 als auch für die erst am 18.10.2005 verabschiedete endgültige Fassung (IDW S1 2005) und für die Vorfassung vom 28.06.2000 (IDW S1
2000). (Vgl. IDW S1 2000, Rn. 51; IDW ES1 2004, Rn. 54; IDW S1 2005, Rn. 53.) Die Berücksichtigung typisierter persönlicher Ertragsteuern der
Anteilseigner ist folgerichtig, da sich der Wert eines Unternehmens für den Anteilseigner nach den ihm zukommenden Nettoeinnahmen
bestimmt. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 147]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 54]; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh §
11 Rn. 138.)
156 (1.2) Unter Berücksichtigung des im Bewertungsstichtag geltenden steuerlichen Halbeinkünfteverfahrens wurde ein typisierter Steuersatz von
35% / 2 = 17,5% angesetzt. Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass einzelne der übrigen Aktionäre andere Grenzsteuersätze haben;
angesichts der notwendigen Typisierung sind Abweichungen gegenüber den individuellen Steuersätzen hinzunehmen. (OLG Stuttgart, AG
2010, 510 [juris Rn. 147]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 212].)
157 (2) Auch die Einwendungen der Antragsteller gegen die Bruttoausschüttungsannahmen greifen nicht durch.
158 (2.1) Zwar hat das Unternehmenswertgutachten entgegen den Vorgaben von IDW S1 2000 nicht die vollständige Ausschüttung der nach den
Ertragsprognosen zur Ausschüttung verfügbaren Überschüsse angenommen. Die Vollausschüttungsannahme wurde aber in IDW ES1 2004
bzw. IDW S1 2005 aufgegeben. (IDW S1 2000, Rn. 44; IDW ES1 2004 Rn. 46 ff.; IDW S1 2005, Rn. 45 ff.) Nicht zu entscheiden ist an dieser
Stelle, ob anstelle des IDW S1 2000 die mit dem späteren IDW S1 2005 insoweit übereinstimmenden Vorgaben des IDW ES1 2004 angewandt
werden durften, obwohl der Hauptfachausschuss des IDW den neuen Standard zum Bewertungsstichtag nur als Entwurf verabschiedet hatte.
Die Abkehr von der Vollausschüttungsannahme wirkt sich jedenfalls zugunsten der übrigen Aktionäre aus, da die persönlichen Ertragsteuern
der Anteilseigner in Übereinstimmung mit den Vorgaben von IDW ES1 2004 bzw. IDW S1 2005 nur von den geplanten Ausschüttungen, nicht
aber von den geplanten Thesaurierungsbeträgen abgezogen wurden, wodurch sich der Unternehmenswert tendenziell erhöht. (Vgl. OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 184].)
159 (2.2) Die den übrigen Aktionären insoweit günstigen Vorgaben des IDW ES1 2004 bzw. IDW S1 2005 wurden im Unternehmenswertgutachten
zutreffend umgesetzt.
160 (2.1.1) Entsprechend den Vorgaben von IDW ES1 2004 bzw. IDW S1 2005 (IDW ES1 2004, Rn. 47 f.; IDW S1 2005, Rn. 46 f.) wurden die
Ausschüttungsquoten für die Phase I an den bei der W in der Vergangenheit tatsächlich beobachteten Ausschüttungsquoten, diejenigen in der
Phase II dagegen am Durchschnitt anderer Unternehmen der Branche der W orientiert (GA S. 40). Auf diese Weise wurde dem Umstand
Rechnung getragen, dass die Unternehmensplanung regelmäßig nur die Detailplanungsphase abdeckt und nicht mehrere Jahrzehnte in die
Zukunft reicht, so dass eine bisherige Ausschüttungspolitik grundsätzlich nicht auf Dauer perpetuiert werden kann. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274
[juris Rn. 187].) Demgegenüber können die übrigen Aktionäre nicht zur Reduzierung der Steuerbelastung eine noch höhere Thesaurierung
fordern. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 190].)
161 (2.1.2) Die in Phase II thesaurierten Beträge wurden den übrigen Aktionären durch einen entsprechenden Wertbeitrag von 13,1825 Mio. Euro
steuerfrei zugerechnet (ÜB Anlage II). Dass ein solcher Wertbeitrag nicht schon in Phase I angesetzt wurde, ist nicht zu beanstanden. Soweit
dort thesaurierte Überschüsse nicht für die Finanzierung von Investitionen benötigt wurden, wurde nach den Feststellungen der
sachverständigen Prüfer im Rahmen der Finanzplanung ihre Wiederanlage zum Kapitalisierungszinssatz unterstellt; aus Sicht der übrigen
Aktionäre ergibt sich auf diese Weise derselbe Unternehmenswert wie im Fall der unmittelbaren Zurechnung eines entsprechenden
Wertbeitrags aus Thesaurierung (Bl. 537).
162 b) Die den Anteilseignern künftig zufließenden Erträge (dazu oben a)) sind mit dem Kapitalisierungszinssatz zu diskontieren, um ihren Barwert
zu erhalten.
163 Der Kapitalisierungszinssatz setzt sich dabei aus einem risikolosen Basiszinssatz (dazu unten aa)) sowie einem Risikozuschlag (dazu unten
bb)) zusammen; da der Unternehmensbewertung eine Nominalrechnung zugrunde liegt, ist in der Phase II zudem ein Wachstumsabschlag
(dazu unten cc)) zu berücksichtigen.
164 aa) Hinsichtlich des Basiszinssatzes erscheint dem Senat methodisch eine andere Ermittlung geboten als im Unternehmenswertgutachten
geschehen (dazu unten (1)). Dies hat zur Folge, dass der Basiszinssatz vor Steuern gegenüber dem im Unternehmenswertgutachten
angenommenen Wert von 5,0% auf 4,5% zu reduzieren ist (dazu unten (2)).
165 (1) Gegen die im Unternehmenswertgutachten gewählte Methode zur Ermittlung des Basiszinssatzes bestehen Bedenken.
166 (1.1) Der Basiszinssatz entspricht dem landesüblichen Zinssatz für eine (quasi) risikofreie Anlage. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 152];
Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 565.) Er wird aus dem durchschnittlichen Zinssatz für öffentliche Anleihen abgeleitet.
(Vgl. OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 38]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 199].) Dabei kommt es nicht auf die aktuellen Zinssätze
am Bewertungsstichtag an, die mehr oder weniger zufällig sind, sondern auf den aus der Sicht des Stichtags von kurzfristigen Einflüssen
bereinigten, künftig auf Dauer zu erzielenden Nominalzins. (OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 39]; Großfeld, Recht der
Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 574.)
167 (1.2) Für die Ermittlung des Basiszinssatzes stehen unterschiedliche Methoden zur Verfügung, die hier zu unterschiedlichen Ergebnissen
führen. Die verschiedenen Fassungen des IDW S1 enthalten unterschiedliche Empfehlungen zur Methode, mit welcher der Basiszinssatz zu
ermitteln ist.
168 (1.2.1) Der im Unternehmenswertgutachten gewählte Vorsteuerbasiszinssatz von 5,0% entspricht der im Bewertungsstichtag noch aktuellen, ab
dem 01.01.2005 geltenden konkreten Zinsempfehlung des IDW. (IDW Fachnachrichten 2005, 70.) Er ergibt sich, wenn die
Wiederanlageverzinsung unter Orientierung an der Zinsentwicklung der Vergangenheit ermittelt wird. Die vergangenheitsorientierte Ermittlung
der Wiederanlageverzinsung entspricht den Vorgaben von IDW S1 2000. (IDW S1 2000, Rn. 121.)
169 (1.2.2) Die im Bewertungsstichtag bereits verabschiedete Fassung ES1 2004 ließ neben der Zinsstrukturkurvenmethode noch den Rückgriff auf
die in der Vergangenheit beobachteten Zinssätze zu. (IDW ES1 2004, Rn. 128 Satz 4, vgl. Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn.
122)
170 (1.2.3) Die am 18.10.2005 verabschiedete Endfassung des IDW S1 2005 und dessen weitere Überarbeitung vom 02.04.2008 (IDW S1 2008)
empfehlen dagegen zur Berechnung des Basiszinssatzes ausschließlich die Ermittlung der Wiederanlageverzinsung anhand von
Zinsstrukturkurvendaten. (IDW S1 2005, Rn. 127; IDW S1 2008, Rn. 117.)
171 (1.2) Zur Ermittlung des Basiszinssatzes vor Steuern ist hier die Zinsstrukturkurvenmethode anzuwenden. Zwar war die
vergangenheitsorientierte Ermittlung der Wiederanlageverzinsung im Bewertungsstichtag noch anerkannt; im Rahmen der gerichtlichen
Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung ist hier aber die Zinsstrukturkurvenmethode anzuwenden, weil sie der aktuellen
Expertenauffassung im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung entspricht.
172 (1.2.1) Zwar muss das Gericht im Spruchverfahren weder eine Änderung der Expertenauffassung im Entscheidungszeitpunkt gegenüber dem
Bewertungsstichtag zwingend berücksichtigen noch ist es umgekehrt daran gehindert, das Ergebnis der Anwendung einer älteren
Expertenauffassung auch im Licht neuer Erkenntnisse zu überprüfen. (OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 44].) Das gilt auch für die in den
Standards des IDW zusammengefassten Empfehlungen, die zwar eine Erkenntnisquelle für das methodisch zutreffende Vorgehen bei der
fundamentalanalytischen Ermittlung des Unternehmenswerts zur Überprüfung der Angemessenheit der angebotenen Abfindung darstellen, das
Gericht aber nicht binden können.
173 Greift das Gericht auf diese Erkenntnisquelle zurück, wird es aber in der Regel den im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidungsfindung
aktuellen Stand berücksichtigen. (Vgl. Riegger in Kölner Kommentar, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 40; Wasmann/Gayk, BB 2005, 955, 957;
Hüttemann, Wpg 2008, 822, 824; grundsätzlich wohl auch Lenz, Wpg 2006, 1160, 1166 f.) Denn das Gericht muss bei der Schätzung des
Unternehmenswerts diejenige Methode anwenden, die das Bewertungsziel der Ermittlung des objektiven Unternehmenswerts am Besten
erreicht. Geht man davon aus, dass die Aktualisierung einer Expertenauffassung - soweit sie nicht auf einer Anpassung an geänderte rechtliche
Rahmenbedingungen beruht - regelmäßig auf die Umsetzung von Erkenntnisfortschritten zurück zu führen ist, erscheint die jeweils aktuellere
Expertenauffassung grundsätzlich geeigneter, dieses Ziel zu erreichen, als ältere Expertenauffassungen. (Vgl. OLG Celle, AG 2007, 865 [juris
Rn. 28]..)
