Urteil des OLG Stuttgart vom 17.03.2014

OLG Stuttgart: stundung, landwirtschaftlicher betrieb, grundstück, erstreckung, ersteher, zwangsversteigerung, erlöschen, vorrecht, beitragsschuld, vollstreckung

OLG Stuttgart Urteil vom 17.3.2014, 5 U 126/13
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des
Landgerichts Heilbronn vom 4.7.2013 - Geschäftsnummer 5 O 86/13 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert in beiden Instanzen: 65.571,41 Euro.
Gründe
I.
1 Die Parteien streiten im Rahmen einer Widerspruchsklage nach § 878 ZPO als Gläubiger
um das Recht und den Rang der Beklagten zur Befriedigung aus dem Erlös der
Zwangsversteigerung eines teilweise landwirtschaftlich genutzten Grundstücks.
2 Auf Betreiben der Beklagten wegen Grundsteuerbeträgen und aufgrund Beitritts der
Klägerin wegen eines dinglichen Anspruchs aus einer Grundschuld wurde beim
Amtsgericht Heilbronn - Vollstreckungsgericht - die Zwangsversteigerung eines teilweise
landwirtschaftlich genutzten Grundstücks betrieben. Mit Schreiben vom 18.10.2012
meldete die Beklagte in dem Zwangsversteigerungsverfahren u. a. die den Anlass und
Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits bildenden Forderungen in Höhe von
65.571,41 Euro an. Den Forderungen liegen Abwasserbeiträge zugrunde, die von der
Beklagten mit Bescheid vom 18.1.1993 gegen den Grundstückseigentümer festgesetzt
und mit Bescheid vom 25.3.1993 für die landwirtschaftlich genutzte Fläche des
Grundstücks gemäß § 10 Abs. 11 KAG a. F. gestundet worden waren.
3 Das Vollstreckungsgericht hat nach Durchführung der Zwangsversteigerung dem
vorliegend angefochtenen Teilungsplan zugrundegelegt, dass die Beklagte mit ihren
Ansprüchen wegen Abwasserbeiträgen im Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG und damit vor
der hiesigen Klägerin zu befriedigen sei. Es hat daher den vom Ersteher des Grundstücks
bereits gezahlten Teil des Meistgebotes i. H. v. 26.558,47 Euro der Beklagten zugewiesen
und bestimmt, dass der weitergehende Anspruch gegen den Ersteher i. H. v. noch
39.012,94 Euro auf die Beklagte übertragen wird.
4 Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Teilungsplan zu Unrecht die Forderungen
aufgrund Abwasserbeiträgen berücksichtige. Die dem angemeldeten Anspruch
zugrundeliegende sachliche Beitragsschuld sei bereits im Jahr 1993 entstanden und auch
im Jahr 1993 durch Bescheid festgesetzt worden, jedoch zugleich gestundet worden, weil
gemäß § 28 KAG (§ 10 Abs. 11 KAG a. F.) solche Beiträge so lange zu stunden seien, wie
das Grundstück zur Erhaltung der Wirtschaftlichkeit des Betriebs landwirtschaftlich genutzt
werden müsse. Wegen der Stundung bestehe schon überhaupt kein Anspruch der
Beklagten im jetzigen Verfahren, da die Last fortbestehe und nun den Erwerber belaste.
