Urteil des OLG Köln vom 13.12.2004

OLG Köln: verfügung, vollzug, amt, präsident, zusage, zusammenarbeit, akte, einfluss, entlastung, zukunft

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Oberlandesgericht Köln, 2 X (Not) 35/04
13.12.2004
Oberlandesgericht Köln
Notarsenat
Beschluss
2 X (Not) 35/04
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtlichen Verfahrens zu tragen
und dem Antragsgegner die notwendigen außergerichtlichen Auslagen
zu erstatten.
G r ü n d e :
I.
Der Antragsteller ist seit 1977 als Rechtsanwalt zugelassen und wurde 1987 zum Notar mit
Amtssitz in E. bestellt.
Mit Disziplinarverfügung vom 26.09.2000 (Bl. 12 - 41 Disziplinarheft I - I cM 7-) verhängte
der Präsident des Landgerichts F. gegen den Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von
8.000,00 DM, weil er in sieben Fällen vorsätzlich seine Auskunftspflicht gegenüber der
Rheinischen Notarkammer und den Aufsichtsbehörden verletzt hatte, in einem Fall
fahrlässig gegen § 14 Abs. 1 BNotO verstoßen und in zwei Fällen gegen Vorschriften der
Dienstordnung für Notare, in zwei Fällen Treuhandauflagen nicht beachtet sowie in vier
Fällen vorsätzlich gegen das Verbot von Gebührenverzichtsvereinbarungen verstoßen
hatte.
Mit Disziplinarverfügung vom 16.08.2002 (Bl. 132 - 148 Disziplinarheft I - I cM 7-) verhängte
die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller erneut eine Geldbuße in Höhe von 10.000,00
EUR. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller fahrlässig seiner Prüfungs- und
Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 und Abs. 2 BeurkG nicht nachgekommen war, in
zahlreichen Fällen vorsätzlich gegen die aus §§ 14 Abs. 3, 93 Abs. 4 Satz 1, 74 Abs. 1
BNotO folgenden Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber der
Notarbeschwerdekammer des Landgerichts, den Aufsichtsbehörden und der Notarkammer
verstoßen hatte, in zwei Fällen seinen im Zusammenhang mit der Verwahrung von Geld
bestehenden Pflichten aus § 54 a BeurkG nicht nachgekommen war und in einem Fall
fahrlässig gegen eine Treuhandauflage verstoßen hatte. Des weiteren hatte der
Antragsteller in zahlreichen Fällen seine Pflichten aus § 21 BeurkG verletzt.
Im März 2003 ging bei der Rheinischen Notarkammer die Beschwerde eines
Rechtsanwalts ein, nach der der Antragsteller die Vollziehung mehrerer Bauträgerverträge
nicht betreibe und auf schriftliche Anfragen und Erinnerungen nicht reagiere. Die
Geschäftsstelle der Rheinischen Notarkammer bat den Antragsteller darauf hin mehrfach
erfolglos um Stellungnahme und ergänzende Angaben, zuletzt mit Schreiben vom
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26.05.2003 mit dem ausdrücklichen Hinweis auf § 74 BNotO und dass bei fruchtlosem
Ablauf der gesetzten Frist die Angelegenheit zur weiteren Behandlung an die
Justizverwaltung abgegeben werde.
Nachdem die Rheinische Notarkammer dem Präsidenten des Landgerichts F. mit
Schreiben vom 11.06.2003 den Vorfall mitgeteilt hatte und eine weitere Aufforderung des
Präsidenten des Landgerichts F. vom 18.06.2003, zu den Vorwürfen im Zusammenhang
mit der Abwicklung der Bauträgerverträge schriftlich Stellung zu nehmen, ohne Reaktion
blieb, sind mit Verfügung vom 06.08.2003 gegen den Antragsteller wegen Missachtung von
Anfragen der Vertragsbeteiligten bei der Abwicklung von Bauträgerverträgen, Anfragen der
Rheinischen Notarkammer sowie Anschreiben des Präsidenten des Landgerichts in dieser
Sache disziplinare Vorermittlungen eingeleitet worden. Mit Verfügung vom 20.01.2004
wurden die Vorermittlungen wegen des Verdachts einer weiteren Amtspflichtverletzung
gemäß §§ 95, 96 BNotO, §§ 26 ff Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (DO
NW) erweitert, weil der Antragsteller wiederum Anfragen der Rheinischen Notarkammer zu
einer gegen ihn geführten Schadensersatzklage nicht beantwortet bzw. in der Sache nicht
Stellung genommen hatte.
