Urteil des OLG Köln vom 31.05.2000

OLG Köln: treu und glauben, vermieter, ungerechtfertigte bereicherung, rückbuchung, eingriffskondiktion, valutaverhältnis, verwirkung, deckungsverhältnis, verwalter, zahlstelle

Oberlandesgericht Köln, 11 U 216/99
Datum:
31.05.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 216/99
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 229/99
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 06.09.1999 verkündete Urteil
der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn - 10 O 229/99 - abgeändert
und wie folgt neu gefasst. Die Beklagten werden verurteilt, an die
Klägerin 9.690,33 DM nebst 4% Zinsen seit dem 13.01.1999 zu zahlen;
die weitergehende Klage wird abgewiesen. Die Kosten des
Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 4/10 und die
Beklagten zu 6/10 zu tragen. Die Kosten der Berufung fallen den
Beklagten zur Last. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Berufung ist begründet.
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Das Landgericht hat die Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens
ist, zu Unrecht für unbegründet gehalten. Der Klägerin hat gegen die Beklagten einen
Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB auf Zahlung von 9.690,33 DM.
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I.
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Die Klägerin war Verwalterin der zwischen den Beklagten bestehenden
Wohnungseigentümergemeinschaft. Zugleich war sie gewerbliche
Zwischenvermieterin einzelner Wohnungen der Gemeinschaft. In dieser Eigenschaft
überwies sie irrtümlich einen Geldbetrag mit derselben Zweckbestimmung wie bereits
bei einer vorhergehenden Überweisung ein zweites Mal an die Gemeinschaft. Bei dem
Betrag handelt es sich um abgerechnete Nebenkosten. Aufgrund der Vereinbarungen
in den Zwischenmietverträgen war die Überweisung einheitlicher Beträge an die
Wohnungseigentümergemeinschaft und die anteilige Verteilung der eingehenden
Beträge durch die Wohnungseigentümergemeinschaft (vertreten durch den Verwalter,
seinerzeit also die Klägerin) auf die einzelnen Vermieter (Wohnungseigentümer)
vorgesehen. Der doppelt gezahlte Betrag ist nicht auf die einzelnen Vermieter verteilt
worden, sondern blieb auf dem Konto der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen;
nach der Behauptung der Klägerin erfolgte keine Rückbuchung, weil das Konto ein
Debet auswies. Die Klägerin sieht hier einen einfachen Bereicherungsfall. Die
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Beklagten bestreiten die Passivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft
und berufen sich auf Verjährung (§ 197 BGB) und Verwirkung, letzteres weil die
Klägerin bis 31.03.1997 Verwalterin war und genügend Zeit zur Rückbuchung gehabt,
den Vorfall aber der Wohnungseigentümergemeinschaft nie zur Kenntnis gebracht und
die Forderung erst 1998 angemeldet habe.
II.
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1. Ein Bereicherungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagten kann - entgegen der
Ansicht des Landgerichts - nicht mit der Begründung verneint werden, die Beklagten
seien nicht passivlegitimiert, die Klägerin müsse sich, da sie als Zwischenmietern
gezahlt habe, an ihre einzelnen Zwischenvermieter halten. Da das Bereicherungsrecht
ein Ausfluss von Treu und Glauben ist, kann diese Begründung im Ergebnis nicht
richtig sein. Denn die Klägerin hat gegen die einzelnen Vermieter keinen Anspruch,
weil diese nichts erlangt haben. Die Doppelzahlung wurde nicht auf die einzelnen
Vermieter verteilt. Diese erhielten also keine Zahlung; sie haben auch keinen
Anspruch auf Zahlung gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft, weil die
Ansprüche, die mit dem Leistungszweck verfolgt wurden, bereits durch die erste
Zahlung und deren Verteilung auf die Vermieterkonten befriedigt wurden. Diese
Sachlage muss bei der Anwendung der Vorschriften des Bereicherungsrechts
berücksichtigt werden. In Betracht kommt nach der Sachlage nur eine Direktkondiktion
der Klägerin gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.
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Die Klägerin wollte mit der Zweitzahlung eine Leistung an ihre Vermieter erbringen
(Valutaverhältnis). Die Wohnungseigentümergemeinschaft sollte den ihr
zugeflossenen Betrag auf die Vermieter verteilen und so ihrerseits eine Leistung an die
Klägerin erbringen (Deckungsverhältnis). Bei Vollzug dieses Vorgangs und bei
Mängeln im Valuta- oder Deckungsverhältnis wäre eine ungerechtfertigte
Bereicherung grundsätzlich in der jeweiligen Leistungsbeziehung rückgängig zu
machen (vgl.etwa BGH NJW 1994, 2357 f. mit weiteren Nachweisen). Der
Bundesgerichtshof hat aber wiederholt betont, daß sich jede schematische Lösung in
Dreipersonenverhältnissen verbiete (BGHZ 61, 289, 292; 66, 362, 364; 372, 374; 89,
376, 378; 111, 382, 385).
