Urteil des OLG Köln vom 02.08.2001

OLG Köln: grobes verschulden, mitverschulden, unfall, betriebsstätte, unternehmen, verkehrssicherheit, entlastungsbeweis, lohnfortzahlung, arbeitsunfähigkeit, unternehmer

Oberlandesgericht Köln, 8 U 19/01
Datum:
02.08.2001
Gericht:
Oberlandesgericht Köln
Spruchkörper:
8. Zivilsenat
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
8 U 19/01
Vorinstanz:
Landgericht Köln, 16 O 17/00
Tenor:
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom
05. Januar 2001 - 16 O 17/00 - abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die
Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin
9.633,85 DM nebst 4% Zinsen ab dem 10.10.1999 zu zahlen. Die
weitergehende Klage bleibt abgewiesen. Wegen des weitergehenden
Zinsanspruchs wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die
Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 14% und
die Beklagten als Gesamtschuldner zu 86%. Die Kosten des
Berufungsverfahrens werden den Beklagten als Gesamtschuldnern
auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin, die ein Speditions- und Frachtunternehmen betreibt, verlangt von den
Beklagten Schadensersatz, der ihr infolge der Lohnfortzahlung an ihren bei einem Unfall
am 06.08.1999 verletzten Arbeitnehmer, den in erster Instanz vernommenen Zeugen W.,
in der Zeit seiner unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit vom 06.08.1999 bis zum
26.09.1999 entstanden ist.
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Am 06.08.1999 fuhr der Zeuge W. mit einem Lkw der Klägerin, die Subunternehmerin
eines von der Beklagten zu 1) mit einem Warentransport nach Sch. beauftragten
Drittunternehmens war, zu dem in einem Gewerbepark gelegenen Firmengelände der
Beklagten zu 1), um dort die zu transportierenden Waren aufzuladen. Er stellte den Lkw
vor der (ebenerdigen) Verladehalle ab und begann mit dem Aufplanen, um das Beladen
des Lkw zu ermöglichen. Dabei wurde er von einem rückwärtsfahrenden Gabelstapler,
der von dem Beklagten zu 2) gesteuert wurde, verletzt. Bei dem Beklagten zu 2)
handelte es sich um einen Leiharbeitnehmer, der für die Beklagte zu 1) seit dem
16.12.1998 ununterbrochen tätig war. Er war nicht mit dem Beladen des Lkw der
Klägerin beauftragt, sondern mit einer anderweitigen Tätigkeit beschäftigt. Der genaue
Ablauf des Unfalls ist streitig. Die Parteien streiten vor allem um die Frage, ob sich die
Beklagten auf die Haftungsfreistellung nach §§ 104 ff. SGB VII berufen können.
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Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass zu Gunsten der
Beklagten die Haftungsfreistellung nach §§ 104 ff. SGB VII eingreife. Mit der Berufung
verfolgt die Klägerin ihren ursprünglich weitergehenden Zahlungsantrag in Höhe von
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9.633,85 DM weiter. Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den
Tatbestand des angefochtenen Urteils und die gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
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1. Die Klägerin hat gegen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner einen
Anspruch auf Zahlung von 9.633,85 DM aus §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1, 830 Abs. 1, 840
Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 EFZG, da die Beklagten für den durch die Verletzung des Zeugen
W. in der Zeit vom 06.08. bis 26.09.1999 entstandenen Lohnfortzahlungsschaden in
voller Höhe einzustehen haben.
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a) Die Beklagten haben der Klägerin den Lohnfortzahlungsschaden, der ihr durch den
Unfall des Zeugen W. am 06.08.1999 entstanden ist, gemäß §§ 823 Abs. 1, 831 Abs. 1,
830 Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 EFZG zu ersetzen. Der Zeuge W. ist durch den Beklagten zu
2) widerrechtlich verletzt worden, als dieser mit seinem Gabelstapler im Bereich der
Verladehalle der Beklagten zu 1) unaufmerksam rückwärts gefahren ist und dabei den
Zeugen W. erfasst hat.