Hilfsweise sei der Anspruch erloschen, jedenfalls aber sei die Vier-Jahres-Frist des § 10
Abs. 1 Nr. 3 ZVG abgelaufen. Demgegenüber meint die Beklagte, die Last sei mit dem
Zuschlag erloschen und infolge der in § 28 KAG (§ 10 KAG a. F.) geregelten gesetzlichen
Verpflichtung zur Stundung - die Gemeinde habe insoweit kein Ermessen - könne die Vier-
Jahres-Frist hier nicht angewendet werden. Für die Einzelheiten wird auf den Tatbestand
des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
5 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
6 Die auf dem streitgegenständlichen Grundstück ruhende öffentliche Last sei nicht in der
Rangstufe des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zu befriedigen. Nach dieser Vorschrift seien
entsprechende Beträge nur bevorrechtigt, wenn der Gläubiger innerhalb von vier Jahren
nach ihrer Fälligkeit die Beschlagnahme des Grundstücks betreibe. Hier seien die
Beiträge bereits mit Entstehung der sachlichen Beitragsschuld, jedenfalls mit Erlass des
Beitragsbescheids und damit spätestens im Jahr 1993 fällig geworden. Soweit die
Beklagte die Beiträge mit Bescheid vom 25.3.1993 gestundet habe, habe diese Stundung
nicht die Fälligkeit hinausschieben können; durch Stundung könnten die Fristen des § 10
Abs. 1 Nr. 3 ZVG nur innerhalb des dortigen Höchstrahmens ausgenutzt werden. Auch
wenn man das anders sehe und annehme, dass die Frist der Nr. 3 nicht abgelaufen
gewesen sei, ändere sich am Ergebnis nichts. Denn nach § 56 S. 2 ZVG trage ab
Zuschlag der Ersteher die Lasten des Grundstücks, wobei auf die Fälligkeit der Last
abzustellen sei. Selbst wenn daher die Stundung der Beiträge mit dem Zuschlag beendet
gewesen sein sollte, führe das nach dem eindeutigen Wortlaut des § 56 ZVG dazu, dass
die Last bestehen bleibe und das Grundstück - unabhängig von einer persönlichen Schuld
- weiterhin dinglich belaste.
7 Mit ihrer gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung will die Beklagte weiterhin die
Abweisung der Klage erreichen.
8 Im Hinblick auf die 4-Jahres-Frist des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG treffe es zwar zu, dass sie die
Beiträge im Jahr 1993 gestundet habe. Bei dieser Stundung handele es sich jedoch nicht
um eine Ermessenentscheidung, sondern um eine gebundene Entscheidung, die stets
positiv auszufallen habe, wenn - wie hier unstreitig - durch die Beitreibung ein auf dem
Grundstück geführter landwirtschaftlicher Betrieb wirtschaftlich gefährdet würde. Es dürfe
daher nicht zu Lasten der Beklagten gehen, dass sie, ohne dass sie überhaupt anders
hätte handeln können, die streitgegenständlichen Beiträge gestundet habe. Soweit das
Landgericht annehme, dass die Last auch nach Zuschlag auf dem Grundstück liege,
widerspreche das der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und des
Bundesgerichtshofs; tatsächlich erlösche die Last mit dem Zuschlag. Wollte man das
anders sehen, müsse das im Übrigen im Zwangsversteigerungsverfahren zur Folge
haben, dass die Last - da nicht erlöschend - in das geringste Gebot aufzunehmen sei.
Damit ergebe sich aber wirtschaftlich für andere Gläubiger kein Vorteil, da dann die
Gebote für das Grundstück wegen der bestehenbleibenden Last entsprechend geringer
ausfallen würden.
9 Die Beklagte beantragt,
10 1. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 04.07.2013, AZ: 5 O 86/113 St, wird
abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
11 Die Klägerin beantragt,
12 die Berufung zurückzuweisen.
13 Sie verteidigt im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil als richtig.
II.
14 Die Berufung ist zulässig und begründet.
15 Die auf dem versteigerten Grundstück liegende öffentliche Last ist mit dem Zuschlag
erloschen. Damit setzt sich das Recht der Beklagten am Erlös fort und die Beklagte ist -
wie es der angefochtene Teilungsplan daher zu Recht vorsieht - in der Rangklasse des §
10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zu befriedigen.
1.
16 Die auf dem versteigerten Grundstück liegende Last ist mit dem Zuschlag erloschen (a)).
Damit setzt sich das Recht der Beklagten am Erlös fort (b)).
a)
17 Die ursprünglich zugunsten der Beklagten bestehende öffentliche Last ist entgegen der
Auffassung des Landgerichts mit dem Zuschlag erloschen.
