Urteil des OLG Köln vom 19.02.2002

OLG Köln: hindernis, ufer, wasser, unfall, entlastungsbeweis, vorsteuerabzug, speditionsvertrag, kurs, vollstreckung, sparkasse

Oberlandesgericht Köln, 3 U 154/01 BSch
Datum:
19.02.2002
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
3. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 U 154/01 BSch
Vorinstanz:
Amtsgericht Duisburg-Ruhrort, 5 C 34/00 BSch
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.06.2001 verkündete Urteil
des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort - 5 C 34/00 BSch - wird
zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Beklagte verurteilt wird, an
die Klägerin 52.623,38 € nebst 5 % Zinsen seit dem 08.08.2000 zu
zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung
durch Sicherheitsleistung in Höhe von 65.500 €, die auch durch
selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen
Sparkasse oder Genossenschaftsbank erbracht werden kann,
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Klägerin macht aus übergegangenem und abgetretenem Recht der I A-AG
Schadensersatzansprüche aus einem Transportunfall vom 24.03.2000 geltend.
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Im März 2000 beauftragte die I A-AG die Beklagte auf der Grundlage eines seit dem
16.11.1993 bestehenden Vertrages (Bl. 69 ff. d.A.) mit dem Transport einer Ladung
Zement per Binnenschiff von N nach L. Die Beklagte schaltete als Unterfrachtführer den
Schiffseigner T ein. Dieser legte das O vor, das am 23.03.2000 in N beladen wurde.
Während der Bergfahrt auf dem Rhein erlitt das O am 24.03.2000 etwa bei Strom-km
XXXX aufgrund einer Grundberührung eine Leckage mit der Folge, dass Wasser
eindrang und das Schiff schließlich im nahegelegenen Hafen M sank. Die Ladung
wurde dadurch zerstört.
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Die Klägerin hat vorgetragen, O sei infolge eines Fahrfehlers des Schiffsführers T
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rechtsrheinisch auf eine dort befindliche Kribbe aufgefahren. Der Schaden betrage
insgesamt 107.365,51 DM.
Die Klägerin hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 107.365,51 DM nebst 5 % Zinsen seit dem
08.08.2000 zu zahlen.
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Die Beklagte hat
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Klageabweisung beantragt.
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Sie hat die Auffassung vertreten, der zwischen ihr und der I A-AG geschlossene Vertrag
sei ein Speditionsvertrag, so dass sie für ein etwaiges Verschulden des eingesetzten
Schiffsführers nicht hafte. Aber auch als Frachtführerin brauche sie für den Schaden
nicht einzustehen, da dieser auf ein unabwendbares Ereignis zurückzuführen sei. O sei
in einem Seitenabstand von etwa 40 m zum rechtsrheinischen Ufer gefahren, als das
Schiff plötzlich auf einen im Fahrwasser liegenden, aber für den Schiffsführer nicht
erkennbaren Gegenstand gefahren sei. Vorsorglich hat sie die Schadenshöhe bestritten.
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Das Schifffahrtsgericht hat nach Beweisaufnahme der Klage durch Urteil vom
18.06.2001 (Bl. 116 ff. d.A.), auf das vollinhaltlich Bezug genommen wird, in Höhe von
102.922,38 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 08.08.2000 stattgegeben. Zur Begründung
hat es ausgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte aus abgetretenem Recht der I
A-AG gemäß §§ 425 HGB, 398 BGB ein Schadensersatzanspruch aufgrund des
Transportunfalls vom 24.03.2000 in Höhe von insgesamt 102.922,38 DM zu. Bei dem
zwischen der Zedentin und der Beklagten geschlossenen Vertrag handele es sich
eindeutig um einen Transportvertrag und nicht um einen Speditionsvertrag. Gemäß §
428 HGB hafte die Beklagte für das Verhalten des von ihr beauftragten
Unterfrachtführers, des Schiffsführers T. Die Voraussetzungen einer Haftungsbefreiung
nach § 426 HGB habe die Beklagte nicht bewiesen. Die Indizien sprächen dafür, dass
der Zeuge T auf eine Kribbe und nicht – wie er bekundet habe – auf einen im
Fahrwasser liegenden, nicht erkennbaren Gegenstand aufgefahren sei. Angesichts
dessen, dass bei der am 30.03.2000 durchgeführten Überprüfung der Fahrrinne
zwischen S-km X und XX keine Hindernisse festgestellt worden seien, vermöge die in
eigener Sache gemachte Aussage des Zeugen T nicht zu überzeugen.