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aa) Der Beklagte zu 2) hat - was für seine eigene Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB
Voraussetzung ist - auch schuldhaft gehandelt. Hierfür spricht bereits der Beweis des
ersten Anscheins (vgl. OLG Düsseldorf VRS 55, 412). Wer mit einem (motorbetriebenen)
Fahrzeug rückwärts fährt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer
ausgeschlossen ist (für den Straßenverkehr vgl. § 9 Abs. 5 StVO); insbesondere muss
er, sei es durch Blick in den Rückspiegel (sofern bei einem Gabelstapler vorhanden), sei
es durch Umblicken über die Schulter, den rückwärtigen Verkehrsraum ständig äußerst
sorgfältig beobachten und sofort anhalten können, falls ein Hindernis auftaucht. Das
Unfallereignis lässt nach dem ersten Anschein nur darauf schließen, dass der Beklagte
zu 2) diese Sorgfaltsanforderungen schuldhaft verletzt hat. Er hat keine Tatsachen
vorgetragen, die diesen Anscheinsbeweis zu erschüttern vermochten.
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bb) Die Haftung der Beklagten zu 1) ergibt sich aus § 831 Abs. 1 BGB. Der Beklagte zu
2) ist Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 1), weil er während der Dauer des
Leiharbeitsverhältnisses in den Betrieb der Beklagten zu 1) eingegliedert und von deren
Weisungen abhängig war (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1430, 1431; Stein, in:
Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, § 831 Rn. 40). Der Schaden ist auch in
Ausführung einer Verrichtung im Sinne des § 831 Abs. 1 BGB entstanden, weil der
Beklagte zu 2) den Unfall im Zusammenhang mit einer Tätigkeit für die Beklagte zu 1)
verursacht hat.
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Die Beklagte zu 1) hat den ihr obliegenden Entlastungsbeweis nach § 831 Abs. 1 S. 2
BGB nicht geführt. Sie hat nämlich nicht dargelegt, dass sie den Beklagten zu 2) mit der
erforderlichen Sorgfalt überwacht hat. An den Beweis einer ausreichenden
Überwachung eines angestellten Kraftfahrers sind im Interesse der Verkehrssicherheit
strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BGH r+s 1997, 364). Eine sorgfältige
Überwachung erfordert fortdauernde, planmäßige, unauffällige und unerwartete
Kontrollen, insbesondere auch heimliche Überwachungen, während z.B. Schulungen
allein nicht ausreichend sind (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1998, 1403). Diesen
Anforderungen hat die Beklagte zu 1) nicht genügt. Nach ihrem eigenen Vortrag haben
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sich bezüglich des Beklagten zu 2) in der Vergangenheit keine Beanstandungen
ergeben. Bei Arbeitsaufnahme seien ihm die allgemeinen Sicherheitsbelehrungen
ausgehändigt und er von einem anderen Mitarbeiter der Beklagten zu 1), einem sog.
Paten, eingewiesen worden; in der Folgezeit sei er "engmaschig, nämlich in täglichen
Besprechungen, in monatlichen Sicherheitsgesprächen und anlässlich der Qualitäts-
und Sicherheitsschulungen überwacht" worden. Dies ist von dem Zeugen C. bei seiner
Vernehmung vor dem Landgericht bestätigt worden. Aus der Aussage des Zeugen C.
ergibt sich jedoch nicht, dass der Beklagte zu 2) in Bezug auf seine Fahrweise auch
(regelmäßig, planmäßig, unauffällig und unerwartet) kontrolliert worden ist. Der
Umstand, dass es in der Vergangenheit zu keinen Unfällen gekommen ist, lässt nicht
auf eine sorgfältige und verkehrssichere Fahrweise des Beklagten zu 1) schließen.
Allein die Durchführung von Sicherheitsgesprächen und Schulungen reicht nicht aus,
um den strengen Anforderungen einer hinreichenden Überwachung gerecht zu werden.
Vielmehr hätte sich die Beklagte zu 1) auch durch Kontrollen davon überzeugen
müssen, dass der Beklagte zu 2) die Sicherheitshinweise auch in die Praxis umsetzt.
Soweit der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor
dem Senat ergänzend vorgetragen hat, die Beklagte zu 1) habe den Beklagten zu 2)
auch vor Ort kontrolliert, ist dies mangels näherer Angaben zu genauen Zeitpunkten und
dem Turnus der Kontrollen unsubstantiiert. Damit kann bereits nach dem Vortrag der
Beklagten zu 1) nicht davon ausgegangen werden, dass sie ihrer Überwachungspflicht
nachgekommen ist. Da nicht auszuschließen ist, dass der Schaden bei Anwendung
dieser erforderlichen Überwachungsmaßnahmen im Ergebnis vermieden worden wäre,
ist der Entlastungsbeweis nicht geführt.
cc) Den Zeugen W. trifft an dem Unfall kein Mitverschulden nach § 254 BGB, das der
Klägerin anspruchsmindernd entgegengehalten werden könnte.