18 Das folgt ohne Weiteres schon aus dem Wortlaut der §§ 52 Abs. 1 S. 2, 91 ZVG. Danach
erlöschen durch den Zuschlag die Rechte, die nicht nach den Versteigerungsbedingungen
bestehen bleiben sollen (§ 91 ZVG). Zu den Rechten, die nach den
Versteigerungsbedingungen bestehen bleiben sollen, zählt die streitgegenständliche
öffentliche Last jedoch nicht; denn nach den Versteigerungsbedingungen in diesem Sinne
bestehen bleiben sollen nur diejenigen Rechte, die in das geringste Gebot aufgenommen
sind (§ 52 Abs. 1 S. 2 ZVG). Das ist für die streitgegenständlichen Beiträge bzw. die sie
sichernde öffentliche Last aber unstreitig nicht der Fall gewesen und ergibt sich im
Übrigen aus den als Anlage K 2 vorgelegten Versteigerungsbedingungen und dem in
Anlage K 3 vorgelegten Teilungsplan, wo unter C. (S. 4 d. Teilungsplans) festgestellt ist,
dass keine Rechte als Teil des geringsten Gebots bestehen bleiben.
19 Das entspricht außerdem der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach
(BVerwG, Urteil vom 07. September 1984 – 8 C 30/82 –, BVerwGE 70, 91, [juris Rn. 15 ff.])
bleiben öffentliche Lasten - dort ein Grundsteueranspruch, ohne dass jedoch die
Argumentation maßgeblich darauf bezogen wäre - nur bestehen, wenn sie bei der
Feststellung des geringsten Gebotes zu berücksichtigen sind und tatsächlich
berücksichtigt wurden. Das gilt nach der genannten Entscheidung selbst dann, wenn die
öffentliche Hand womöglich gar keine Möglichkeit hatte, ihre Forderung anzumelden, weil
ihr der Anspruch oder die Anspruchshöhe zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht bekannt
waren.
20 Demnach kann hier fraglich erscheinen, ob das Vollstreckungsgericht die Last nicht
richtigerweise im geringsten Gebot hätte berücksichtigen müssen; nachdem sie aber nicht
berücksichtigt worden ist, ist die Last mit dem Zuschlag erloschen.
b)
21 Mit dem Erlöschen der Grundstückslast setzt sich das Recht der Beklagten im Wege der
Surrogation am Erlös fort (Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 91 Rn. 2.5 m. w. N.).
2.
22 Damit kann sich die Beklagte - auch wenn der Beitrag bislang gestundet war - aus dem
Versteigerungserlös befriedigen (a)) und zwar in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3
ZVG (b)). Da das dem mit dem Widerspruch angegriffenen Teilungsplan zugrundeliegt, ist
die Klage abzuweisen.
a)
23 Der Befriedigung der Beklagten aus dem Versteigerungserlös an sich steht nicht
entgegen, dass der zugrundeliegende Anspruch gestundet war bzw. infolge des
Vorliegens der Voraussetzungen des § 28 KAG (§ 10 KAG a. F.) nicht gefordert werden
konnte.
24 Das ergibt sich schon daraus, dass auf die in den Rangklassen 1, 1a, 2 und 3 des § 10
ZVG zu befriedigenden Ansprüche ggf. nicht §§ 111, 119 f. ZVG Anwendung finden,
sondern diese Ansprüche bei Erlösverteilung ohne Weiteres fällig sind (Stöber, a. a. O., §
111 Rn. 2.1).
b)
25 Ist damit nicht fraglich, dass sich die Beklagte überhaupt aus dem Erlös befriedigen kann,
hat das zuletzt auch in der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG zu erfolgen. Die dort
normierte Vier-Jahres-Frist steht dem nicht entgegen.
26 Die Auslegung des § 28 KAG (§ 10 KAG a. F.) ergibt, dass Beiträge, die nach dieser Norm
zu „stunden“ sind, bis zum Zuschlag schon gar nicht „rückständig“ im Sinne des § 10 Abs.