174 Etwas anderes muss demzufolge dann gelten, wenn die Anwendung der aktuelleren Expertenauffassung im konkreten Fall zu
unangemessenen Ergebnissen führen würde. (Lenz, Wpg 2006, 1160, 1166.) Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn - und soweit - die
Änderung lediglich der Anpassung an eine Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen diente, die zu dem maßgeblichen
Bewertungsstichtag noch gar nicht eingetreten war. (Bungert, Wpg 2008, 811, 815; Lenz, Wpg 2006, 1160, 1166; Hüttemann, Wpg 2008, 822,
823.)
175 (1.3)Nach diesen Maßstäben wendet der Senat hier die Zinsstrukturkurvenmethode an. Sie stellt aus heutiger Sicht gegenüber dem Rückgriff
auf Zinsdaten der Vergangenheit die aktuellere Expertenauffassung dar. Die gegen die Anwendung einer erst nach dem Bewertungsstichtag
verabschiedeten Fassung des IDW S1 im Allgemeinen erhobenen Bedenken greifen hier nicht durch.
176 (1.3.1) Das Stichtagsprinzip steht der Anwendung der Zinsstrukturkurvenmethode nicht entgegen. (Vgl. dazu Simon/Leverkus in Simon,
SpruchG, Anh § 11 Rn. 30 ff.) Es verlangt zwar, dass Erkenntnisse zu bewertungsrelevanten tatsächlichen Umständen zumindest in den
Verhältnissen zum Bewertungsstichtag bereits angelegt waren, gilt aber nicht für die angewandte Bewertungsmethode. (LG Bremen, AG 2003,
214, 215; Riegger in Kölner Kommentar, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 40; Wasmann/Gayk, BB 2005, 955, 957; Hüttemann, Wpg 2008, 822, 824;
ebenso im Ergebnis hinsichtlich der Anwendung der Zinsstrukturkurvenmethode auf Bewertungsstichtage vor dem 18.10.2005 LG
Frankfurt/Main, AG 2007, 42 [juris Rn. 73].)
177 (1.3.2) Auch die Regelung des Artikels 170 EGBGB steht nicht entgegen. Zwar hat das Bayerische Oberste Landesgericht unter anderem aus
dem dieser Vorschrift entnommenen allgemeinen Rechtsgedanken, dass ein Schuldverhältnis nach seinen Voraussetzungen, seinem Inhalt
und seinen Wirkungen dem Recht unterstehe, das zum Zeitpunkt seiner Entstehung gilt, gefolgert, es verbiete sich, auf Grundsätze
zurückzugreifen, die zum Bewertungsstichtag noch nicht absehbar gewesen seien. (Vgl. BayObLG, AG 2006, 41 [juris Rn. 20].) Dem Rückgriff
auf Artikel 170 EGBGB ist aber entgegen zu halten, dass es sich bei den Empfehlungen in IDW S1 um keine Rechtsnormen handelt, sondern
um eine Expertenauffassung aus dem Kreis der Wirtschaftsprüfer. (OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 44]; LG Frankfurt/Main, AG 2007, 42
[juris Rn. 73]; OLG Frankfurt, 5 W 52/09 [juris Rn. 51].)
178 (1.3.3) Ebenfalls nicht zu überzeugen vermag hier der Verweis auf die Gefahr einer Verzögerung des Spruchverfahrens. Zwar hat das
Bayerische Oberste Landesgericht neben dem Rückgriff auf Artikel 170 EGBGB vor dem Hintergrund der Gefahr unabsehbarer
Verfahrensverzögerung im Fall eines Zwangs zur gutachterlichen Nachvollziehung der Änderung von Expertenauffassungen während des
Verfahrens gefolgert, dass die Empfehlungen des IDW S1 2000 nicht auf Bewertungsstichtage vor dem 28.06.2000 anzuwenden seien. (Vgl.
BayObLG, AG 2006, 41 [juris Rn. 20].) Eine solche Gefahr ist hier aber nicht festzustellen, da die sachverständigen Prüfer bereits im ersten
Rechtszug den Basiszinssatz anhand der Zinsstrukturkurvenmethode errechnet haben (dazu unten (2) (2.1)).
179 Dabei ist hier die Besonderheit zu berücksichtigen, dass sich die Änderungen der Empfehlungen der aktuelleren Expertenauffassungen
gegenüber der im Bewertungsstichtag aktuellen Auffassung im Wesentlichen in der Aufgabe der Alternativität der Empfehlungen für die
Ermittlung des Basiszinssatzes erschöpfen. Die gegenüber IDW S1 2000 in IDW ES1 2004 geänderten Empfehlungen zu den
Ausschüttungsannahmen und zur Anwendung des Tax-CAPM anstelle des Standard-CAPM (dazu oben a) dd) (2) (2.1) und unten bb) (2) (2.1))
wurden dagegen in IDW S1 2005 übernommen.
180 Daher entspricht die im Unternehmenswertgutachten anhand von IDW ES1 2004 durchgeführte Bewertung - jenseits der Ermittlung des
Basiszinssatzes - bereits den Vorgaben von IDW S1 2005. Die Empfehlungen des IDW S1 2008 sind hier grundsätzlich nicht anzuwenden, da
die weitere Überarbeitung wesentlich der Anpassung an die Änderung der (steuer-) rechtlichen Rahmenbedingungen im Zuge der
Unternehmenssteuerreform 2008 diente, deren Inhalte zu dem hier maßgeblichen Bewertungsstichtag noch nicht absehbar waren. (IDW S1
2008, Fußnote 1 empfiehlt vor diesem Hintergrund die Anwendung des überarbeiteten Standards ausdrücklich nur für Bewertungsstichtage
nach Verabschiedung der Unternehmenssteuerreform 2008.) Aus diesem Grund hat hier die Anwendung der aktuelleren Fassung des
Standards weder das Erfordernis einer umfassenden Neubegutachtung zur Folge noch lässt sich feststellen, dass mit einer Anwendung der
Zinsstrukturkurvenmethode die innere Schlüssigkeit der Bewertung in Frage gestellt würde, weil nur ein Aspekt eines Bewertungsmodells
isoliert angewendet würde. (So der Senat bislang in Fällen, in denen eine isolierte Anwendung der tendenziell unternehmenswerterhöhenden
Zinsstrukturkurvenmethode ohne gleichzeitige Anwendung des tendenziell unternehmenswertreduzierenden Tax-CAPM gefordert wurde, vgl.
OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 45].)
181 (1.3.4) Schließlich lassen sich gegen die Anwendung der Zinsstrukturkurvenmethode in diesem Fall keine Gründe der Rechtssicherheit oder
des Vertrauensschutzes anführen.
182 Die verfassungsrechtlichen Beschränkungen für die Rückwirkung von Rechtsnormen sind nicht einschlägig, da es sich bei den Empfehlungen
des IDW S1 nicht um Rechtsnormen, sondern um eine Expertenauffassung handelt. (Lenz, Wpg 2006, 1160, 1165.) Zu Recht verweist das
Schrifttum darauf, dass im privaten Baurecht die Mangelhaftigkeit eines Bauwerk bei der Abnahme nicht nach dem Wissensstand im Zeitpunkt
der Abnahme, sondern nach demjenigen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im gerichtlichen Verfahren zu beurteilen ist,
(Peters/Jacoby in Staudinger, BGB, 2008, § 633 Rn. 190.) bzw. dass ein unentdeckter Straftäter nicht darauf vertrauen darf, dass er nicht durch
neue kriminaltechnische Untersuchungsmethoden überführt wird. (Hüttemann, Wpg 2008, 822, 824.)
183 Vor diesem Hintergrund vermögen auch Stimmen im Schrifttum nicht zu überzeugen, die eine Aktualisierung der Expertenauffassung nur dann
auf zurückliegende Bewertungsstichtage anwenden wollen, wenn die Aktualisierung einer Anpassung an bereits vor dem Bewertungsstichtag
geänderte rechtliche Rahmenbedingungen diente, nicht aber, wenn die Aktualisierung - wie hier - „nur“ auf der Verbesserung einer
Bewertungsmethode durch Erkenntnisfortschritte beruht. (So Bungert, Wpg 2008, 811, 816 f.)
184 (2) Bei Anwendung der Zinsstrukturkurvenmethode ergibt sich zwar ein Basiszinssatz vor Steuern von 4,5%; der Basiszinssatz vor Steuern ist
aber nicht auf 4,25% zu reduzieren.
185 (2.1) Nach den Ausführungen der sachverständigen Prüfer errechnet sich bei Ermittlung des Basiszinssatzes unter Rückgriff auf die aktuelle
Zinsstrukturkurve langlaufender öffentlicher Anleihen am Bewertungsstichtag (Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank von März bis Mai
2005) ein Vorsteuerwert von gerundet 4,5% (Bl. 543).
186 (2.2) Zwar hat der Senat in einem Fall für einen Bewertungsstichtag im Juli 2005 den Vorsteuerbasiszinssatz mit 4,25% bemessen. (Vgl. OLG
Stuttgart, 20 W 3/07, Beschluss vom 19.12.2008, S. 37 [nicht veröffentlicht].) Dies beruhte aber auf dem Umstand, dass die dort angebotene
Abfindung trotz der damit verbundenen Reduzierung der Kapitalisierungszinssätze über dem errechneten anteiligen Ertragswert je Aktie lag, so
dass die Höhe des Basiszinssatzes nicht entscheidungserheblich war.
187 (2.3)Auch können sich die Antragsteller nicht darauf berufen, das IDW habe bereits wenige Tage nach dem hier maßgeblichen
Bewertungsstichtag die Reduzierung des Basiszinssatzes auf 4,25% empfohlen. Zwar hat der Arbeitskreis Unternehmensbewertung des IDW
im Juli 2005 mitgeteilt, dass aus den Zinsstrukturkurvendaten für das zweite Quartal 2005 ein entsprechender Wert abgeleitet werden könne;
diese Mitteilung sollte aber nur erläutern, wie der Basiszinssatz anhand der erstmals in IDW ES1 2004 empfohlenen Zinsstrukturkurvenmethode
ermittelt werden kann. (IDW Fachnachrichten 2005, 555 f.) Daraus folgt indessen nicht, dass sich bei Anwendung der
Zinsstrukturkurvenmethode im hier maßgeblichen Bewertungsstichtag ein geringerer Betrag ergäbe, als von den sachverständigen Prüfern
errechnet (dazu oben (2.1)). Dabei ist zu bedenken, dass das IDW im ersten Quartal 2005 noch empfohlen hatte, für Bewertungsstichtage ab
dem 01.01.2005 einen Basiszinssatz von 5,0% anzusetzen, der sich auch bei einer Zinsstrukturkurvenberechnung ergebe. (IDW
Fachnachrichten 2005, 70 f.)
