Urteil des OLG Stuttgart vom 20.06.2014

OLG Stuttgart: schwierigkeit des verfahrens, erschwerung, unzumutbarkeit, belastung, vergleich, entlastung, erleichterung, regen, adhäsionsverfahren, überprüfung

OLG Stuttgart Beschluß vom 20.6.2014, 2 ARs 96/13
Leitsätze
Hat der bestellte Verteidiger an einem ganztägigen Hauptverhandlungstag weniger als eine
Stunde lang teilgenommen, kann die Terminsgebühr für diesen Tag von der Pauschgebühr
abgezogen werden, wenn der Verteidiger dadurch bereits selbst für seine finanzielle Entlastung
gesorgt und damit das Ausmaß der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren verringert hat.
Tenor
Dem gerichtlich bestellten Verteidiger,
Rechtsanwalt
wird auf seinen Antrag und nach Anhörung der Vertreterin der Staatskasse für die Verteidigung
des Angeklagten im vorbereitenden und im gerichtlichen Verfahren vor dem Landgericht
Stuttgart eine Pauschgebühr in Höhe von
108.888 Euro
(in Worten: einhundertundachttausendachthundertundachtundachtzig Euro)
bewilligt.
Die Pauschgebühr tritt an die Stelle folgender Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis:
VV Nrn. 4101, 4103, 4105, 4119, 4121-4123 RVG in der Fassung bis zum 31. Juli 2013.
Die Ansprüche des Verteidigers auf Erstattung von Auslagen und Umsatzsteuer bleiben
unberührt. Festgesetzte oder schon ausbezahlte Gebühren sind anzurechnen.
Der darüber hinausgehende Antrag des Verteidigers wird abgelehnt.
Gründe
I.
1 Der Antragsteller wurde dem Angeklagten durch Verfügung des Amtsgerichts Stuttgart
vom 8. Juli 2009 nach § 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO als Verteidiger bestellt. Das gerichtliche
Verfahren in der Jugendkammersache, die nach den allgemeinen Vorschriften zur
Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört hätte, richtete sich gegen 21 Angeklagte. Die
Hauptverhandlung fand an 196 Tagen statt. Der Angeklagte wurde durch Urteil der
Jugendkammer u.a. wegen gemeinschaftlicher schwerer Körperverletzung zu der
Jugendstrafe von 4 Jahren und 9 Monaten verurteilt, im Adhäsionsverfahren erging gegen
ihn ein gesamtschuldnerisches Zahlungsurteil über 108.500 Euro zugunsten der
Geschädigten, ein Feststellungsurteil betreffend die Ersatzpflicht für künftige Schäden und
die Verurteilung zu einer gesamtschuldnerischen monatlichen
Rentenzahlungsverpflichtung über 120 Euro an einen Geschädigten. Der gesetzliche
Gebührenanspruch des Verteidigers beläuft sich nach der Berechnung der Vertreterin der
Staatskasse in ihrer Stellungnahme vom 31. März 2014 im vorliegenden Verfahren, auf die
der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, auf 107.838 Euro netto
ohne Auslagen.
2 Der Verteidiger beantragt, ihm eine Pauschvergütung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG bis
zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens zu gewähren. Die Vorsitzende der
Strafkammer und die Vertreterin der Staatskasse sind dem Antrag entgegengetreten und
regen an, ihn abzulehnen.
II.
3 Auf den Antrag des Verteidigers setzt der Senat nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG eine
Pauschgebühr in Höhe von 108.888 Euro fest, die sich aus den gesetzlichen Gebühren in
Höhe von 107.838 Euro und einem Erhöhungsbetrag von 1.050 Euro zusammensetzt. Der
darüber hinausgehende Antrag des Verteidigers wird abgelehnt.