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Im Streitfall ist es zu einem rüchabzuwickelnden "Dreipersonenverhältnis" nicht
gekommen, weil ein Anspruch auf den überwiesenen Betrag im Valutaverhältnis nicht
bestand (die Vermieter waren schon durch die Erstüberweisung befriedigt) und die
Anweisung der Klägerin an die Wohnungseigentümergemeinschaft durch deren
Vertreterin (die Klägerin) als Irrtum erkannt und deshalb nicht ausgeführt wurde. In
einem solchen Fall, in dem sowohl der Zahlende als auch der Empfänger der Zahlung
erkennen, dass die beabsichtigte Leistung ohne rechtliche Grundlage erfolgen würde
und der Empfänger deshalb von einer Weiterleitung des Geldes absieht, ist die
tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung nach Ansicht des Senats im
Wege der Eingriffskondiktion zwischen Zahlendem und Empfänger rückgängig zu
machen (vgl. auch BGH BGH NJW 1994, 2357, 2358 sub c, aa). Der Empfänger hat
den gezahlten Betrag, auf den er keinen Anspruch hat und den er auch nicht
"weitergeben" will, auf sonstige Weise erlangt.
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Diese Sichtweise, die zu einer Direktkondiktion zwischen Zahlendem und
Zahlungsempfänger führt, wird bestätigt durch die Rechtsprechung, die bei fehlender
oder gefälschter Anweisung und Kenntnis des Empfängers davon einen unmittelbaren
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Anspruch des Angewiesenen gegen den Empfänger bejaht (BGHZ 66, 362, 364 f.; 66,
372, 374; 67, 75; 87, 393; 88, 232, 235; BGH NJW 1987, 185; OLG Köln OLGR 1996,
251 f.; OLG Hamm WM 1983, 1000, 1001; NJW-RR 1987, 882; ohne auf Kenntnis
abzustellen BGH WM 1990, 1280, 1281). Auch hier wird der Tatsache Rechnung
getragen, dass eine Direktkondiktion der einzig sinnvolle Weg ist, fehlgeschlagene
Leistungen rückabzuwickeln, wenn sich einzelne Leistungsbeziehungen nicht sinnvoll
darstellen lassen.
2. Der danach gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. BGB gegebene Anspruch ist nicht
verjährt. Dabei kann dahinstehen, ob § 197 BGB auch für Ansprüche des Mieters auf
Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Nebenkostenabrechnungsbeträge gilt. Die
Beklagten werden nicht als Vermieter in Anspruch genommen. Der gegen sie
bestehende Anspruch folgt daraus, dass sie aus Eingriffskondiktion einen Betrag
herauszugeben haben, der ihnen rechtsgrundlos als Verwaltungs- und Zahlstelle
(Anweisungsempfänger) zugeflossen ist. Es gilt mithin die dreißigjährige
Verjährungsfrist.
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3. Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten auch auf Verwirkung des geltend
gemachten Anspruchs.
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Zwar spricht einiges dafür, das Zeitmoment zu bejahen. Die Forderung wurde erstmals
mit Schreiben vom 16.01.1998, also etwa ein Jahr nach Aufgabe der Verwaltertätigkeit,
gegenüber dem neuen Verwalter angemeldet. Die Klägerin war zuvor etwa drei Jahre
untätig gewesen, obwohl sie als Verwalterin eine Rückbuchung oder - falls eine
Rückbuchung, wie sie unsubstantiiert behauptet, mangels Kontodeckung nicht möglich
war - eine Inanspruchnahme der Wohnungseigentümergemeinschaft bzw. der
einzelnen in Zahlungsrückstand befindlichen Eigentümer hätte veranlassen können.
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Es fehlt aber das Umstandsmoment. Die Beklagten machen nur geltend, es sei
unbillig, wenn sie nach so langer Zeit noch in Anspruch genommen würden. Das reicht
nicht aus. Es hätte ein konkretes Vertrauen in dieser Richtung vorgetragen werden
müssen. Die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft können aber nicht
ohne weiteres darauf vertrauen, dass im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines
Verwalters und der dann erforderlichen Gesamtabrechnung keine übersehenen
Beträge mehr auftauchen, die der Gemeinschaft tatsächlich zugeflossen sind und noch
ausgeglichen werden müssen.
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III.
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Der Zinsanspruch folgt aus den §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
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Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713
ZPO.
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Die Beschwer der Beklagten übersteigt nicht 60.000,00 DM.
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Berufungsstreitwert: 9.690,33 DM
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