Urteil des OLG Köln vom 30.03.2009

OLG Köln: kontrolle, geeignetheit, gehalt, versicherung, ausführung, entziehen, pflege, versorgung, generalvollmacht, missbrauch

Oberlandesgericht Köln, 16 Wx 19/09
Datum:
30.03.2009
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
16. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
16 Wx 19/09
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 1 T 377/07
Tenor:
Auf die weitere Beschwerde des Betroffenen werden die Beschlüsse der
1. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 07.01.2009 - 1 T 377/07 - und
des Amtsgerichts Köln vom 26.06.2007 - 51 XVII K 1055 - dahingehend
abgeändert,
dass der Beteiligte zu 2., Herr Rechtsanwalt L. T., als Berufsbetreuer
zum Kontrollbetreuer für folgenden Aufgabenkreis bestellt wird:
Geltendmachung von vermögensrechtlichen Rechten des Betroffenen
gegenüber dem Bevollmächtigten und Prüfung, ob die Vollmacht in
vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu widerrufen ist.
Die Kontrollbetreuung erstreckt sich nicht auf die persönlichen
Angelegenheiten des Betroffenen.
Die Ausführung dieses Beschlusses wird dem Amtsgericht Köln
übertragen.
Das weitergehende Rechtsmittel des Betroffenen wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
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Das Rechtsmittel der Betroffenen, das sich gegen die Bestellung des Kontrollbetreuers
richtet, hat in der Sache nur zum Teil Erfolg. Der angegriffene Beschluss hält der
rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
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1.
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Entgegen der Meinung des Rechtsmittelführers ist die angegriffene Entscheidung
verfahrensfehlerfrei zustande gekommen. Der vom Betroffenen bevollmächtigte Herr U.
ist in dieser Funktion nicht Beteiligter des Verfahrens, sondern als Bevollmächtigter
Vertreter des Betroffenen. Ihm steht kein eigenes Beschwerderecht zu (BayObLG,
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FamRZ 2003, 1219). Insofern ist es nicht zu beanstanden, dass er im Rubrum des
angegriffenen Beschlusses lediglich als Bekannter aufgeführt ist.
Ob der Betroffene zum Termin vom 22.12.2008 ordnungsgemäß geladen wurde –
immerhin wurde seine Verfahrensbevollmächtigte am 15.12.2008 telefonisch vom
Termin unterrichtet -, kann dahin stehen. Der Betroffene war im Termin anwesend und
wurde angehört.
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2.
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Zu Recht haben die Vorinstanzen die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung nach
§ 1896 Abs. 3 BGB bejaht. Allerdings gilt dies nur für die vermögensrechtlichen
Angelegenheiten des Betroffenen, weil insoweit erhebliche Zweifel an der
Zuverlässigkeit des Bevollmächtigten bestehen. Hingegen sind keine Anhaltspunkte
dazu vorhanden, dass der Bevollmächtigte nicht zur Vertretung in den persönlichen
Angelegenheiten geeignet ist.
7
a.
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Die Voraussetzungen für eine Kontrolle der Bevollmächtigung, die im vorliegenden Fall
umfassend und ohne die Beschränkungen des § 181 BGB erteilt wurde, liegen für den
vermögensrechtlichen Bereich vor. Eine Kontrolle ist bei Zweifeln an der Redlichkeit
oder den Fähigkeiten des Bevollmächtigten anzuordnen (OLG Zweibrücken, FamRZ
2006, 1710; BayObLG, FamRZ 2003, 1219; Jurgeleit, Betreuungsrecht, § 1896 BGB
Rdnr. 158).
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Zwar bestehen vorliegend schon Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachtserteilung,
worauf das Landgericht zu Recht hingewiesen hat; diese werden durch das neueste
Gutachten des Sachverständigen V. vom 20.12.2008 verstärkt. Es kann indes auch nicht
die Unwirksamkeit der Vollmachtserteilung festgestellt werden, was eine Kontrolle
entbehrlich machen würde. Beachtliche Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des
Vollmachtgebers können zwar im Einzelfall die Einrichtung einer "üblichen" Betreuung
nach § 1896 Abs. 1, Abs. 2 BGB rechtfertigen (so BayObLG, OLGR München 2004, 35),
nicht jedoch eine Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB begründen.
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Die für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung erforderlichen Bedenken gegen die
Geeignetheit des Bevollmächtigten liegen hier vor. Der Bevollmächtigte hat am 19.