188 bb) Der Basiszinssatz ist um einen Risikozuschlag zu erhöhen, der nach § 287 Abs. 2 ZPO zu schätzen ist. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris
Rn. 157].)
189 (1) Da bei der Investition in ein Unternehmen im Gegensatz zur Anlage in öffentlichen Anleihen die Risiken der unternehmerischen Tätigkeit zu
berücksichtigen sind, ist ein Risikozuschlag anzusetzen. Entgegen der Auffassung einiger Antragsteller ist ein solcher Risikozuschlag nicht
wegen des theoretisch denkbaren Ausgleichs von Chancen und Risiken der unternehmerischen Tätigkeit entbehrlich; angesichts der
Risikoaversion der Marktteilnehmer ist das Unternehmerrisiko durch entsprechend höhere Renditechancen abzugelten. (OLG Stuttgart, NZG
2007, 112 [juris Rn. 48]; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 202].)
190 (1.1) Der Ansatz eines Risikozuschlags beim Kapitalisierungszinssatz führt nicht zur Doppelberücksichtigung von Risiken zum Nachteil der
übrigen Aktionäre. Zwar schiene es nicht vertretbar, dasselbe Risiko sowohl durch einen Abschlag bei der Prognose der künftigen Erträge als
auch durch einen Zuschlag beim Kapitalisierungszinssatz zu berücksichtigen. (OLG Stuttgart, DB 2003, 2429 [juris Rn. 38].) Die
Unternehmensplanung, die den Ertragsprognosen zugrunde liegt, wurde nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer (Bl. 490) aber
nicht um Abschläge für die vorgenannten Risikofaktoren gekürzt. Sie beruht vielmehr zulässiger Weise auf mittleren Erwartungen. (Vgl.
Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 299.) Das Risiko, dass der danach geplante Wert tatsächlich erreicht wird, kann
damit in den Kapitalisierungszinssatz Eingang finden. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 266].)
191 (1.2) Zwar kann der gebotene Risikozuschlag beim Kapitalisierungszinssatz auch pauschal bestimmt werden. Die hier im Rahmen des
Unternehmenswertgutachtens durchgeführte Ermittlung des Risikozuschlags anhand des Capital-Asset-Pricing-Modell (CAPM) ist aber
entgegen der Auffassung der Antragsteller methodisch nicht zu beanstanden. (OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 48]; OLG Stuttgart, ZIP
2010, 274 [juris Rn. 204]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 158]; für eine Anwendung des CAPM auch OLG Düsseldorf, ZIP 2009, 2003
[juris Rn. 122]; OLG Düsseldorf, AG 2006, 287 [juris Rn. 36]; KG, AG 2009, 199 [juris Rn. 46]; zustimmend Paulsen, Wpg 2008 Sonderheft, 109,
113; Reuter, AG 2007, 1, 5.) Dabei wird die aus der langjährigen Differenz zwischen der Rendite von Aktien und (quasi) risikofreien öffentlichen
Anleihen (Überrendite) ermittelte durchschnittliche Risikoprämie (Marktrisikoprämie, dazu unten (2)), mit einem unternehmensspezifischen
Faktor multipliziert (Betafaktor, dazu unten (3)).
192 (2) Die Marktrisikoprämie ist im Wege der Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO mit 5,5% nach Steuern anzusetzen.
193 (2.1) Im Unternehmenswertgutachten wurde zu Recht eine Nachsteuermarktrisikoprämie von 5,5% angesetzt.
194 (2.1.1) IDW ES1 2004 (IDW ES1 2004, Rn. 101 i.V.m. Anhang Nr. 4.) empfiehlt ebenso wie IDW S1 2005 (IDW S1 2005, Rn. 100 i.V.m. Anhang
Nr. 4.) zur Bemessung des Risikozuschlags die Anwendung des Tax-CAPM. Dabei ist entgegen der Standardform des CAPM bei der Ermittlung
der Kapitalisierungszinssätze den typisierten Einkommensteuersatz von 35% nicht von der Summe aus risikolosem Basiszinssatz und
Risikozuschlag, sondern nur vom Basiszinssatz abzuziehen. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 219].) Hinzu kommt, dass der
Risikozuschlag anhand einer Nachsteuermarktrisikoprämie berechnet wird, die grundsätzlich über dem korrespondierenden Vorsteuerwert
liegt. (IDW S1 2005 Anhang Ziffer 4.; OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 230 bis 232].) Die im Rahmen einer Nachsteuerbetrachtung nach
IDW S1 2005 zu berücksichtigende Marktrisikoprämie hat der Senat im Wege richterlicher Schätzung gemäß § 287 Abs. 2 ZPO auf 5,5%
festgesetzt; (Ausführlich dazu OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 220 ff.].) für die insoweit übereinstimmende Nachsteuerbetrachtung nach
IDW ES1 2004 kann nichts Anderes gelten.
195 (2.1.2) Dabei verkennt der Senat nicht, dass eine empirisch genaue Festlegung der Marktrisikoprämie nach dem aktuellen Stand der
Wirtschaftswissenschaften nicht möglich ist. Die aktuellen empirischen Erkenntnisse belegen indessen weder, dass eine Überrendite von Aktien
nicht existiert, noch geben sie Anlass, die bisherige Auffassung des Senats zu revidieren. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der in diesem
Verfahren vorgebrachten Argumente, die mit den in früheren Verfahren vor dem Senat vorgebrachten und von ihm gewogenen Argumenten
weitgehend übereinstimmen. (Ausführlich dazu OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 221 ff.].)
196 (2.1.3) Die Auffassung des Senats ist auch im Licht der von einem Beschwerdeführer auszugsweise vorgelegten, nicht veröffentlichten
Entscheidung des Landgerichts Berlin (Bl. 770 ff., 776 f.) nicht zu revidieren. (LG Berlin, Beschluss vom 20.03.2008 zu 102 O 193/02 AktG.)
Zunächst ist festzustellen, dass in der betreffenden Entscheidung die Marktrisikoprämie entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen
Auffassung nicht in Höhe eines Prozentsatzes des Basiszinssatzes, sondern absolut bestimmt wurde (Bl. 776). Soweit als Marktrisikoprämie dort
3% angesetzt wurden, ist weiter zu bedenken, dass die Bewertung anhand der Vorgaben von IDW S1 2000 durchgeführt wurde, wo anstelle der
Nachsteuermarktrisikoprämie ein niedrigerer Vorsteuerwert anzusetzen ist. Die Vorsteuermarktrisikoprämie hat der Senat nicht auf 5,5%,
sondern lediglich auf 4,5% geschätzt. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 159]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 50].) Schließlich
bleibt die auszugsweise vorgelegte Entscheidung eine Begründung schuldig. Allein die Behauptung, dass „nicht anzunehmen [sei], dass sich
der typisierte Anleger bei seinen Renditeerwartungen ausschließlich an historischen Daten orientiert und aktuelle Zinsentwicklungen dabei
außer Kalkül lässt“ (Bl. 771, 776), vermag die Entscheidung nicht zu tragen. Selbst wenn man diese - weder gesicherte noch belegte - Annahme
als wahr unterstellte, könnte man damit jedenfalls nicht die weitere Annahme rechtfertigen, dass die Marktrisikoprämie in jedem Fall kleiner sein
müsse als der Basiszinssatz. Soweit der Beschwerdeführer schließlich auf Fundstellen verweist, die seine These belegen sollen, dass die
Marktrisikoprämie als Prozentsatz des Basiszinssatzes zu bestimmen sei (Bl. 771), (Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn.
643 f.) ist festzustellen, dass die dort genannten Gerichtsentscheidungen jeweils nicht die hier einschlägige Ermittlung von
Kapitalisierungszinssätzen anhand des CAPM, sondern nach der Methode des pauschalen Risikozuschlags betrafen. (Vgl. BayObLG, AG 2006,
41 [juris Rn. 22]; BayObLG, NZG 2001, 1137 [juris Rn. 28]; BGH, Wpg 1978, 302; BFH, BStBl. II 1983, 667 [juris Rn. 23 f.].)
197 (2.2) Die grundsätzlichen Einwände der Antragsteller gegen die Anwendung des Tax-CAPM gehen fehl. Die Anwendung des Tax-CAPM ist
nicht zu beanstanden.
198 (2.2.1) Zwar ergibt sich bei der Ermittlung des Unternehmenswerts anhand von IDW S1 2005 bzw. IDW ES1 2004 aufgrund des Tax-CAPM
regelmäßig ein geringerer Wert als im Fall seiner Ermittlung nach den Vorgaben von IDW S1 2000. Die Unternehmensbewertung muss sich
aber nicht nach derjenigen Methode richten, welche zum höchsten Wert führt. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 217] m.w.N.) Für die
Berechnung der Kapitalisierungszinssätze anhand des Tax-CAPM lässt sich anführen, dass dieses Verfahren jedenfalls von seinem
theoretischen Ansatz her die empirisch beobachtbaren Aktienrenditen realitätsnäher zu erklären vermag, indem es die unterschiedliche
Besteuerung von Zinseinkünften, Dividenden und Kursgewinnen nach dem zum Bewertungsstichtag geltenden steuerrechtlichen
Halbeinkünfteverfahren besser abbildet. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 216].) Dabei verkennt der Senat nicht, dass das in IDW S1 2005
bzw. IDW ES1 2004 empfohlene Tax-CAPM nicht unumstritten ist; er vermag aber nicht festzustellen, dass das Tax-CAPM durch empirische
Erkenntnisse widerlegt wäre. (Vgl. Peemöller, BB 2005, 90, 95.) Die sachverständigen Prüfer haben die Ermittlung der Marktrisikoprämie
anhand des Tax-CAPM nicht beanstandet (Bl. 543 f.).