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Gegen dieses ihr am 27.06.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 26.07.2001
Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung am 27.09.2001
begründet.
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Sie hält daran fest, dass der Zeuge T die Buhne Nummer XXX nicht
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überfahren habe. Er sei vielmehr etwa 20 m vom Buhnenkopf entfernt in der am
Unfalltage 3,87 m tiefen Fahrrinne gefahren. Die Buhne sei nicht beschädigt. Die am
Schiffsboden festgestellten Beschädigungen und Lecks passten auch nicht zu einer
Grundberührung. Hinsichtlich der Schadenshöhe bestreitet die Beklagte den von dem
Sachverständigenbüro H mit 16,-- DM/Stück taxierten Wert der 184 beschädigten
Europaletten. Ferner hält sie die für das Gutachten H gezahlte Mehrwertsteuer nicht für
erstattungsfähig, da die Zedentin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
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Die Beklagte beantragt,
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1.
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das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen,
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ihr zu gestatten, eine Sicherheitsleistung auch durch Bürgschaft einer deutschen
Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Genossenschaftsbank zu erbringen.
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Die Klägerin beantragt
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Zurückweisung der Berufung mit der Maßgabe, den Zahlbetrag in Euro
auszuweisen.
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Sie meint, die Beklagte habe die Voraussetzungen für einen Haftungsausschluss nach
§ 426 HGB nicht bewiesen. Als Unfallursache komme nur ein seitliches Anfahren des
Buhnenkopfs in Frage. Dafür spreche schon, dass sich die Schäden an der
Backbordseite im Bug- und Bodenbereich befunden hätten. Ein Hindernis in der
Fahrrinne sei nicht festgestellt worden. Zudem habe der Zeuge T gegen die ihm
obliegende Pflicht, ein etwa störendes Hindernis unverzüglich der nächsten
zuständigen Behörde mitzuteilen, verstoßen und so einen Entlastungsbeweis
verhindert. Der von dem Sachverständigenbüro H angesetzte Wert von 16,-- DM pro
Palette sei üblich (Beweis: Sachverständigengutachten). Das Gutachten sei in ihrem
Auftrag erstellt worden, so dass sie mangels Vorsteuerabzugsberechtigung auch die
Mehrwertsteuer ersetzt verlangen könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der in
beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst den überreichten Urkunden,
Lichtbildern und Skizzen Bezug genommen. Die Akten 101 Js 18623/00 StA Mannheim
(= Owi – Nr. 881/00 WSD Südwest) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende Berufung der Beklagten hat in der
Sache keinen Erfolg.