4 Nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten Rechtsanwalt in Strafsachen
auf Antrag für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte eine
Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis
hinausgeht, wenn die in den Teilen 4 - 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten
Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht
zumutbar sind. Im vorliegenden Fall wird die Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren
in Höhe von 107.838 Euro für den Verteidiger durch einen Aufschlag für seine Tätigkeit im
gerichtlichen Verfahren vor dem Beginn der Hauptverhandlung von zehn zusätzlichen
Verfahrensgebühren VV Nr. 4119 RVG in der Fassung bis zum 31. Juli 2013 (im
Folgenden: VV Nr. … RVG) beseitigt. Von diesem Erhöhungsbetrag zieht der Senat die
Hauptverhandlungsgebühren für die Tage ab, an denen der Verteidiger weniger als eine
Stunde lang an einer im Wesentlichen ganztägigen Hauptverhandlung teilgenommen hat,
sowie diejenigen für einen weiteren, vergleichbaren Sitzungstag. Der Erhöhungsbetrag für
den Antragsteller beläuft sich danach auf 1.050 Euro.
5 Es handelt sich um ein besonders umfangreiches Verfahren im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz
1 RVG. Der Aktenumfang war mit 63 Stehordnern an Ermittlungsakten erheblich, auch
wenn 36 Stehordner hiervon auf Personenordner für einzelne Angeklagte entfielen, von
denen der Verteidiger im Wesentlichen nur die seinen Mandanten betreffenden Ordner im
Detail zu sichten hatte. Belegt ist der Verfahrensumfang auch durch den Umstand, dass
das gerichtliche Verfahren gegen 21 Angeklagte geführt wurde und in der
Hauptverhandlung 72 Zeugen vernommen und mehrere Sachverständige gehört wurden.
6 Weiter wies das Verfahren besondere Schwierigkeiten im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1
RVG bei der Vorbereitung des Verteidigers auf die Hauptverhandlung auf. Zwar wurde
eine einzelne Tat verhandelt, an der sich beteiligt zu haben dem Angeklagten vorgeworfen
wird. Gleichwohl waren mit ihrer gerichtlichen Aufklärung in einer Gesamtbetrachtung
besondere Schwierigkeiten verbunden, die den Vorbereitungsaufwand des Verteidigers
auf die Hauptverhandlung im Vergleich zu einem gewöhnlichen Schwurgerichtsverfahren
vor der Jugendkammer Im Sinne von VV Nrn. 4118 ff. RVG maßvoll erhöhten. Denn die
Tat ereignete sich im Rahmen einer Auseinandersetzung zweier bandenmäßig
betriebener Organisationen mit festen Strukturen, die Auswirkungen auf die individuelle
Tatschuld der Angeklagten hatten. Die Beweiswürdigung im sich auf 618 Seiten
belaufenden Urteil dazu nimmt - einschließlich der Phase der Planung der Tat durch die
Täterorganisation - 88 Seiten ein.
7 Keine besonderen Schwierigkeiten im Vergleich zu einem gewöhnlichen
Schwurgerichtsverfahren vor der Jugendkammer waren dagegen mit der Feststellung der
Tatbeteiligung und der Tatbeiträge der einzelnen Angeklagten verbunden. Wesentliche
Beweismittel hierfür waren die polizeilichen Angaben einzelner Angeklagter. Die nach der
Stellungnahme der Vorsitzenden im vorliegenden Verfahren vom 19. April 2013 zunächst
gewählte allgemeine Verteidigungsstrategie, die Einführung dieser polizeilicher Aussagen
in die Hauptverhandlung zu verhindern, macht das Verfahren nicht zu einem besonders
Schwierigen im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG. Das gilt auch für die zu klärende
Frage, ob der Mandant bedingt vorsätzlich oder nur fahrlässig gehandelt hatte, denn diese
stellt sich in Schwurgerichtssachen oft. Anhaltspunkte dafür, dass das Verfahren vor der
Anklageerhebung besonders umfangreich oder schwierig gewesen ist, sind nicht
ersichtlich.
