Urteil des OLG Oldenburg vom 04.01.2011

OLG Oldenburg: haftung des betreibers, gemischter vertrag, entlastungsbeweis, obhut, fürsorge, zustand, beschädigung, verschulden, sorgfalt, überprüfung

Gericht:
OLG Oldenburg, 12. Zivilsenat
Typ, AZ:
Urteil, 12 U 91/10
Datum:
04.01.2011
Sachgebiet:
Normen:
BGB § 688, BGB § 695
Leitsatz:
Der Pferdepensionsvertrag ist seiner Eigenart nach als entgeltlicher Verwahrungsvertrag zu
qualifizieren.
Zur Haftung des Betreibers der Pferdepension.
Volltext:
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG
Im Namen des Volkes
Urteil
12 U 91/10
4 O 547/10 Landgericht Osnabrück Verkündet am 04.01.2011
…, Justizsekretärin
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
R… R… GbR, vertreten durch die Gesellschafter … und … in H…, …
Beklagte und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte …
gegen
K… G…, …
Klägerin und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt …
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …,
den Richter am Oberlandesgericht … und den Richter am Oberlandesgericht … auf die mündliche Verhandlung vom
14.12.2010 für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 31.08.2010 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des
Landgerichts Osnabrück abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche der Klägerin aus einem Tierpensionsvertrag.
Die Klägerin ist Eigentümerin der Schimmelstute ´R…´ von R… D…, die sie aufgrund eines mündlich geschlossenen
Tierpensionsvertrages ab dem 01.09.2007 in einer ihr von der Beklagten zugewiesenen Box auf dem Hof der
Beklagten eingestallt hatte. Die Beklagte war vertraglich zur Stallunterbringung und Fütterung des Pferdes sowie zur
Reinigung der Box und zum Einstreu verpflichtet. In der Nacht vom 14. auf den 15.10.2007 geriet das Pferd nach
Herausbrechen eines Gitterstabes mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der Pferdebox und zog sich
in der Folge erhebliche Verletzungen zu. Der konkrete Schadenshergang blieb dabei ungeklärt. Wegen der
eingetretenen Verletzungsfolgen, insbesondere einem reduzierten Marktwert des Pferdes, hat die Klägerin die
Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 13.564,81 € in Anspruch genommen. Das Landgericht hat
der Klage nach umfangreicher Beweisaufnahme in Höhe eines Betrages von 12.244,81 € stattgegeben. Zur
Begründung hat es ausgeführt, dass von einer schadensursächlichen Pflichtverletzung der Beklagten im
bestehenden Verwahrungsverhältnis auszugehen sei, da sich die Beklagte wegen des in ihrem
Verantwortungsbereich entstandenen Schadens nicht habe entlasten können. Der Entscheidung lag dabei vorrangig
zugrunde, dass die Gitterstäbe der Pferdebox nach den Feststellungen des vom Landgericht beauftragten
Sachverständigen unzureichend mit dem auf die Holzeinfassung der Box aufgesetzten Rahmen verschweißt waren.
Gegen die Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und
trägt weiter vor, dass eine mangelhafte Verschweißung der Gitterstäbe für sie nicht erkennbar und im Übrigen auch
nicht die primäre Schadensursache gewesen sei.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 31.08.2010 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt der Berufung nach Maßgabe ihrer Erwiderung entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug
genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten weder unter dem Gesichtspunkt einer schuldhaften Pflichtverletzung im
bestehenden Vertragsverhältnis noch aus unerlaubter Handlung Schadensersatz wegen der eingetretenen Verletzung
ihres Pferdes verlangen.