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Das Schifffahrtsgericht hat der Klage zu Recht in Höhe von 102.922,38 DM (= 52.623,38
€) nebst 5 % Zinsen seit dem 08.08.2000 stattgegeben. Der Klägerin steht aus
abgetretenem und übergegangenem Recht der I A-AG ein Schadensersatzanspruch
gemäß §§ 425, 428, 430 HGB, 398 BGB, 67 VVG in der genannten Höhe zu. Die
Beklagte hat den ihr obliegenden Entlastungsbeweis gemäß § 426 HGB (vgl. Koller,
Transportrecht, 4. Aufl., HGB § 426 Rnr. 20) nicht geführt. Insbesondere hat sie nicht
nachgewiesen, dass das Sinken des O und die hierdurch bedingte Zerstörung der
Zementladung durch ein Hindernis in der Fahrrinne verursacht worden wäre. Dagegen
spricht schon, dass die Nachsuche nach dem angeblichen Hindernis am 30.03.2000
negativ verlief. Zwar wurde die Fahrrinne erst 6 Tage nach dem Unfall überprüft. Wenn
tatsächlich aber ein Hindernis in der Fahrrinne gelegen hätte, das so fest war, dass
mehrere Lecks in den Schiffsboden geschlagen wurden, so hätte sich dieses nicht
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innerhalb von 6 Tagen spurlos im Wasser auflösen können. Das Objekt müsste sehr
groß gewesen sein. Bei einer Fahrwassertiefe von 387 cm am Unfalltag und einer
Abladetiefe des O von 240 cm hätte das Hindernis von der Fahrrinnensohle aus
gemessen ca. 150 cm hoch sein müssen. Ein solcher Gegenstand wird nicht so leicht
vom Wasser fortgerissen. Es wäre auch zu erwarten gewesen, dass andere ebenso tief
wie O abgeladene Schiffe mit ihm in Berührung gekommen wären. Dies war jedoch
offensichtlich nicht der Fall. Im übrigen weist die Klägerin zutreffend daraufhin, dass der
Zeuge T gegen die ihm obliegende Meldepflicht nach § 1.12 Nr. 4 RhSchPV verstoßen
und damit den Entlastungsbeweis vereitelt hat. Dies geht zu Lasten der Beklagten.
Die Angaben des Zeugen T sind nicht geeignet, den Vorwurf eines Fahrfehlers
auszuräumen. Dass er über ein unbekanntes Hindernis in der Fahrrinne gefahren sein
will, ist eine reine Vermutung des Zeugen, die als nachträgliche Schutzbehauptung zu
werten ist. Es spricht alles dafür, dass der Zeuge mit der Backbordseite des Schiffes die
Flanke des Buhnenkopfes tangiert hat. Ausweislich der Ermittlungsakte hat er bei der
Meldung des Unfalls zuerst angegeben, nach Grundberührung an einer Buhne einen
Wassereinbruch zu haben. Auch seiner Mutter, der Zeugin T, gegenüber hat er nach
deren polizeilicher Aussage unmittelbar nach dem Unfall sinngemäß erklärt, er müsse
wohl über eine Kribbe gefahren sein.
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Im Ermittlungsverfahren hat der Zeuge T die Länge der Buhne mit allenfalls 20 m
geschätzt, bei seiner Vernehmung vor dem Schifffahrtsgericht nur mit maximal 15 m.
Tatsächlich ist die Buhne nach den Feststellungen der Wasserschutzpolizei 25,10 m,
bei Messung vom Hektometerpunkt an sogar 26,30 m lang; zudem hat der Buhnenkopf
zum Fahrwasser hin noch ein Gefälle von 1:5. Bei einer Abladetiefe des Schiffes von
2,40 m kann dann die Berührung mit der Flanke des Buhnenkopfes in einem Abstand
von ca. 4 m von Buhnenkopf oder ca. 30 m vom Ufer geschehen sein. Der Zeuge T will
allerdings mit einem Abstand von 40 m zum Ufer gefahren sein. Dabei handelt es sich
aber um eine bloße Schätzung. Der Zeuge hat sich schon bezüglich der Länge der
Buhne erheblich verschätzt. In dem Bemühen, einen eigenen Fahrfehler auszuräumen,
hat er offensichtlich die Länge der Buhne zu kurz und seinen Abstand vom Ufer zu weit
geschätzt. Zudem herrschte Hochwasser, so dass das Wasser auch im Bereich der
Uferböschung entsprechend höher war und zu einer Verbreiterung des Stromes geführt
hatte. Vom Wasserrand aus gesehen dürfte die Buhne also einige Meter weiter im
Wasser gelegen haben.