8 Allein der besondere Umfang und die besondere Schwierigkeit des Verfahrens
rechtfertigen die Zubilligung einer Pauschgebühr nicht. Vielmehr ist nach dem Wortlaut
des § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG zusätzlich erforderlich, dass dem Verteidiger die gesetzlichen
Gebühren deshalb nicht zumutbar sind (vgl. BVerfG NJW 2007, 3420f.). Dafür spricht
auch, dass erst der Vergleich der Erschwerung der Verteidigertätigkeit mit seinem
gesetzlichen Gebührenanspruch die Bewertung zulässt, ob dem Verteidiger eine
zusätzliche Vergütung gewährt werden muss. Weiter geht der Senat mit der soweit
ersichtlich einhelligen Rechtsprechung (OLG Saarbrücken, Beschluss vom 24. August
2010, 1 AR 27/09 - zitiert nach juris -; OLG Frankfurt, NStZ-RR 2009, 296; OLG Köln,
StraFo 2006, 130) davon aus, dass innerhalb eines Verfahrens- (unter-) abschnitts im
Sinne der VV Nrn. 4104ff. RVG die Erschwerung der Verteidigertätigkeit in einer Hinsicht
durch ihre Erleichterung in anderer Hinsicht, etwa während einer langen
Hauptverhandlung, ganz oder teilweise kompensiert werden kann.
9 Im vorliegenden Fall war die Verteidigertätigkeit während der ca. 2,5-jährigen
Hauptverhandlung gegenüber einem gewöhnlichen Schwurgerichtsverfahren vor der
Jugendkammer in einer Gesamtbetrachtung dieses Verfahrensabschnitts erleichtert. Die
große Anzahl von bis zu 42 anwesenden Verteidigern in der Hauptverhandlung führte
dazu, dass die meisten sachdienlichen Fragen an Zeugen und Sachverständige sowie
sachdienliche Anträge bereits von Verteidigerkollegen, insbesondere dem weiteren
Verteidiger des Mandanten des Antragstellers, soweit anwesend, gestellt waren oder noch
nachträglich vor der Entlassung des Zeugen oder Sachverständigen gestellt werden
konnten. Die tägliche Mittagspause an Sitzungstagen dauerte aus organisatorischen
Gründen 1,5 bis 2 Stunden. In der Mittagspause waren Gefangenenbesuche in der
Justizvollzugsanstalt bei anderen Mandanten des im Raum S. ansässigen Verteidigers
möglich, da die Hauptverhandlung in der Justizvollzugsanstalt S. durchgeführt wurde.
Weiter beruhte die Dauer der Hauptverhandlung nach der nachvollziehbaren
Stellungnahme der Strafkammervorsitzenden vom 19. April 2013 - neben zahleichen
erforderlichen kurzzeitigen Unterbrechungen, hauptsächlich um Angeklagten den Gang
zur Toilette zu ermöglichen - auf unzähligen Anträgen einiger Verteidiger. So trugen etwa
die Verteidiger H. und G. in den sieben Verhandlungstagen vom 25. April 2012 ab 14:10
Uhr bis zum 23. Mai 2012 um 14:21 Uhr einen Befangenheitsantrag gegen die
Berufsrichter der Jugendkammer vor, in dem sie im Wesentlichen den bisherigen Gang der
Hauptverhandlung referierten. Weiter wurde um die Sitzordnung im Verhandlungssaal
gestritten. Dies wirkte sich entlastend für den Antragsteller aus (vgl. Stollenwerk, DRiZ
2014, 66). Eine erhebliche Belastung des Verteidigers war auch mit dem vom Gericht
angeordneten Selbstleseverfahren betreffend Unterlagen, die in einen Stehordner
passten, nicht verbunden. Denn nach der Stellungnahme der Strafkammervorsitzenden
enthielt der Selbstleseordner lediglich Teile der Ermittlungsakte, mit denen sich der
Verteidiger schon vorher zu befassen hatte.
