Urteil des OLG Stuttgart vom 10.10.2013
OLG Stuttgart: befangenheit, zusammenarbeit, beweisverfahren, versäumnis, hauptsache, traktor, hersteller, unparteilichkeit, gutachter, geschäftsführer
OLG Stuttgart Beschluß vom 10.10.2013, 3 W 48/13
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Ulm vom
12.08.2013 (6 OH 14/12) wird
z u r ü c k g e w i e s e n.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 1.000,00 EUR.
Gründe
1 Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nicht begründet. Mit
zutreffenden Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, hat
das Landgericht Ulm mit Beschluss vom 12.08.2013 und mit Nichtabhilfebeschluss vom
11.09.2013 den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dipl. Ing. L… R… wegen
Besorgnis der Befangenheit sowie den Antrag auf Einholung eines weiteren Gutachtens
eines anderen Sachverständigen zurückgewiesen bzw. abgelehnt. Die Ausführungen in
der Beschwerdebegründung und im Schriftsatz vom 26.09.2013 führen zu keinem anderen
Ergebnis.
2 Die Ablehnung eines Sachverständigen findet statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet
ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Es muss sich dabei um
Tatsachen oder Umstände handeln, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei
vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der
Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (BGH BauR
2005, 1205 juris RN 12).
1.
3 Entgegen der Auffassung des Antragstellers ergibt sich aus der Aktennotiz des
Sachverständigen in der ergänzenden Stellungnahme vom 11.06.2013 auch aus
vernünftiger Sicht des Antragstellers keine Besorgnis der Befangenheit. Vielmehr ist der
Sachverständige als professionell tätiger Gutachter ohne weiteres in der Lage, eine
persönliche Verärgerung aufgrund eventueller Beleidigungen des Antragstellers von der
fachlichen Beantwortung der Beweisfragen zu trennen. Die Beschwerde zeigt nicht auf,
warum dies hier ausnahmsweise anders sein sollte.
4 Hinzu kommt, dass der Antragsteller von sich aus in unzulässiger Weise direkten Kontakt
mit dem Sachverständigen aufgenommen hat. Gemäß § 404a ZPO obliegt die Leitung des
Sachverständigen als weisungsgebundenem Gehilfen (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl.
2012, § 404a Rn. 1) dem Gericht. Sollte der Antragsteller oder auch sein
Prozessbevollmächtigter Fragen oder Bedenken im Hinblick auf den Sachverständigen
haben, hat er sich - über seinen Prozessbevollmächtigten - an das Gericht zu wenden.
2.
5 Die neu als Befangenheitsgrund genannte Zusammenarbeit des Sachverständigen R…
mit dem Vater des Antragsgegners beim Austausch von Ersatzteilen für Traktoren reicht
hier vom Standpunkt des Ablehnenden betrachtet nicht aus, um die Befürchtung zu
wecken, der Sachverständige könnte nicht mehr im Hinblick auf den Antragsteller
unbefangen sein.
6 Allein ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Sachverständigen und einer Partei kann
bei der gebotenen vernünftigen Betrachtung noch nicht die Besorgnis der Befangenheit
eines Sachverständigen begründen (OLG Hamm, MDR 2012, 118). Im vorliegenden Fall
spricht weiter gegen eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen R…, dass
die Zusammenarbeit zwischen dem Vater des Antragsgegners, der allerdings die
streitgegenständlichen Arbeiten durchgeführt hat, und dem Sachverständigen bereits im
August 2003 endete, nachdem der Sachverständige zu diesem Zeitpunkt als
Geschäftsführer der R…Landmaschinen GmbH ausschied. Zuvor beschränkte sich der
geschäftliche Kontakt auf die gelegentliche gegenseitige Beschaffung von Ersatzteilen für
Landmaschinen bestimmter Hersteller. Im Übrigen standen die Fa. R… GmbH und die Fa.
des Vaters des Antragsgegners im Wettbewerb. Ferner ist der Sachverständige R…
öffentlich bestellt und vereidigt, was die Gewähr dafür bietet, dass er im besonderen Maß
seine Pflichten als unparteiischer Sachverständiger kennt und diesen nachkommt (vgl.
OLG München, MDR 1989, 818). Schließlich hat der Sachverständige R… im Gutachten
vom 11.04.2013 Fehler bei den Reparaturen durch den Vater des Antragsgegners und
zwei aktuelle Mängel am streitgegenständlichen Traktor festgestellt. Auch das zeigt, dass
sich der Sachverständige R… von dem bis 2003 bestehenden geschäftlichen Kontakt mit
dem Vater des Antragsgegners nicht in seinem fachlichen Urteil beeinflussen lässt.
7 Allerdings wäre es sicher sinnvoll und wünschenswert gewesen, wenn der
Sachverständige R… bereits vor Übernahme der Begutachtung auf den früheren
geschäftlichen Kontakt mit dem Vater des Antragsgegners von sich aus hingewiesen
hätte. Vor dem Hintergrund der dargestellten Umstände lässt dieses Versäumnis keine
Befangenheit befürchten.
3.
8 Die vom Antragsteller behaupteten Mängel des Gutachtens und der ergänzenden
Stellungnahme des Sachverständigen sind auch für das Beschwerdegericht nicht
ersichtlich. Sein bisheriger Vortrag reicht vor dem Hintergrund der ergänzenden
Stellungnahme des Sachverständigen vom 11.06.2013 für entsprechende Zweifel seitens
des Senats nicht aus. Vielmehr zeigt die Durchsicht der Schriftsätze des Antragstellers,
dass er mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht zufrieden ist. Das ist aber eine normale
Reaktion auf ein nicht im Sinne dieser Partei ausgegangene Begutachtung.
4.
9 Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde sind nicht ersichtlich.
10 Der Streitwert wurde nach dem derzeitigem Sach- und Streitstand des selbstständigen
Beweisverfahrens mit einem Drittel des Wertes der Hauptsache festgesetzt (vgl. Herget in
Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 3 Rn. 16, Stichwort „Ablehnung“). Der Hauptsachewert ist
hier nach den Feststellungen des Sachverständigen einerseits und den behaupteten, aber
nicht vom Sachverständigen bestätigten Mängeln des Antragstellers zu bemessen (Herget
in Zöller, ZPO, 29. Aufl. 2012, § 3 Rn. 16, Stichwort „Selbständiges Beweisverfahren“). Der
Sachverständige kommt im Gutachten zu voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten
von 500,00 EUR netto. Die vom Antragsteller mit Schriftsatz vom 10.05.2013 behaupteten
weiteren Mängel werden mit 2.000,00 EUR netto bewertet, was insgesamt 2.975,00 EUR
brutto ergibt. Daher ist von einem Streitwert von 3.000,00 EUR für das selbstständige
Beweisverfahren auszugehen. Ein Drittel hiervon sind 1.000,00 EUR.