199 (2.2.2) Der Hinweis einiger Beschwerdeführer, das Landgericht habe verkannt, dass „Aktiengewinne“ nicht steuerfrei seien (Bl. 661, 698), dringt
demgegenüber nicht durch. Zwar trifft es zu, dass Kursgewinne aus Aktiengeschäften nach dem bereits im Bewertungsstichtag geltenden § 23
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 22 Nr. 2 EStG steuerbar sind, wenn zwischen Anschaffung und Veräußerung weniger als ein Jahr liegt
und der Steuerfreibetrag von 600 Euro jährlich überschritten wird (§ 23 Abs. 3 Satz 5 EStG). Dies stellt die Auffassung des Senats aber nicht in
Frage. Zwar zählt die Realitätsnähe des Tax-CAPM in Bezug auf die Besteuerung der Erträge von Kapitalanlagen zu seinen wesentlichen
Vorzügen. Im Rahmen einer objektiven Wertermittlung ist aber notwendig anstelle der individuellen Steuerbelastung des Einzelnen von einer
typisierten Steuerbelastung auszugehen. In diesem Rahmen ist es nicht zu beanstanden, wenn das Tax-CAPM - entsprechend dem
gesetzlichen Regelfall - im Rahmen einer Typisierung (Vgl. IDW ES1 2004 Rn. 103 [„regelmäßig“]; Peemöller, BB 2005, 90, 93.) von der
Steuerfreiheit der Kursgewinne aus Aktien ausgeht; dass die Versteuerung von Kursgewinnen aus Aktien wegen Unterschreitens der Jahresfrist
der praktische Regelfall wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich.
200 (2.3) Die Antragsteller können sich schließlich nicht darauf berufen, das Tax-CAPM sei erst in der am 18.10.2005 verabschiedeten Fassung des
IDW S1 (IDW S1 2005) empfohlen worden; bei dem vor dem Bewertungsstichtag am 09.12.2004 verabschiedeten IDW ES1 2004 habe es sich
demgegenüber nur um einen Entwurf gehandelt.
201 (2.3.1) Die in IDW S1 enthaltenen Empfehlungen für die Unternehmensbewertung sind weder Rechtsnormen noch obergerichtlicher bzw.
höchstrichterlicher Rechtsprechung gleichzusetzen; sie geben vielmehr die allgemeine Expertenauffassung der Wirtschaftsprüfer wieder (dazu
oben aa) (1)).
202 (2.3.2) Dabei kann dahinstehen, dass der Hauptfachausschuss des IDW den Standard IDW ES1 2004 am 09.12.2004 als Entwurf verabschiedet
hat und seine Präambel zum Ausdruck bringt, dass er noch keine „abschließend bestimmte“ Berufsauffassung enthält, sondern die in ihm
niedergelegten methodischen Vorgaben noch in einen Diskussionsprozess eingebracht werden sollen.
203 (2.3.3) Selbst wenn man daraus folgerte, IDW ES1 2004 stelle als Entwurf noch keine allgemeine Expertenauffassung dar, wäre das Tax-CAPM
hier jedenfalls deshalb anzuwenden, weil es nach der aus heutiger Sicht aktuelleren Expertenfassung empfohlen wird.
204 Sowohl IDW ES1 2004 als auch IDW S1 2005 und dessen weitere Überarbeitung IDW S1 2008 empfehlen nicht mehr die Anwendung des
Standard-CAPM, sondern - sofern wie hier eine Nachsteuerbetrachtung durchzuführen ist - in erster Linie die Anwendung des Tax-CAPM. (IDW
S1 2005 Rn. 100 i.V.m. Anhang Ziffer 4.; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 56]; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 149.)
Dass hier eine Nachsteuerbetrachtung durchzuführen ist, folgt aus dem Umstand, dass diese zur Ermittlung des objektiven Unternehmenswerts
methodisch überzeugender ist, weil sich der Unternehmenswert als Barwert der künftigen Überschüsse darstellt, die dem Unternehmenseigner
in der Zukunft netto - also nach Abzug der persönlichen Ertragsteuern des Anteilseigners - aus der Beteiligung zufließen. (OLG Stuttgart, ZIP
2010, 2404 [juris Rn. 304]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 52 ff.]; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 138 m.w.N.)
205 Dass die Durchführung der Nachsteuerbetrachtung anhand des Tax-CAPM hier zu falschen oder unangemessenen Ergebnissen führen könnte,
vermag der Senat nicht zu erkennen (dazu oben (2.2)); die für die Anwendung des Tax-CAPM erforderlichen steuerrechtlichen
Voraussetzungen waren im Bewertungsstichtag bereits erfüllt, da das Halbeinkünfteverfahren bereits seit dem 01.01.2001 galt.
206 Da im Unternehmenswertgutachten bereits das Tax-CAPM angewandt wurde, droht hier weder eine Verzögerung des Verfahrens noch eine
Beeinträchtigung von Vertrauensschutz oder Planungssicherheit; weder das Stichtagsprinzip noch der Rechtsgedanke des Artikels 170 EGBGB
stehen entgegen (dazu oben aa) (1) (1.3) (1.3.2) und (1.3.4)). Dahinstehen kann auch hier, dass der Standard zwischenzeitlich weiter
überarbeitet wurde (IDW S1 2008), da diese Überarbeitung als Anpassung an die Unternehmenssteuerreform 2008 auf Bewertungsstichtage im
Jahr 2005 nicht anzuwenden ist (dazu oben aa) (1) (1.3) (1.3.3)).
207 (3) Der im Unternehmenswertgutachten angenommene Betafaktor von 0,66 (unverschuldet) wurde vom Landgericht zu Recht nicht beanstandet
(dazu unten (3.1)); auch hinsichtlich der Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos in den einzelnen Perioden (verschuldeter Betafaktor) sind
keine Korrekturen geboten (dazu unten (3.2)).
208 Der Betafaktor gibt an, wie sich die Rendite der Aktien des zu bewertenden Unternehmens im Vergleich zum Marktportfolio verhält. (OLG
Stuttgart, AG2010, 510 [juris Rn. 163]; Ballwieser, Unternehmensbewertung, S. 93; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn.
728 f.) Er drückt demnach die Höhe des unternehmensindividuellen Risikos aus. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 163]; Riegger in Kölner
Kommentar, SpruchG, Anh § 11 Rn. 21; Simon/Leverkus in SpruchG, Anh § 11 Rn. 129; Spremann, Valuation, S. 133.) Dabei misst der
Betafaktor das systematische Risiko einer Aktie; er beschreibt, welche Änderung der Rendite der zu bewertenden Aktie bei einer Änderung der
Rendite des Marktportfolios zu erwarten ist. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 163]; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 309;
Spremann, Valuation, S. 136.) Dies bedeutet, dass der im Rahmen des CAPM einzusetzende Betafaktor kein empirisch feststellbarer
Vergangenheitswert, sondern ein durch Schätzung zu ermittelnder Zukunftswert ist. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 235]; OLG Stuttgart,
AG 2010, 510 [juris Rn. 163]; ebenso Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 745; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht
der börsennotierten Aktiengesellschaft, S. 68.) Grundlage für die Schätzung des Betafaktors können der historische Verlauf der Börsenkurse der
zu bewertenden Aktie selbst bzw. derjenige einer Gruppe von Vergleichsunternehmen (Peer Group) oder auch allgemeine Überlegungen zum
individuellen Unternehmensrisiko im Vergleich zum Risiko des Marktportfolios sein. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 235]; OLG Stuttgart,
AG 2010, 510 [juris Rn. 163]; ebenso Spremann, Valuation, S. 138; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 324 f.; Simon/Leverkus in
Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 129.)
209 (3.1) Nicht zu beanstanden ist danach der im Unternehmenswertgutachten für das unverschuldete Unternehmen der W angesetzte Betafaktor
von 0,66.
210 (3.1.1) Entgegen der Auffassung einzelner Beschwerdeführer ist der aus den historischen Kursdaten der Aktien der W ermittelte Betafaktor
(eigener historischer Betafaktor) nicht dazu geeignet, den künftigen Betafaktor des Unternehmens zu schätzen.
211 Die mangelnde Eignung des eigenen historischen Betafaktors zur Prognose des künftigen Betafaktors des Unternehmens folgt schon aus dem
geringen Handel der Aktien. Da eine geringe Liquidität der Aktie die Aussagekraft historisch ermittelter Betafaktoren beeinträchtigt, (OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 255]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 165]; vgl. Zimmermann, Schätzung und Prognose von Betawerten:
Eine Untersuchung am deutschen Aktienmarkt, S. 115 ff.; Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 325; ähnlich Stock, Zur Relevanz von
CAPM-Anomalien für den deutschen Aktienmarkt, S. 66.) können die Renditen der W-Aktie keine taugliche Grundlage für eine Schätzung des
künftigen Betafaktors sein. Zwar werden Korrekturverfahren vorgeschlagen, welche die Aussagekraft von historisch ermittelten Betafaktoren bei
geringem Handelsvolumen verbessern sollen, etwa die Entnahme der Stichproben an den Tagen, an denen tatsächlich Handelstätigkeit
festzustellen ist. (Beispielsweise „trade-to-trade-Verfahren“, vgl. dazu Zimmermann, Schätzung und Prognose von Betawerten: Eine
Untersuchung am deutschen Aktienmarkt, S. 120 f.) Dass die Beeinträchtigungen der Aussagekraft historisch ermittelter Betafaktoren auf diese
Weise beseitigt werden können, ist aber nicht gesichert. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 169]; befürwortend Erhardt/Nowak, AG
Sonderheft 2005, 3, 8; Brüchle/Erhardt/Nowak, ZfB 2008, 455, 470 ff.; kritisch dagegen Zimmermann, Schätzung und Prognose von Betawerten:
Eine Untersuchung am deutschen Aktienmarkt, S. 123; für eine generelle Unbrauchbarkeit historisch ermittelter Betafaktoren bei illiquiden
Aktien Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 325; kritisch speziell zu den genannten Studien Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh
§ 11 Rn. 130.) Ausweislich der von den Antragstellern nicht in Frage gestellten Angaben im Unternehmenswertgutachten wurde die Aktie der W
im Zeitraum von drei Monaten vor der Bekanntgabe des beabsichtigten Squeeze-Out nur an 17 von 66 Börsentagen tatsächlich gehandelt; das
gesamte Handelsvolumen in diesem Zeitraum beschränkte sich auf 14.995 Aktien (GA S. 49). Dies entspricht einem durchschnittlichen
Handelsvolumen von 859 Stück bzw. 0,5% des Streubesitzes oder 0,018% aller nicht von der Gesellschaft selbst gehaltenen Aktien je
Handelstag. Rechnet man das Gesamthandelsvolumen auf die 66 Börsentage im Dreimonatszeitraum vor der Bekanntgabe der Squeeze-Out-
Absicht um, ergibt sich sogar nur ein durchschnittlicher Handel von 221 Stück bzw. 0,1% des Streubesitzes oder 0,005% aller nicht von der
Gesellschaft selbst gehaltenen Aktien je Börsentag. Vor diesem Hintergrund haben sowohl das Unternehmenswertgutachten (GA S. 49) als
auch die gerichtlich bestellte Prüferin (PB S. 8) zu Recht festgestellt, dass die Aktie der W nicht marktgängig sei. In vergleichbaren Fällen hat der
Senat die eigenen Renditen der Aktie des zu bewertenden Unternehmens wegen geringen Handels als ungeeignet zur Schätzung des
Betafaktors angesehen. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 167].)