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Ein Mitverschulden des Zeugen W. ist nicht darin zu sehen, dass er sich nicht im
Führerhaus seines Lkw befand, sondern mit dem Aufplanen beschäftigt war. Denn
hierzu war er von einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) ausdrücklich aufgefordert
worden, was im übrigen auch den Gepflogenheiten des Ladevorgangs entsprach. Dass
er das Führerhaus zum zweiten Mal verlassen hatte, weil der Wind die Plane wieder
heruntergerissen hatte, hat die Beweisaufnahme vor dem Landgericht nicht ergeben. Im
übrigen wäre aus den vorgenannten Gründen auch hierin kein Mitverschulden zu sehen.
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Dem Zeugen W. ist auch nicht zum Vorwurf zu machen, dass er den Gabelstapler nicht
gehört bzw. gesehen hat. Dieser verursacht zwar beim Rückwärtsfahren - wie alle vor
dem Landgericht vernommene Zeugen bekundet haben - ein sog. Pieps- oder
Hupgeräusch und verfügt auch über Rückfahrscheinwerfer. Dass der Zeuge W. das
Geräusch schuldhaft überhört hat, steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber
nicht fest. Der Zeuge L., der mit seinem Gabelstapler den Lkw der Klägerin beladen
sollte, hat zwar bekundet, dass der Zeuge W. das Geräusch hätte erkennen müssen.
Ebenso hat der Zeuge C. das Geräusch als "störend und extrem laut" beschrieben,
welches "eigentlich" kaum zu überhören sei. Andererseits konnte sich der Zeuge L.
nicht daran erinnern, ob er selbst den Motor des Gabelstaplers gehört hat. Letztlich kann
dies dahin stehen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass der Zeuge W. das Geräusch
unverschuldet überhört hat. Nach der Bekundung des Zeugen L. war der Zeuge W. zum
Unfallzeitpunkt mit dem Aufplanen beschäftigt, so dass er dadurch abgelenkt war und
dem Gabelstapler den Rücken zugewendet haben dürfte, wobei auch das Aufplanen
Geräusche verursacht haben wird. Darüber hinaus sind bei der Beklagten zu 1) nach
der Aussage des Zeugen L. 10 bis 12 Gabelstapler beschäftigt, die einschichtig
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arbeiten. Es ist nicht dargetan, dass zum Unfallzeitpunkt sämtliche Fahrer ihre Arbeit
gerade eingestellt hatten. Ob auch der Gabelstapler des Zeugen L. Geräusche von sich
gegeben hat, kann dahin stehen. Auszuschließen ist dies jedenfalls nicht. Der Zeuge W.
hat immerhin bekundet, dass der Zeuge L. bereits mit dem Beladen des Lkw begonnen
hatte, während der Zeuge L. dies bestritten hat. Aufgrund dieser Umstände kann
jedenfalls nicht mit der notwendigen Gewissheit ein Mitverschulden des Zeugen W. als
bewiesen angesehen werden.
Selbst wenn man von einem Mitverschulden des Zeugen W. ausgehen würde, würde
dieses bei einer Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile
hinter das Verschulden des Beklagten zu 2) gänzlich zurücktreten. Denn während das
Mitverschulden des Zeugen W. nur als sehr gering bewertet werden kann, weil dieser
weisungsgemäß mit dem Aufplanen seines Lkw beschäftigt und dadurch abgelenkt war,
liegt auf Seiten des Beklagten zu 2) - wie oben ausgeführt - ein grobes Verschulden vor.
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dd) Die Klägerin hat die Dauer der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit des Zeugen W.
durch die Bescheinigungen des Arztes Dr. med. E.-K. vom 20.09.1999 und 23.09.1999
(Bl. 17 GA) sowie die Höhe der Lohnfortzahlung von 9.633,85 DM für die Zeit vom
06.08.1999 bis zum 26.09.1999 durch die Berechnung vom 20.04.2001 (Bl. 236 GA) und
die in Ablichtung zur Gerichtsakte gereichte Lohnsteuerkarte des Zeugen W. für das
Jahr 1999 (Bl. 237 GA) ausreichend belegt (§ 287 ZPO). Im übrigen sind die Beklagten
im Berufungsverfahren dem Vortrag der Klägerin zur Anspruchshöhe auch nicht mehr
entgegengetreten.