10 Auch der Gesichtspunkt, dass der allgemeine Kanzleibetrieb des Verteidigers und die
Anbahnung anderer Mandate durch seine oft zwei Mal wöchentliche Teilnahme an der
Hauptverhandlung über ca. 2 ½ Jahre hinweg belastet war, fällt im vorliegenden Fall nicht
erheblich ins Gewicht. Diese Belastung war nämlich erheblich geringer als in anderen
Schwurgerichtsverfahren bei der Jugendkammer, weil jeder Angeklagte durch zwei nach §
140 StPO bestellte Verteidiger vertreten wurde. Dies ermöglichte es dem Verteidiger, auf
die Teilnahme an der Hauptverhandlung dann zu verzichten, wenn sein Verteidigerkollege
für den Mandanten anwesend war. In dieser Hinsicht wich das vorliegende Verfahren
wesentlich vom Regelfall der notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 1, Abs. 2 StPO
ab, in dem ein einzelner Rechtsanwalt die Verteidigung seines Mandanten insbesondere
in der Hauptverhandlung durchgehend wahrzunehmen hat. Von dieser
Verfahrenserleichterung, deren Einsatz zur Förderung seines allgemeinen Kanzleibetriebs
und zur Anbahnung anderer Mandate dem Verteidiger möglich war, hat der Antragsteller
regen Gebrauch gemacht. Die durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass der
Antragsteller an 73 Hauptverhandlungstagen, an denen er anwesend war, mindestens 30
Minuten der Sitzungsdauer nicht wahrgenommen hat. Verhandelt wurde an den 196
Hauptverhandlungstagen, wenn es sich um Ganztagstermine handelte, aufgrund von
Unterbrechungen größenordnungsmäßig fünf Stunden täglich. An 24 der o.a. 73
Verhandlungstage war der Antragsteller mehrere Stunden lang nicht in der
Hauptverhandlung anwesend. An weiteren 5 Hauptverhandlungstagen war er gar nicht
anwesend. Die Strafkammervorsitzende hat in ihrer Stellungnahme vom 19. April 2013 zu
Recht darauf hingewiesen, dass bei dieser Sachlage die Behinderung der
Berufsausübung des Verteidigers durch das vorliegende Verfahren gegenüber dem
Gesichtspunkt in den Hintergrund trat, dass durch die Teilnahme daran regelmäßige
Einkünfte des Verteidigers, die sich insgesamt auf 107.838 Euro netto beliefen, gesichert
waren. Der Senat hat bei der Bewertung der Verteidigertätigkeit in diesem Stadium die
vom Antragsteller angeführten zwei zusätzlichen Termine in der Sache an
Nichtverhandlungstagen am 24. Februar 2010 (Informationsveranstaltung des Gerichts),
am 18. Mai 2011 (Verständigungsgespräch) und zwei vom Verteidiger gefertigte
Haftprüfungsanträge, fünf Besuche des Mandanten in Haft, die aufwändige
Akteneinsichtnahme während laufender Hauptverhandlung sowie die Fahrtzeiten
zwischen Kanzlei und Verhandlungsort mit in die Betrachtung einbezogen. Die Belastung
des Verteidigers in diesem Stadium des Verfahrens war insgesamt gleichwohl geringer als
bei einer gewöhnlichen Schwurgerichtssache vor der Jugendkammer.
11 In einer Gesamtbetrachtung aller Umstände geht der Senat davon aus, dass die
Erschwerung der Verteidigertätigkeit durch die Sichtung der umfangreichen Akten und die
Vorbereitung auf die Hauptverhandlung durch ihre Erleichterung während der
Hauptverhandlung teilweise kompensiert wird. Die nicht kompensierte Erschwerung
gleicht der Senat mit zehn zusätzlichen Verfahrensgebühren VV Nr. 4119 RVG in Höhe
von insgesamt 3.220 Euro aus.
12 Hiervon zieht der Senat jedoch die Sitzungsgebühren für fünf weitere, bei den o.a. 73
Sitzungstagen, die der Verteidiger nur teilweise wahrgenommen hat, nicht berücksichtigte
Tage ab. Es handelt sich um die Hauptverhandlungstage am 13. April 2011, 28.