Die Möglichkeit, im Rahmen der disziplinarischen Vorermittlungen zu den Vorwürfen
mündlich oder schriftlich Stellung zu nehmen, hat der Antragsteller trotz entsprechender
Ankündigungen nicht wahrgenommen; zu Anhörungsterminen in dieser Sache ist er teils
entschuldigt, teils unentschuldigt nicht erschienen.
Am 01.04.2004 hat der Präsident des Landgerichts F. die Sache der Antragsgegnerin
gemäß § 96 Satz 1 BNotO in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 2, 2. Alt. DO NW vorgelegt,
weil seiner Auffassung nach die durch § 98 Abs. 2 BNotO begrenzte Disziplinarbefugnis
nicht ausreiche, die vorgeworfenen Dienstvergehen zu ahnden. Daraufhin hat die
Antragsgegnerin mit einer am 30.04.2004 zugestellten Disziplinarverfügung vom
27.04.2004 (Bl. 3 - 11 Disziplinarheft 2 - I cM 57), auf deren Inhalt Bezug genommen wird,
gegen den Antragsteller eine Geldbuße in Höhe von 20.000,00 EUR verhängt.
Gegen diese Disziplinarverfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem am Dienstag,
dem 01.06.2004, nach Pfingsten eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
In der Antragsbegründung hat der Antragsteller zunächst umfassend zur
Ordnungsmäßigkeit der Abwicklung der Bauträgerverträge Stellung genommen. Zum
Vorwurf der Auskunftspflichtverletzung im Zusammenhang mit der gegen ihn gerichteten
Schadensersatzklage weist er daraufhin, dass ihm bekannt geworden sei, dass der
gesamte Aktenvorgang des landgerichtlichen Verfahrens dem Präsidenten des
Landgerichts F. vorgelegen habe und für diesen in eindeutiger Weise habe erkennbar sein
müssen, dass ein Treuhandverstoß nicht vorgelegen habe, wie letztlich durch das
klageabweisende Urteil des Landgerichts F. bestätigt worden sei.
Der Antragsteller beantragt,
die Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin vom 27.04.2004 aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Den Vorwurf, der Antragsteller habe wegen verzögerlicher Eintragung der
Auflassungsvormerkungen gegen seine Pflicht zum Vollzug von Urkundsgeschäften
verstoßen (Ziff. II 1. der Disziplinarverfügung), hat die Antragsgegnerin nach den
Ausführungen des Antragstellers in der Beschwerdebegründung nicht mehr
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aufrechterhalten.
Im übrigen hält sie an der Disziplinarverfügung fest und ist der Auffassung, dass die
weiteren Vorwürfe derart schwerwiegend seien, dass sie die verhängte Geldbuße
gleichwohl rechtfertigten.
Mit Verfügung vom 09.08.2004 hat die Antragsgegnerin gegen den Antragsteller erneut
disziplinare Vorermittlungen wegen des Verdachts der Verletzung von Ausklärungs- und
Mitwirkungspflichten gegenüber der Rheinischen Notarkammer eingeleitet. Dieses
Verfahren wird jedoch zur Zeit nicht weiter betrieben, weil die vorgeworfenen Verstöße
zeitlich ganz überwiegend vor dem Erlass der angefochtenen Disziplinarverfügung lagen
und nach Ansicht der Antragstellerin gegenüber den bereits durch die Disziplinarverfügung
geahndeten nicht erheblich ins Gewicht fallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, die von der
Antragsgegnerin überreichten Personalakten (I cM 57 Bd. II), die Disziplinarhefte I und II der
Antragsgegnerin (I cM 57) sowie das Disziplinarheft III des Präsidenten des Landgerichts F.
(I M 60) Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß § 96 BNotO i.V.m. § 31 Abs. 3 der
Disziplinarordnung des Landes Nordrhein-Westfalen (DO NW) statthaft und auch im
übrigen zulässig. In der Sache hat er indes keinen Erfolg.
Die Disziplinarverfügung der Antragsgegnerin ist rechtmäßig. Die mangels Vorliegens von
Verfahrensfehlern ordnungsgemäß getroffenen Feststellungen rechtfertigen den Vorwurf
eines schuldhaften Dienstvergehens des Antragstellers im Sinne des § 95 BNotO.