1 Nr. 3 ZVG sind (aa)). Der Zweck der Vier-Jahres-Frist steht dieser Auslegung nicht
entgegen (bb)).
aa)
27 § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG knüpft mit der Formulierung, Ansprüche auf Lasten wegen der aus
den letzten vier Jahren „rückständigen“ Beträge an die Fälligkeit der Ansprüche an
(Stöber, a. a. O., § 10 Rn. 6.17 b).
28 Fällig sind Ansprüche aber (erst) dann, wenn der Gläubiger die Leistung verlangen kann
(BGH WM 2007, 612; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl., § 271 Rn. 1)
29 Das ist jedoch bei den streitgegenständlichen Beiträgen gerade nicht der Fall: Denn diese
sind nach § 28 KAG (bzw. waren nach § 10 KAG a. F.) bei Vorliegen der tatbestandlichen
Voraussetzungen dieser Norm zwingend und ohne Ermessen für die öffentliche Hand zu
stunden. Der Gläubiger kann diese Leistung damit gerade nicht verlangen; vielmehr hat es
allein der Schuldner in der Hand, ob er durch einen entsprechenden Antrag die
„Stundung“ herbeiführt. Der Anspruch ist daher im Sinne der Terminologie des BGB und
des ZVG erfüllbar, aber nicht fällig.
bb)
30 Anders könnte nur zu entscheiden sein, wenn der hinter der Vier-Jahres-Frist des § 10
Abs. 1 Nr. 3 ZVG stehende gesetzgeberische Zweck diese Lösung in Frage stellen würde.
Das ist aber nicht der Fall.
(1)
31 Wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien der Norm ergibt, soll die öffentliche Hand
durch die zeitliche Erstreckung des Vorrechts - zunächst auf zwei, seit den dreißiger
Jahren des 20. Jahrhunderts auf vier Jahre - die Möglichkeit erhalten, bei der
Geltendmachung der fraglichen Ansprüche flexibel zu sein, oder umgekehrt formuliert: Die
öffentliche Hand soll nicht gezwungen sein, allein deswegen die Verwertung von
Grundstücken zu betreiben, weil sie andernfalls ihre bevorrechtigte Rangklasse verlieren
würde. Zu den dazu im Gesetzgebungsverfahren angestellten Erwägungen heißt es in den
Protokollen der 1. Kommission der Beratungen zum ZVG (Prot. I 14259 [hier zit. nach
Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuchs, Sachenrecht, 4. Gesetz
über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung]): „Das Vorzugsrecht werde
angemessen, wenn auch in Abweichung von dem § 54 Nr. 2 der Konkursordnung für die
Rückstände der letzten zwei Jahre gewährt. Die Möglichkeit, die auf Grundstücken
haftenden Abgaben ungefährdet auf zwei Jahre zu stunden, sei bei allgemeinen
Kalamitäten von erheblichem Werthe.“ Und an anderer Stelle (Prot. I 14268) heißt es
„Anlangend die zeitliche Erstreckung des Vorrechts“, es sei „nicht unbedenklich, die
Bevorrechtigten zu nöthigen zu einem rascheren, minder schonenden Vorgehen gegen
den Schuldner, wodurch leicht, namentlich zur Zeit einer wirthschaftlichen Krisis, die Zahl
der den Realkredit schädigenden Subhastationfälle vermehrt wird.“
(2)
32 Mit diesem gesetzgeberischen Zweck kollidiert es in keiner Weise, wenn man die infolge
des Stundungsanspruchs des Grundstückseigentümers nicht durchsetzbaren Ansprüche
der öffentlichen Hand im Fall des § 28 KAG (§ 10 KAG a. F.) nicht als rückständig i. S. d. §
10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG betrachtet.