September 2011, 12. Dezember 201, 12. März 2012 sowie am 11. April 2011. An den vier
erstgenannten Sitzungstagen hat der Verteidiger weniger als eine Stunde lang an einer im
Grundsatz ganztägigen Hauptverhandlung teilgenommen, am 11. April 2011 war er nur
sechs Minuten lang in einer Halbtagssitzung anwesend. In wertender Betrachtung nahm er
damit an diesen Hauptverhandlungstagen im Wesentlichen nicht teil. Er machte aber
gleichwohl die Sitzungsgebühren dafür geltend, die ihm auch gewährt wurden und die im
hier zugrunde gelegten gesetzlichen Gebührenanspruch von 107.838 Euro enthalten sind.
Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob diese Gebühren tatsächlich verdient sind.
Jedenfalls bei der Berechnung der Pauschgebühr sind sie aber vom Erhöhungsbetrag
abzuziehen. Denn insoweit hat der Verteidiger bereits selbst für seine finanzielle
Entlastung gesorgt und das Ausmaß der Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren
verringert. Dadurch vermindert sich der dem Antragsteller zu gewährende
Erhöhungsbetrag um fünf Gebühren VV Nr. 4121 RVG, also um 2.170 Euro, auf 1.050
Euro. Gerechtfertigt wird der Abzug durch die o.a. Überlegung, dass bei der Prüfung der
Unzumutbarkeit der gesetzlichen Gebühren die Erschwerung der Verteidigertätigkeit mit
den erzielten gesetzlichen Gebühren verglichen werden muss. Mit dem so errechneten
Erhöhungsbetrag ist nach der Auffassung des Senats die Indienstnahme des selbständig
tätigen Antragstellers als bestellter Verteidiger im Verfahren zu öffentlichen Zwecken auf
ihm zumutbare Weise ausgeglichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Oktober 2008, Az. 2
BvR 1173/08, in juris Rn. 8f.).
13 Der Senat hat im Übrigen erwogen, eine Pauschgebühr aus dem Grund zu gewähren, weil
die regelmäßige Einkunftsquelle des Verteidigers mit der Verkündung des Urteils in
vorliegender Sache am 15. Oktober 2012 wegfiel, zumal die Strafkammer bereits gebeten
hatte, noch weitere Hauptverhandlungstermine zu reservieren. Dieser Gesichtspunkt führte
im Fall eines Verteidigerkollegen im Verfahren vor der Jugendkammer zu einer weiteren
Erhöhung der Pauschgebühr. Beim Antragsteller ist dies aber nicht gerechtfertigt, weil er
wie oben dargelegt - anders als der genannte Verteidiger - an insgesamt 83 von 196
Hauptverhandlungstagen jedenfalls zum Teil nicht teilgenommen hat. Die so gewonnene
Zeit konnte er zur Gewinnung und Ausführung von anderen Mandaten sowie
Anschlussmandaten nutzen.
14 Der Vortrag des Antragstellers, die Rechtsanwaltskammer St. habe ermittelt, dass ein
anwaltlicher Stundensatz von 150,00 Euro netto üblich sei, ist für die Frage, ob dem
Verteidiger die gesetzlichen Pflichtverteidigergebühren im Sinne von § 51 Abs. 1 Satz 1
RVG nicht zumutbar sind, ohne erhebliche Bedeutung. Vielmehr ergibt sich aus VV Nrn.
4121, 4122 RVG in der hier anzuwendenden Fassung, dass das RVG den Stundensatz
des bestellten Verteidigers, wenn keine Pauschgebühr festzusetzen ist, in
Schwurgerichtssachen auf bis zu 76,50 Euro netto, nämlich 434 + 178 Euro auf acht
Stunden, und in allgemeinen Strafkammersachen auf bis zu 45,38 Euro netto (VV Nr. 4115
mit 4116 RVG) absenkt.
15 Die Verteidigung des Mandanten im Adhäsionsverfahren führt nach § 51 Abs. 1 Satz 2
RVG zu keiner Erhöhung der Pauschgebühr, weil insoweit Wertgebühren nach VV Nr.
4143 RVG entstanden sind (Burhoff in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 51, Rn. 8 RVG).
16 Somit ist eine Pauschgebühr von 108.888 Euro netto festzusetzen und der Antrag im
Übrigen abzulehnen.