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Die Beklagte kann den ihr obliegenden Entlastungsbeweis auch nicht mit der Aussage
des Zeugen W führen. Dieser hat zwar ausgesagt, er wäre bei einem Tiefgang von 2,50
m auch den gleichen Kurs wie O gefahren. Sie seien einen schifffahrtsüblichen Kurs am
P Grund gefahren. Seinen Bekundungen zufolge fuhr der Zeuge allerdings zur Unfallzeit
in einem Abstand zwischen 600 m und 150 m hinter O. Bei einem solchen Abstand
muss ihm nicht aufgefallen sein, dass O einige Meter näher zum Ufer fuhr, zumal der
Zeuge vom Unfall nichts bemerkt hatte und erst durch den späteren Funkspruch
aufmerksam wurde. Die Aussage des Zeugen W vermag daher dem Senat nicht die
Überzeugung zu vermitteln, dass der Zeuge T ausschließlich in der Fahrrinne gefahren
wäre.
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Auch der Ort der Schäden am Schiff spricht dafür, dass O mit der Backbordseite des
Buges und des Schiffsbodens über die Flanke des Buhnenkopfes geschrammt ist.
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Den Beweisantritten der Beklagten zu der Behauptung, die Buhne sei nicht beschädigt,
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war nicht nachzugehen; denn es handelt sich um einen unzulässigen
Ausforschungsbeweis. Zudem erscheint es ohne weiteres möglich, dass die nach den
Feststellungen der Wasserschutzpolizei im Bereich der Leckstelle nur 3-5 mm starke
Bodenplatte aufgerissen wurde, ohne dass dies zu später noch sichtbaren Schäden an
den Steinen der Flanke des Buhnenkopfes geführt hat.
Nach alledem haftet die Beklagte für die durch den Transportunfall vom 24.03.2000
entstandenen Schäden.
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Hinsichtlich der Schadenshöhe sind im Berufungsverfahren nur noch der Wert der
Europaletten und die Mehrwertsteuer aus der Rechnung des Sachverständigenbüros H
im Streit. Hinsichtlich der 184 durch den Unfall beschädigten Europaletten hat das
Schifffahrtsgericht der Klägerin zu Recht einen Betrag von 2.944,-- DM zuerkannt. Das
Havariekommissariat H hatte den Wert auf 16,-- DM/Stück taxiert. Die Beklagte hatte die
Palettenkosten erstinstanzlich nicht substantiiert bestritten. Auch das jetzige Bestreiten
der Beklagten ist unsubstantiiert. Der taxierte Wert von 16,-- DM/Stück bewegt sich – wie
gerichtsbekannt ist – im üblichen Rahmen. Der Einholung eines
Sachverständigengutachtens zum Wert der Paletten bedarf es daher nicht.
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Auch die Mehrwertsteuer aus der Rechnung des Sachverständigenbüros H vom
26.05.2000, die sich auf 219,70 € beläuft, ist erstattungsfähig. Ausweislich des
Gutachtens der H GmbH vom 26.05.2000 war das Gutachten von der Klägerin in Auftrag
gegeben worden, die selbst unstreitig nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist. Der Klägerin
waren die Schadensersatzansprüche der I A-AG abgetreten worden, zu denen auch der
Anspruch auf Ersatz der Schadensfeststellungskosten gemäß § 430 HGB gehört. Da die
Klägerin die Mehrwertsteuer zu entrichten hatte, ohne einen Vorsteuerabzug vornehmen
zu können, hat die Beklagte ihr auch diesen Schaden zu ersetzen.
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Nach alledem war die Berufung der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO
zurückzuweisen. Antragsgemäß hat der Senat den zuerkannten Betrag nunmehr in Euro
ausgewiesen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711
Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO a.F.
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Von der Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO n.F. sieht der Senat ab. Die
Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer der Beklagten:
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52.623,38 €.
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