Urteil des OLG Oldenburg vom 11.03.2009

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Gericht:
OLG Oldenburg, Senat für Bußgeldsachen
Typ, AZ:
Beschluss, 2 SsBs 42/09
Datum:
11.03.2009
Sachgebiet:
Normen:
GG Art 33 Abs 4
Leitsatz:
Kein Beweiserhebungsverbot bei Geschwindigkeitsmessung durch Angestellte eines Landkreises.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Senat für Bußgeldsachen
2 SsBs 42/09
422 Js 22553/08 Staatsanwaltschaft Aurich
B e s c h l u s s
In dem Bußgeldverfahren
g e g e n G... geb. am …1988 in …,
wohnhaft …
Staatsangehörigkeit: deutsch, Familienstand: ledig
Verteidiger: Rechtsanwalt …
w e g e n Verstoßes gegen die StVO - Geschwindigkeits
übertretung
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Oldenburg
am 11 März 2009
durch den Richter am Oberlandesgericht … als Einzelrichter
(§ 80 a Abs. 1 OWiG) gemäß den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 349 Abs. 2 StPO
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Norden vom 09.12.2008 wird auf seine
Kosten als unbegründet verworfen.
G r ü n d e :
Der Betroffene wendet sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Norden vom 09.12.2008. Mit diesem Urteil wurden
gegen ihn wegen vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 44 km/h eine
Geldbuße von 250,00 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Mit seiner Rechtsbeschwerde macht der Betroffene über die allgemein erhobene Sachrüge hinaus den Verstoß
gegen ein Beweisverwertungsverbot geltend. Er ist der Auffassung, das Ergebnis der durch einen Angestellten des
Landkreises A... durchgeführten Geschwindigkeitsmessung habe nicht verwertet werden dürfen. In Anbetracht des
Umstandes, dass der Zeuge, welcher die Geschwindigkeitsmessung vorgenommen habe, in einem privatrechtlichen
Angestelltenverhältnis zum Landkreis A... stehe, sei dieser als Privatperson anzusehen, welcher
Verkehrsüberwachungsaufgaben einschließlich deren Ausführung nicht übertragen werden dürften. Hoheitliche
Aufgaben der vorliegenden Art dürften gemäß Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz vielmehr lediglich durch Beamte
wahrgenommen werden.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere ist die Verfahrensrüge ordnungsgemäß erhoben worden. In der
Sache selbst hat sie jedoch keinen Erfolg.
Im vorliegenden Falle besteht bereits kein Beweiserhebungsverbot, so dass es auf die Frage, unter welchen
Umständen entsprechende Erhebungsverbote ein Verwertungsverbot nach sich ziehen, nicht ankommt.
Die Überwachung von Verkehrsverstößen gehört zu den hoheitlichen Aufgaben. Verstöße gegen die materiellen
Verhaltensnormen des Straßenverkehrsrechts sind unter den Sanktionsvorbehalt des Straf und
Ordnungswidrigkeitenrechts gestellt. Das diesbezügliche Sanktionssystem ist der öffentlichen Sicherheit
zuzurechnen, welche zum Kern der originären Staatsaufgaben zählt (vgl. Scholz NJW 1997, 14). Die mit der
Verkehrsüberwachung im Zusammenhang stehenden hoheitlichen Kompetenzen können Privatpersonen zur
selbständigen und eigenverantwortlichen Warnung deshalb nur im Wege einer Beleihung übertragen werden. Die
Beleihung Privater mit öffentlichrechtlichen Kompetenzen bedarf jedoch einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Steiner
DAR 1996, 272, 274. Scholz a.a.O. Seite 15, 16. BayObLG DAR 1997, 206. Ludovisy DAR 1997, 208. Strauß
Funktionsvorbehalt und Berufsbeamtentum, Berlin 2000, S.224). Eine derartige Ermächtigungsgrundlage besteht
nicht, dementsprechend findet sich in Ziffer 1 Abs. 4 der Richtlinien für die Überwachung des fließenden
Straßenverkehrs durch Straßenverkehrsbehörden in Niedersachsen (Ministerialblatt 1994, 1555) die Regelung, dass
eine Übertragung von Verkehrsüberwachungsaufgaben einschließlich deren Ausführung auf Private ausgeschlossen
ist.
Mit dieser Konstellation ist der vorliegende Fall jedoch nicht unmittelbar vergleichbar. Der Zeuge R... ist als
Angestellter des Landkreises keine Privatperson. Eine Vornahme der Geschwindigkeitsmessung durch ihn bedarf
demzufolge keiner Ermächtigungsgrundlage. Ihr könnte lediglich der Funktionsvorbehalt des Art. 33 Abs. 4 GG
entgegenstehen, wonach die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel
Berufsbeamten zu übertragen ist.
Art. 33 Abs. 4 GG stellt ein RegelAusnahmeVerhältnis auf. Bei der Verlagerung hoheitlicher Aufgaben auf
NichtBeamte sind sowohl quantitative Anforderungen einzuhalten - eine weitflächige Aufgabenübertragung, welche
zur Aushöhlung des Berufsbeamtentums führt, ist unzulässig - als auch - jedenfalls nach h.M. - qualitative. Art. 33
Abs.4 GG entfaltet unter anderem eine Schutzfunktion zugunsten des Bürgers, es soll eine möglichst weitreichende
Gewähr für rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug gegeben werden. Ausnahmen vom Funktionsvorbehalt bedürfen mit
Rücksicht darauf eines rechtfertigenden Grundes, welcher am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen ist (Strauß
a.a.O. S.144 ff). Diesen Voraussetzungen muss eine Übertragung auf Private abgesehen vom Erfordernis einer
Ermächtigungsgrundlage ebenso genügen wie eine solche auf Angestellte der Verwaltungsbehörde. An eine
Betrauung privater mit hoheitlichen Befugnissen sind jedoch auch in diesem Zusammenhang höhere Anforderungen
zu stellen als an eine solche auf Angehörige und Angestellte des öffentlichen Dienstes (Strauß a.a.O. S.202, 204).
Selbst eine Beleihung Privater wird unter dem Blickwinkel des Art. 33 Abs. 4 Grundgesetz unter gewissen
Voraussetzungen durchaus als zulässig angesehen (vgl. von Mangoldt/KleinJachmann, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005,
Art. 33 Abs. 4 Rdz. 38. Steiner a.a.O., Seite 274. Strauß a.a.O S.227). Gegen eine Durchführung von
Geschwindigkeitsmessungen durch Angestellte bestehen angesichts des infolge fehlender wirtschaftlicher
Interessen deutlich geringeren Gefährdungspotentials für die subjektiven Rechte der Bürger keine durchgreifenden
Bedenken, sie wird sogar als besonders naheliegend angesehen (Steiner a.a.O.. Strauß a.a.O S.225). Insoweit stellt
sich das Ziel der personellen Entlastung der für diese Aufgabe überqualifizierten Vollzugspolizei im Zuge einer
Verhältnismäßigkeitsprüfung grundsätzlich als ausreichend dar.
Die daneben erhobene Sachrüge greift nicht durch, da die tatsächlichen, mit der Rechtsbeschwerde nicht
angreifbaren Feststellungen den Schuldspruch und den Rechtsfolgenausspruch tragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.