Ebenso wie das Landgericht geht der Senat davon aus, dass es sich bei dem von den Parteien mündlich
geschlossenen Tierpensions bzw. Einstellungsvertrag um einen entgeltlichen Verwahrungsvertrag i.S.v. § 688 BGB
handelt. Nach dem Vertrag schuldete die Beklagte der Klägerin neben der Überlassung einer Pferdebox u.a. auch die
Fütterung des Pferdes und die Übernahme der Fürsorge und Obhut für das eingestellte Tier. Vertragsinhalt war daher
nicht nur die Vermietung einer Box (vgl. insoweit BGH NJWRR 1990, 1422), sondern auch die Lieferung von Futter
und die Erbringung weiterer (Dienst)Leistungen (vgl. BGH Urt. v. 12.06.1990, Az.: IX ZR 151/89, wonach der
Einstellvertrag als Dienstvertrag zu qualifizieren ist), namentlich der Fütterung und Fürsorge. Der zu beurteilende
Pferdepensions bzw. Einstellvertrag ist demnach ein gemischter Vertrag, der sich aus Elementen des Mietvertrages,
des Kaufvertrages, des Dienstvertrages und des Verwahrungsvertrages zusammensetzt. Ein solcher Vertrag bildet
ein einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beuteilung nicht in dem Sinne in seine verschiedenen
Bestandteile zerlegt werden, dass auf den Mietvertragsanteil Mietrecht, auf den Kaufvertragsanteil Kaufrecht und auf
den Verwahrungsvertragsanteil Verwahrungsrecht anzuwenden wäre. Der Eigenart des Vertrages wird vielmehr
grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich
der Schwerpunkt des Vertrages liegt (vgl. BGH NJW 2005, 2008/2010). Dabei ist es jedoch nicht ausgeschlossen,
auf die Bestimmungen eines anderen Vertragsrechts, bei dem der Schwerpunkt nicht liegt, zurückzugreifen, wenn
allein hierdurch die Eigenart des Vertrages richtig gewürdigt wird (vgl. BGH aaO., m.w.Nachw.). Bei dem
Pferdepensions oder Einstellvertrag steht entgegen der Auffassung der Klägerin regelmäßig nicht die Überlassung
einer konkreten Pferdebox, sondern die Pflicht zur Fürsorge und Obhut über das Pferd im Vordergrund. Diese
Leistungen sind hier vertragswesentlich und typusbildent (vgl. Häublein, NJW 2009, 2982/2983), so dass der Vertrag
verwahrungsrechtlichen Charakter hat. Der rechtliche Schwerpunkt des Pferdepensions oder Einstellvertrages fällt
demnach in den Bereich des Verwahrungsrechts, mit der Folge, dass der Vertrag als Verwahrungsvertrag anzusehen
ist (so auch die wohl überwiegend vertretene Auffassung, vgl. Palandt/Sprau, BGB, § 688, Rn. 2 m.w.Nachw..
Staudinger/ Reuter BGB (2006) vor § 688, Rn. 27. OLG Brandenburg, NJWRR 2006, 1558 m.w.Nachw.. OLG
Schleswig, OLGR 2000, 248ff). Das mietvertragliche Element tritt demgegenüber in den Hintergrund, zumal die
Gewährung von Raum (neben der Übernahme der Obhut) bereits vertragstypische Leistung im Verwahrungsvertrag
ist. Es erscheint daher auch im Hinblick auf die Eigenart des Vertrages gerechtfertigt, im Pferdepensionsvertrag die
haftungsrechtlichen Bestimmungen des Verwahrungsrechts und nicht diejenigen des Mietrechts anzuwenden.
Die Beklagte war daher aus dem Pferdepensions bzw. Einstellvertrag gemäß § 695 BGB verpflichtet, das in ihre
Obhut gegebene Pferd ordnungsgemäß, also unverletzt, wieder an die Klägerin herauszugeben. Bei Rückgabe des
Pferdes in nicht ordnungsgemäßem Zustand gelten damit, wie das Landgericht zutreffend feststellt, die Grundsätze
der Haftung nach Gefahren bzw. Verantwortungsbereichen (vgl. insoweit Palandt/Grüneberg, aaO. § 280, Rn. 37. §
695, Rn. 1. OLG Schleswig aaO. und OLGR 2001, 285f), mit der Folge dass eine Beweislastumkehr eintritt und die
Beklagte die Beweislast dafür trifft, dass der eingetretene Zustand nicht auf einer ihr zurechenbaren schuldhaften
Pflichtverletzung beruht.
Dieser der Beklagten obliegende Entlastungsbeweis ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nach dem Ergebnis
der erstinstanzlichen Beweisaufnahme als geführt anzusehen.
Grundsätzlich muss ein Verwahrer, wenn er den Entlastungsbeweis in Bezug auf eine in seinem
Verantwortungsbereich beschädigte Sache führen will, aufklären, wie es ohne sein Verschulden zu der
Beschädigung gekommen ist. Dabei dürfen an den Beweis keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl.