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b) Die Haftung der Beklagten ist nicht nach § 104 Abs. 1 S. 1 SGB VII ausgeschlossen.
Der Zeuge W. war zum Unfallzeitpunkt weder für das von der Beklagten zu 1)
betriebene Unternehmen tätig noch stand er zur Beklagten zu 1) in einer sonstigen die
Versicherung begründenden Beziehung im Sinne der 2. Alternative dieser Vorschrift.
Denn dies würde voraussetzen, dass die Tätigkeit, bei der der Zeuge W. geschädigt
worden ist, für den Unfallbetrieb und nicht für den Stammbetrieb geleistet worden ist
(vgl. BAG VersR 1991, 902 [zu §§ 636, 637 RVO]; OLG Karlsruhe r+s 1999, 373; Ricke,
in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand. 01.12.2000, § 104 SGB
VII Rn. 11). Ist der Verletzte Betriebsangehöriger eines anderen Unternehmens, ist
entscheidend, welchem Aufgabenbereich - dem des Unfallbetriebes oder dem des
Stammbetriebes - die Tätigkeit zuzuordnen ist, bei der er den Unfall erlitten hat. Erfüllt
der Verletzte sowohl Zwecke des Stammbetriebs als auch des Unfallbetriebs, kommt es
für die Zuordnung seiner Tätigkeit darauf an, welche Aufgaben ihr das "Gepräge" geben
(vgl. BAG a.a.O.).
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Nach diesen Maßgaben ist von der Rechtsprechung für den Bereich des Be- oder
Entladevorgangs z. B. entschieden worden, dass Anweisungen für ein sicheres
Aufsetzen der Ladung auf den Lkw zumindest in gleichem Maße noch dem
Stammbetrieb (= Transportbetrieb) zuzuordnen seien, weil diese auch der Erfüllung der
Pflicht der §§ 22, 23 StVO (Sicherung der Ladung gegen Verrutschen während der
Fahrt, Verkehrssicherheit des Fahrzeuges) dienten (vgl. BAG VersR 1991, 902 f.),
während das Lösen der Kranseile nach dem Absetzen der Ladung auf der Ladefläche
des Lkw nicht mehr zum sicheren Verstauen der Ladung gehöre, sondern Sache des
Unfallbetriebs (= Ladebetrieb) sei, weil diese Tätigkeit ausschließlich die Entfernung
des Ladegeräts vom Ladegut betreffe (vgl. BAG VersR 1991, 902, 903).
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Danach ist das Zurückziehen der Plane (noch) nicht dem eigentlichen Ladevorgang
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zuzurechnen. Zwar wird hierdurch das weitere Beladen des Lkw erst ermöglicht.
Andererseits ist das Zurückziehen der Plane Aufgabe des jeweiligen Lkw-Fahrers, weil
nur dieser einen evtl. Verschluss öffnen kann oder sich mit möglichen Besonderheiten
der Plane auskennt und z. B. Beschädigungen der Plane im Falle eines
unsachgemäßen Zurückziehens vermeiden kann. Schließlich ist der Fahrer nach § 23
StVO auch für das Verschließen des Lkw mit der Plane verantwortlich, da ein
Herumflattern der Plane nach Fortsetzung der Fahrt u.U. seine Sicht nach hinten und
damit die Verkehrssicherheit beeinträchtigen könnte. Die entgegenstehende
Entscheidung des Landgerichts Osnabrück (SP 1999, 412; Vorinstanz: AG Papenburg,
SP 1999, 197) kann nicht überzeugen. Soweit sich das Landgericht Osnabrück auf die
erwähnte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bezieht, setzt es sich nicht mit der
oben dargelegten differenzierten Sichtweise auseinander.
Ob der Verletzte in den Fällen des § 106 Abs. 3 SGB VII zu dem betriebsfremden
Unternehmer "in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung" im Sinne
des § 104 Abs. 1 SGB VII steht (vgl. hierzu OLG Hamm r+s 2001, 150), kann offen
bleiben, da vorliegend die Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 SGB VII nicht erfüllt sind
(siehe nachfolgend unter c).