212 Dem entspricht, dass die sachverständigen Prüfer die hinreichende statistische Güte des aus den eigenen Kursdaten der W-Aktie ermittelten
Betafaktors verneint haben; das von ihnen ermittelte Bestimmtheitsmaß r
2
beträgt nur 0,02 (Bl. 549). Einem solchen Wert von nahezu Null fehlt
die statistische Signifikanz. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 247] für ein Bestimmtheitsmaß von 0,051 bzw. 0,054.)
213 Dahin gestellt bleiben kann, ob die Handelsumsätze nach der Bekanntgabe des Abfindungsangebots angestiegen sind. Die Messperiode für
die Ermittlung des eigenen historischen Betafaktors des zu bewertenden Unternehmens darf nicht erst am Bewertungsstichtag, sondern muss
grundsätzlich schon mit der Bekanntgabe des Bewertungsanlasses enden, weil die Kursdaten unmittelbar vor dem Bewertungsstichtag nicht
mehr die Einschätzung der Marktteilnehmer vom spezifischen Risiko des Unternehmens, sondern Abfindungsspekulationen widerspiegeln.
(OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 239 ff.]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 168].)
214 Dem lässt sich nicht entgegen halten, dass die Heranziehung des eigenen historischen Betafaktors der W trotz seiner fehlenden Aussagekraft
geboten sei. Fehl geht insbesondere der Einwand, dass andernfalls die Rechtfertigung zur Ermittlung des Risikozuschlags anhand des CAPM
entfiele. (So aber Knoll, CFO aktuell 2007, 210, 212; Knoll, ZSteu 2006, 468, 476.) Zwar liegt der wesentliche Ansatz des CAPM in der
Ermittlung des Risikozuschlags anhand von Kapitalmarktdaten. Diese müssen aber nicht zwingend den eigenen Kursen der Aktien des
Bewertungsobjekts entnommen werden. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 254] m.w.N.; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 171].)
Entgegen einer in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur vertretenen Auffassung ist auch nicht davon auszugehen, dass geringe
Betafaktoren typische Folge der (faktischen) Beherrschung eines Unternehmens sind. (So Knoll, CFO aktuell 2007, 210, 211 f.) Zwar kommen
empirische Studien bei Gesellschaften, bei denen ein Squeeze-Out durchgeführt wurde, zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen
kleinen Betafaktoren und beherrschten Gesellschaften bestehe. (Vgl. Erhardt/Nowak, AG Sonderheft 2005, 3, 8; Brüchle/Erhardt/Nowak, ZfB
2008, 455, 472.) Hiergegen spricht aber schon die in diesen Fällen wegen des geringen Handelsvolumens typischer Weise fehlende
Aussagekraft der Kursdaten. Jedenfalls vermag die Auffassung vor dem Hintergrund einer Kontrollüberlegung nicht zu überzeugen: Tendierte
der Betafaktor beherrschter Unternehmen gegen Null, entspräche der Kapitalisierungszinssatz in diesen Fällen tendenziell dem Basiszinssatz
für (quasi) risikofreie Anlagen. Es ist indessen nicht ersichtlich, warum sich der Mehrheitsaktionär sein aufgrund seines Beteiligungsumfangs
entsprechend höheres unternehmerisches Risikos auch aus Sicht der außenstehenden Aktionäre nicht durch einen Risikozuschlag abgelten
lassen sollte; allein die Beherrschung eines Unternehmens senkt zudem das unternehmerische Risiko nicht - durch die Abhängigkeit von einem
Hauptaktionär kommt eher das Risiko von dessen Insolvenz als zusätzliches Risiko hinzu. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 255] m.w.N.;
OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 172].)
215 (3.1.2) Die Schätzung des künftigen Betafaktors ist anhand einer Betrachtung von Vergleichsunternehmen (Peer Group) durchzuführen; daraus
folgt ein Betafaktor des unverschuldeten Unternehmens der W von 0,66.
216 Angesichts der im erstinstanzlichen Verfahren detailliert dargelegten Angaben der sachverständigen Prüfer (Bl. 549) gehen Einwendungen
gegen die Transparenz der Peer-Group-Analyse fehl. Der Peer-Group-Betafaktor wurde danach anhand des Mittels der um das jeweilige
Kapitalstrukturrisiko bereinigten, aufgrund monatlicher Renditen im Rahmen einer fünfjährigen Messperiode im Verhältnis zum jeweiligen
Landesindex errechneten Betafaktoren der drei Vergleichsunternehmen S. AB, S. T. AB und K. Inc. bestimmt (Bl. 549). Aus den Einzelwerten
von 0,63, 0,55 und 0,80 errechnet sich ein Mittelwert von 0,66.
217 Das pauschale Bestreiten der Vergleichbarkeit der Peer-Group-Unternehmen mit der W „mit Nichtwissen“ dringt nicht durch. Nach den
Feststellungen der sachverständigen Prüfer wurden die in die Analyse einbezogenen Unternehmen in einem Beschluss des Kartellamts aus
dem Jahr 2001 als unmittelbare Konkurrenten der W auf den jeweils relevanten Teilmärkten bezeichnet (Bl. 549). Demnach erfüllen die
Vergleichsunternehmen jedenfalls das für ihre Eignung entscheidende Kriterium der Tätigkeit am selben Markt. (Vgl. OLG Stuttgart, AG 2010,
510 [juris Rn. 181].) Umstände, welche die Eignung der Vergleichsunternehmen dennoch ausschließen könnten, sind weder dargetan noch
ersichtlich.
218 (3.1.3) Ein Betafaktor des unverschuldeten Unternehmens in Höhe von 0,66 erscheint auch im Rahmen einer Gesamtschau plausibel. (Zur
Plausibilisierung von Betafaktoren vgl. OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 278 f.].) Der bisherige Unternehmenserfolg spiegelt sich in einem
operativen Risiko, das mit 0,66 bei nur zwei Dritteln des Durchschnittsrisikos des Marktportfolios angesetzt ist, angemessen wider. Ein
niedrigerer Ansatz ist vor dem Hintergrund der von den sachverständigen Prüfern dargestellten Entwicklung des EBIT der W in den
vergangenen zehn Jahren nicht geboten, da die Entwicklung zwar langfristig nach oben tendiert, dabei aber nicht nur geringfügige
Schwankungen festzustellen sind (Bl. 521).
219 (3.2) Der Betafaktor des unverschuldeten Unternehmens wurde zutreffend zur Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos periodenspezifisch
anhand des geplanten Verschuldungsgrads des Unternehmens erhöht.
220 (3.2.1) Die Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos beim Betafaktor rechtfertigt sich im Allgemeinen aus der Tatsache, dass Fremdgläubiger
typischerweise Vorrang vor den Eigentümern haben, wenn freie Cashflows verteilt werden; mit zunehmender Verschuldung des Unternehmens
steigt daher das finanzielle Risiko für die Eigentümer und mit diesem auch deren Renditeerwartungen. (Vgl. Kruschwitz,
Unternehmensbewertung für die Praxis, S. 145.) Je höher der Verschuldungsgrad des Unternehmens, desto höher ist demnach das
unternehmensindividuelle Risiko. Die Kapitalstruktur gehört zu den Umständen, die nach den Empfehlungen von IDW S1 bei der Bestimmung
des Risikozuschlags zu berücksichtigen sind. (Vgl. IDW S1 2000, Rn. 97; IDW ES1 2004 bzw. S1 2005, Rn. 100.)
221 (3.2.2) Der Berücksichtigung eines Kapitalstrukturrisikos kann im Fall der W nicht entgegen gehalten werden, die Gesellschaft sei „praktisch
unverschuldet“. Zu Recht hat die Antragsgegnerin darauf hingewiesen, dass die nach der Unternehmensplanung thesaurierten Erträge und der
außerordentliche Ertrag aus der Veräußerung des Geschäftsbereichs „Maschinen“ für die Finanzierung des geplanten Wachstums benötigt
würden. Die sachverständigen Prüfer haben dies im Rahmen einer detaillierten Darlegung der Finanzplanung der W bestätigt (Bl. 472, 514).
Danach verfügte die W - einschließlich des Ertrags aus der Veräußerung des Geschäftsbereichs „Maschinen“ im Jahr 2004 - am 01.01.2005
zwar über einen Gesamtbestand an liquiden Mitteln von 55,627 Mio. Euro, dem standen aber Finanzverbindlichkeiten von insgesamt 35,553
Mio. Euro gegenüber (Bl. 472, 514).Dabei ist zu bedenken, dass der Erlös aus der Veräußerung des Geschäftsbereichs „Maschinen“ noch im
Jahr 2004 zumindest teilweise zum Erwerb der Beteiligung an der W. S. ... Werkzeug AG verwendet wurde (Bl. 342). Im Übrigen reduzieren sich
trotz Thesaurierung und Verzinsung der thesaurierten Beträge die liquiden Mittel - nicht zuletzt durch Ausschüttungen, Investitionen und
Abschreibungen sowie Rückstellungen - bis zum Ende der Phase I auf 15 Mio. Euro; dieser Liquidität stehen wiederum Verbindlichkeiten
gegenüber Kreditinstituten in Höhe von 7 Mio. Euro gegenüber (Bl. 472). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die Unternehmensplanung von
dem Nettoliquiditätsüberschuss im Jahr 2005 10 Mio. Euro zur Ausschüttung an die Anteilseigner vorgesehen hat, die zwar den übrigen
Aktionären als Sonderwert zugutekommen (dazu unten c) aa)), aber folgerichtig nicht mehr zur Finanzierung des geplanten Wachstums zur
Verfügung stehen. Überschlägige Berechnungen zeigen indessen, dass die übrigen Aktionäre nicht besser stünden, wenn die 10 Mio. Euro
nicht zur Ausschüttung gestellt, sondern zur Reduzierung der Finanzverbindlichkeiten genutzt würden.
222 (3.2.2) Auch die Art und Weise der Berücksichtigung des Kapitalstrukturrisikos im Unternehmenswertgutachten ist nicht zu beanstanden.
