Urteil des OLG Köln vom 28.01.2004

OLG Köln: neues vorbringen, pastor, entlastungsbeweis, verfügung, erlass, akte, zugang, anbau, betrug, sorgfalt

Oberlandesgericht Köln, 11 U 73/03
Datum:
28.01.2004
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
11. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
11 U 73/03
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 488/02
Tenor:
I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung nach §
522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da die Voraussetzungen der § 522
Abs. 2 Nr. 1 bis 3 ZPO
vorliegen.
Insbesondere hat die Berufung keine Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat der Klage
zu Recht stattgegeben und die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §§ 823 Abs.2,
909 BGB angenommen. Der Einwand der Beklagten, sie hätten die von ihnen mit der
Ausgrabung und der Bauaufsicht beauftragten Unternehmen sorgfältig ausgesucht,
greift - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - nicht durch. Nach gefestigter
Rechtsprechung reicht die Auswahl der mit der Planung und Bausausführung befassten
Fachleute zur Entlastung des Bauherren und Grundstückseigentümers nicht aus, wenn
auch für ihn erkennbar eine besondere Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlass
zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maße den
Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen würde (BGHZ 147, 45, 48 =
NJW 2001, 1865, 1866 = BauR 2001, 1587; BauR 1997, 1058 = NJW-RR 1997, 1374;
NJW 1987, 2810, 2811; BauR 1979, 533; OLG Düsseldorf BauR 1996, 881;
Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdn. 2113, 2115). In diesem Falle erwachsen
dem Bauherrn eigene Überprüfungspflichten. Er ist verpflichtet, die Arbeiten zu
überwachen und gegebenenfalls selbst einzugreifen. Dabei ist es Sache des Bauherrn,
dazulegen und beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist (OLG
Düsseldorf NJW-RR 1997, 146 = BauR 1996, 906; OLG Hamm BauR 1998, 159, 162;
Werner/Pastor Rdn. 2113 und 2116; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im
Privatrecht, Bd. 2, 2. Aufl., § 909 Rdn. 3 und 8). An den Entlastungsbeweis sind hohe
Anforderungen zu stellen (OLG Hamm a.a.O.; Palandt-Bassenge, BGB, 63. Aufl., § 909
Rdn. 11). Hier war eine besondere Gefahrenlage nach den unstreitigen Umständen
gegeben, wie schon daraus hervorgeht, dass der Sachverständige C in seinem
vorgerichtlichen Gutachten vom 22.12.1997 hervorgehoben hat, dass das
Abbruchvorhaben mit der größten Sorgfalt ausgeführt werden müsse. Den ihnen damit
obliegenden Entlastungsbeweis haben die Beklagten nicht geführt. Dass sie das
Bauvorhaben selbst in ausreichendem Umfang überwacht haben, ist nicht dargetan.
Soweit sie in der Berufungsverfahren ihren Vortrag hierzu konkretisiert haben, bleibt
weiterhin zweifelhaft, ob dies den Anforderungen genügt. Jedenfalls handelt es sich
1
insoweit um neues Vorbringen, dass nach § 531 ZPO verspätet wäre.
Im übrigen ist die Klage auch aus dem Gesichtpunkt der verschuldensunabhängigen
Haftung aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB begründet. Diese Bestimmung ist auf die Fälle der
Vertiefung nach § 909 BGB analog anzuwenden, wenn der betroffene
Grundstückseigentümer aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen gehindert war, die
Arbeiten auf dem Nachbargrundstück rechtzeitig durch Klage oder den Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Verfügung zu unterbinden (BGHZ 147, 45, 49 ff.; BauR 1997, 1058,
1059 = NJW-RR 1997, 1374; OLG Düsseldorf NJW-RR 1997, 146, 147; Werner/Pastor
Rdn. 2095 und 2109). Der Anspruch kann im Einzelfall auf vollen Schadensersatz
gehen (BGH BauR 1997, 1058, 1059 = NJW-RR 1997, 1374; Werner/Pastor Rdn. 2095).
Die Beklagten hatten sich mit dem früheren Grundstückseigentümer - dem
Rechtsvorgänger der Klägerin - darauf geeinigt, dass dieser das Bauvorhaben dulden
würde, sofern die erforderlichen Sorgfaltsanforderungen eingehalten würden. Dadurch
wurde er von der Ergreifung eigener Maßnahme abgehalten (vgl. OLG Düsseldorf NJW-
RR 1997, 146, 147). Der Senat hat deshalb keine Bedenken, der Klägerin auch aus
dem Gesichtspunkt des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB den mit der Klage geltend gemachten
Schadensersatz zuzusprechen.
2
Die Einwendungen der Beklagten gegen die Schadenshöhe sind ebenfalls
unbegründet. Die Feststellungen des Landgerichts stützen sich in rechtsfehlerfreier
Weise auf das im Beweissicherungsverfahren eingeholte Gutachten des
Sachverständigen Q vom 1.6.2000 (Bl. 253 ff. der Akte LG Köln 16 OH 8/98). Danach
betrug der wegen wirtschaftlichen Totalschadens zu ersetzende Wert der beschädigten
Doppelhaushälfte 65.100,-- DM. Nachvollziehbare Gründe, weshalb diese
sachverständige Schätzung unzutreffend sei, tragen die Beklagten nicht vor. Soweit sie
in der Berufung bestreiten, dass der Anbau bauordnungsrechtliche genehmigt gewesen
ist, handelt es sich jedenfalls um nach § 531 ZPO unzulässiges neues Vorbringen.
3
II. Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen
ab Zugang dieses Beschlusses.
4