Palandt/ Grüneberg aaO. § 280, Rn. 40. OLG Schleswig OLGR 2000, 248 (Rz. 8)). Der Entlastungsbeweis ist
danach regelmäßig erbracht, wenn der Verwahrer die Ursache der Beschädigung nachweist und dartut, dass er diese
nicht zu vertreten hat oder wenn er die Ursache wahrscheinlich macht und beweist, dass er hierfür nicht einzustehen
hat. Ist die konkrete Ursache der Beschädigung nicht aufklärbar, kann sich der Verwahrer durch den Beweis
entlasten, dass er die ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat und keine ernsthafte Möglichkeit offen bleibt, dass auf
seiner Seite ein Vertretenmüssen vorliegt (vgl. Palandt/Grüneberg aaO., OLG Schleswig, aaO.).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist hier zugunsten der Beklagten der Entlastungsbeweis geführt. Nach dem
Ergebnis des erstinstanzlich in Bezug auf den Boxenstall eingeholten Sachverständigengutachtens kann der
Beklagten ein Verschulden im Zusammenhang mit den eingetretenen Verletzungen des Pferdes der Klägerin nicht
vorgeworfen werden.
Entsprechend dem insoweit unstreitigen Sachvortrag der Parteien ist das Pferd der Klägerin in der Nacht vom 14.
auf den 15.10.2007 mit dem rechten Hinterbein zwischen die Gitterstäbe der zugewiesenen Pferdebox geraten,
wobei das Pferd - um mit dem Bein zwischen die Stäbe geraten zu können - einen Stab aus dem Rahmen
herausgetreten haben muss. Bei welcher Gelegenheit das Pferd gegen die Gitterstäbe getreten hat, d.h. ob dies im
stehenden, liegenden oder sich wälzenden Zustand geschehen ist, kann nicht mehr aufgeklärt werden. In jedem
Falle ist jedoch davon auszugehen, dass dem Schadensereignis ein Ausschlagen des Pferdes mit dem rechten
Hinterbein, mithin eine für das Tier typische gefahrenträchtige Reaktion vorangegangen ist. Entsprechend den
Feststellungen des erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen L… im Gutachten vom 20.01.2009 ist ferner
davon auszugehen, dass das Pferd den Gitterstab offenbar nur deshalb heraustreten und mit dem rechten Hinterbein
zwischen die Gitterstäbe der Box gelangen konnte, weil die Gitterstäbe in dem auf die darunter befindliche
Trennwand aufgesetzten Metallrahmen nicht hinreichend fixiert waren. Die durch eine Bohrung im Rahmen geführten
Stäbe waren nicht, wie in den Empfehlungen der Reiterlichen Vereinigung (FN) vorgesehen, rundum bzw. zu 80 %,
sondern nur zu 40 % von unten mit dem Rahmen verschweißt, so dass sich ein Stab aus der Verankerung lösen
konnte. In Bezug auf diesen Umstand kann der Beklagten jedoch ein schuldhafter Verstoß gegen ihre
Sorgfaltspflichten nicht vorgeworfen werden. Nach den Ausführungen des Sachverständigen L… war der
festgestellte Verarbeitungsmangel an den Gitterstäben für die Beklagte nicht erkennbar. Erst durch eine
Herausnahme der Holzbohlen aus der unter dem Gitter befindlichen Trennwand und durch eine Überprüfung und
Begutachtung der an der Unterseite des Gitterrahmens befindlichen Schweißnähte konnte der Sachverständige den
Mangel feststellen. Eine solch eingehende Überprüfung der Boxengitter konnte und brauchte die Beklagte vor der
Ingebrauchnahme der Boxen nicht durchzuführen. Dies gilt um so mehr, als der Sachverständige ausgeführt hat,
dass die Pferdebox nach ihrem äußeren Erscheinungsbild, namentlich hinsichtlich der Stärke der Gitterstäbe, des
Abstandes der einzelnen Gitterstäbe und ihrer Länge den im Zeitpunkt der Ingebrauchnahme geltenden
Empfehlungen der FN im Wesentlichen entsprach. Die Beklagte konnte und durfte sich insoweit darauf verlassen,
dass die unstreitig für ihre Zuverlässigkeit und gute Qualität bekannte Herstellerin des Gitters, die Streitverkündete,
die Pferdeboxen ordnungsgemäß und insgesamt den Anforderungen der FN entsprechend produzieren würde. Für die
Beklagte war daher auch bei Anwendung größtmöglicher Sorgfalt eine Mangelhaftigkeit der Pferdeboxen nicht
erkennbar, so dass ihr hinsichtlich der eingetretenen Verletzungen des Pferdes der Klägerin im Ergebnis eine
fahrlässige Pflichtverletzung nicht vorgeworfen werden kann.
Auch eine deliktische Haftung der Beklagten, insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht, kommt nach den vorstehenden Ausführungen nicht in Betracht, da es an einer jedenfalls
fahrlässigen haftungsbegründenden Handlung der Beklagten fehlt.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
… … …