223 Zwar erweckt die Angabe „Verschuldungsgrad (Verzinsliches FK/GK)“ in der Übersicht zur Ermittlung der Kapitalisierungszinssätze im
Übertragungsbericht (ÜB S. 42) den Eindruck, bei der Hinzurechnung des Kapitalstrukturrisikos der W (relevering) sei der Verschuldungsgrad
falsch ermittelt worden. Der Verschuldungsgrad errechnet sich nicht aus dem Verhältnis des Fremdkapitals (FK) zum Gesamtkapital (GK),
sondern aus dem Verhältnis Marktwert des Fremdkapitals (FK) zum Marktwert des Eigenkapitals (EK). (Vgl. Kruschwitz,
Unternehmensbewertung für die Praxis, S. 83; Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 1002.) Nach den Feststellungen der
sachverständigen Prüfer im ersten Rechtszug handelt es sich insoweit aber nur um eine falsche Darstellung, der keine falsche Berechnung
zugrunde liegt; die Richtigkeit der Berechnungen haben die sachverständigen Prüfer durch eigene Berechnungen nachvollzogen (Bl. 497).
Dementsprechend haben die sachverständigen Prüfer die im Unternehmenswertgutachten durchgeführte Ermittlung der periodenspezifischen
Betafaktoren bereits im Prüfungsbericht für angemessen befunden (PB S. 12).
224 cc) Auch der im Unternehmenswertgutachten für die Phase II angesetzte Wachstumsabschlag von 1,0% wurde vom Landgericht zu Recht nicht
beanstandet.
225 (1) Der Wachstumsabschlag trägt dem langfristigen Anstieg der Nettozuflüsse an die Anteilseigner Rechnung. (Vgl. Großfeld, Recht der
Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 926; Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 132.) Da dieser Anstieg in der hier
durchgeführten Nominalrechnung in Phase I bereits periodenspezifisch berücksichtigt ist, ist dort kein Wachstumsabschlag veranlasst. (Vgl.
Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 133.) In Phase II richtet sich der Wachstumsabschlag unter anderem danach, ob das
Unternehmen nachhaltig in der Lage sein wird, die in seinem Fall erwarteten, nicht notwendig mit der Inflationsrate identischen
Preissteigerungen auf der Beschaffungsseite (z.B. Materialkosten und Personalkosten) durch entsprechende eigene Preissteigerungen an
seine Kunden weiter zu geben. Trifft dies zu oder kann das Unternehmen sogar die Kostensteigerungen übertreffende Preiserhöhungen
durchsetzen, ist der Wachstumsabschlag in Höhe der nachhaltig erwarteten Kostensteigerungen oder sogar darüber anzusetzen. Ist das
Unternehmen nicht oder nicht vollständig in der Lage, nachhaltig erwartete Kostensteigerungen durch Preiserhöhungen auf seine Kunden
abzuwälzen, ist der Wachstumsabschlag unterhalb der nachhaltig erwarteten Kostensteigerungen zu verorten. (OLG Stuttgart, ZIP 2010, 274
[juris Rn. 284]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 189]; OLG Stuttgart, NZG 2007, 112 [juris Rn. 57]; Riegger in Kölner Kommentar, SpruchG,
Anh § 11 Rn. 23; ausführlich dazu Wollny, Der objektivierte Unternehmenswert, S. 345.)
226 (2) In diesem Fall entspricht der Wachstumsabschlag von 1% der nicht zu beanstandenden Planung des langfristigen Gewinnwachstums der W;
ihr Wachstumspotential ist hinreichend berücksichtigt.
227 (2.1) Zwar haben die sachverständigen Prüfer das geplante nachhaltige Wachstum der W mit 1,5% jährlich beziffert; dieser Wert setzt sich aber
zusammen aus einem Wachstumsfaktor von 1,0% und einem Zuschlag von 0,5% für die Wachstumsthesaurierung (Bl. 512).
228 (2.2) Nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer erscheint ein dauerhaftes jährliches Wachstum von 1,0% ab 2009 realistisch (Bl.
550).
229 (2.2.1) Dies gilt zum einen vor dem Hintergrund, dass ausgehend von dem nach Bereinigung um den Geschäftsbereich „Maschinen“ als
Spitzenjahr einzuordnenden Geschäftsjahr 2004 in Phase I bereits ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 9,4% geplant wurde (Bl. 550).
Die daran anschließende Ergebnisgröße zu Beginn von Phase II entspricht also dem Niveau eines konjunkturellen Höhepunkts (Bl. 551). Die
Reduzierung der Wachstumsrate in Phase II gegenüber dem in Phase I geplanten Wachstum trägt deshalb dem Umstand Rechnung, dass im
Rahmen des zyklischen Konjunkturverlaufs auf lange Sicht wieder mit Ertragseinbrüchen zu rechnen ist.
230 (2.2.2) Zu berücksichtigen ist zum anderen, dass das über dem Durchschnitt der Branche geplante Wachstum in einem
Verdrängungswettbewerb durch sinkende Margen erkauft werden muss (Bl. 507, dazu oben a) bb) (4) (4.1)). Vor diesem Hintergrund ist
insbesondere nicht zu erwarten, dass die W dauerhaft in der Lage sein wird, steigende Kosten auf Beschaffungsseite - etwa im Bereich der
Rohstoffkosten - vollständig an ihre Kunden weiterzureichen.
231 (3) Schließlich lässt sich nicht einwenden, dass der Wachstumsabschlag zumindest der langfristig erwarteten Inflationsrate entsprechen müsse.
Die von einzelnen Beschwerdeführern angeführte Literatur bezeichnet die Inflationsrate ausdrücklich nur als „ersten Anhaltspunkt“ für die
Bemessung des Wachstumsabschlags. (Großfeld, Recht der Unternehmensbewertung, 5. Aufl., Rn. 930.) Jedenfalls ist nicht gesichert, dass das
Wachstum der Unternehmensgewinne langfristig stets über der Inflationsrate liegen wird.
232 (3.1) Die sachverständigen Prüfer haben auf der Grundlage empirischer Untersuchungen (Vgl. Widmann, Finanz Betrieb 2003, 800, 809.)
festgestellt, dass das durchschnittliche Gewinnwachstum westdeutscher Industrieunternehmen in der Vergangenheit unabhängig von
Konjunkturzyklen nur 45 bis 50% der durchschnittlichen Preissteigerungsrate betragen hat. Bei einer erwarteten Inflationsrate von 1,5 % jährlich
errechnet sich daraus sogar nur eine Wachstumsrate von 0,68 bis 0,75% (Bl. 552).
233 (3.2)Dahinstehen kann, dass einzelne wirtschaftswissenschaftliche Untersuchungen des historischen Gewinnwachstums deutscher
Unternehmen im Gegensatz zu der von den sachverständigen Prüfer angeführten Studie zu dem Ergebnis kommen, dass die
Unternehmensgewinne in der Vergangenheit stärker gestiegen seien als die Inflation. (Vgl. Schüler/Lampenius, BewertungsPraktiker Nr.
3/2007, 2 ff.) Dies entspricht jedenfalls nicht der gefestigten Auffassung in der wirtschaftswissenschaftlichern Literatur. (Vgl. Simon/Leverkus in
Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 136; für den regelmäßigen Ansatz des Wachstumsabschlags unterhalb der Inflationsrate Riegger in Kölner
Kommentar, SpruchG, Anh. § 11 Rn. 23.) Für den Senat besteht daher kein Anlass, von den Annahmen der sachverständigen Prüfer
abzuweichen.
234 (3.3) Dies gilt auch unter Berücksichtigung der von einzelnen Beschwerdeführern angeführten Studien der EZB. (EZB, Monatsbericht
September 2007, 47 ff.) Zwar findet sich dort für den Euroraum die Feststellung, dass von 1974 bis 2004 die Unternehmensgewinne stärker
gestiegen seien als das Bruttoinlandsprodukt. Dieses Ergebnis wird von der Studie aber selbst relativiert. Neben dem Umstand, dass große
Teile der Unternehmensgewinne durch Tätigkeiten in anderen Volkswirtschaften erzielt wurden, wird insbesondere darauf hingewiesen, dass
die Zusammensetzung der Gruppe der Unternehmen im Untersuchungszeitraum mit der Änderung der Zusammensetzung der Aktienindizes
gewechselt hat, (EZB, Monatsbericht September 2007, 47, 50.) so dass Rückschlüsse auf die langfristige Gewinnentwicklung nur bedingt
möglich sind.
235 dd) Bei Ansatz der vorgenannten Einzelwerte ergeben sich folgende Kapitalisierungszinssätze der Einzelperioden.
236
Phase
Phase I
Phase II
Periode
2005
2006
2007
2008
2009 ff.
Basiszinssatz vor Steuern
4,50%
4,50%
4,50%
4,50%
4,50%
typ. pers. Ertragsteuern
der Anteilseigner
-1,58%
-1,58%
-1,58%
-1,58%
-1,58%
Basiszinssatz
nach Steuern
2,93%
2,93%
2,93%
2,93%
2,93%
Marktrisikoprämie
nach Steuern
5,50%
5,50%
5,50%
5,50%
5,50%
Betafaktor unverschuldet
0,66
0,66
0,66
0,66
0,66
Betafaktor verschuldet
0,74
0,72
0,71
0,71
0,70
Risikozuschlag nach Steuern
4,06%
3,96%
3,92%
3,89%
3,85%
Wachstumsabschlag
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
-1,00%
Kapitalisierungszinssatz
6,98%
6,88%
6,85%
6,82%
5,77%
237 Anhand dieser Kapitalisierungszinssätze errechnet sich zum 01.01.2005 ein Barwert des betriebsnotwendigen Vermögens von rund 355,367
Mio. Euro.
238
Phase
Phase I
Phase II
Periode
2005
2006
2007
2008
2009 ff.
Zu diskontierender
9.694
9.967
11.021
10.973
24.058
Betrag in TEuro
Kapitalisierungszinssatz
6,98%
6,88%
6,85%
6,82%
5,77%
Zinsfuß
1,0698
1,0688
1,0685
1,0682
1,0577
Periode
1
2
3
4
Abzinsungsfaktor
0,9347
0,8754
0,8197
0,7681
13,3061
Barwert per 01.01.2005 in TEuro
9.061
8.725
9.034
8.427
320.119
239 Mit dem Kapitalisierungszinssatz der ersten Periode aufgezinst beträgt der Barwert des betriebsnotwendigen Vermögens zum
Bewertungsstichtag (15.06.2005) rund 366,654 Mio. Euro.