Mit Recht geht die Disziplinarverfügung vom 27.04.2004 davon aus, dass der Antragsteller
vorsätzlich gegen seine aus § 14 Abs. 3 Satz 1 BNotO folgende Pflicht, Anfragen der
Urkundsbeteiligten zu beantworten, verstoßen hat und wiederholt und fortgesetzt gegen
seine aus § 74 Abs. 1 BNotO und § 93 Abs. 4 Satz 1 BNotO folgenden Auskunftspflichten
verstoßen und damit ein Dienstvergehen begangen hat.
Nach den getroffenen Feststellungen hat der Antragsteller im Zusammenhang mit der
Abwicklung von sechs Bauträgerkaufverträgen zumindest ab dem 16.01.2003 vorsätzlich
gegen seine Pflichten gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 BNotO verstoßen, Anfragen der
Urkundsbeteiligten zu beantworten, indem er die Nachfragen der Bauträgerin bzw. ihres
Anwaltes ab diesem Zeitpunkt bis zum 11.04.2003 unbeantwortet ließ.
Des weiteren hat der Antragsteller mehrfache Anfragen der Geschäftsstelle der
Rheinischen Notarkammer zu einer Beschwerde im Zusammenhang mit der Abwicklung
dieser Bauträgerkaufverträge unbeantwortet gelassen. Auf die Übersendung der genannten
Beschwerde durch die Geschäftsstelle der Rheinischen Notarkammer am 12.03.2003 mit
der Bitte um Stellungnahme reagierte der Antragsteller nicht. Auf eine Mahnung vom
08.04.2003 teilte der Antragsteller durch Telefaxschreiben vom 23.04.2003 mit, dass er mit
gleicher Post eine Stellungnahme an die Rheinische Notarkammer übersandt hätte.
Gleichwohl ging eine Stellungnahme nicht ein. Der Antragsteller wurde daraufhin erneut
um Erledigung bis zum 23.05.2003 gebeten. Auch diese Frist ließ der Antragsteller
verstreichen. Ein weiteres Schreiben des Präsidenten der Rheinischen Notarkammer vom
26.05.2003 mit dem Hinweis auf § 74 BNotO und der Androhung, für den Fall des
neuerlichen fruchtlosen Fristablaufes die Angelegenheit an die Justizverwaltung
abzugeben, gab dem Antragsteller ebenfalls keine Veranlassung, sich zu äußern.
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Ebenso wenig beantwortete der Antragsteller eine Aufforderung des Präsidenten des
Landgerichts F. vom 18.06.2003, zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit der Abwicklung
der Bauträgerverträge Stellung zu nehmen.
Weiterhin ließ der Antragsteller ein Schreiben der Rheinischen Notarkammer vom
15.05.2003 mit der Bitte um Stellungnahme zu der gegen ihn gerichteten
Schadensersatzklage (Az. 8 O 61/03 Landgericht F. ) unbeantwortet, ebenso wie weitere
Erinnerungen vom 17.06.2003, 04.07.2003 und 28.07.2003. Erst auf ein Schreiben des
Präsidenten der Rheinischen Notarkammer vom 12.08.2003 entschuldigte der Antragsteller
mit Schreiben vom 25.08.2003 seine Säumnis und kündigte an, die Stellungnahme
unmittelbar nach Rückkehr aus seinem bis zum 12.09.2003 andauernden Jahresurlaub
vorzulegen, was wiederum nicht erfolgte.
Abgesehen von dem - zurückgenommenen - Vorwurf, die Pflichten zum Vollzug von
Urkundsgeschäften verletzt zu haben, hat der Antragsteller die Richtigkeit dieser von der
Antragsgegnerin getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht in Frage gestellt. Ihm war
im Laufe der disziplinaren Vorermittlungen und während des Disziplinarverfahrens
mehrfach Gelegenheit zur mündlichen und schriftlichen Äußerung gegeben worden. Dort
und auch in diesem Verfahren auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller trotz
Ankündigung einer Stellungnahme bis zum 08.10.2004 gegen die der Disziplinarverfügung
vom 27.04.2004 noch zugrunde liegenden Vorwürfe keine bzw. keine durchgreifenden
Einwände vorgebracht.