33 Denn die zeitliche Erstreckung soll die Möglichkeiten der öffentlichen Hand erweitern in
Fällen, in denen die Beiträge fällig sind - also gefordert werden könnten - aber aus
Gründen der Rücksichtnahme auf den Schuldner und aus freier Entscheidung der
öffentlichen Hand nicht gefordert werden sollen. In diesen Fällen hat die öffentliche Hand
aber grundsätzlich die Möglichkeit, die Verfristung ihres Vorrechts zu verhindern, indem
sie ihr Recht geltend macht. Dagegen soll die zeitliche Erstreckung auf (nur) vier Jahre
nicht der öffentlichen Hand ihr Vorrecht dort nehmen, wo sie ihren Anspruch - wie bei § 28
KAG (§ 10 KAG a. F.) - überhaupt noch nicht durchsetzen kann.
cc)
34 Soweit die Klägerin im Übrigen meint, Stöber sei anderer Auffassung, soweit es a. a. O. (§
10 Rn. 6.20) heißt, die Fristen von zwei bzw. vier Jahren bei wiederkehrenden bzw.
rückständigen Beiträgen könnten nicht durch Stundung verlängert werden, setzt sich die
dortige Kommentierung nicht mit der vorliegenden - im Hinblick auf § 28 KAG (§ 10 KAG a.
F.) besonderen - Konstellation auseinander. Im bei Stöber behandelten - begrifflich -
gewöhnlichen Fall der „Stundung“ geht es in der Tat auf den freien Entschluss des
Gläubigers zurück, sein Vorrecht während der Stundung nicht einzufordern, und da
erscheint es selbstverständlich, dass der Gläubiger nicht die Möglichkeit haben kann, die
Fristen durch Stundung zu verlängern. So liegen die Dinge hier aber nicht, da das
Kommunalabgabengesetz zwar von „Stundung“ spricht, das jedoch wie oben aa)
ausgeführt nicht im bürgerlich-rechtlichen Sinne eines vertragsmäßigen Verzichts des
Gläubigers wirkt und gemeint ist.
35 Tatsächlich mit der hier gegenständlichen Konstellation befasst sich in der
Kommentarliteratur vielmehr soweit erkennbar nur Reif (in: Gössl/Reif, KAG, Stand
Dezember 2011, § 27 7.2); er vertritt die hiesige Lösung.
3.
36 Damit ist die Klage abzuweisen. Anordnungen nach § 880 S. 2 ZPO sind insoweit nicht zu
treffen, da § 124 Abs. 2 ZVG vorgeht (Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 880 Rn. 1).
III.
1.
37 Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
2.
38 Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht
vorliegen. Die Entscheidung bewegt sich auf dem Boden gefestigter Rechtsprechung oder
schlichter Gesetzesanwendung. Soweit die Auslegung des Stundungsbegriffs des § 28
KAG bzw. d. § 10 KAG a. F. entscheidungserheblich ist, kommen anerkannte
Auslegungskriterien zur Anwendung und sind abweichende Auffassungen nicht
erkennbar, so dass es an der für die Zulassung der Revision erforderlichen
Klärungsbedürftigkeit fehlt (vgl. Zöller/Heßler, a. a. O., § 543 Rn. 11). Es kommt daher
schon nicht mehr darauf an, ob diese Frage über den Einzelfall hinausgehende
Bedeutung hätte.
3.
39 Bei der Streitwertfestsetzung ist zu berücksichtigen, dass in dem Antrag der Klägerin im
hiesigen Verfahren gegenüber der Verteilung bereits hinterlegter 26.558,47 Euro
weitergehend enthalten ist, dass die Klägerin insgesamt mit ihrer Forderung in Höhe von
65.571,41 Euro vor der Beklagten zu befriedigen sein soll. In Höhe der entsprechenden
Differenz von 39.012,94 Euro ist dementsprechend auch nach dem von der Klägerin
angegriffenen Teilungsplan der Anspruch gegen den Ersteher des Grundstücks auf die
Beklagte übertragen. Soweit das Landgericht den Streitwert demgegenüber auf 26.558,47
Euro festgesetzt hatte, ist die Festsetzung durch das Berufungsgericht von Amts wegen zu
korrigieren (§ 63 Abs. 3 GKG).