Urteil des OLG Köln vom 23.02.2000

OLG Köln: unerlaubte handlung, eltern, erfahrung, sorgfalt, unterlassen, entlastungsbeweis, vollstreckbarkeit, selbstschädigung, anleitung, abhängigkeit

Oberlandesgericht Köln, 11 U 126/99
Datum:
23.02.2000
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 U 126/99
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 10 O 306/98
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 7.5.1999 verkündete Urteil der
10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn -10 O 306/98 - wird
zurückgewiesen. Die Kosten der Berufung tragen die Kläger. Das Urteil
ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Berufung der Kläger hat in der Sache keinen Erfolg.
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Das Landgericht hat den Beklagten gemäß § 823 Abs. 1 BGB zum Ausgleich von 2/3
des den Klägern durch das unsachgemäße Abbrennen eines Feuerwerkskörpers in der
Silvesternacht 1997/98 verursachten Schadens verurteilt. Die weitergehende, auf Ersatz
des vollen Schadens gerichtete Klage hat es mit der Begründung abgewiesen, daß die
Tochter der Kläger den Schaden mitverursacht habe und deshalb der Ersatzanspruch
der Kläger gemäß §§ 254 Abs. 2 S. 2, 831 BGB zu kürzen sei.
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Die Kläger wenden sich gegen die Zurechnung einer vom Landgericht angenommenen
Mitverantwortung ihrer Tochter für die zwischen den Parteien unstreitige unerlaubte
Handlung des Beklagten mit der Behauptung, sie habe in der fraglichen Situation nicht
erkennen können, daß eine der vom Beklagten gezündeten Feuerwerkskörper nicht
ordnungsgemäß abgebrannt sei.
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Dieser Einwand ist jedoch im Ergebnis unerheblich.
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1.
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Das Landgericht hat den Ersatzanspruch der Kläger zutreffend auf § 823 Abs. 1 BGB
und die Zurechnung eines den Schaden mitverursachenden Verhaltens ihrer Tochter
auf §§ 254, 831 BGB gestützt. Die Anwendung der Vorschrift des § 278 BGB scheidet
als Zurechnungsnorm dagegen aus. Zwischen den Klägern und dem Beklagten bestand
zur Zeit des Schadensereignisses keine rechtliche Sonderverbindung, die
Voraussetzung für die Zurechnung fremden Verschuldens nach dieser Bestimmung ist
(st. Rechtsprechung, vergl. BGHZ 1, 249; 103, 342; Palandt/Heinrichs, 59. Auflage 2000,
§ 254 BGB, Rdn. 60).
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2.
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Anspruchsgrundlage für das Schadensersatzbegehren der Kläger ist daher allein § 823
Abs. 1 BGB. Der sich daraus ergebende Ersatzanspruch der Kläger ist anteilig zu
kürzen, weil der Schaden von ihrer Tochter mitverursacht worden ist.
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Diese ist, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, für die Zeit der Abwesenheit der
Eltern vom Hausgrundstück als ihre Verrichtungsgehilfin anzusehen. Die rechtliche
Einstufung einer Person als Verrichtungsgehilfe im Sinne von § 831 BGB setzt voraus,
daß sie, was die Ausübung der konkreten Verrichtung angeht, zum Geschäftsherrn in
einem Verhältnis weisungsgebundener Abhängigkeit steht. Die Weisungsgebundenheit
kann sich aus gesetzlichen Bestimmungen oder einer ausdrücklichen oder
stillschweigend getroffenen vertraglichen Vereinbarung ergeben. Im Verhältnis von
Ehegatten untereinander (vergl. dazu Staudinger/Belling/Eberl-Borges, BGB, 13. Aufl.
1997, § 831 BGB Rdn. 66) und von Eltern zu erwachsenen Kindern fehlt es zwar in der
Regel an der erforderlichen Weisungsgebundenheit, soweit es allgemein um
Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer häuslichen Gemeinschaft geht. Das kann im
Einzelfall aber anders sein, wenn ein Ehegatte oder ein erwachsenes, im Haushalt
lebendes Kind mit bestimmten Verrichtungen besonders betraut ist.