Die festgestellten Amtspflichtverletzungen hat der Antragsteller vorsätzlich begangen.
Durch die vorangegangenen Disziplinarverfügungen vom 26.09.2000 und 16.08.2002
waren ihm seine Amtspflichten, insbesondere seine Auskunftspflichten gegenüber der
Notarkammer und den Aufsichtsbehörden deutlich vor Augen geführt worden. Dass ihm
diese Pflichten bewusst waren, zeigt sich zudem daran, dass er auf die Aufforderungen hin
mehrfach Stellungnahmen zusagte, gleichwohl nicht dafür Sorge trug, dass diese auch
tatsächlich zugingen. Durchgreifenden Einwände zu seiner Entlastung hat der Antragsteller
nicht vorgebracht. Soweit er sich im Zusammenhang mit der Auskunftspflichtverletzung
hinsichtlich der Schadensersatzklage darauf beruft, dass ihm bekannt gewesen sei, dass
dem Präsidenten des Landgerichts F. die Verfahrensakten vorgelegen hätten, entschuldigt
dies nicht die Pflichtverletzungen gegenüber der Rheinischen Notarkammer, der er gemäß
§ 74 Abs. 1 BNotO zur Auskunft verpflichtet ist, denn der Antragsteller konnte nicht davon
ausgehen, dass zwischen dem Präsidenten des Landgerichts F. und der Rheinischen
Notarkammer ein Informationsaustausch stattgefunden hatte, der eine unmittelbare
Information der Rheinischen Notarkammer entbehrlich machte.
Nicht zu beanstanden ist auch die verhängte Maßnahme, die eine angemessene Reaktion
auf die Dienstpflichtverletzung des Antragstellers darstellt. Dies gilt auch angesichts des
Umstandes, dass die Antragsgegnerin den Vorwurf verzögerlicher Eintragungen der
Auflassungsvormerkungen fallen gelassen hat, denn die verbleibenden
Pflichtverletzungen, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg summierten, sind in
ihrer Gesamtheit und vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller wegen vergleichbarer
Sachverhalte in der Vergangenheit schon zweimal in nicht unerheblichem Maße
disziplinarrechtlich geahndet worden ist, derart schwerwiegend, dass die verhängte
Geldbuße gerechtfertigt bleibt. Der Antragsteller hat trotz der einschlägigen Vorbelastungen
in der zu seinen Dienstpflichten gehörenden Zusammenarbeit sowohl mit der Notarkammer
als auch mit dem Präsidenten des Landgerichts F. und der Antragsgegnerin bis in dieses
Verfahren hinein, in dem er trotz mehrfacher Erinnerung und eigener Zusage einer
Verfügung der Vorsitzenden, Abschriften seines Antrages zwecks Beteiligung der
Notarkammer zur Akte zu reichen, nicht nachgekommen ist, eine hartnäckige Ignoranz
gezeigt, die gemessen an seinem Amt völlig unverständlich ist und nicht hingenommen
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werden kann. Mit den vorausgegangenen Disziplinarverfügungen war dem Antragsteller
ganz deutlich vor Augen geführt worden, wie gravierend und mit dem öffentlichen Amt
eines Notars unvereinbar die begangenen Amtspflichtverletzungen sind, so dass es
insbesondere angesichts der durch die Disziplinarverfügung vom 16.08.2004 verhängten
Geldbuße von 10.000,00 EUR sachgerecht und angemessen ist, wegen des nunmehr zu
ahndenden, gleichgelagerten und in unmittelbarem Anschluss begangenen
Dienstvergehens eine deutlich höhere Geldbuße zu verhängen. Mit der verhängten
Geldbuße war dem Antragsteller nicht nur das schwere Gewicht seiner Verfehlungen
nochmals deutlich und eindringlich vor Augen zu führen; er musste auch eindringlich zur
Wahrung seiner Dienstpflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden angehalten werden, um
- worauf die Antragsgegnerin völlig zu Recht hinweist - den negativen Eindruck, den sein
Verhalten von der Institution des Notariats und den Einfluss der Aufsichtsbehörden in der
Öffentlichkeit erweckt, für die Zukunft zu verhindern.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 96 BNotO i.V.m. § 114 Abs. 1, 3 DO NW. Der
Festsetzung eines Gegenstandswertes bedurfte es wegen § 96 BNotO i.V.m. § 111 Abs. 2
DO NW nicht.