Urteil des OLG Oldenburg vom 14.10.1997

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Gericht:
OLG Oldenburg, 09. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 9 U 26/97
Datum:
14.10.1997
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 328
Leitsatz:
Anspr. aus Vertr. m. Schutzwirk. zugunst. Dritter und eig. vertr. Erfül- lungsanspr. d. Überweisenden
bei in Absprache m. Kontoinhaber erteilter Zusage e. Bank, e. irrtümlich überwiesenen Betrag
zurückzuüberweisen.
Volltext:
Tatbestand
Die Klägerin verlangt von der beklagten Bank Rückzahlung eines irrtümlich überwiesenen Betrages.
Die Klägerin schuldete einer Firma G. in B. einen Betrag von 53.820,- DM. Der Buchhalter der Klägerin überwies
Ende April 1996 den Betrag irrtümlich an eine Firma G. in O. auf ein bei der Beklagten geführtes Konto. Dieses
stand vor der Überweisung mit bis zu
114.000,- DM im Soll.
Zu einem Zeitpunkt, der zwischen den Parteien streitig ist, erteilte die Firma G. in O. der Beklagten den Auftrag zur
Rücküberweisung des Betrages.
Ende Mai erreichte das Konto der Firma G. in O. einen Stand, der eine Überweisung des streitigen Betrages ohne
Überschreitung des früher von der Beklagten geduldeten Limits nicht mehr zuließ.
Im Oktober 1996 wurde über das Vermögen der Firma G., O., das Konkursverfahren eröffnet.
Die Klägerin behauptet, der Filialleiter H. der Beklagten habe Anfang/Mitte Mai 1996 sowohl ihr als auch der
Geschäftsführerin der Firma G., O., zugesagt, der Betrag werde zurücküberwiesen.
Die Beklagte bestreitet dies und behauptet, der Überweisungsauftrag sei ihr von der Firma G., O., erst Ende
Mai/Anfang Juni vorgelegt, jedoch sogleich mangels ausreichender Kontodeckung zurückgegeben worden.
Gegenüber der Klägerin habe ihr Mitarbeiter H. keine
Zusage gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist begründet.
Die Klägerin hat einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 53.820,- DM.
Der Senat ist überzeugt, daß der Mitarbeiter H. der Beklagten sowohl gegenüber der Geschäftsführerin der Firma G.
GmbH, W., als auch - mit deren Einverständnis - gegenüber dem Mitarbeiter K. der Klägerin Anfang/Mitte Mai 1996
verbindlich eine Rücküberweisung des
irrtümlich überwiesenen Betrages zugesagt hat.
Die Überzeugung des Senats gründet sich auf die Aussagen der Zeugen K. und W..
Der Zeuge K. konnte detailliert und nachvollziehbar berichten, wie es zu dieser Fehlüberweisung gekommen ist, wie
er auf ihre Entdeckung reagiert hat und welche Anstrengungen er unternommen hat, um das Geld
zurückzubekommen. Er hat ausgesagt, er habe mangels Skontomöglichkeit die Rechnung der Firma G., B.,
zunächst ca. drei Wochen liegen lassen und dann am 26.04. angewiesen. Wenige Tage später habe die Firma G.,
B., sich nach dem ausbleibenden Geld erkundigt. Dies habe ihn stutzig gemacht. Er habe nach dem Verbleib des
Geldes geforscht und seinen Irrtum bemerkt. Die den Auftrag ausführende Bank habe ihm geraten, sich an die
Empfängerin zu wenden. Dies habe er getan. Die Geschäftsführerin W. habe bereits Bescheid gewußt und ihm
gesagt, er brauche sich keine Sorgen zu machen, das Geld werde zurücküberwiesen. Als das Geld drei Tage später
noch nicht eingegangen gewesen sei, habe er erneut mit der Geschäftsführerin W. telefoniert. Zusätzlich habe er
auch den Filialleiter H. der Beklagten angerufen. Dieser habe ihm ebenfalls gesagt, er solle sich keine Sorgen
machen; die Bank werde das Geld zurücküberweisen. Da die Firma G., B., wegen der ausbleibenden Zahlung
gedrängt habe, habe er - K. - am 09.05.1996 einen neuen
Überweisungsträger gefertigt, aber noch nicht freigegeben. Da am 13.05.1996 der Betrag immer noch nicht
eingegangen gewesen sei, habe er erneut den Filialleiter H. angerufen. Dieser habe ihm gesagt, der
Überweisungsauftrag der Firma G., O., liege vor. Das Geld werde
zurücküberwiesen. Aufgrund der Mitteilung, daß der Überweisungsauftrag der Firma G., O., vorliege und ausgeführt
werde, sei er sicher gewesen, das Geld zurückzubekommen. Deshalb habe er den Auftrag an die Firma G., B.,
freigegeben. Vor der Vernehmung habe er sich den Überweisungsträger nochmals angesehen. Dieser sei auf den
13.05.1996 datiert. Daher sei er sicher, daß das Gespräch mit dem Filialleiter H. vorher gewesen sei.