240 c) Dem so errechneten Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens sind mehrere Sonderwerte hinzuzurechnen; die Annahmen des
Unternehmenswertgutachtens in diesem Bereich hat das Landgericht zu Recht nicht beanstandet.
241 aa) Die zugunsten der übrigen Aktionäre geplante - steuerfreie - Ausschüttung nicht betriebsnotwendiger Liquidität wurde nicht zu gering
bemessen.
242 (1) Die sachverständigen Prüfer haben nachvollziehbar dargelegt, dass die W trotz des Ertrags aus der Veräußerung des Geschäftsbereichs
„Maschinen“ im Jahr 2004 am 01.01.2005 nur über einen Gesamtbestand an liquiden Mitteln von 55,627 Mio. Euro verfügte; dem standen
allerdings Finanzverbindlichkeiten von insgesamt 35,553 Mio. Euro gegenüber (Bl. 472, 514, näher dazu oben b) bb) (3) (3.2) (3.2.2)).
243 (2) Obwohl sich daraus ein Nettoliquiditätsüberschuss von fast 20 Mio. Euro errechnet, ist die Beschränkung der nicht betriebsnotwendigen
Liquidität auf 10 Mio. Euro nicht zu beanstanden. Nur durch diese Beschränkung ist gewährleistet, dass die der W zur Verfügung stehende
Liquidität langfristig in etwa der in der Vergangenheit verfügbaren Liquidität entspricht. Im Verlauf der Phase I reduzieren sich die liquiden Mittel
schon bei einer Ausschüttung von 10 Mio. Euro auf 15 Mio. Euro; im Jahr 2003 hatten die liquiden Mittel der W dagegen noch 18 Mio. Euro
betragen (Bl. 515).
244 bb) Der Ansatz des nicht betriebsnotwendigen Grundvermögens ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
245 (1) Dies gilt zunächst für den Wert des im Unternehmenswertgutachten als nicht betriebsnotwendig eingestuften Grundstücks der
brasilianischen Tochtergesellschaft der W. Die sachverständigen Prüfer haben festgestellt, dass das Grundstück erst im Jahr 2001 erworben
und deshalb zu Anschaffungskosten bewertet wurde (Bl. 461). Dass der Wert des Grundstücks in den vier Jahren zwischen Anschaffung und
Bewertungsstichtag derart gestiegen wäre, dass den übrigen Aktionären durch die Bewertung zu Anschaffungskosten nicht nur geringfügige
Werte vorenthalten würden, sind nicht ersichtlich.
246 (2) Dass aus den Wahrnehmungen eines Antragstellers auf dem Betriebsgelände der italienischen Tochtergesellschaft der W in C. nicht darauf
geschlossen werden kann, dass Teile des Grundstücks nicht betriebsnotwendig sind, hat bereits das Landgericht zu Recht festgestellt (Bl. 613).
Diese Feststellung wird durch die Erläuterung der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren, Teile des Grundstücks seien bereits im Jahr 1994
an ein anderes Unternehmen veräußert worden (Bl. 737, AG8), lediglich bestätigt. Dahin gestellt bleiben kann daher, ob die Antragsgegnerin
dies schon in erster Instanz hätte vortragen können. Unbeachtlich ist deshalb auch, dass der Kaufvertrag (AG8) lediglich in italienischer
Sprache vorgelegt wurde.
247 (3) Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass die Beteiligung der W an der französischen Gesellschaft F. in C. als betriebsnotwendig
eingestuft wurde, obwohl sie in den Bilanzen der W als Finanzanlage ausgewiesen ist. Ob ein Vermögensgegenstand betriebsnotwendig ist
oder nicht, richtet sich nicht nach seiner Bilanzierung, sondern nach seiner Funktion. Nicht betriebsnotwendig sind danach nur diejenigen
Vermögensgegenstände, die frei veräußert werden können, ohne dass hierdurch die eigentliche Unternehmensaufgabe berührt wird. (Vgl. OLG
Düsseldorf, AG 2002, 398 [juris Rn. 48].) Das Landgericht hat die Beteiligung an der F. in C. danach zutreffend als betriebsnotwendig
angesehen. Entgegen der Rüge eines Beschwerdeführers (Bl. 697) hat es dabei nicht lediglich die rechtliche Einordnung der Geschäftsleitung
der W („Auskünfte des Managements“) übernommen. Die Feststellung des Landgerichts beruhte vielmehr auf dem - von Seiten der übrigen
Aktionäre nicht in Frage gestellten - Umstand, dass sich die Funktion der F. darin erschöpft, als Besitzgesellschaft das Betriebsgrundstück der
französischen Tochtergesellschaft der W zu halten (Bl. 569).
248 cc) Anhaltspunkte für die - von einzelnen Antragstellern in erster Instanz pauschal behauptete - Existenz weiteren nicht betriebsnotwendigen
Vermögens sind nach den Feststellungen der sachverständigen Prüfer nicht ersichtlich (Bl. 501).
249 (1) Der Wert des den Anteilseignern als Sonderwert zugerechneten Körperschaftsteuerguthabens wurde nach den Feststellungen der
sachverständigen Prüfer entgegen einzelner Rügen in erster Instanz methodisch korrekt ermittelt (Bl. 540).
250 (2) Die Marke „W...“ und die der W gehörenden gewerblichen Schutzrechte sind dagegen den Anteilseignern nicht als weiterer Sonderwert
zuzurechnen. Sie werden zum Betrieb des Unternehmens der W benötigt; ihr Wert kommt den übrigen Aktionären im Rahmen des Ertragswerts
des betriebsnotwendigen Vermögens zugute (Bl. 482, 488).
251 d) Nach den obigen Feststellungen zu den Ertragsprognosen (dazu oben a)), den Kapitalisierungszinssätzen (dazu oben b)) und den
Sonderwerten (dazu oben c)) errechnet sich zwar ein Ertragswert des Unternehmens der W zum Bewertungsstichtag, der - geteilt durch die Zahl
der Aktien, die nicht von der W selbst gehalten werden - rechnerisch über dem angebotenen Betrag von 75,50 Euro liegt (dazu unten aa));
dennoch ist keine höhere Abfindung festzusetzen (dazu unten bb)).
252 aa) Rechnet man dem oben festgestellten Ertragswert des betriebsnotwendigen Vermögens (dazu oben b) dd)) die im
Unternehmenswertgutachten zutreffend angeführten Sonderwerte hinzu (dazu oben c)), ergibt sich ein Wert des Unternehmens der W zum
Bewertungsstichtag in Höhe von 370,405 Mio. Euro, der - bezogen auf die nicht von der Gesellschaft selbst gehaltenen Aktien - den
angebotenen Betrag von 75,50 Euro je Aktie rechnerisch um 4,54 Euro je Aktie bzw. um 6,02% übersteigt.
253 bb) Trotz dieser rechnerischen Differenz des fundamentalanalytisch ermittelten Unternehmenswerts je Aktie gegenüber dem angebotenen
Betrag ist der Senat nicht zur Festsetzung eines anderen Betrages berufen.
254 (1) Nach § 327f Satz 2 AktG hat das Gericht nur dann die Höhe der Barabfindung zu bestimmen, wenn die angebotene Barabfindung nicht
angemessen ist.
255 (2) Unangemessen ist die angebotene Abfindung nur dann, wenn sie mehr als nur geringfügig von dem auf diesem Weg ermittelten Wert der
Aktie abweicht.
256 (2.1) Das Ergebnis einer Berechnung nach dem Ertragswertverfahren stellt nicht als solches den Verkehrswert eines Unternehmens dar,
sondern gibt lediglich einen von mehreren möglichen Anhaltspunkten für dessen Schätzung. Unabhängig davon kann schon angesichts der
diesem Verfahren immanenten zahlreichen Unwägbarkeiten nicht jede Abweichung des rechnerischen Ertragswerts von demjenigen Wert,
welcher dem Angebot zugrunde liegt, dazu führen, dass die angebotene Abfindung als unangemessen anzusehen ist. Dies gilt jedenfalls dann,
wenn der Betrag nur geringfügig von dem Wert abweicht, welcher dem Angebot zugrunde gelegt wurde. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn.
238 f.]; ebenso im Ergebnis OLG Celle, AG 2007, 865 [juris Rn. 35].) Dabei ist zu bedenken, dass die Wertermittlung nach
fundamentalanalytischen Methoden auf einer Reihe von Schätzungen nach § 287 Abs. 2 ZPO beruht. Im Übrigen gilt bereits hinsichtlich der
zugrundeliegenden Tatsachenfeststellung, dass jede Bewertung naturgemäß nur eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung und keine
punktgenaue Messung sein kann. Soweit ein Unternehmen oder eine Unternehmensbeteiligung nach dem künftigen finanziellen Ertrag für den
Eigner des Unternehmens oder der Beteiligung bewertet wird, muss sich die Bewertung notwendigerweise auf unsichere Prognosen über
künftige Entwicklungen stützen und zudem im Rahmen der Abzinsung weitere ergebnisrelevante prognostische Annahmen treffen. (OLG
Stuttgart, ZIP 2010, 274 [juris Rn. 137].) Der so ermittelte „Unternehmenswert“ ist daher notwendigerweise eine Fiktion. (OLG Stuttgart, AG 2007,
705, 706 [juris Rn. 13]; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der börsennotierten Aktiengesellschaft, 2007, S. 166 m.w.N.)
257 (2.2) Die Grenze, bis zu der eine Abweichung noch als geringfügig angesehen werden kann (Bagatellgrenze), kann aber nicht für alle Fälle
einheitlich bestimmt werden.
258 (2.2.1)Der Senat hat bislang angenommen, dass sich eine Unangemessenheit der angebotenen Abfindung jedenfalls für den Fall einer
Abweichung von weniger als 1 % nicht feststellen lasse. (OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 241].) Das Oberlandesgericht Celle hat im Fall
eines Unternehmensvertrages angenommen, dass der darin festgesetzte Ausgleich noch angemessen sei, wenn er nach einer anderen
Berechnungsmethode um 3,7% höher anzusetzen sei. (OLG Celle, AG 2007, 865 [juris Rn. 35].) Das Landgericht München I hat eine
Abweichung „deutlich unter der Größenordnung von 10%“ noch als geringfügig bezeichnet. (LG München I, ZIP 2000, 1055, 1057; bestätigt in 2.
Instanz von BayObLG, BB 2003, 275 [juris 49] allerdings ohne Bezifferung der „Bagatellgrenze“.) Zwar sprach das Landgericht Frankfurt/Main
unter Bezugnahme hierauf von einer allgemeinen Bagatellgrenze in Höhe von 10%, dabei handelte es sich aber nur um Überlegungen im
Rahmen einer Kostenentscheidung. (Landgericht Frankfurt/Main, AG 2002, 357, 358.)