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c) Die Haftung der Beklagten ist auch nicht nach § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII
ausgeschlossen. Dabei kann dahin stehen, ob sich die Beklagte zu 1) als
Unternehmerin überhaupt auf die Haftungsprivilegierung berufen könnte (vgl. zu dieser
Streitfrage nur OLG Karlsruhe r+s 1999, 373, 374; r+s 1999, 375, 376; OLG Hamm r+s
2001, 150; Imbusch VersR 2001, 547, 552 ff. jew. m. w. Nachw.). Denn die
Voraussetzung des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII, die Verrichtung einer vorübergehend
betrieblichen Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte, liegt im Verhältnis
zwischen dem Geschädigten und dem Beklagten zu 2) mangels "gemeinsamer"
Betriebsstätte nicht vor.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der sich der Senat anschließt, meint
der Begriff der gemeinsamen Betriebsstätte im Sinne des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII
ein bewusstes Miteinander im Arbeitsablauf, das zwar nicht nach einer rechtlichen
Verfestigung oder auch nur ausdrücklichen Vereinbarung verlangt, sich aber zumindest
tatsächlich als ein aufeinander bezogenes betriebliches Zusammenwirken mehrerer
Unternehmen darstellt. Die Haftungsfreistellung des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII umfasst
damit über die Fälle der Arbeitsgemeinschaft hinaus betriebliche Aktivitäten von
Versicherten mehrerer Unternehmen, die bewusst und gewollt bei einzelnen
Maßnahmen ineinander greifen, miteinander verknüpft sind, sich ergänzen oder
unterstützen, wobei es ausreicht, dass die gegenseitige Verständigung stillschweigend
durch bloßes Tun erfolgt (vgl. BGHZ 145, 331 = r+s 2001, 26, 28; BGH r+s 2001, 149).
Dabei kommt es - wie auch der eindeutige Wortlaut des § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII
durch sein Abstellen auf die Verrichtung betrieblicher Tätigkeiten durch die
"Versicherten" zeigt - entscheidend darauf an, dass die Tätigkeiten des Geschädigten
und des Schädigers in der konkreten Unfallsituation miteinander verknüpft waren. Es
genügt daher nicht, wenn die Tätigkeiten der Unfallbeteiligten abstrakt hätten
aufeinander bezogen sein können (vgl. BGH r+s 2001, 149, 150).
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Nach diesen Grundsätzen ist das Vorliegen einer "gemeinsamen" Betriebsstätte zu
verneinen. Der Zeuge W. hatte seinen Lkw zum Aufnehmen von Ladung vor der
Verladehalle der Beklagten zu 1) abgestellt und mit dem Aufplanen des Fahrzeuges
begonnen, als er von dem Beklagten zu 2) mit dessen Gabelstapler angefahren wurde.
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Da der Beklagte zu 2) aber nicht zum Beladen des klägerischen Lkw eingeteilt war,
sondern eine anderweitige Tätigkeit verrichtete, trafen der Zeuge W. und der Beklagte
zu 2) rein zufällig aufeinander. Ein bewusstes und gewolltes Ineinandergreifen beider
Tätigkeiten lag nicht vor. Vielmehr vollzogen sich die Tätigkeiten des Zeugen W. und
des Beklagten zu 2) beziehungslos nebeneinander. Allein der Umstand, dass die
Tätigkeiten des Zeugen W. und des Beklagten zu 2) der Abwicklung der geschäftlichen
Beziehungen zwischen der Beklagten zu 1) und ihren Lieferanten oder Kunden dienen
sollten, ist nicht geeignet, die beiderseitigen Aktivitäten in der erforderlichen Weise
miteinander zu verknüpfen. Die Tätigkeiten des Zeugen W. und des Beklagten zu 2)
waren daher nicht aufeinander bezogen oder im Sinne der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs miteinander verknüpft. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn der
Beklagte zu 2) beauftragt gewesen wäre, den Lkw der Klägerin zu beladen, und/oder
diese Tätigkeit bereits sogar aufgenommen hätte (zu einer solchen Fallgestaltung vgl.
OLG Karlsruhe r+s 1999, 375; Imbusch VersR 2001, 547, 551), kann dahin stehen; ein
solcher Sachverhalt liegt hier nicht vor.
2. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs.1 S. 1 BGB a.F. Da der Schaden
endgültig erst mit Ablauf des 26.09.1999 eingetreten ist, konnten die Beklagten nicht
aufgrund des Schreibens der Klägerin vom 18.08.1999 in Verzug geraten, sondern erst
durch das Schreiben vom 29.09.1999.
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3. Die Nebenentscheidungen finden ihre Grundlage in §§ 91, 92, 100 Abs. 4, 708 Nr. 10,
713 ZPO.
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Streitwert für das Berufungsverfahren und zugleich Beschwer für die Beklagten:
9.633,85 DM
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