Urteil des OLG Köln vom 30.06.2006

OLG Köln: wichtiger grund, entlassung, staat, aufgabenbereich, strafbefehl, berufsverbot, entlastung, vermögensverwaltung, vertrauensschutz, vergleich

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 102/06
Datum:
30.06.2006
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 102/06
Vorinstanz:
Landgericht Bonn, 4 T 49/06
Tenor:
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den
Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 25.04.2006 –
4 T 49/06 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis einer rechtlichen Nachprüfung
stand (§§ 27 f GG, 546 ZPO).
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Gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Betreuer zu entlassen, wenn seine Eignung,
die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein
anderer wichtiger Grund für die Entlassung vorliegt. Als einen wichtigen Grund führt
Abs. 1 Satz 2 in der Fassung durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz die
Erteilung einer vorsätzlich falschen Abrechnung durch den Betreuer an.
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Nach dem vom Landgericht festgestellten Sachverhalt ist die Beteiligte zu 1. in der
Vergangenheit wegen Vermögensdelikten in Erscheinung getreten. Gegen sie ist ein
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– seit dem 06.04.2004 rechtskräftiger – Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn (63 Js
252/02) wegen Betruges in 20 Fällen ergangen, weil sie in ihrer Eigenschaft als
Berufsbetreuerin in der Zeit vom 12.01.2000 bis zum 03.06.2002 zu Lasten der
Staatskasse Vergütungen/Aufwendungsersatz zu hoch abgerechnet hatte, wobei die
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Überzahlung nach dem zwischen ihr und dem Land Nordrhein-Westfalen
abgeschlossenen Vergleich vom 22.05.2003 auf jeweils 40 % geschätzt wurde.
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Diese Falschabrechnungen stellen entgegen den Ausführungen der Vorinstanzen
keinen Entlassungsgrund nach § 1908 b Abs. 1 Satz 2 BGB n.F. dar. Denn diese
Vorschrift gilt erst ab dem 01.07.2005 und betrifft nur Abrechnungen, die danach
vorgenommen wurden (vgl. Fröschle, Betreuungsrecht, 2005, Randziffer 476).
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Allerdings haben die Vorinstanzen zutreffend darauf hingewiesen, dass auch bisher
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schon nach § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB ein Betreuer, der falsch abrechnete, entlassen
werden konnte. Nach dieser Vorschrift genügt für die Entlassung jeder Grund, der den
Betreuer als nicht mehr geeignet im Sinne des § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt,
wobei es im Hinblick auf die weitreichenden dem Betreuer eingeräumten Befugnisse
und seiner Vertrauensposition ausreicht, wenn konkrete Tatsachen Anlass zu
begründeten Zweifeln an der Eignung geben (vgl. BayObLG FamRZ 2005, 931).
Die vom Beschwerdegericht in Bezug genommenen Ausführungen des Amtsgerichts,
dass die rechtskräftige Verurteilung nach § 263 StGB wegen überhöhter Abrechnungen
in einer Vielzahl von Fällen und über einen langen Zeitraum hinweg Anlass zu
berechtigten Zweifeln gibt, ob die Gewähr für ein dauerhaft künftiges zuverlässiges
Arbeiten der Beteiligten zu 1. besteht, sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden,
jedenfalls dann nicht, wenn dem Betreuer – wie vorliegend – auch der Aufgabenbereich
der Vermögenssorge übertragen ist.
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An der Zuverlässigkeit eines dem Betroffenen durch den Staat zugeordneten Betreuers
dürfen keinerlei ernsthaften Zweifel bestehen. Es besteht kein Anlass, dem Betreuten
das Risiko ungesetzlichen Verhaltens eines ihm durch den Staat zugeordneten
Betreuers tragen zu lassen. Dass die Beteiligte zu 2. lediglich aus
Zweckmäßigkeitserwägungen den Strafbefehl des Amtsgerichts Bonn akzeptiert hat,
ohne dass hinreichende konkrete Verdachtsmomente vorlagen, ist von ihr auch in der
Rechtsbeschwerde nicht nachvollziehbar dargetan. Trotz der Aufsichtspflichten des
Vormundschaftsgerichts nach § 1837 Abs. 2 BGB, die wegen der Vielzahl der zu
bearbeitenden Fälle nicht lückenlos möglich ist, setzt die Eignung zur Führung von
Betreuungen voraus, dass sowohl Gericht als auch Betreuter sich auf die Integrität
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des Betreuers verlassen können. Auch hierauf hat das Amtsgericht zutreffend
hingewiesen. Die Beteiligte zu 1. kann ihre Verantwortung für die Abrechnungsfehler in
der Vergangenheit auch nicht mit Hinweis auf etwaige gerichtliche
Überprüfungsversäumnisse auf das Vormundschaftsgericht verlagern. Für die
Richtigkeit der Abrechnungen ist der Betreuer verantwortlich, die Überprüfung der
Rechnungslegung durch das Vormundschaftsgericht (§§ 1840 Abs. 2, 1843, 1908 i
BGB) führt nicht zu seiner Entlastung.
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Ob die Beteiligte zu 1. nach bisherigem Recht gemäß § 1908 b Abs. 1 Satz 1 BGB
generell als ungeeignet zum Führen von Betreuungen anzusehen ist oder
Einschränklungen im Hinblick darauf geboten sind, dass Abrechnungsfehler seit
nunmehr vier Jahren nicht mehr vorgekommen sind und das seit 01.07.2005 geltende
pauschale Vergütungssystem weit weniger betrugsanfällig ist als eines, bei dem der
Betreuer – wie bisher – nach dem von ihm angegebenen Zeitaufwand vergütet wurde,
kann dahinstehen. Denn nach Auffassung des Senats ist die Beteiligte zu 1. jedenfalls
als ungeeignet für den Aufgabenbereich der Vermögenssorge anzusehen. Die
aufgezeigte Abrechnungsunehrlichkeit der Beteiligten zu 1. in der Vergangenheit gibt
Anlass zu begründeten Zweifeln an der charakterlichen Eignung für den Bereich der
Vermögensverwaltung, wobei es nicht darauf ankommt, ob im konkreten Einzelfall
Vermögen des Betreuten vorhanden ist oder nicht.
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Da dem Betreuten ein weiterer Betreuer nicht zuzumuten ist und ein Betreuerwechsel
allein für den Bereich der Vermögenssorge auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht in
Betracht kommt, ist die Beteiligte zu 2. als Betreuerin zu entlassen. Allein die Tatsache,
dass das Beschwerdegericht bisher von einer Entlassung in zwei anderen Verfahren
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abgesehen hat, vermag einen Vertrauensschutz für die Beteiligte zu 1. nicht zu
begründen. Auch kommt die Entlassung der Beteiligten zu 1. nicht – wie sie meint –
einem Berufsverbot (Art. 12 GG) gleich. Dies hat das Landgericht zutreffend aufgeführt,
des weiteren auch, dass ein entgegenstehender Wille des Betreuten unbeachtlich ist.
Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die zutreffenden Gründen
der Beschwerdeentscheidung verwiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs.1 S. 2 FGG.
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