Urteil des OLG Köln vom 18.03.2008

OLG Köln: wichtiger grund, untersuchungshaft, fortdauer, anklageschrift, ableitung, entlastung, belastung, schuldfähigkeit, haftbefehl, tatverdacht

Oberlandesgericht Köln, 43 HEs 8/08
Datum:
18.03.2008
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
2. Strafsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
43 HEs 8/08
Tenor:
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Aachen vom 01.10.2007 – 41 Gs
3827/07 – wird aufgehoben.
G r ü n d e :
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Der Angeklagte ist am 01.10.2007 aufgrund Haftbefehls des Amtsgerichts Aachen vom
selben Tage unter dem dringenden Tatverdacht der gefährlichen Körperverletzung in
Untersuchungshaft genommen worden. Er soll am 30.09.2007 in Aachen - in nach dem
2. Stich aufgegebener Tötungsabsicht - mit einem Messer auf den Zeugen S
eingestochen und ihn am Hals sowie am linken Unterarm verletzt haben,
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Vergehen nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB.
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Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens zur Schuldfähigkeit sowie zu den
Voraussetzungen der §§ 63, 64 StGB, das am 19.11.2007 vorlag, hat die
Staatsanwaltschaft Aachen unter dem 28.11.2007 Anklage erhoben, die am 13.12.2007
bei der zuständigen 4. gr. Strafkammer des Landgerichts Aachen einging. Die
Strafkammer hat mit Beschluss vom 20.02.2008 die Anklage zur Hauptverhandlung
zugelassen, das Hauptverfahren eröffnet und Termin zur Hauptverhandlung auf den 14.
und 19.05.2008 bestimmt. Zu einer Anfrage der Staatsanwaltschaft vom 22.02.2008, ob
nicht eine frühere Terminierung möglich sei, hat die Strafkammer mit Beschluss vom
29.02.2008 ausgeführt, eine frühere Terminierung sei wegen der Belastung der Kammer
mit weiteren Haftsachen nicht möglich.
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Akten mit dem Antrag vorgelegt, gem. §§ 121,
122 StPO die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen.
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Dem Antrag kann nicht entsprochen werden.
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Die besonderen Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der
Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus liegen nicht vor. Ein wichtiger Grund, der ein
Urteil bisher nicht zugelassen hätte, ist nicht erkennbar. Die Ermittlungen waren weder
besonders schwierig, noch besonders umfangreich. Die nur 5 Seiten umfassende
Anklage wurde bereits nach 2 Monaten erhoben. Demgegenüber liegen zwischen dem
Eingang der Anklageschrift und dem Beginn der Hauptverhandlung 5 Monate. Das
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verletzt den Anspruch des Angeklagten auf beschleunigte Aburteilung. Die auf 2 Tage
angesetzte Hauptverhandlung bedarf keines besonderen zeitlichen Vorlaufs. Die – nach
dem Beschluss vom 29.02.2008 wohl schon länger andauernde – Überlastung der
Strafkammer, die eine frühere Terminierung nicht ermöglicht, ist kein wichtiger Grund im
Sinne von § 121 StPO. Es ist nicht erkennbar, dass – wie dies nach der Rechtsprechung
des BVerfG erforderlich ist, vgl BVerfGE 36, 264,273; Meyer-Goßner, StPO, 50.Aufl., §
121 Randnr. 22 m.w.N. – gerichtsorganisatorische Maßnahmen (etwa die Entlastung der
zuständigen Strafkammer oder Ableitung der Sache auf eine andere Strafkammer)
unternommen worden sind, um die vergleichsweise einfach gelagerte Sache früher
verhandeln zu können.