259 (2.2.2) In der Literatur finden sich zur Bagatellgrenze unterschiedliche Auffassungen. Während einerseits eine Verortung der Bagatellgrenze bei
10% befürwortet wird, (Paschos, ZIP 2003, 1017, 1024; hierauf verweisen ohne eigene Stellungnahme Bungert, BB 2003, 699, 701 und
Simon/Leverkus in Simon, SpruchG, Anh § 11 Rn. 11.) sprechen sich andere Stimmen dafür aus, nur Abweichungen bis zu 5% als geringfügig
anzusehen. (Puszkajler, BB 2003, 1692, 1694; offener allerdings Puszkajler, ZIP 2010, 2275, 2279.) Je nachdem, welcher Auffassung man
folgen wollte, wäre hier die Geringfügigkeit der Abweichung und damit die Angemessenheit der angebotenen Abfindung noch zu bejahen oder
nicht. Zwingende Gründe für die eine oder die andere Auffassung lassen sich indessen im Allgemeinen nicht anführen.
260 (3) Ob die Bagatellgrenze im Allgemeinen bei einer Abweichung von 5% oder von 10% anzusetzen ist, muss hier allerdings nicht entschieden
werden. Denn im Rahmen der bei einer Angemessenheitsprüfung erforderlichen Gesamtbetrachtung kann in diesem Fall nicht außer Betracht
bleiben, dass der Börsenkurs der Aktie der W bis zur Bekanntgabe des Abfindungsangebots im Übertragungsbericht vom 20.04.2005 deutlich
unter 75,50 Euro lag. In Verbindung mit der jedenfalls im Grenzbereich der Geringfügigkeit anzusiedelnden Abweichung ist vor diesem
Hintergrund nicht festzustellen, dass die angebotene Abfindung unangemessen wäre.
261 (3.1) Die Berücksichtigung des Börsenkurses in diesem Zusammenhang steht nicht im Widerspruch zu höchstrichterlicher Rechtsprechung. Im
Rahmen der „DAT/Altana“-Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht seine Feststellung, der Börsenkurs dürfe bei der Berechnung der
von Artikel 14 Abs. 1 GG geforderten vollen Entschädigung nicht außer Betracht bleiben (BVerfGE 100, 289 [juris Rn. 62] „DAT/Altana“.) , im
Ausgangspunkt damit begründet, dass „der Vermögensverlust, den der Minderheitsaktionär [durch die Strukturmaßnahme] erleidet, […] sich für
ihn als Verlust des Verkehrswerts der Aktie dar[stelle]. Dieser [sei] mit dem Börsenkurs der Aktie regelmäßig identisch“. (BVerfGE 100, 289 [juris
Rn. 63] „DAT/Altana“.) Der Bundesgerichtshof bemisst den Verkehrswert der Aktie zwar nur dann nach dem Börsenwert, wenn dieser über dem
fundamentalanalytisch ermittelten Unternehmenswert je Aktie liegt, (BGHZ 147, 108 [juris Rn. 21] „DAT/Altana“; zu diesem Verständnis der
Entscheidung auch Stilz, ZGR 2001, 875, 892.) was in diesem Fall nicht zutrifft (dazu oben 2. b) bb)). Die Berücksichtigung des Börsenkurses
dient hier aber nicht dazu, den Verkehrswert der Aktie zu ermitteln, sondern nur der Überprüfung, ob die Angemessenheit der angebotenen
Abfindung trotz der rechnerischen Abweichung des mit fundamentalanalytischen Methoden ermittelten Werts noch zu bejahen ist; sie ist also
lediglich eine Kontrollüberlegung. (Vgl. zur Berücksichtigung des Börsenkurses im Rahmen von Kontrollüberlegungen OLG Stuttgart, NZG
2007, 112 [juris Rn. 65].)
262 (3.2) Dabei wird nicht verkannt, dass die Aktie der W vor dem Bewertungsstichtag nur in geringem Umfang gehandelt wurde (dazu oben b) bb)
(3) (3.1) (3.1.1)). Zwar hat die Rechtsprechung den Börsenwert zur Ermittlung des Verkehrswerts anstelle fundamentalanalytischer Methoden
bislang nur bei hochliquiden Aktien herangezogen. (OLG Frankfurt, AG 2010, 751 [juris Rn. 126].) Zur Plausibilisierung des mit anderen,
nämlich fundamentalanalytischen Methoden ermittelten Werts können Börsenkurse aber grundsätzlich auch bei weniger liquiden Aktien
berücksichtigt werden; dies gilt jedenfalls dann, wenn ihr Kurs während eines längeren Zeitraums stabil war. (OLG Stuttgart, AG 2008, 783 [juris
Rn. 59].)
263 Eine solche Stabilität lässt sich hier auf der Grundlage des im Tatsächlichen unstreitigen Vortrags der Antragsgegnerin zur Kursentwicklung der
Aktie der W nicht nur für die Dreimonatsreferenzperiode vor Bekanntgabe der Squeeze-Out-Absicht feststellen, die für die Berücksichtigung des
Börsenkurses als Untergrenze der Abfindung maßgeblich ist (dazu oben 2. b) bb)), sondern für einen längeren Zeitraum. Die Darstellung der
Kursentwicklung in Anlage AG2 (nach Bl. 300) belegt, dass sich der Kurs der Aktie der W während eines Zeitraums von knapp einem Jahr vor
der Bekanntgabe der Höhe des Abfindungsangebots durch die Veröffentlichung des Übertragungsberichts am 20.04.2005 ohne große
Ausschläge nach oben oder unten in einem Korridor zwischen 40 und 50 Euro bewegte. Dabei stieg der Kurs zunächst bis zur Bekanntgabe der
Squeeze-Out-Absicht leicht an, um dann nach einem durch die Bekanntgabe ausgelösten kleinen Kurssprung in Richtung 50 Euro wieder
langsam in Richtung 40 Euro abzufallen.
264 Die Darstellung der Orderbuchumsätze in Relation zum Preis, zu dem die Aktie gehandelt wurde, belegt zudem, dass der Kurs der Aktie der W
nicht wesentlich vom Handelsvolumen beeinflusst wurde: Trotz des enormen Anstiegs des Handelsvolumens im Oktober 2004 stagnierte der
Kurs zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen; die Veröffentlichung des Abfindungsangebots im April 2005 führte dagegen bei einem ungleich
geringeren Handelsvolumen zu einem deutlichen Kursanstieg.
265 (3.3) Nachdem das Kursniveau im Jahr 2002 noch unter 30 Euro lag, lässt sich zwar langfristig eine stabile Kursentwicklung nach oben
feststellen. Schriebe man diese Entwicklung unter Ausblendung der mit der Veröffentlichung des Abfindungsangebots verbundenen
Abfindungsspekulationen fort, ergäbe sich zum Bewertungsstichtag aber ein Kurs von deutlich unter 75,50 Euro. Zwar können die übrigen
Aktionäre bei der Bemessung ihrer Abfindung nicht auf diesen fiktiven Kurs verwiesen werden. Es erscheint aber gerechtfertigt und geboten, die
rechnerische Abweichung des vom Gericht ermittelten fundamentalanalytischen Unternehmenswerts je Aktie vom angebotenen Betrag um
6,02% hier noch als geringfügig und die angebotene Abfindung damit noch als angemessen anzusehen, selbst wenn man die Bagatellgrenze
im Allgemeinen nicht erst bei einer Abweichung von 10%, sondern schon bei einer Abweichung von 5% ansiedeln wollte.
III.
266 1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren ist nicht geboten.
267 a) Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SpruchG ist zwar im Regelfall, aber nicht zwingend eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Durch den Verzicht
auf eine völlige Freistellung der mündlichen Verhandlung wollte der Gesetzgeber nur eine Beeinträchtigung des Rechts auf rechtliches Gehör
durch Beschränkungen des Rechts der Verfahrensbeteiligten vermeiden, dem Sachverständigen Fragen zu stellen. (Vgl. die Bezugnahme auf
BVerfG NJW 1998, 2273 in BT Drs. 15/371, S. 15; OLG Stuttgart, AG 2010, 42 [juris Rn. 158]; OLG Stuttgart, AG 2010, 510 [juris Rn. 257].) Diese
Möglichkeit hatten die Beschwerdeführer hier aber bereits in der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug, in welcher die
sachverständigen Prüfer angehört wurden.
268 b) Die Anhörung der sachverständigen Prüfer in einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren ist nicht deshalb geboten, weil die
Beschwerdeentscheidung auch auf den schriftlichen Ausführungen der sachverständigen Prüfer nach der mündlichen Verhandlung im ersten
Rechtszug (Bl. 481 ff.) beruht. Das Landgericht hatte ursprünglich beabsichtigt, den Verfahrensbeteiligten in einem Folgetermin Gelegenheit zu
ergänzenden Fragen an die sachverständigen Prüfer in Bezug auf deren schriftliche Stellungnahme zu geben (Bl. 476). Nachdem sich auf die
Verfügung des Landgerichts vom 14.04.2008 hin nur die Antragsteller Ziffer 24) bis 26) zu der schriftlichen Stellungnahme der
sachverständigen Prüfer geäußert und diese ausdrücklich das Bedürfnis weiterer Fragen an die sachverständigen Prüfer verneint haben (Bl.
567), hat das Landgericht aber zu Recht auf deren ergänzende Anhörung in einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Im
Beschwerdeverfahren ist eine solche Anhörung nicht nachzuholen. Weder die Antragsteller Ziffer 24) bis 26) noch die übrigen
Beschwerdeführer haben in ihrem Beschwerdevortrag erkennen lassen, dass sie den sachverständigen Prüfern nunmehr ergänzende Fragen
stellen wollten. Stattdessen fordern sie - zu Unrecht (dazu oben II. 1. a)) - eine umfassende Neubegutachtung.
269 2. Angesichts der Zurückweisung der Beschwerden ist der Geschäftswert entsprechend § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG auf 200.000 Euro
festzusetzen.
270 3. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens sind nach § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG von der Antragsgegnerin zu tragen. Die
Voraussetzungen für eine Billigkeitsentscheidung nach § 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG sind nicht erfüllt, da die sofortigen Beschwerden nicht
offensichtlich unbegründet sind. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführer durch die Antragsgegnerin aus
Billigkeitsgründen gemäß § 15 Abs. 4 SpruchG ist bei Zurückweisung der sofortigen Beschwerden nicht veranlasst.