Die Geschäftsführerin W. hat den Vorgang, soweit sie beteiligt war, übereinstimmend geschildert. (wird ausgeführt)
Demgegenüber hat der Filialleiter H. in seiner Vernehmung erklärt, er habe erstmals Ende Mai 1996 von dem
Vorgang gehört. Der Überweisungsträger sei ihm vorgelegt worden, weil er nicht ins
Kreditlimit gepaßt habe. Er habe dann die Geschäftsführerin W. angerufen und ihr gesagt, daß er die Überweisung
nicht ausführen könne. Ein paar Tage später habe auch der Buchhalter der Klägerin, K., angerufen und gefragt, ob
der Betrag zurücküberwiesen werden könne. Er - H. - habe geantwortet, daß er dazu nichts sagen könne und man
sich an Frau W. wenden möge. Küwen habe dann nochmals angerufen und die gleiche Auskunft erhalten.
Der Senat ist überzeugt, daß die Aussagen der Zeugen K. und W. richtig sind. (wird ausgeführt)
Rechtlich ergibt der festgestellte Sachverhalt einerseits einen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus einem
Vertrag zwischen der Beklagten und der Firma G., O., mit Schutzwirkung zu ihren Gunsten. Dieser Anspruch ist auf
Ausgleich der in Höhe des Klagebetrages eingetretenen Vermögenseinbuße gerichtet. Zum anderen hat die Klägerin
einen eigenen vertraglichen Erfüllungsanspruch in derselben Höhe.
Hinsichtlich des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter schließt sich der Senat der zutreffenden
Entscheidung des OLG Düsseldorf NJW RR 1987, 1327 an, wonach bei ausdrücklicher oder konkludenter Erklärung
einer Bank, einen eingehenden Betrag auftragsgemäß einem Dritten zu
überweisen, ein Vertrag mit Schutzwirkung zu dessen Gunsten anzunehmen ist. Diese Wertung entspricht dem
Empfängerhorizont, den wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten und benachteiligt die
Bank angesichts ihrer eigenen Erklärung nicht unangemessen.
Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, daß zum Zeitpunkt der festgestellten Erklärung H., der Betrag werde
überwiesen (13.05.1996), eine Rücküberweisung möglich gewesen wäre, ohne die von der Beklagten ohnehin
geduldete Überziehung zu überschreiten. Vor Eingang des streitigen Betrages (29.04.) belief sich das Soll im
Maximum auf rund 114.000,- DM (24.04.). Bis etwa zum 25.05. wäre eine Rücküberweisung möglich gewesen, ohne
diese Grenzen nennenswert zu überschreiten.
Der von der Klägerin irrtümlich überwiesene Betrag war also wertmäßig auf dem Konto noch vorhanden und diente
dazu, das Kreditrisiko der Beklagten auszugleichen.
Überdies hat die Klägerin auch einen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte. Jedenfalls vor dem
Hintergrund, daß sie selbst auch mit der Beklagten in Geschäftsbeziehung steht, mußte sie die Äußerung H., der
Überweisungsauftrag der Firma G., O., liege vor, das
Geld werde zurücküberwiesen, nicht nur als unverbindliche Ankündigung verstehen, sondern durfte sie unter
Berücksichtigung des Empfängerhorizonts und der wirtschaftlichen Interessen der
Beteiligten als verbindliche Zusage auffassen.
Angesichts dieses Ergebnisses kann die Frage dahingestellt bleiben, ob die Beklagte auch aus § 826 BGB haftet,
weil sie möglicherweise wirtschaftliche Schwierigkeiten der Firma G., O., befürchtete und deshalb die
Rücküberweisung hinauszögerte.
Ferner kann offenbleiben, ob sich in dem Fall, daß eine Rückzahlungsvereinbarung zwischen den Parteien nicht
geschlossen worden wäre, ein Anspruch der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 BGB) ergeben
hätte. Zwar ist bei einer fehlgeleiteten Überweisung auf ein im Soll stehendes Konto der Kontoinhaber
Leistungsempfänger, nicht die wirtschaftlich begünstigte Bank, die nur als Zahlstelle tätig ist (BGH NJW 1985,
2700). Der sich aus dieser Leistungsbeziehung er-
gebende Leistungskondiktionanspruch (Herausgabeanspruch wegen ungerechtfertigter Leistung, § 812 Abs. 1, S. 1,
1. Altern. BGB) des Überweisenden (Klägerin) gegen den Kontoinhaber (Fa. G., O.) schließt einen Anspruch des
Überweisenden gegen die Bank wegen
Bereicherung "in sonstiger Weise" (§ 812 Abs. 1, S. 1, 2. Altern. BGB) nach herrschender Meinung zwar regelmäßig
aus. Hier könnte jedoch ein späteres Verhalten der beklagten Bank als ein selbständiger Eingriff in die
Vermögensposition der klagenden Firma qualifiziert werden, der nicht durch das Leistungsverhältnis zwischen der
klagenden Firma und der Kontoinhaberin (Fa. G., O.) rechtlich verdrängt wäre. Das hätte einen Anspruch der
Klägerin gegen die Bank wegen Bereicherung "in sonstiger Weise" (Eingriffskondiktion) zur Folge. Ein solcher
Eingriff (durch
Unterlassen) könnte darin liegen, daß die beklagte Bank sich geweigert hat, den Überweisungsauftrag der
Kontoinhaberin Fa. G., O., auf Rückleitung des an sie fehlgeleiteten Betrages an die klagende Firma auszuführen,
soweit im Zeitpunkt der Kenntnis der beklagten Bank davon, daß der Kontoinhaberin der Betrag nicht zustand, noch
wirtschaftlich eine Bereicherung der Bank durch die Reduzierung des Sollstandes auf dem Konto gegeben war.