Dezember 2005 im Verfahren 288 M 3434/05 bei der Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung falsche Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht. Zu
diesem Zeitpunkt lebte er bereits im Haus des Betroffenen, I. Straße in M. , und
versorgte diesen gegen Entgelt. Die Tochter des Betroffenen hatte ihn bereits zum
Jahreswechsel 2002/2003 eingestellt; er erhielt zunächst einen Barbetrag als Gehalt,
später hatte er die Möglichkeit, sein Gehalt mit der Kontokarte des Betroffenen selbst
abzuheben. Gleichwohl hat er in der eidesstattlichen Versicherung entgegen seinen
tatsächlichen Lebensumständen eine andere Anschrift, nämlich die seiner Mutter
angegeben, und sich ferner als "arbeitslos" bezeichnet. Seine Einkünfte aus der
Versorgung und Pflege des Betroffenen hat er ebenso wenig offen gelegt, vielmehr
erklärt, keinerlei Einkommen zu haben und von der Unterstützung seiner Mutter zu
leben. Sämtliche weiteren Fragen nach Einkünften, Forderungen oder Guthaben hat er
verneint. Dieses Verhalten lässt eine generelle Unredlichkeit in wirtschaftlichen
Angelegenheiten erkennen. Immerhin scheut der Bevollmächtigte nicht davor zurück,
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das Gericht und seine Gläubiger durch unrichtige Angaben zu täuschen, um sich
Forderungen zu entziehen und damit ihm nicht zustehende Vorteile zu erlangen. Der
Bevollmächtigte erweist sich dadurch als allgemein ungeeignet zur eigenständigen
Verwaltung fremden Vermögens, sofern er unkontrolliert tätig werden kann. Der
Betroffene verfügt über nicht unerhebliches Vermögen. Das der erteilten
Generalvollmacht zugrunde liegende Auftragsverhältnis verlangt deshalb eine äußerst
gewissenhafte und sorgfältige sowie uneigennützige Verwaltung der verschiedenen
Vermögenswerte, die auch jederzeit überprüfbar sein muss. Das Verhalten des
Bevollmächtigen in der eigenen Vollstreckungssache begründet konkrete
Verdachtsmomente, dass er von seiner Vollmacht nicht immer redlich Gebrauch machen
und diese zu eigennützigen Zwecken missbrauchen könnte. Für diese erheblichen
Zweifel an der Geeignetheit des Bevollmächtigten, die die Einrichtung einer
Kontrollvollmacht rechtfertigen (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 1710; BayObLG ,
FamRZ 2003, 1219), reicht wegen des engen zeitlichen Zusammenhangs bereits das
geschilderte Verhalten, ohne dass es darauf ankommt, ob sich darüber hinaus
tatsächlich Verdachtsmomente zu einem Missbrauch der Vollmacht ergeben.
Weitere Zweifel an einer Geeignetheit für eine Vermögensverwaltung in diesem Umfang
bestehen auch deshalb, weil der Bevollmächtigte auf Nachfragen nicht umgehend eine
genaue und nachvollziehbare Dokumentation der Ausgaben und Einnahmen vorlegen
kann, um den Verbleib ungeklärter Beträge für Außenstehende darzulegen.
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Der mangelnden Eignung des Bevollmächtigten zur Verwaltung des fremden
Vermögens kann nicht durch eine effektive Kontrolle durch den Betroffenen begegnet
werden. Denn wie das Landgericht verfahrensfehlerfrei festgestellt hat, ist der Betroffene
nicht mehr in der Lage ist, seinen Generalbevollmächtigten zu beaufsichtigen und zu
kontrollieren. Hierzu hat die Kammer sich auf das zeitnahe Gutachten Dr. J. bezogen,
das zu diesem Ergebnis gelangt ist. Die Kammer hat sich im einzelnen und
überzeugend mit den Einwänden gegen dieses Gutachten auseinandergesetzt. Zur
Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf diese Ausführungen Bezug.
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Die angeordnete Kontrollbetreuung steht, soweit sie sich auf den vermögensrechtlichen
Aufgabenbereich bezieht, auch in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben
(BVerfG vom 10.10.2008 – 1 BvR 1415/08, in juris) zum Widerruf der Vollmacht, da sie
nur die Prüfung eines Widerrufs, nicht dessen Ausführung gestattet.
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b.
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Hinsichtlich der Vollmacht zur Wahrnehmung der persönlichen Angelegenheiten bedarf
es hingegen keiner Kontrollbetreuung. Weder aus den Feststellungen des Landgerichts
noch aus dem übrigen Akteninhalt ergeben sich Anhaltspunkte auf eine
Unzuverlässigkeit des Bevollmächtigten in diesem Bereich. Deshalb steht die
Einrichtung der Kontrollbetreuung für persönliche Angelegenheiten nicht in Einklang mit
§ 1896 Abs. 3 BGB. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren mithin abzuändern.
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Eine Kostenentscheidung ist wegen § 131 Abs. 2 KostO nicht geboten.
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Rechtsbeschwerdewert: 4.000,- €
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