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So liegt der Fall hier:
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Die Kläger haben für die Zeit ihrer Abwesenheit ihre zum Zeitpunkt des
Schadensereignisses 18jährige Tochter mit der Beaufsichtigung des Hausgrundstücks
konkret betraut. Das Landgericht hat das zu Recht aus dem Umstand gefolgert, daß die
Tochter mit Wissen der Kläger für diese Zeit das Haus allein bewohnte und
währenddessen - ebenfalls mit Wissen und Billigung ihrer Eltern - dort eine
Silvesterfeier veranstaltete. Damit übernahm sie im Auftrag der Eltern die Wahrnehmung
der bestehenden Verkehrssicherungspflichten und die Überwachung des Hauses
selbst. Die Situation ist nicht anders zu beurteilen als etwa die - stillschweigende oder
ausdrückliche - Übertragung von Streupflichten durch einen Hauseigentümer auf seinen
Ehegatten (vergl. Staudinger, aaO).
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Die Zurechnung eines (eigenen) Auswahlverschuldens der Kläger erfordert weiterhin
ein objektiv rechtswidriges Verhalten des Verrichtungsgehilfen. Im Rahmen von § 254
BGB ist darunter der Verstoß gegen Gebote des eigenen Interesses zu verstehen. Das
beruht auf dem Rechtsgedanken, daß derjenige, der die nach Lage der Dinge zur
Abwendung einer Selbstschädigung erforderliche Sorgfalt außer acht läßt, den Verlust
oder die Kürzung seines Schadensersatzanspruchs hinnehmen muß (RGZ 100, 44;
BGHZ 9, 318; Palandt/Heinrichs, BGB, 59. Aufl., § 254 BGB, Rdn. 1).
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Auch diese Pflichtverletzung hat das Landgericht rechtsfehlerfrei bejaht, indem es
angenommen hat, dass sich aus der Situation des Abbrennens einer Reihe von
Feuerwerkskörpern als naheliegende, von der Tochter der Kläger aber nicht beachtete
Vorsichtsmaßnahme ergab, nach möglicherweise nicht oder nicht vollständig
abgebrannten Feuerwerkskörpern Nachschau zu halten.
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Mit der Berufung wenden die Kläger gegen diese Annahme des Landgerichts ein, ihre
Tochter habe von ihrem Standort aus nicht sehen können, daß nicht alle vom Beklagten
gezündeten Leuchtkörper ordnungsgemäß abgebrannt seien.
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An der Annahme einer Pflichtverletzung ändert das aber nichts. Die Tochter der Kläger
war vielmehr gerade dann gehalten, die unterlassene Nachschau durchzuführen, wenn
man diesen Vortrag zugrunde legt. Daß nicht alle bei einem Silvesterfeuerwerk
benutzten Knall- und Leuchtkörper ordnungsgemäß funktionieren, sondern häufig durch
falsche Bedienung verursachte oder bauartbedingte Defekte auftreten, entspricht
allgemeiner Erfahrung. Damit mußte deshalb auch die Tochter der Kläger rechnen und
eine entsprechende Nachschau entweder selbst vornehmen oder veranlassen. In dem
Unterlassen dieser Vorsichtsmaßnahme liegt der zurechenbare Verstoß gegen die
Sorgfaltsanforderungen, wenn man von dem mit der Berufung vorgetragenen
Sachverhalt ausgeht.
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Die Pflichtverletzung des Verrichtungsgehilfen begründet eine nach § 831 Abs. 1 S. 2
BGB widerlegbare Vermutung des Geschäftsherrn bei dessen Auswahl oder Anleitung.
Den ihnen danach obliegenden Entlastungsbeweis haben die Kläger nicht geführt, da
sie weder erst- noch zweitinstanzlich vorgetragen haben, ihre Tochter auf die
besonderen Gefahren eines Feuerwerks hingewiesen und zu den erforderlichen
Vorsichtsmaßnahmen veranlaßt zu haben.
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Was die Haftungsquote angeht, tritt der Senat den Ausführungen des Landgerichts bei.
Gründe, von der im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Haftungsverteilung
zuungunsten des Beklagten abzuweichen, liegen nicht vor.
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Die Berufung war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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Berufungsstreitwert und Beschwer der Kläger: 5255,80 DM
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